Entscheidungsdatum: 18.01.2017
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren.
Mit Urteil vom 23.6.2016 hat das LSG Berlin-Brandenburg die Beklagte im Zugunstenverfahren verpflichtet, für Zeiten zwischen dem 1.1.1963 bis 30.9.1990 Verpflegungsgeld in bestimmter Höhe und für Zeiten zwischen dem 15.2.1958 bis 20.3.1964 den Geldwert der kostenlosen Vollverpflegung (Sachbezug) in bestimmter Höhe als weitere vom Kläger erzielte Arbeitsentgelte festzustellen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Beklagte Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn |
|
- |
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), |
- |
das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder |
- |
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3). |
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Die Beklagte misst folgender Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei: |
|
"Stellen das Verpflegungsgeld sowie der Geldwert der kostenlosen Vollverpflegung (Sachbezug), welches Angehörige eines Sonderversorgungssystems der DDR, hier der DDR-Zollverwaltung, erhalten haben, erzieltes Arbeitsentgelt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG dar?" |
Die Beschwerdebegründung zeigt jedoch nicht schlüssig auf, dass diese Frage klärungsbedürftig ist. Die Beklagte weist selbst auf die Senatsurteile vom 30.10.2014 (B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 6; B 5 RS 2/13 R, B 5 RS 1/14 R, B 5 RS 2/14 R und B 5 RS 3/14 R - alle Juris) hin, wonach bei der nach Bundesrecht vorzunehmenden Qualifizierung des Rechtscharakters von Verpflegungsgeldzahlungen als Arbeitsentgelt in tatsächlicher Hinsicht an die jeweils einschlägigen abstrakt-generellen Regelungen des DDR-Rechts und in rechtlicher Hinsicht an § 14 SGB IV anzuknüpfen ist. Sie legt jedoch weder dar, dass sich die Frage mit den dort aufgestellten Rechtsgrundsätzen nicht beantworten lässt noch zeigt sie auf, inwiefern diese Rechtsgrundsätze für die Entscheidung des Rechtsstreits erweitert, geändert oder ausgestaltet werden müssen (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 65 f). Die Beklagte verkennt, dass eine Rechtsfrage auch dann als geklärt anzusehen ist, wenn das Revisionsgericht zwar über bestimmte Fallkonstellationen (hier: Arbeitsentgelteigenschaft gezahlter Verpflegungsgelder) noch nicht tragend zu befinden hatte, höchstrichterliche Entscheidungen oder das Gesetz selbst aber klare oder ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Dann kommt es lediglich auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen festgestellten Sachverhalt an; eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts ist nicht mehr zu erwarten (vgl BSG Beschlüsse vom 8.4.2013 - B 11 AL 137/12 B - Juris RdNr 11; vom 27.8.2012 - B 12 R 4/12 B - Juris RdNr 8 und vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22).
Um darzulegen, dass eine geklärte Problematik noch oder wieder grundsätzliche Bedeutung hat, muss aufgezeigt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen wird bzw inwiefern die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51) oder welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die zu einer Neubetrachtung der bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und eine anderweitige Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 mwN; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 8b). Diese Umstände müssen substantiiert dargetan werden, was nur auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung und in Auseinandersetzung mit ihr möglich ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 71). Entsprechende Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Zwar verweist sie auf die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 17.11.2015 (L 22 R 702/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 5.7.2016 - B 5 RS 8/16 B) sowie des 3. Senats des Thüringer LSG vom 28.10.2015 (L 3 R 664/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 9.8.2016 - B 5 RS 18/16 B; L 3 R 765/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 4.8.2016 - B 5 RS 15/16 B; L 3 R 766/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 4.8.2016 - B 5 RS 16/16 B; L 3 R 934/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 4.8.2016 - B 5 RS 17/16 B; L 3 R 1351/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 4.8.2016 - B 5 RS 14/16 B; L 3 R 1535/13, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 4.8.2016 - B 5 RS 12/16 B; L 3 R 1534/13, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 4.8.2016 - B 5 RS 13/16 B), die den Arbeitsentgeltcharakter des Verpflegungsgeldes bejaht haben und stellt sie den Urteilen des LSG Sachsen-Anhalt vom 19.11.2015 (L 1 RS 33/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 15.3.2016 - B 5 RS 4/16 B - BeckRS 2016, 67689) und des 12. Senats des Thüringer LSG vom 25.11.2015 (L 12 R 540/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 13.7.2016 - B 5 RS 7/16 B) gegenüber, die diese Frage verneint haben. Dies allein genügt jedoch nicht, um die grundsätzliche Bedeutung aufzuzeigen. Selbst wenn verschiedene Berufungssenate widersprüchliche Entscheidungen treffen, folgt allein daraus noch nicht zwingend, dass der Entscheidungsmaßstab wieder klärungsbedürftig geworden ist.
Vertiefte Ausführungen zum erneuten Klärungsbedarf waren vielmehr deshalb erforderlich, weil die Beklagte ausdrücklich betont, dass alle Berufungssenate "dieselben DDR-Vorschriften zugrunde" legen und "grundsätzlich der vom BSG vorgegebenen Rechtsprechung" folgen. In dieser Situation hätte die Beschwerdebegründung detailliert aufzeigen müssen, warum die Zulassung der Revision dennoch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gerade zur Wahrung oder (Wieder-)Herstellung der Rechtseinheit erforderlich sein könnte und gleichzeitig ausschließen müssen, dass die widersprüchlichen Entscheidungen der Landessozialgerichte darauf zurückzuführen sind, dass die Berufungsgerichte aus denselben "DDR-Vorschriften" unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen haben. Genau dies ist nach der Beschwerdebegründung jedoch der Fall: Während das LSG Sachsen-Anhalt (aaO) und der 12. Senat des Thüringer LSG (aaO) die Arbeitsentgelteigenschaft gezahlter Verpflegungsgelder verneinen, weil "sich aus diesen DDR-Vorschriften ergebe, dass das Verpflegungsgeld keinen Entgeltcharakter habe" bzw "ausschließlich aus betriebsfunktionalen Zwecken gezahlt wurde", kommen das LSG Berlin-Brandenburg (aaO) und der 3. Senat des Thüringer LSG (aaO) zu dem gegenteiligen Schluss, "dass sich anhand dieser Vorschriften ergebe, dass das Verpflegungsgeld als Bestandteil der Besoldung anzusehen" und "auch nicht als Sozialleistung zu qualifizieren sei" und "ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Zahlung von Verpflegungsgeld" iS notwendiger Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzungen "auch nicht aus der Entstehungsgeschichte der einschlägigen Vorschriften" folge. Da es sich im vorliegenden Zusammenhang bei den abstrakt-generellen Regelungen der einschlägigen "DDR-Vorschriften" nicht um (sekundäres) Bundesrecht, sondern um generelle Anknüpfungstatsachen handelt (vgl exemplarisch etwa Senatsurteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/09 R - Juris RdNr 16 und BSG Urteil vom 18.10.2007 - B 4 RS 28/07 R - SozR 4-8570 § 5 Nr 10), an deren tatrichterliche Feststellung das BSG als Revisionsgericht gebunden ist (§ 163 SGG), beziehen sich Angriffe auf das Verständnis des LSG vom Inhalt dieser Regelungen auf die Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 S 1 SGG (Entscheidung des Gerichts nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung), die von vornherein nicht zur Zulassung der Revision führen können (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).