Entscheidungsdatum: 13.07.2010
Mit Urteil vom 21.1.2010 hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) einen auf § 44 SGB X gestützten Anspruch des Klägers auf Neubezeichnung und erstmalige Feststellung von Schädigungsfolgen sowie auf Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Häftlingshilfegesetz iVm dem Bundesversorgungsgesetz verneint. Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger Verfahrensmängel geltend.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Der Kläger rügt ausschließlich eine Verletzung von § 118 Abs 1 SGG iVm § 411a ZPO. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Der Umstand, dass sich die wissenschaftliche Lehrmeinung nach der Anfertigung der letzten psychiatrischen Gutachten erheblich verändert habe, sei von Seiten des LSG nicht ausreichend gewürdigt worden. Das Gericht schließe sich der Beurteilung der Sachverständigen Dr. R. und Dr. V. wegen der zeitnäheren Begutachtung an und führe hinsichtlich der Entwicklung der wissenschaftlichen Lehrmeinung lediglich aus, die Gutachter hätten eine neurotische Persönlichkeitsentwicklung bzw eine primär anlagebedingte Fehlentwicklung der Persönlichkeit festgestellt, obschon die posttraumatische Belastungsstörung zu jener Zeit nicht mehr gänzlich unbekannt gewesen sei. Von Seiten des LSG sei in den Urteilsgründen nicht ausgeführt worden, dass die gutachterliche Äußerung der Sachverständigen E. hinsichtlich der Änderung der wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht nachvollziehbar sei. Es werde weiterhin vom Gericht keinerlei eigene Sachkunde dargelegt, wonach dieses zur eigenständigen Beurteilung der Entwicklung der wissenschaftlichen Lehrmeinung bezüglich der posttraumatischen Belastungsstörung seit Anfang der 90er Jahre befähigt sei. Diese Ausführungen sind nicht geeignet, einen berücksichtigungsfähigen Verfahrensmangel schlüssig zu begründen.
Nach § 411a ZPO, der gemäß § 118 Abs 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar ist, kann die schriftliche Begutachtung durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden. Diese Vorschrift ermöglicht es, ein in einem anderen Verfahren eingeholtes Gutachten nicht nur als Urkundenbeweis, sondern als Sachverständigenbeweis zu benutzen (vgl dazu Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl 2009, § 411a RdNr 2). Den Ausführungen des Klägers ist bereits nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass das LSG die in dem früheren Berufungsverfahren vor dem LSG Nordrhein-Westfalen - L 6 V 54/80 - eingeholten Gutachten der Dres R. und V. nach Maßgabe dieser Vorschrift und nicht bloß als Urkunden zu Beweiszwecken verwertet hat. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die betreffenden Gutachter für den vorliegenden Rechtsstreit erneut zu Sachverständigen ernannt worden sind (vgl dazu Reichold, aaO, RdNr 3).
Die Berücksichtigung eines aus einem früheren Verfahren vorliegenden Gutachtens im Wege des Urkundenbeweises fällt ebenso in den Bereich der richterlichen Beweiswürdigung wie die Auswertung des im vorliegenden Rechtsstreit eingeholten Gutachtens der Sachverständigen E. Verletzungen des insoweit einschlägigen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG können nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht zur Zulassung der Revision führen.
Entsprechend verhält es sich, soweit der Kläger sinngemäß geltend macht, das LSG hätte ein erneutes Sachverständigengutachten einholen müssen, wenn es der Auffassung der Sachverständigen E. nicht habe folgen wollen. Zur Darlegung eines damit gerügten Verstoßes gegen § 103 SGG hätte der Kläger - im Hinblick auf § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG - einen Beweisantrag bezeichnen müssen, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Das ist mit der Beschwerdebegründung nicht geschehen.