Entscheidungsdatum: 24.08.2018
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 15.6.2018 einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.7.2012 hinaus verneint.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG rügt die Klägerin einen Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 13.7.2018 genügt nicht der vorgeschriebenen Form. Sie hat den geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise bezeichnet (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (stRspr, vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 3 SGG).
Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin macht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) geltend. Das LSG habe ein ärztliches Attest vom 17.5.2018, das sie mit dem Antrag auf Verlegung des Verhandlungstermins wegen einer akuten Verschlimmerung des Gesundheitszustands vorgelegt habe, sowie einen ärztlichen Verlaufsbericht vom 2.5.2018 ignoriert bzw inhaltlich nicht berücksichtigt. Hätte das Gericht deutlich gemacht, dass eine Auseinandersetzung mit diesen ärztlichen Dokumenten in inhaltlicher Art und Weise nicht erfolgen werde, hätte ein entsprechender Beweisantrag auf ergänzende Vernehmung der jeweiligen Ärzte gestellt werden können. Sie rüge nicht, dass das LSG diese Beweise falsch gewertet, sondern, dass es sie überhaupt nicht gewürdigt habe. Darauf beruhe die inhaltliche Entscheidung des Berufungsgerichts.
Diese Ausführungen genügen nicht, um einen Gehörsverstoß in Form der sog Erwägensrüge hinreichend darzutun. Der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) soll sicherstellen, dass das Vorbringen des Beteiligten vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird (vgl BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 = Juris RdNr 43 f). Das Gericht muss jedoch nicht jegliches Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich bescheiden (stRspr,
vgl BVerfG
Dass in dieser Hinsicht das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt sein könnte, lässt sich ihrem Vortrag nicht entnehmen. Allein die Behauptung der Klägerin, eine Befassung mit den Attesten sei nicht erfolgt, und die erkennbar nur einen Bruchteil der Begründung des LSG wiedergebenden Ausführungen der Beschwerdebegründung (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2012 - B 13 R 209/12 B - Juris RdNr 8) versetzt den Senat nicht in die Lage zu beurteilen, ob die Erwägensrüge berechtigt sein könnte. Zudem wird aus dem Vortrag nicht ersichtlich, weshalb die genannten Atteste zum zentralen Vorbringen im Berufungsverfahren gehörten, mit dem sich das LSG zur Wahrung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf den Streitgegenstand unbedingt hätte auseinandersetzen müssen. Hierfür wären substantiierte Angaben zum Sachverhalt, insbesondere zum Inhalt der anderen Beweismittel erforderlich gewesen.
Es fehlt darüber hinaus auch an einer hinreichenden Darlegung, warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen Rechtsauffassung - auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Auseinandersetzung beruhen kann, das Berufungsgericht mithin bei näherer Berücksichtigung der Atteste zu einem anderen, der Klägerin günstigeren Ergebnis hätte gelangen können. Die Klägerin behauptet zwar, dass sich das Attest über die kurzfristige Verhandlungs- und Reiseunfähigkeit auch auf die Frage der Erwerbsmöglichkeit auswirke. Sie setzt sich aber nicht damit auseinander, ob dieser Schluss auch aufgrund der vom LSG zugrunde gelegten materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Erwerbsminderung ("auf absehbare Zeit") gezogen werden kann. Gleiches gilt auch für das Attest vom 2.5.2018 über die vermehrte Schmerzhaftigkeit in den Extremitäten. Sie rügt hierzu, dass das LSG diese aktuellen Erkenntnisse bei den Ausführungen zur Wegefähigkeit nicht beachtet habe. Obwohl sie selbst darauf hinweist, dass das LSG die Klägerin als mit dem Pkw ausreichend mobil angesehen habe, fehlen Darlegungen, warum es auf die Gehfähigkeit entscheidungserheblich ankommt, wenn ein solches Defizit ggf anderweitig kompensiert werden kann (vgl zB BSG Urteil vom 28.8.2002 - B 5 RJ 8/02 R - Juris RdNr 11).
Auch wenn die Klägerin dies abstreitet, rügt sie im Kern keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör oder die Begründungspflicht nach § 128 Abs 1 S 2 iVm § 136 Nr 6 SGG, sondern die Unrichtigkeit der Entscheidung. Denn sie räumt selbst sinngemäß ein, dass das LSG die Atteste zur Kenntnis genommen hat, indem die Verhandlung auf das erste Attest verlegt wurde bzw das LSG das zweite Attest im Tatbestand erwähnt hat. Vielmehr geht es ihr darum, dass das LSG nicht die für sie günstigen Schlüsse daraus gezogen hat. Dies genügt indes für die Zulassung der Revision nicht.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie ohne das gerügte Verhalten des Gerichts einen Beweisantrag gestellt hätte, liegt hierin keine Gehörs- sondern eine Sachaufklärungsrüge. Deren Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung mangels Behauptung des Übergehens eines Beweisantrags nicht. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können aber nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 28.9.2010 - B 5 R 202/10 B - BeckRS 2010, 74248 RdNr 11 mwN). Andernfalls liefen die Beschränkungen, die § 103 SGG für die Sachaufklärung normiert, im Ergebnis leer (BSG Beschluss vom 6.2.2007 - B 8 KN 16/05 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 7).
Die Klägerin kann sich hierzu auch nicht darauf berufen, es hätte eines Hinweises bedurft. Denn eine allgemeine Verpflichtung des Gerichts, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Tatsachen- und Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern, gibt es nicht. Sie wird weder durch den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG noch durch die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten (§ 106 Abs 1 bzw § 112 Abs 2 S 2 SGG) begründet. Die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung (vgl Senatsbeschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 377/15 B - Juris RdNr 19; BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - Juris RdNr 44; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 590 mwN).
Die Verwerfung der nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.