Entscheidungsdatum: 07.02.2012
Für eine vor dem 10. August 1994 eingetragene Aktiengesellschaft, die keine Familiengesellschaft ist, besteht ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, wenn die Gesellschaft mindestens fünf Arbeitnehmer hat.
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 14. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Der Geschäftswert wird auf 50.000 € festgesetzt.
I.
Die Beteiligten streiten über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin, einer bereits vor 1994 im Handelsregister eingetragenen Aktiengesellschaft.
Die Antragsgegnerin, bei der es sich nicht um eine Familiengesellschaft handelt, beschäftigte im Jahr 2010 zunächst drei, seit August 2010 nur noch zwei Arbeitnehmer. Der Aufsichtsrat war aus zwei Mitgliedern der Anteilseigner und einem Arbeitnehmervertreter zusammengesetzt. Mit Bekanntmachung vom 23. März 2010, veröffentlicht im elektronischen Bundesregister am 26. März 2010, teilte der Vorstand der Antragsgegnerin mit, dass nach seiner Ansicht der Aufsichtsrat der Gesellschaft nicht nach den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt sei. Da die Gesellschaft inzwischen in der Regel weniger als fünf Arbeitnehmer beschäftige, sei die Verpflichtung zur Bildung eines Aufsichtsrates nach dem Drittelbeteiligungsgesetz entfallen.
Der Antragsteller ist Aktionär der Antragsgegnerin und hält seit dem 1. April 2010 50 Inhaberaktien. Am 16. April 2011 hat der Antragsteller die gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Antragsgegnerin gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 AktG beantragt. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Antrags beantragt.
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 18. November 2010, bekannt gemacht im elektronischen Bundesanzeiger am 3. Dezember 2010, festgestellt, dass sich der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 DrittelbG zusammensetzt. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Vorstandes der Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht (OLG Jena, ZIP 2011, 1257 ff.) den Beschluss des Landgerichts abgeändert und festgestellt, dass für die Antragsgegnerin das Drittelbeteiligungsgesetz nicht gilt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist gemäß § 99 Abs. 1 AktG i.V.m. § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin wird vom Anwendungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes nicht erfasst.
a) Der Antragsteller ist gemäß § 98 Abs. 2 Nr. 3 AktG antragsbefugt. Das Antragsrecht des Aktionärs ist an keine weiteren Voraussetzungen gebunden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist für eine analoge Anwendung von § 245 Nr. 1 und 3 AktG mangels einer Regelungslücke im Statusverfahren kein Raum. Eine Regelungslücke besteht angesichts der Unterscheidung in § 98 Abs. 2 AktG, das Antragsrecht bei den Nr. 1 bis 4 im Gegensatz zu den Nr. 5 bis 10 nicht an weitere Voraussetzungen zu knüpfen, nicht.
b) Der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin setzt sich nicht gemäß § 96 Abs. 1 AktG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, § 4 Abs. 1 DrittelbG aus Mitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer zusammen. Ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach dem Drittelbeteiligungsgesetz besteht für eine Alt-Aktiengesellschaft, die vor dem 10. August 1994 eingetragen worden und keine Familiengesellschaft ist, wenn sie mindestens fünf Arbeitnehmer hat.
aa) In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob das Drittelbeteiligungsgesetz auf vor dem 10. August 1994 eingetragene Aktiengesellschaften entgegen dem Wortlaut in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG erst ab einer bestimmten Arbeitnehmeranzahl anzuwenden ist.
Teilweise wird unter Rückgriff auf den Gesetzeswortlaut der Anwendungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes ohne Einschränkung als eröffnet angesehen und somit in einer Alt-Aktiengesellschaft, die keine Familiengesellschaft ist, bereits ein Arbeitnehmer als ausreichend erachtet, um die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat zu eröffnen (zu § 76 BetrVG 1952: Gaul, AuR 1966, 366, 367 f.;Kirschner, DB 1971, 2063, 2064; Mertens in KK-AktG, 2. Aufl., Anh § 117 E BetrVG 1952 Rn. 15; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 76 BetrVG 1952 Rn. 61; zu § 1 DrittelbG: MünchHdbArbR/Wißmann, 3. Aufl., § 285 Rn. 3;Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, 7. Aufl., Rn. 158; Fuchs/Köstler, Handbuch zur Aufsichtsratswahl, 4. Aufl., Rn. 45; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 96 Rn. 21; Hölters/Siemons, AktG, § 96 Rn. 34; Bürgers/Israel in Bürgers/ Körber, AktG, 2. Aufl., § 96 Rn. 6; Kleinsorge in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, 3. Aufl., § 1 DrittelbG Rn. 7 f.; ErfK/Oetker, 12. Aufl., § 1 DrittelbG Rn. 8). Neben dem einschränkungslosen Gesetzeswortlaut in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG (bzw. § 76 Abs. 6 BetrVG 1952) folgern diese Stimmen aus § 4 Abs. 2 DrittelbG (bzw. § 76 Abs. 2 Satz 2 BetrVG 1952), dass eine Aktiengesellschaft bereits bei der Beschäftigung nur eines wahlberechtigten Arbeitnehmers mitbestimmt ist.
Andere Stimmen fordern eine Mindestzahl von drei Arbeitnehmern (zu § 76 BetrVG 1952: Radke, AuR 1958, 161, 166; Richardi in Festschrift Zeuner, 1994, S. 147, 148 f.; zu § 1 DrittelbG: MünchKommAktG/Habersack, 3. Aufl., § 96 Rn. 18; Habersack in Ulmer/Henssler/Habersack, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl., § 1 DrittelbG Rn. 17; Raiser/Veil, Mitbestimmungsgesetz und Drittelbeteiligungsgesetz, 5. Aufl., § 1 DrittelbG Rn. 6; MünchKommAktG/Gach, 3. Aufl., § 1 DrittelbG Rn. 13). Zur Begründung wird dabei § 31 Abs. 2 WahlO 1953 (Wahlvorschrift aus der Ersten Rechtsverordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 vom 18. März 1953, BGBl. I S. 58) i.V.m. § 87 BetrVG 1952 bzw. § 2 Abs. 2 WODrittelbG (Verordnung zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Drittelbeteiligungsgesetz - Wahlordnung zum Drittelbeteiligungsgesetz vom 23. Juni 2004, BGBl. I S. 1393) i.V.m. § 13 DrittelbG herangezogen, wonach der Wahlvorstand für die Wahl und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder aus drei Arbeitnehmern bestehen soll; zum Teil wird darüber hinaus auch auf § 4 Abs. 2 DrittelbG abgestellt.
Eine weitere Ansicht - der sich das Beschwerdegericht angeschlossen hat - verlangt mindestens fünf Arbeitnehmer für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Vorschriften über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat für die Alt-Aktiengesellschaften (zu § 76 BetrVG 1952: ArbG Frankfurt/Main, NJW 1954, 656; LG Frankfurt/Main, NJW 1956, 598; GK-BetrVG/Kraft, 6. Aufl., Bd. 2, § 76 BetrVG 1952 Rn. 6; Dietz/Richardi, BetrVG, Bd. 2, 6. Aufl., § 76 BetrVG 1952 Rn. 8 f.; Weitzel, BB 1952, 806; Schmidt, NJW 1952, 1353, 1355 f.; von Köhler, BB 1953, 562, 563; Rüthers, BB 1977, 605, 606; Röder/Gneiting, DB 1993, 1618, 1619; zu § 1 DrittelbG: Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 96 Rn. 12; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 96 Rn. 16; Hoffmann-Becking in MünchHdbAG IV, 3. Aufl., § 28 Rn. 5; Seibt in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 4. Aufl., § 1 DrittelbG Rn. 12; Cramer, GWR 2011, 362). Diese Ansicht stellt darauf ab, dass es bei der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nicht nur um eine bloße Beteiligung von Arbeitnehmern an Unternehmensentscheidungen gehe, sondern um eine kollektive Interessenvertretung der Belegschaft durch die Wahl von Arbeitnehmervertretern. Das Betriebsverfassungsgesetz zeige, dass der Gesetzgeber für die Errichtung von Betriebsräten eine solche erst ab einer Mindestgröße von fünf Arbeitnehmern für notwendig und sinnvoll halte, weshalb diese Mindestanzahl auch für die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat zu fordern sei.
bb) § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG ist nach seinem Sinn und Zweck, der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte von § 76 BetrVG 1952 dahin auszulegen, dass für eine vor dem 10. August 1994 eingetragene Aktiengesellschaft, die keine Familiengesellschaft ist, ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat besteht, wenn die Gesellschaft entsprechend § 1 Abs. 1 BetrVG mindestens fünf Arbeitnehmer hat.
(1) Der Wortlaut von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG enthält keine Einschränkung. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 DrittelbG haben die Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat in einer Aktiengesellschaft mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. Ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat besteht nach Satz 2 auch in einer Aktiengesellschaft mit in der Regel weniger als 500 Arbeitnehmern, die vor dem 10. August 1994 ins Handelsregister eingetragen worden und keine Familiengesellschaft ist.
(2) Der Entstehungsgeschichte von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 DrittelbG lässt sich nichts Näheres entnehmen.
Die Beteiligung der Arbeitnehmer einer Aktiengesellschaft im Aufsichtsrat des Unternehmens war zunächst in den §§ 76 bis 87a des Betriebsverfassungsgesetzes vom 14. Oktober 1952 (BGBl. I S. 681 - BetrVG 1952) geregelt. Gemäß § 76 Abs. 1 BetrVG 1952 musste der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen. Nach § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 fanden die Vorschriften über die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat auf Aktiengesellschaften, die Familiengesellschaften sind und weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, keine Anwendung.
Mit Wirkung zum 10. August 1994 wurde § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2. August 1994 (BGBl. I S. 1961) dahingehend geändert, dass auf Aktiengesellschaften, die weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, die Vorschriften über die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat keine Anwendung fanden; für vor dem 10. August 1994 eingetragene Aktiengesellschaften galt dies nur, wenn es sich um Familiengesellschaften handelte. Mit der Neuregelung sollte bisher nicht mitbestimmten mittelständischen Unternehmen der Weg in die Aktiengesellschaft erleichtert werden. Wegen dieser eindeutigen Zielsetzung sah der Gesetzgeber kein zwingendes Bedürfnis, für bestehende Aktiengesellschaften mit weniger als 500 Arbeitnehmern ähnliches vorzusehen, zumal diese gelernt hätten, mit der Mitbestimmung umzugehen. Zu der bereits damals streitigen Frage, ob eine Mindestzahl an Arbeitnehmern erforderlich war, nahm er keine Stellung (vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts, BT-Drucks. 12/7848, S. 9 f.).
Diese Regelung wurde im am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vom 18. Mai 2004 (BGBl. I S. 974) in § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG übernommen. Mit dem Drittelbeteiligungsgesetz wollte der Gesetzgeber der Praxis anwenderfreundliche Regelungen zur Verfügung stellen, ohne den bisherigen Geltungsbereich und Inhalt des Gesetzes zu verändern (Zweites Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat - BT-Drucks. 15/2542, S. 1).
(3) Die Entstehungsgeschichte von § 76 BetrVG 1952, auf den die Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG zurückgeht, legt einen Zusammenhang der Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat mit der Einrichtung eines Betriebsrats, der wie heute erst ab fünf Arbeitnehmern zu bilden war, und damit die Notwendigkeit einer Mindestzahl von Arbeitnehmern nahe.
Nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben - Betriebsverfassungsgesetz (BT-Drucks. 1/1546) sollten bei allen juristischen Personen, für die ein Aufsichtsrat besteht, auch die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vertreten sein. Das zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern zuständige Gesellschaftsorgan sollte die Arbeitnehmervertreter aus einer Vorschlagsliste des Betriebsrats wählen (BT-Drucks. 1/1546, S. 28 und 69). Damit wurde offensichtlich vorausgesetzt, dass in Gesellschaften, in denen Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vertreten sein sollten, die für die Wahl eines Betriebsrats notwendige Zahl an Arbeitnehmern vorhanden war.
Dass nach dem Bericht des Ausschusses für Arbeit zu diesem Gesetzentwurf der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft „in jedem Fall“ bzw. mit Ausnahme der Familiengesellschaften „ohne Rücksicht auf die Zahl der Arbeitnehmer“ (BT-Drucks. 1/3585, S. 17 und 18) zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen sollte, lässt vor diesem Hintergrund nicht den Schluss zu, dass die Zahl der Arbeitnehmer keine Bedeutung haben sollte. Die Abgrenzung bezog sich darauf, dass für die Mitbestimmung im Aufsichtsrat für die juristischen Personen, die nicht kraft Gesetzes bereits einen Aufsichtsrat zu bilden hatten, die Bildung eines Aufsichtsrats ab einer Mindestgröße von 500 Arbeitnehmern vorgeschrieben wurde. Dass im Gegenteil auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren von einer gewissen Zahl an Arbeitnehmern für die Mitbestimmung im Aufsichtsrat ausgegangen wurde, ergibt sich auch daraus, dass die Wahl der Arbeitnehmervertreter aufgrund von Wahlvorschlägen erfolgen sollte. Vorschlagsberechtigt sollten die Betriebsräte und ein Zehntel der wahlberechtigten Arbeitnehmer oder mindestens 100 Wahlberechtigte (BT-Drucks. 1/3585 S. 17) sein.
(4) Die Gesetzessystematik spricht dafür, den Anwendungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes erst ab einer Mindestanzahl von fünf Arbeitnehmern als eröffnet anzusehen.
(aa) Die sinnvolle Wahrnehmung der kollektiven Interessen der Arbeitnehmer erfordert eine Personenmehrheit, die der Gesetzgeber in § 1 BetrVG auf mindestens fünf Arbeitnehmer bestimmt hat. Die gesetzlichen Wurzeln für die kollektive Interessenvertretung der Arbeitnehmer liegen sowohl für die Bildung eines Betriebsrats als auch die Beteiligung im Aufsichtsrat im Betriebsverfassungsgesetz 1952. Im Betriebsverfassungsgesetz 1952 war neben § 76 BetrVG 1952, der Vorgängervorschrift von § 1 DrittelbG, in § 8 BetrVG 1952 die Errichtung von Betriebsräten geregelt. § 1 BetrVG entspricht inhaltlich § 8 BetrVG 1952. Danach werden in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt. Diese Mindestanzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer erklärt sich daraus, dass Träger des Beteiligungsrechtes die Arbeitnehmerschaft als solche ist. Einer Gruppe von Arbeitnehmern, die diesen Schwellenwert unterschreitet, billigt der Gesetzgeber eine Vertretung durch einen Betriebsrat und damit die Ausübung der Beteiligungsrechte in innerbetrieblichen Angelegenheiten nicht zu. Etwas anderes kann für eine Belegschaft von weniger als fünf Arbeitnehmern hinsichtlich der Wahrnehmung ihrer Interessen im Aufsichtsrat nicht gelten. Denn auch bei der Mitbestimmung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat geht es nicht einfach um die Beteiligung von Arbeitnehmern, sondern um die sachgerechte Ausübung kollektiver Beteiligungsrechte (GK-BetrVG/Kraft, 6. Aufl., Bd. 2, § 76 BetrVG 1952 Rn. 7). Die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 ergänzte als fünfter Abschnitt des vierten Teils die Mitwirkung über den Betriebsrat, die im ersten bis vierten Abschnitt geregelt war. Die Mitwirkung durch den Betriebsrat und die Mitbestimmung der Arbeitnehmer waren im vierten Teil des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 zusammengefasst. Das spricht dafür, die für die Bildung des Betriebsrats im Betriebsverfassungsgesetz festgelegte Mindestarbeitnehmerzahl auch auf das Drittelbeteiligungsgesetz, das in § 3 Abs. 1, 2, § 4 Abs. 3, § 5 Abs. 2 DrittelbG ausdrücklich auf das Betriebsverfassungsgesetz verweist, zu übertragen.
(bb) Auch § 6 DrittelbG legt nahe, dass das Drittelbeteiligungsgesetz auf eine Alt-Aktiengesellschaft mit nur zwei Arbeitnehmern nicht anzuwenden ist. Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer werden von den wahlberechtigten Arbeitnehmern des Unternehmens gewählt, § 5 DrittelbG. Zwar ist eine Wahl als solche bereits bei nur zwei aktiv oder passiv wahlberechtigten Mitarbeitern des Unternehmens möglich. Gemäß § 6 Satz 1 DrittelbG erfolgt die Wahl aber auf Grund von Wahlvorschlägen der Betriebsräte und Arbeitnehmer. Ein Unternehmen mit nur zwei Mitarbeitern erreicht jedoch die Mindestanzahl von fünf Arbeitnehmern für die Wahl eines Betriebsrates gemäß § 1 BetrVG nicht, so dass es auch keinen Wahlvorschlag des Betriebsrates geben kann. Zudem wird aus § 6 Satz 2 DrittelbG, wonach die Wahlvorschläge der Arbeitnehmer von mindestens einem Zehntel der Wahlberechtigten oder von mindestens 100 Wahlberechtigten unterzeichnet sein müssen, deutlich, dass der Gesetzgeber für die Wahl der Arbeitnehmervertreter eine größere Zahl von Wahlberechtigten vor Augen hatte.
(5) Der Zweck des Drittelbeteiligungsgesetzes wird in Unternehmen mit nur zwei Arbeitnehmern nicht erreicht. Sinn des Mitbestimmungsrechts im Drittelbeteiligungsgesetz ist - wie zuvor in §§ 76 ff. BetrVG 1952 - die Sicherung der kollektiven Interessenvertretung der Belegschaft im Aufsichtsrat. Die Mitbestimmungsrechte für Arbeitnehmer dienen dazu, die mit ihrer Unterordnung unter fremde Leitungs- und Organisationsgewalt verbundene Fremdbestimmung durch die institutionelle Beteiligung an unternehmerischen Entscheidungen zu mildern. Erst die mit dem Überschreiten einer bestimmten Unternehmensgröße auftretenden Probleme der Anonymisierung der Arbeitnehmer, der Bürokratisierung der Unternehmensleitung und damit der Entstehung von Dienstwegen legen eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer nahe (so zum Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer [MitbestG] BVerfGE 50, 290, 350, 380 f.). Auch die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat dient der kollektiven Interessenvertretung der Belegschaft durch die Mitbestimmung im Hinblick auf die sozialen und personellen Auswirkungen wirtschaftlicher Unternehmerentscheidungen in einem wichtigen Organ des Unternehmensträgers(Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 10. Aufl., Anhang § 76 BetrVG 1952 Rn. 2; GK-BetrVG/Kraft, 6. Aufl., vor § 76 BetrVG 1952 Rn. 4, § 76 BetrVG 1952 Rn. 7). Eine kollektive Interessenvertretung setzt voraus, dass die Interessen mehrerer und nicht nur einzelner Personen vertreten werden sollen.
(6) Wegen dieses Zusammenhangs mit dem Betriebsverfassungsgesetz ist § 1 BetrVG für die Ermittlung der Mindestzahl von Arbeitnehmern heranzuziehen. § 2 Abs. 2 WODrittelbG, wonach der Wahlvorstand für die Wahl und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder aus drei Arbeitnehmern bestehen soll, ist dazu nicht geeignet, weil damit die Größe des Wahlvorstands bestimmt wird und die Vorschrift keinen unmittelbaren Bezug zur Zahl der Wahlberechtigten hat.
3. Die Gerichtskosten hat die Antragsgegnerin kraft Gesetzes zu tragen; Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet (§ 99 Abs. 6 Satz 7 bis 9 AktG).
Bergmann Strohn Reichart
Drescher Born