Entscheidungsdatum: 21.12.2011
1. Ein Versicherungspflichtiger kann eine Krankenkasse wirksam nur binnen zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht wählen.
2. Wählt ein Versicherungspflichtiger keine Krankenkasse wirksam, so wird eine Mitgliedschaft bei der Krankenkasse begründet, bei der der Versicherte zuletzt gesetzlich krankenversichert war, auch wenn die Mitgliedschaft bei dieser Kasse nicht unmittelbar vorausging.
Auf die Revision der Beigeladenen werden der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. November 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. November 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2007 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Kläger zum 1. November 2006 Mitglied der Beklagten geworden ist.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in allen Rechtszügen. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zum 1.11.2006 Mitglied der beklagten Krankenkasse oder der Rechtsvorgängerin der beigeladenen Krankenkasse geworden ist.
Der 1942 geborene Kläger war bis 30.6.1988 bei der beklagten Krankenkasse krankenversichert. In der Folgezeit bestand zunächst eine private Krankenversicherung. Ab 1992 bis 31.10.2006 war er nicht krankenversichert. Ab 1995 bezog er Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bzw vom 1.1.2005 bis 31.10.2006 nach dem SGB XII. In diesem Zeitraum wurde die Krankenbehandlung gemäß § 264 SGB V von der Rechtsvorgängerin der beigeladenen Krankenkasse sichergestellt.
Der Kläger beantragte am 20.10.2006 bei einem Jobcenter für die Zeit ab 1.11.2006 Leistungen nach dem SGB II. In seinem Antrag gab er ua an, bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen krankenversichert zu sein. Mit Bescheid vom 3.11.2006 bewilligte das Jobcenter ihm ab 1.11.2006 Arbeitslosengeld II (Alg II) und meldete ihn bei dieser Krankenkasse zur Durchführung der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 1.11.2006 an.
Den mit Schreiben vom 7.12.2006 bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen gestellten Antrag des Klägers, ihn als Pflichtmitglied aufzunehmen, lehnte diese mit Bescheid vom 18.1.2007 ab, weil er gemäß § 175 Abs 1 SGB V bei der Beklagten anzumelden sei, bei der er zuletzt pflichtversichert gewesen sei, denn er habe nicht binnen zwei Wochen der zur Meldung verpflichteten Stelle eine Mitgliedschaftsbescheinigung einer von ihm gewählten Krankenkasse vorgelegt. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Einen mit Schreiben vom 3.1.2007 bei der beklagten Krankenkasse gestellten Antrag des Klägers, ihn als versicherungspflichtiges Mitglied zu führen, lehnte diese mit Bescheid vom 15.1.2007 ab, weil die bei ihr zuletzt bis 30.6.1988 bestehende Mitgliedschaft beendet sei und der Kläger nach Eintritt der Versicherungspflicht am 1.11.2006 fristgerecht die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen gewählt habe. Entsprechend einer zwischen Krankenkassenverbänden und Sozialhilfeträgern getroffenen Vereinbarung könnten Sozialhilfeempfänger, die nach § 264 SGB V Krankenbehandlung durch eine Krankenkasse erhalten hätten, ihr Recht zur Wahl einer Krankenkasse mit dem Antrag auf Alg II gegenüber den SGB II-Sozialleistungsträgern ausüben. Die Krankenkassen dürften sich bei einer Fehlberatung des Trägers nicht auf das Verstreichen der Frist zur Ausübung des Wahlrechts berufen. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.4.2007).
Mit seiner Klage hat der Kläger begehrt, die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, ihn als Pflichtmitglied aufzunehmen. Das SG hat festgestellt, dass der Kläger zum 1.11.2006 Pflichtmitglied der Beigeladenen geworden sei, und hat sie verpflichtet, eine entsprechende Mitgliedsbescheinigung auszustellen (Urteil vom 13.11.2007). Das LSG hat die Berufung der Beigeladenen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, zwar habe der Kläger gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen und der Beklagten keine ausdrückliche Erklärung zur Krankenkassenwahl abgegeben und gegenüber dem Jobcenter nur angegeben, zuletzt von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen Leistungen wegen Krankheit bezogen zu haben. Aus seinem Verhalten bei Antragstellung ergebe sich jedoch, dass er die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen als Krankenkasse habe wählen wollen. Das Jobcenter habe ihn bei dieser Krankenkasse als Pflichtmitglied angemeldet und der Kläger diese Meldung nach Kenntnis der Umstände mit seinem am 7.12.2006 gestellten Aufnahmeantrag bestätigt bzw genehmigt (Beschluss vom 2.11.2009).
Mit ihrer Revision rügt die Beigeladene die Verletzung des § 175 Abs 1 S 1 und Abs 3 S 1 und 2 SGB V. Die Ausübung des Wahlrechts sei gegenüber der gewählten Krankenkasse innerhalb der zweiwöchigen Frist nach Eintritt der Versicherungspflicht gemäß § 175 Abs 3 S 2 SGB V zu erklären. Eine solche Erklärung habe der Kläger nicht im Antrag auf SGB II-Leistungen, sondern erst nach Ablauf dieser Frist mit Schreiben vom 7.12.2006 abgegeben. Weder die unzutreffende Erklärung über eine bestehende Krankenversicherung noch die Meldung des Jobcenters enthalte eine Erklärung zur Krankenkassenwahl. Bestehe - wie hier - eine vorherige Versicherung bei einer Krankenkasse, sei der Versicherte bei fehlender Wahl bei dieser Krankenkasse anzumelden; dies sei hier die Beklagte, die mithin für den Kläger zuständig sei.
Die Beigeladene beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. November 2009 sowie das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. November 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sie gegen die Beigeladene gerichtet worden ist.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. November 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2007 aufzuheben und festzustellen, dass er (der Kläger) zum 1. November 2006 Mitglied der Beklagten geworden ist.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Ergänzend führt er aus, aus seinem Verhalten bei der Aufnahme seines Antrags auf Alg II beim Jobcenter ergebe sich, dass er die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen als Krankenkasse habe wählen wollen, um auch weiterhin von dieser betreut zu werden. Seine Wahlerklärung habe das Jobcenter an diese übermittelt, das Jobcenter seine Erklärung gegenüber der Beigeladenen mit Vertretungsmacht abgegeben und er seine Wahl mit Schreiben vom 7.12.2006 bestätigt.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Beigeladenen zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG ebenfalls für zutreffend. Der Kläger habe die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen als seine zuständige Krankenkasse durch seine Angaben im Antrag auf Alg II gewählt. Diese Erklärung sei durch das Jobcenter im Wege der Meldung fristgemäß an diese übermittelt worden. Entsprechend dem Ergebnisprotokoll über die Besprechung des Melde- und Zahlstellenverfahrens für die Sozialversicherungsbeiträge nach dem SGB II vom 3.11.2004 sei in der im Antrag auf Alg II-Leistungen erfolgten Angabe der Krankenkasse die Ausübung des Wahlrechts gesehen worden, sofern nicht vom Leistungsbezieher eine Mitgliedsbescheinigung einer Krankenkasse vorgelegt worden sei. Andernfalls müsste der Kläger aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, wie er stünde, wenn er ordnungsgemäß durch das Jobcenter über das gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen auszuübende Krankenkassenwahlrecht beraten worden wäre und entsprechend seinem seit November 2006 bekundeten Wunsch, weiterhin von ihr als versicherungspflichtiges Mitglied betreut zu werden, die Wahl fristgemäß ausgeübt hätte. Der Beratungsfehler des Jobcenters sei der Beigeladenen zuzurechnen.
Die zulässige Revision der Beigeladenen ist begründet.
Der die Berufung zurückweisende Beschluss des LSG, das Urteil des SG sowie die die Mitgliedschaft des Klägers ablehnenden Bescheide der Beklagten waren aufzuheben. Zu Unrecht hat das SG die Klage gegen die Beklagte abgewiesen, die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beigeladenen zum 1.11.2006 festgestellt und diese verpflichtet, eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen. Der Kläger ist zum 1.11.2006 Mitglied der Beklagten - und nicht Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen - geworden.
1. Im Revisionsverfahren ist auch über die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 15.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.4.2007 sowie über die gegen die Beklagte gerichtete Feststellungsklage zu entscheiden, obwohl das SG diese Klagen abgewiesen und nur auf den Hilfsantrag des Klägers die Beigeladene gemäß § 75 Abs 5 SGG verurteilt hat und der Kläger selbst kein Rechtsmittel eingelegt hat. Auf das Rechtsmittel des nach § 75 Abs 5 SGG Verurteilten ist nämlich ebenfalls über den gegen die Beklagte geltend gemachten Anspruch zu entscheiden, auch wenn nur der Verurteilte ein Rechtsmittel eingelegt hat (vgl BSG Urteil vom 3.4.1986, 4a RJ 1/85, SozSich 1987, 30 f unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1237a Nr 16).
2. Die neben einer Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist gemäß § 55 Abs 1 Nr 2 SGG zulässig (vgl bereits BSG SozR 4-2500 § 175 Nr 1 RdNr 5). Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, ob er zum 1.11.2006 Pflichtmitglied der Beklagten geworden ist, weil ua hiervon abhängen kann, bei welcher Krankenkasse eine Versicherung in Zukunft fortbesteht. Er konnte sich auf die Erhebung der Anfechtungs- und Feststellungsklage beschränken, weil die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen kraft Gesetzes eintritt und entsprechend dem Begehren des Klägers und seinem gestellten Antrag in erster Linie die Zuständigkeit der Beklagten als letzte Krankenkasse iS von § 175 Abs 3 S 2 Halbs 1 SGB V umstritten war. Der Erhebung einer Klage, die Beklagte zu verpflichten, eine Mitgliedsbescheinigung zu erteilen, bedurfte es deshalb nicht.
3. Entgegen der Ansicht der Beklagten und der Vorinstanzen ist der Kläger zum 1.11.2006 Pflichtmitglied der Beklagten geworden.
Der Kläger wurde zum 1.11.2006 gemäß § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig, weil er seit 1.11.2006 Alg II bezog. Seit diesem Zeitpunkt war er gemäß § 186 Abs 2a SGB V Mitglied der zuständigen Krankenkasse, nämlich der Beklagten.
Gemäß § 173 Abs 1 SGB V (in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24.3.1997, BGBl I 594) sind Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte Mitglieder der von ihnen gewählten Krankenkasse, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Bei Eintritt der Versicherungspflicht hat der Betroffene grundsätzlich ein Wahlrecht, jedenfalls dann, wenn innerhalb der letzten 18 Monate vor Beginn der Versicherungspflicht eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer anderen Krankenkasse nicht bestand (vgl § 175 Abs 2 S 2 SGB V idF des Gesetzes zur Neuregelung der Kassenwahlrechte vom 27.7.2001, BGBl I 1946; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 175 Nr 2 RdNr 20). Nach § 175 Abs 1 S 1 SGB V (in der seit 1.1.1996 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes <GSG> vom 21.12.1992, BGBl I 2266) ist die Ausübung des Wahlrechts gegenüber der gewählten Krankenkasse zu erklären, die nach § 175 Abs 2 SGB V nach Ausübung des Wahlrechts - auch bei Eintritt einer Versicherungspflicht (§ 175 Abs 2 S 3 SGB V, eingefügt durch das Gesetz vom 27.7.2001, aaO) - unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen hat. Der Versicherungspflichtige hat der zur Meldung verpflichteten Stelle unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung vorzulegen (§ 175 Abs 3 S 1 SGB V idF vom 27.7.2001, aaO). Wird diese Bescheinigung nicht spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht vorgelegt, so hat die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen ab Eintritt der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse anzumelden, bei der zuletzt eine Versicherungspflicht bestand; bestand vor Eintritt der Versicherungspflicht keine Versicherung, hat die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen ab Eintritt der Versicherungspflicht bei einer nach § 173 SGB V wählbaren Krankenkasse anzumelden und den Versicherungspflichtigen unverzüglich über die gewählte Krankenkasse zu unterrichten (§ 175 Abs 3 S 2 SGB V idF vom 27.7.2001, aaO). Die Spitzenverbände der Orts-, Betriebs-, Innungs- und Ersatzkassen legen gemeinsam und einheitlich Regeln über die Zuständigkeit für die Fälle fest, in denen eine Mitgliedsbescheinigung nicht vorgelegt wird und keine Meldung erfolgt (§ 175 Abs 3 S 3 SGB V idF vom 27.7.2001, aaO).
Ausgehend von diesen Vorschriften hatte der Kläger das mit dem Eintritt der Versicherungspflicht begründete Krankenkassenwahlrecht nicht wirksam ausgeübt. Weder hatte er im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Alg II wirksam die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen als Krankenkasse gewählt (dazu unten a.) noch bewirkten seine Erklärungen gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen im Schreiben vom 7.12.2006 und gegenüber der Beklagten im Schreiben vom 3.1.2007 eine wirksame Wahl der zuständigen Krankenkasse (dazu b.). Damit war die Beklagte für die Durchführung der Pflichtversicherung zum 1.11.2006 zuständig und der Kläger ihr Mitglied geworden, weil er bei ihr zuletzt gesetzlich krankenversichert war (dazu c.).
a. Der Kläger übte sein Wahlrecht nicht durch seine Angaben in seinem Antrag auf Gewährung von Alg II aus (dazu aa.). In der Meldung des Jobcenters an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen lag ebenfalls keine wirksame Wahlerklärung (dazu bb.).
aa. Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Vorinstanzen wählte der Kläger mit seinen Angaben im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Alg II nicht die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen als die für ihn zuständige Krankenkasse.
Ausgehend von den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG ergibt die Würdigung der Erklärungen des Klägers unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände (vgl zur zulässigen Auslegung von Anträgen durch das Revisionsgericht allgemein BSG SozR 3-2200 § 1150 Nr 5 S 24), dass den Angaben des Klägers keine zukunftsbezogene Entscheidung über die Wahl einer Krankenkasse entnommen werden konnte, sondern lediglich eine (Wissens)Erklärung vorlag, zuletzt von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen Leistungen wegen Krankheit bezogen zu haben. Ein Wille, die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen als auch in Zukunft zuständige Krankenkasse zu wählen, kam darin nicht zum Ausdruck. Im Zusammenhang mit der Antragstellung hatte der Kläger gegenüber einem Mitarbeiter des Jobcenters lediglich angegeben, zuletzt von dieser Krankenkasse Leistungen wegen Krankheit bezogen zu haben. Wie sich aus dem vom LSG in Bezug genommenen ausgefüllten Formularantrag des Klägers vom 25.10.2006 ergibt, hatte er im Antragsformular die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen unter Angabe einer Krankenversicherungsnummer nur auf die Frage benannt, ob er in einer gesetzlichen Krankenkasse pflicht-, familien- oder freiwillig versichert sei, ohne jedoch gleichzeitig zu erklären, von dieser auch in Zukunft Krankenversicherungsleistungen erhalten zu wollen.
bb. Allein in der Anmeldung des Klägers bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen durch das Jobcenter lag keine - ggf vom Jobcenter als Vertreter des Klägers abgegebene - Wahlerklärung. Die Anmeldung erfolgte in Erfüllung der dem Jobcenter als der meldepflichtigen Stelle obliegenden Pflichten nach § 203a SGB V bzw nach § 175 Abs 2 S 2 SGB V. Der Anmeldung kann ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht zusätzlich ein Erklärungsinhalt über eine zukunftsbezogene Krankenkassenwahl eines Versicherten entnommen werden. Solche Umstände können insbesondere nicht darin gesehen werden, dass in der Vergangenheit aufgrund einer Besprechung der Verbände der Krankenkassen zum Melde- und Zahlstellenverfahren für die Sozialversicherungsbeiträge nach dem SGB II vom 3.11.2004 zunächst für eine Übergangszeit Einigkeit bestanden hatte, dass in der Angabe der bisherigen Krankenversicherung im Antrag auf Alg II zugleich eine Krankenkassenwahl des Versicherten gesehen werden sollte und durch die Meldung die für die Wahl geltende Frist als gewahrt galt. Weder war diese vereinbarte Verfahrensweise gesetzlich verankert und damit rechtsverbindlich (vgl § 31 SGB I) noch ist ersichtlich - und wird von den Beteiligten auch nicht behauptet -, dass über das Jahr 2005 hinaus Einigkeit darüber bestand, hiernach und nicht nach den Grundsätzen der Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Krankenkassenwahlrecht vom 22.11.2001 (Die Beiträge 2002, 351 ff), insbesondere Nr 5.1 sowie 5.3.1, zu verfahren. Dementsprechend hat die Beklagte im Revisionsverfahren auch nur zur Erläuterung, aus welchen Gründen im Formular des Antrags auf Alg II keine ausdrückliche Erklärung zur Krankenkassenwahl enthalten war, auf dieses Besprechungsergebnis verwiesen.
b. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte der Kläger zunächst weder gegenüber der Beklagten noch gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen eine ausdrückliche Erklärung zu seiner Krankenkassenwahl abgegeben. Durch seine Erklärungen gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen im Schreiben vom 7.12.2006 und gegenüber der Beklagten im Schreiben vom 3.1.2007 konnte er sein Wahlrecht nicht mehr wirksam ausüben, weil die hierfür geltende Frist von zwei Wochen seit Eintritt der Versicherungspflicht am 1.11.2006 zum Zeitpunkt dieser Erklärungen verstrichen (dazu aa.) und weder Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren war (dazu bb.) noch der Kläger nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen ist, als habe er sein Wahlrecht fristgemäß ausgeübt (dazu cc.).
aa. Das bei Eintritt der Pflichtversicherung bestehende Krankenkassenwahlrecht nach § 175 SGB V ist spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht auszuüben. Dies ergibt sich seit der Änderung des § 175 Abs 3 S 1 SGB V vom 27.7.2001 (aaO) zwar nicht mehr ausdrücklich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift; § 175 Abs 3 S 2 SGB V regelt jedoch für Versicherungspflichtige mittelbar, dass die Wahl bis spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht erfolgen muss, weil innerhalb dieser Frist eine Mitgliedsbescheinigung vorzulegen ist. Nach Ablauf der zweiwöchigen Frist kann die Wahl nicht mehr wirksam ausgeübt werden, wie der Auslegung der Regelung des § 175 Abs 3 S 2 SGB V unter Berücksichtigung der Systematik und dem in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommenden Zweck der Vorschriften des Kassenwahlrechts zu entnehmen ist (so wohl auch K. Peters in KassKomm, Stand der Einzelkommentierung April 2009, § 175 SGB V RdNr 24 f; vgl auch Blöcher in jurisPK-SGB V, 2008, § 175 SGB V RdNr 42; Sonnhoff in Hauck/Noftz, SGB V, Stand der Einzelkommentierung Juli 2010, K § 175 RdNr 29 f; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.10.2002 - L 4 KR 2083/01; aA wohl Baier in Krauskopf, SozKV-PV, Stand der Einzelkommentierung Juli 2009, § 175 SGB V RdNr 20).
Während seit Einführung des Krankenkassenwahlrechts durch das GSG mit Wirkung zum 1.1.1996 § 173 und § 174 SGB V die wählbaren Krankenkassen bestimmten, regelte § 175 SGB V die Ausübung des Kassenwahlrechts sowie die Folgen, wenn der Versicherte keine Krankenkasse wählte. Nach § 175 Abs 3 S 1 SGB V aF war das Wahlrecht Versicherungspflichtiger spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht auszuüben. Nach Ablauf der Frist hatte und hat die meldepflichtige Stelle den Versicherten bei der letzten Krankenkasse und, wenn eine solche nicht vorhanden war, bei einer von ihr selbst zu wählenden Krankenkasse anzumelden. Mit den Änderungen durch das Gesetz zur Neuregelung der Kassenwahlrechte vom 27.7.2001 (aaO) zum 1.1.2002 wurde Abs 3 S 1 des § 175 SGB V dahingehend gefasst, dass Versicherungspflichtige der zur Meldung verpflichteten Stelle unverzüglich eine Meldebescheinigung vorzulegen haben. Während nach der ursprünglichen Fassung des § 175 Abs 3 S 2 SGB V nach Ablauf der Frist für die Wahl des Versicherten anstelle der Wahl des Versicherten die Melde- bzw Wahlpflicht der meldepflichtigen Stelle trat (vgl BSGE 83, 48, 49 f = SozR 3-2500 § 175 Nr 2), tritt nach der Neufassung des § 175 Abs 3 S 2 SGB V die unverändert bestehende Meldepflicht der meldepflichtigen Stelle ein, wenn nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist eine Mitgliedsbescheinigung vorgelegt wird. Grund für die Neuregelung war, durch die Verpflichtung zur Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung sicherstellen zu wollen, dass Bindungsfristen eingehalten wurden, die auch bei einem Wechsel des die Versicherungspflicht begründenden Lebenssachverhalts und Erfüllung eines neuen Pflichtversicherungstatbestandes gelten sollten (vgl Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Gesetz zur Neuregelung der Krankenkassenwahlrechte, BT-Drucks 14/5957 S 5 zu Art 1 Nr 1 Buchst b; BSG SozR 4-2500 § 175 Nr 2 RdNr 23). Dagegen sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die bisher geltende zweiwöchige Frist zur Ausübung des Krankenkassenwahlrechts modifiziert und das Wahlrecht nunmehr unbefristet oder bis zur die Wahl ersetzenden Anmeldung durch die meldepflichtige Stelle gewährt werden sollte. Gründe für eine erweiternde Auslegung sind nicht ersichtlich. Allein aus dem grundsätzlich bestehenden Krankenkassenwahlrecht kann nicht gefolgert werden, dass zu Lasten einer klaren Abgrenzung der Zuständigkeit der Krankenkassen durch fristgebundene Wahl des Versicherungspflichtigen eine Wahl bis zur Meldung der meldepflichtigen Stelle oder darüber hinaus zulässig sein muss. Vielmehr steht dieser Auslegung entgegen, dass damit eine zeitnahe Bestimmung der zuständigen Krankenkasse erschwert würde.
bb. Der Kläger wählte auch nicht deshalb wirksam eine Krankenkasse, weil ihm wegen der Versäumung der zweiwöchigen Frist zur Wahl gemäß § 27 SGB X Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Es kann dahinstehen, ob bei Versäumung der Frist zur Wahl der Krankenkasse durch den Versicherungspflichtigen überhaupt Wiedereinsetzung nach dieser Vorschrift gewährt werden kann. Jedenfalls bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ohne Verschulden iS von § 27 Abs 1 SGB X gehindert war, die Frist zur Ausübung seines Krankenkassenwahlrechts einzuhalten. Allein die Unkenntnis der gesetzlichen Regelung des § 175 SGB V lässt das Verschulden nicht entfallen (vgl allgemein zB BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 13 RdNr 24 mwN).
cc. Auch nach den richterrechtlichen Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist der Kläger nicht so zu stellen, als habe er fristgemäß eine andere als die Beklagte als Krankenkasse gewählt mit der Folge, dass die mutmaßlich gewählte Krankenkasse für die Durchführung der Pflichtversicherung zuständig war. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch greift bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welcher dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist (vgl zu den Voraussetzungen näher zB BSGE 106, 296 = SozR 4-2500 § 50 Nr 2, RdNr 17). Es kann dahinstehen, ob sich ein Sozialleistungsträger - wie hier die Beklagte - gegenüber einem anderen Träger überhaupt auf diese Grundsätze berufen kann. Auch ist zweifelhaft, ob und welcher Nachteil dem Kläger durch eine Mitgliedschaft bei einer anderen als der nunmehr zuständigen Krankenkasse entstanden ist und ob das Jobcenter angesichts eines fehlenden Beratungsantrags zu einer sog Spontanberatung (vgl hierzu allgemein BSGE 106, 296 = SozR 4-2500 § 50 Nr 2, RdNr 19) verpflichtet war. Es ist nämlich bereits nicht feststellbar, dass und welche Krankenkasse der Kläger bei einem Hinweis auf sein Wahlrecht gewählt hätte. Wäre der Kläger, wie er gegenüber dem Jobcenter angab und dies wohl auch tatsächlich annahm, bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zuletzt versichert gewesen, hätte er ohne Ausübung seines Wahlrechts bei dieser Krankenkasse angemeldet werden müssen, sodass es für eine Mitgliedschaft bei ihr gar keiner Wahl bedurfte. Für die vom Kläger nunmehr vorrangig begehrte Mitgliedschaft bei der Beklagten war ebenfalls keine Wahlerklärung erforderlich (dazu sogleich unter c.).
c. Der Kläger wurde gemäß § 175 Abs 3 S 2 Halbs 1 SGB V iVm § 186 Abs 2a SGB V zum 1.11.2006 Mitglied der Beklagten, weil er nach Eintritt der Versicherungspflicht keine Krankenkasse wirksam gewählt hatte, sodass die meldepflichtige Stelle ihn bei der Krankenkasse, bei der zuletzt eine gesetzliche Krankenversicherung bestanden hatte, anzumelden hatte. Die Beklagte und nicht die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen war die Krankenkasse, bei der zuletzt eine Krankenversicherung des Klägers iS von § 175 Abs 3 S 2 Halbs 1 SGB V bestanden hatte. Dass der Kläger unmittelbar vor Eintritt der Versicherungspflicht von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen gemäß § 264 SGB V Leistungen erhalten hatte, ist insoweit unerheblich (dazu aa.). Ebenfalls steht der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten nicht entgegen, dass seine letzte Mitgliedschaft bei ihr bereits vor längerer Zeit geendet hatte (dazu bb.) oder dass der Kläger zwischenzeitlich privat krankenversichert war (dazu cc.).
aa. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG war die Beklagte die Krankenkasse, bei der der Kläger bis zum 30.6.1988 zuletzt in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen war. Zwar hatte zuletzt vor Eintritt der Versicherungspflicht am 1.11.2006 die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die Krankenbehandlung gemäß § 264 Abs 1 SGB V in der Zeit übernommen, in der der Kläger Leistungen nach dem BSHG und dem SGB XII bezogen hatte, bei ihr hatte jedoch keine Krankenversicherung iS von § 175 Abs 3 S 2 Halbs 1 SGB V bestanden. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erbrachte die Krankenbehandlung gemäß § 264 Abs 1 SGB V. Die Krankenbehandlung von Sozialhilfeempfängern gemäß § 264 Abs 1 SGB V erfolgt durch die Krankenkassen aufgrund eines gesetzlichen Auftrags iS von § 93 SGB X (vgl BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr 1, RdNr 11; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 12 mwN). Eine Versicherung wird hierdurch indessen nicht begründet. Die Sozialhilfeempfänger sind nur leistungsrechtlich, nicht aber mitgliedschaftsrechtlich den in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten gleichgestellt (vgl BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr 1, RdNr 14). Die in § 264 Abs 3 SGB V enthaltene besondere ausdrückliche Regelung eines Krankenkassenwahlrechts und die Anordnung einer entsprechenden Anwendung des § 175 Abs 3 S 2 SGB V bestätigt dies. Allein der Umstand, dass es zweckmäßig sein kann, eine Versicherung bei der bisher Leistungen nach § 264 SGB V erbringenden Krankenkasse zu begründen, rechtfertigt es nicht, in erweiternder Auslegung des § 175 Abs 3 S 2 Halbs 1 SGB V auf das Merkmal einer "Versicherung" zu verzichten. Diesem Gesichtspunkt kann nämlich durch eine entsprechende Wahl des bisherigen Leistungsempfängers Rechnung getragen werden.
bb. Der zeitliche Abstand zur letzten Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beklagten steht der Begründung der Mitgliedschaft ab 1.11.2006 nicht entgegen. Bereits nach seinem Wortlaut setzt § 175 Abs 3 S 2 Halbs 1 SGB V nicht voraus, dass "unmittelbar" vor Eintritt der Pflichtversicherung eine Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden haben muss. Auch der Regelung des § 173 Abs 2 Nr 5 SGB V, nach der eine Krankenkasse wählbar ist, bei der vor Beginn der Versicherungspflicht oder -berechtigung zuletzt eine Mitgliedschaft oder Familienversicherung bestanden hat, hat der Senat nicht entnommen, dass die frühere Versicherung unmittelbar vor Eintritt der Versicherungspflicht bestanden haben muss (vgl BSG SozR 3-2500 § 173 Nr 3 S 5). Dies ist auch nicht den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Während ursprünglich für den Fall, dass keine Wahl des Versicherten erfolgte, lediglich die Wahl der meldepflichtigen Stelle vorgesehen war (vgl Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 25, 113
cc. Schließlich steht der Begründung der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten nicht entgegen, dass im Anschluss an die bis zum 30.6.1988 bei ihr bestehende Mitgliedschaft der Kläger zwischenzeitlich privat krankenversichert war (so allgemein auch K. Peters, aaO, § 175 SGB V RdNr 25). Die §§ 173 ff SGB V regeln die Krankenkassenwahl in der gesetzlichen Krankenversicherung und stellen grundsätzlich nicht darauf ab, ob und wann eine private Krankenversicherung bestand. Auch im Rahmen des § 175 Abs 3 S 2 Halbs 1 SGB V hat eine zwischenzeitliche Versicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen keine Bedeutung für die Frage, welches die letzte (gesetzliche) Krankenkasse ist (vgl erneut BSG SozR 3-2500 § 173 Nr 3 S 5 sowie BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13, RdNr 15 ff).