Entscheidungsdatum: 15.11.2012
Rechtsmissbräuchlicher Zuschlagsbeschluss
Für eine auf §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 85a Abs. 2 ZVG gestützte wettbewerbsrechtliche Klage fehlt es im Hinblick auf die insoweit gemäß § 793 in Verbindung mit §§ 567 ff. ZPO, §§ 95, 97 ff. ZVG gegebenen Beschwerde-möglichkeiten regelmäßig am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München - 6. Zivilsenat - vom 26. Mai 2011 wird auf Kosten der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Von Rechts wegen
Die Beklagte ist eine Bank, die auch Zwangsversteigerungen in Grundstücke betreibt. Am 7. Februar 2008 gab in einer von ihr wegen einer notleidenden Kreditforderung betriebenen Zwangsversteigerung eine in ihrem Auftrag handelnde Frau Sch. vor dem Amtsgericht Augsburg ein Gebot ab. Das Gebot lag unter der Hälfte des Grundstückswerts, so dass der Zuschlag nach § 85a Abs. 1 ZVG zu versagen war. Das Gebot führte aber dazu, dass nach § 74a Abs. 3 ZVG ein neuer Versteigerungstermin zu bestimmen war. In dem neuen Versteigerungstermin darf einem Bieter, dessen Gebot unter der Hälfte des Grundstückswertes liegt, der Zuschlag nicht mehr versagt werden (§ 85a Abs. 2 Satz 2 ZVG). In dem weiteren Versteigerungstermin vom 11. Juni 2008 wurde Frau Sch. auf das - wiederum unter der Hälfte des Grundstückswerts liegende - Gebot der Zuschlag erteilt.
Mit Beschluss vom 31. Juli 2009 hob das Landgericht Augsburg den Zuschlagsbeschluss mit der Begründung auf, das Gebot von Frau Sch. sei rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam gewesen; das Landgericht konnte sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. insbesondere Beschluss vom 10. Mai 2007 - V ZB 83/06, BGHZ 172, 218 Rn. 11 ff.) stützen.
Die Klägerin ist die in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. Sie hält die Bestimmung des § 85a Abs. 1 ZVG für eine Verbraucherschutzvorschrift im Sinne von § 2 Abs. 1 UKlaG; dafür reiche es aus, dass eine Vorschrift auch dem Verbraucherschutz diene. Zudem seien überwiegend Verbraucher von Zwangsversteigerungen betroffen. Die Beklagte habe überdies unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG gehandelt, weil das am 7. Februar 2008 in ihrem Auftrag abgegebene Gebot rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Der von § 85a ZVG Geschützte sei Marktteilnehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG; zu den Waren im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG gehörten auch Grundstücke. Ein geschäftliches Handeln im Sinne dieser Vorschrift liege vor, weil das am 7. Februar 2008 abgegebene Gebot der Durchführung des abzuwickelnden Darlehensvertrags gedient habe.
Die Klägerin hat beantragt,
es der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, bei von ihr gegen Verbraucher betriebenen Zwangsversteigerungsverfahren selbst oder durch Dritte Gebote abzugeben, die ausschließlich den Zweck haben, zu Lasten des Verbrauchers die Rechtsfolgen von § 85a Abs. 1 und 2 ZVG herbeizuführen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Augsburg, Urteil vom 19. April 2010 - 8 O 4038/09, juris). Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
I. Das Berufungsgericht hat die Klage als zulässig, aber weder nach dem Unterlassungsklagengesetz noch nach den lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen begründet angesehen und hierzu ausgeführt:
Der gestellte Klageantrag sei den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend hinreichend bestimmt. Es sei Sache der Klägerin, im Ordnungsmittelverfahren Tatsachen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich ergebe, dass das betreffende Gebot auf Veranlassung der Beklagten durch einen Dritten und ausschließlich zu dem Zweck abgegeben worden sei, zu Lasten des Schuldners die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG herbeizuführen.
Der in die Zukunft gerichtete wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch bestehe schon deshalb nicht, weil das Verhalten der Beklagten keine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2008 sei. Ein Verhalten nach Vertragsschluss - hier nach Abschluss des grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensvertrags - sei nur dann lauterkeitsrechtlich relevant, wenn es mit der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhänge. Das setze voraus, dass das Verhalten des Unternehmers objektiv darauf gerichtet sei, die geschäftliche Entscheidung des Vertragspartners bei der Durchführung des Vertrags zu beeinflussen. Zu einer solchen Beeinflussung könne es nur kommen, wenn der Vertragspartner noch über Entscheidungsfreiheit verfüge. Daran fehle es im Streitfall. Nach Kündigung des notleidend gewordenen Kredits und Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens erfolge die Befriedigung des Gläubigers nach den Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes. Der Schuldner könne nicht über die Anwendung der darin enthaltenen Vorschriften entscheiden, sondern lediglich durch Ausschöpfung der ihm eröffneten prozessualen Möglichkeiten auf ihre zutreffende Anwendung hinwirken.
Der Klageanspruch könne auch nicht mit Erfolg auf § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG gestützt werden. Verbraucherschutzgesetze im Sinne dieser Bestimmung seien Vorschriften, die den Schutz von Personen in ihrer Eigenschaft als Verbraucher bezweckten. Die Bestimmung des § 85a ZVG falle ersichtlich nicht in die anerkannte Fallgruppe der Vorschriften, die den Schutz des Verbrauchers im vorvertraglichen Bereich bezweckten. Sie treffe, da sie keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung nehmen wolle, aber auch keine Regelung für den vertraglichen Bereich, sondern entfalte ihre Wirkung erst dann, wenn der notleidend gewordene Vertrag durch Kündigung beendet sei und es zur Verwertung der für den Gläubiger bestellten Sicherheit komme.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Allerdings fehlt es bereits am Rechtsschutzbedürfnis für die Zulässigkeit der Klage. Das Rechtsmittel der Klägerin ist daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Das sich aus § 557 Abs. 1 ZPO ergebende Verbot der reformatio in peius steht dem nicht entgegen (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 557 Rn. 3; zur im Berufungsverfahren geltenden entsprechenden Vorschrift des § 528 Satz 1 ZPO vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2009 - IX ZR 141/07, NJW 2009, 1671 Rn. 15 mwN).
1. Das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses stellt einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar. Die Frage, ob für die Inanspruchnahme eines Gerichts ein rechtlich schutzwürdiges Interesse besteht, ist daher auch in der Revisionsinstanz unabhängig davon zu prüfen, ob der Beklagte eine entsprechende Rüge erhoben hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 - I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 Rn. 31 - Markenparfümverkäufe; Beschluss vom 20. Juni 2006 - X ZB 27/05, BGHZ 168, 142 Rn. 8 - Demonstrationsschrank, jeweils mwN).
2. Einer Klage auf Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen, die der Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen, fehlt regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Die Relevanz des Vorbringens soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geklärt werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - I ZR 105/11, GRUR 2013, 305 Rn. 14 = WRP 2013, 327 - Honorarkürzung, mwN).
Dies gilt grundsätzlich auch für Äußerungen in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren, durch die Rechte von am Verfahren nicht beteiligten Dritten betroffen werden, wenn die Äußerungen in einem engen Bezug zum Verfahren stehen. Kann sich der Dritte in dem betreffenden Verfahren nicht gegen die Äußerung wehren, ist allerdings eine Abwägung der widerstreitenden Interessen geboten und dabei besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Dritte die Äußerung hinnehmen muss (BGH, GRUR 2013, 305 Rn. 15 - Honorarkürzung, mwN).
3. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die ungehinderte Durchführung staatlich geregelter Verfahren im Interesse der daran Beteiligten wie auch im öffentlichen Interesse nicht mehr als unbedingt behindert werden darf. Soweit keine zwingenden rechtlichen Grenzen entgegenstehen, müssen die Verfahrensbeteiligten das vortragen können, was sie zur Verfolgung oder Verteidigung ihrer Rechte für erforderlich halten. Wenn der Verfahrensgegenstand dies rechtfertigt, müssen auch Tatsachenbehauptungen und Bewertungen mit Bezug auf am Verfahren nicht beteiligte Dritte zum Inhalt des Vorbringens gemacht werden können. Es ist dann allein Aufgabe des mit der Entscheidung im betreffenden Verfahren befassten Organs, die Relevanz des jeweiligen Vorbringens für seine Entscheidung zu beurteilen. Im Interesse der Gewährleistung einer rechtsstaatlichen Verfahrensführung geht es nicht an, dass diese mehr als unabdingbar notwendig dadurch von außen beeinflusst wird, dass Dritte durch die gerichtliche Inanspruchnahme eines Verfahrensbeteiligten außerhalb des Ausgangsverfahrens vorgeben, was in diesem vorgetragen und damit zum Gegenstand der dort zu treffenden Entscheidung gemacht werden darf. Die Durchsetzung individueller Ansprüche Dritter auf Schutz ihrer durch das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten betroffenen Rechte ist damit nicht generell ausgeschlossen. So kann eine gesonderte Klage eines Dritten auf Unterlassung oder Widerruf etwa dann als zulässig anzusehen sein, wenn ein Bezug der ihn betreffenden Äußerungen zum Ausgangsverfahren nicht erkennbar ist oder die Äußerungen auf der Hand liegend falsch sind oder eine unzulässige Schmähung darstellen, bei der nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Dritten im Vordergrund steht (BGH, GRUR 2013, 305 Rn. 16 - Honorarkürzung, mwN).
4. Die danach gebotene Interessenabwägung führt im Streitfall dazu, dass in Anbetracht der Bestimmungen im Zwangsversteigerungsgesetz hinsichtlich der Entscheidung über den Zuschlag und die dagegen gegebenen Rechtsbehelfe für eine auf einen Wettbewerbsverstoß gestützte Klage auf Unterlassung der Vornahme oder Veranlassung von Verfahrenshandlungen wie den in Rede stehenden kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
a) Zu der Frage, in welcher Weise die Versteigerungsgerichte mit Versuchen des Gläubigers umzugehen haben, den in § 85a Abs. 1 und 2 ZVG geregelten Schutz des Schuldners zu unterlaufen, liegt mittlerweile eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vor (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2007 - V ZB 83/06, BGHZ 172, 218 Rn. 11 ff.; Beschluss vom 5. Juli 2007 - V ZB 118/06, NJW 2007, 3360 Rn. 7 ff.; Beschluss vom 18. Oktober 2007 - V ZB 75/07, NJWRR 2008, 688 Rn. 13 ff.; Beschluss vom 17. Juli 2008 - V ZB 1/08, BGHZ 177, 324 Rn. 8 ff.; ablehnend Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 85a Rn. 4.2; Cranshaw in Löhnig, ZVG, 2010, § 85a Rn. 22 und 28 f., jeweils mwN). Der Schuldner kann sich gegen eine in diesem Zusammenhang ergangene Entscheidung des Versteigerungsgerichts, die ihn beschwert, mit der sofortigen Beschwerde gemäß § 793 ZPO in Verbindung mit §§ 567 ff. ZPO bzw. - soweit diese Bestimmungen davon abweichende spezielle Regelungen enthalten - gemäß §§ 95, 97 ff. ZVG zur Wehr setzen.
b) Bei diesen Gegebenheiten fehlt es an einem schutzwürdigen Interesse der Klägerin, durch eine Verurteilung der Beklagten über den von ihr im Streitfall erstrebten Unterlassungstitel ihrerseits auf von der Beklagten in Zukunft betriebene Versteigerungsverfahren Einfluss nehmen zu können.
Wäre es der Klägerin möglich, den begehrten Titel zu erstreiten, würde dies bedeuten, dass über die Zulässigkeit bestimmter Gebote im Zwangsversteigerungsverfahren neben den dafür funktional nach § 1 ZVG und nachfolgend im Instanzenzug zuständigen Versteigerungsgerichten gemäß § 890 ZPO die Wettbewerbsgerichte zu entscheiden hätten. Abgesehen davon, dass damit die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bestünde, hätte im Rahmen der Vollstreckung des Unterlassungstitels der Schuldner, dessen verstärktem Schutz die Regelung des § 85a ZVG vor allem dient (vgl. Stöber, ZVG-Handbuch, 9. Aufl. Rn. 344b), ebenso wie andere am Zwangsversteigerungsverfahren Beteiligte allenfalls die Stellung von Zeugen. Es kommt hinzu, dass gemäß § 12 Abs. 2 UWG für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Bereich des Wettbewerbsrechts die Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes regelmäßig nicht erforderlich ist. Damit bestünde die Gefahr, dass der Gläubiger durch eine dementsprechend schnell und leicht erwirkte einstweilige Verfügung im Zwangsversteigerungsverfahren einen Rechtsnachteil erleidet, der dort auch dann, wenn er ungerechtfertigt ist, als solcher nicht mehr beseitigt werden kann.
Demnach sind allein die zuständigen Versteigerungsgerichte dazu berufen, Verhaltensweisen des Gläubigers zu unterbinden, die auf eine Umgehung der insbesondere dem Schutz des Schuldners dienenden Regelung des § 85a Abs. 2 ZVG abzielen und deshalb als rechtsmissbräuchlich anzusehen sind.
III. Nach allem ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO und der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
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