Entscheidungsdatum: 19.07.2018
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
I. Im Streit ist die Erstattung von Kosten der Unterkunft für die Zeit der Inhaftierung des Klägers.
Der Kläger war in der Zeit vom 17.9.2015 bis zum 15.3.2016 zur Ableistung einer Ersatzfreiheitsstrafe in Haft. Seinen Antrag auf Übernahme des Mietzinses zum Erhalt seiner Wohnung während seiner Abwesenheit lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 21.10.2015; Widerspruchsbescheid vom 3.2.2016). Seine hiergegen gerichtete Klage ist in erster Instanz ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Nürnberg vom 13.6.2016). Im Berufungsverfahren hat der Berichterstatter, dem die Berufung übertragen worden war, die Anträge des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts sowie auf Erstattung von Fahrtkosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung abgelehnt und einen Verlegungsantrag vor der mündlichen Verhandlung nicht beschieden. Einen Befangenheitsantrag des Klägers vom 8.8.2016 hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) als unzulässig behandelt und mit dem abgelehnten Richter darüber im Rahmen seiner die Berufung des Klägers zurückweisenden Entscheidung befunden (Urteil des LSG vom 11.8.2016). Auf die gegen dieses Urteil erhobene Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Senat wegen der vom Kläger gerügten Nichtbescheidung des Verlegungsgesuchs bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (Beschluss vom 12.5.2017 - B 8 SO 69/16 B).
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das LSG - nach durchgeführter nichtöffentlicher Beweisaufnahme - unter Mitwirkung des abgelehnten Richters die Berufung des Klägers mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen (Urteil vom 15.12.2017). Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten der Unterkunft während des Haftaufenthalts lägen nicht vor. Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Vorsitzenden vom 8.8.2016 sei unzulässig.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 15.12.2017 wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde. Er rügt eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts, weil sein Ablehnungsgesuch nicht unzulässig gewesen sei (Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz <GG>; § 202 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 547 Nr 1 Zivilprozessordnung <ZPO>).
II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensfehlers.
Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Diesen Anforderungen genügt das Vorbingen des Klägers zur Entziehung des gesetzlichen Richters gemäß Art 101 Abs 1 Satz 2 GG infolge Verstoßes gegen die Vorschriften zum Befangenheitsgesuch (§ 60 Abs 1 SGG, § 45 Abs 2 ZPO) nicht. Zur hinreichenden Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels hätte der Kläger - wofür auch Anlass bestanden hätte - schlüssig aufzeigen müssen, dass sich sein Befangenheitsgesuch durch sein eigenes Verhalten nicht erledigt bzw er sein Ablehnungsrecht nicht verloren hat. Hieran fehlt es.
Erfolgt die Ablehnung eines Befangenheitsantrags nicht durch Zwischenentscheidung (dazu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 9 f), sondern - wie hier - in den Urteilsgründen unter Mitwirkung des abgelehnten Richters, kann zwar ein Verfahrensfehler vorliegen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4; BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3). Der abgelehnte Richter darf über ein Ablehnungsgesuch nur selbst entscheiden, wenn das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich oder offensichtlich unzulässig ist (vgl zB BVerfG vom 20.7.2007 - 1 BvR 2228/06 - NJW 2007, 3771 f). Dies gilt jedoch nur, wenn das Ablehnungsrecht nicht nach § 60 SGG iVm § 43 ZPO verloren gegangen ist. Nach § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in die Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Nach der Rechtsprechung des BSG erledigt sich ein Ablehnungsgesuch nach § 60 Abs 1 SGG iVm §§ 43, 47 ZPO, wenn der Kläger einen Befangenheitsantrag gestellt, jedoch der zur mündlichen Verhandlung erschienene Prozessbevollmächtigte des Klägers sich in Kenntnis des Ablehnungsgesuchs in die Verhandlung eingelassen und ausschließlich Sachantrag gestellt hat (vgl BSG Beschluss vom 20.1.2016 - B 14 AS 193/15 B - juris RdNr 9 ff; anders aber BGH Beschluss vom 26.4.2016 - VIII ZB 47/15 - juris RdNr 14 ff).
Ausführungen hierzu fehlen. Gerade im wiedereröffneten Berufungsverfahren, in welchem Prozessbevollmächtigter und Kläger an einer durch den abgelehnten Richter geführten nichtöffentlichen Sitzung zur Beweisaufnahme und Erörterung des Sachverhalts teilgenommen und anschließend einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) zugestimmt haben, hätte es aber der Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung bedurft. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass der vom Kläger abgelehnte Richter an der Verfahrensweise, mit der der Kläger sein Ablehnungsgesuch sachlich begründet hatte (Ablehnung von PKH und eines Reisekostenvorschusses für den Besuch der mündlichen Verhandlung), nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens nicht festgehalten hat, er vielmehr PKH bewilligt und das persönliche Erscheinen zum Termin (§ 111 Abs 1 SGG) angeordnet hat. Daher zeigt auch der Verweis auf die fehlende dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters und auf einen Verstoß gegen § 47 ZPO einen Verfahrensfehler nicht schlüssig auf.