Entscheidungsdatum: 25.08.2011
Wenn der Bemessungszeitraum infolge von Erziehungszeiten keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält, verstößt die fiktive Bemessung des Arbeitslosengelds nach Qualifikationsgruppen nicht gegen Verfassungs- oder Gemeinschaftsrecht (Bestätigung und Weiterführung von BSG vom 29.5.2008 - B 11a AL 23/07 R = BSGE 100, 295 = SozR 4300 § 132 Nr 1).
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Klägerin, staatlich geprüfte Betriebswirtin, war seit 1996 im Hotel- und Gaststättengewerbe bei einem Getränkeunternehmen als Gebietsleiterin beschäftigt. Vom 8.4. bis 26.7.2001 bezog sie im Zusammenhang mit der Geburt ihres ersten Kindes am 31.5.2001 Mutterschaftsgeld. Die anschließende Elternzeit mit zeitweisem Bezug von Erziehungsgeld verlängerte sich nach der Geburt des zweiten Kindes am 16.8.2002 bis zum 15.8.2005. Der Arbeitgeber der Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2005 und beschäftigte die Klägerin nur noch vom 16.8. bis 30.11.2005.
Mit Wirkung zum 1.12.2005 meldete sich die Klägerin arbeitslos. Die Beklagte bewilligte das beantragte Alg ab 1.12.2005 in Höhe von 29,05 Euro täglich auf der Grundlage eines fiktiven Bemessungsentgelts von 64,40 Euro entsprechend der Qualifikationsgruppe 3 (Bescheid vom 19.12.2005). Der Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, die Elternzeit sei bei der Bemessung außer Betracht zu lassen, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10.2.2006). Während des Klageverfahrens hat die Beklagte ein von der Klägerin angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben, mit dem sie der Bemessung des Alg ein Bemessungsentgelt von 80,50 Euro entsprechend der Qualifikationsgruppe 2 zugrunde gelegt hat. Dementsprechend wurde der Klägerin Alg in Höhe von 34,41 Euro täglich bewilligt (Änderungsbescheid vom 14.8.2006).
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1.12.2005 Alg auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 135,13 Euro zu gewähren (Urteil vom 29.5.2006).
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.10.2007). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Da bei der Klägerin innerhalb eines auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens gemäß § 130 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt feststellbar seien, müsse eine fiktive Bemessung nach § 132 SGB III erfolgen. Entgegen der Auffassung des SG führten Erziehungszeiten nicht zu einer Erweiterung des Bemessungsrahmens. Gegen die gesetzlichen Regelungen bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Art 6 Abs 4 Grundgesetz (GG) verlange zwar vom Gesetzgeber, den bei Schwangerschaft und Mutterschaft entstehenden Belastungen entgegenzuwirken, verpflichte aber nicht zu einem Ausgleich jeder mit der Elternschaft zusammenhängenden wirtschaftlichen Belastung. Dass bei längerer Unterbrechung der Beschäftigung für die Höhe des Alg nicht mehr auf vorheriges Arbeitseinkommen Bezug genommen werde, sei eine durch sachliche Gründe zu rechtfertigende Regelung. Es sei auch nicht sachwidrig, wenn der Gesetzgeber bei der Zuordnung fiktiver Entgelte an die Berufsausbildung anknüpfe; das Zurückbleiben fiktiv ermittelter Arbeitsentgelte hinter dem tatsächlichen Durchschnittsentgelt der jeweiligen Gruppe sei nicht willkürlich, sondern lasse sich dadurch rechtfertigen, dass Rückkehrer in den Beruf betroffen seien, welche in der Realität des Arbeitsmarktes typischerweise für die erste Zeit Lohnabschläge hinnehmen müssten. Auch gelte es zu verhindern, dass hohe Entgeltersatzleistungen das Interesse an der Aufnahme einer neuen Beschäftigung verringerten. Auch der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit führe nicht zu einer Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, bei der Bemessung des Alg sei das vor der Kindererziehung erzielte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Die Einbeziehung von Erziehungszeiten in den Bemessungsrahmen sei ebenso verfassungswidrig wie die Festsetzung fiktiver, weit unterhalb der tatsächlichen Löhne liegender Arbeitsentgelte. Denn dadurch führe die Elternzeit zum Verlust von mit hohen Beitragsleistungen erdienten Leistungsansprüchen, was eine Diskriminierung von Frauen darstelle.
Auf Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 29.10.2008 das Ruhen des Verfahrens (B 11 AL 1/08 R) bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 2909/08 angeordnet. Nachdem das BVerfG mit Kammer-Beschluss vom 11.3.2010 entschieden hatte, hat die Klägerin das Verfahren erneut angerufen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts vom 16. Oktober 2007 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 29. Mai 2006 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Das LSG hat zu Recht der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Alg ab 1.12.2005.
1. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg dem Grunde nach (§ 117 Abs 1 Nr 1, § 118 SGB III), ohne deren Vorliegen eine Klage auf höhere Leistungen keinen Erfolg haben kann, sind gegeben.
Den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist zu entnehmen, dass sich die Klägerin mit Wirkung zum 1.12.2005 arbeitslos gemeldet hat (§ 118 Abs 1 Nr 2 und Abs 2, § 122 Abs 1 SGB III) und dass sie ab diesem Zeitpunkt arbeitslos iS der §§ 118 Abs 1 Nr 1, 119 bis 121 SGB III gewesen ist.
Die Klägerin hat auch, wovon das LSG im Ergebnis zutreffend ausgegangen ist, die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 118 Abs 1 Nr 3 SGB III). Maßgebend sind insoweit die §§ 123, 124 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung (aF), die nach der durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) eingefügten Übergangsregelung in § 434j Abs 3 SGB III weiter anzuwenden ist, wenn der Anspruch auf Alg bis zum 31.1.2006 entstanden ist. Danach hat die Anwartschaftszeit - soweit hier von Bedeutung - erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Satz 1 Nr 1 SGB III aF). Nach § 124 Abs 1 SGB III aF beträgt die Rahmenfrist drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg.
Da sich die Klägerin zum 1.12.2005 arbeitslos gemeldet hat und sie seit diesem Tag arbeitslos gewesen ist, beginnt die reguläre Rahmenfrist von drei Jahren am 30.11.2005 und reicht bis zum 1.12.2002 zurück. Unabhängig davon, ob im vorliegenden Fall von einer verlängerten Rahmenfrist auszugehen ist (vgl dazu Urteile des Senats vom 19.1.2005 - B 11a/11 AL 35/04 R - SozR 4-4300 § 147 Nr 3, RdNr 19 und vom 29.5.2008 - B 11a AL 23/07 R - BSGE 100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr 1, RdNr 13 ff), hat die Klägerin innerhalb der regulären Rahmenfrist in der Zeit bis 15.8.2005, dem Tag vor der Vollendung des dritten Lebensjahrs ihres zweiten Kindes, während der Erziehung des Kindes in einem Versicherungsverhältnis aus sonstigen Gründen gestanden (§ 24 Abs 1 SGB III iVm § 26 Abs 2a SGB III, eingeführt mit Wirkung ab 1.1.2003 durch das Job-AQTIV-Gesetz vom 10.12.2001, BGBl I 3443). Die Klägerin hat somit durch ab 1.1.2003 bis 15.8.2005 vorliegende Zeiten der Kindererziehung die Anwartschaftszeit gemäß § 123 Satz 1 Nr 1 SGB III aF erfüllt (vgl auch Urteil des Senats vom 29.5.2008, aaO, RdNr 16).
Ohne die Zeiten der Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs 2a SGB III hätte die Klägerin die Anwartschaftszeit allerdings nicht erfüllt, und zwar weder durch Beschäftigungszeiten noch wegen des Bezugs von Mutterschaftsgeld. Soweit vor dem 1.1.2003 liegende Zeiten der Kindererziehung gemäß § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III in der bis 31.12.2002 geltenden Fassung - anwendbar über § 434d Abs 2 SGB III - nicht in die Rahmenfrist einzurechnen sind, erstreckt sich die Rahmenfrist für die Klägerin, deren erstes Kind am 31.5.2001 geboren ist, allenfalls zurück bis Mai 2001 mit der Folge, dass die bis April 2001 vorliegenden Beschäftigungszeiten unberücksichtigt bleiben müssen und die spätere Beschäftigung vom 16.8. bis 30.11.2005 für die Erfüllung der Anwartschaftszeit nicht ausreicht. Nicht ausreichend für zwölf Monate der Versicherungspflicht sind auch die Zeiten, in denen die Klägerin Mutterschaftsgeld bezogen hat, soweit diese gemäß § 427a SGB III iVm § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst b des Arbeitsförderungsgesetzes in der bis 31.12.1997 geltenden Fassung einbezogen werden können (vgl Senatsurteil vom 29.5.2008 - B 11a AL 23/07 R - BSGE 100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr 1, RdNr 13, 16).
2. Zur Höhe des Anspruchs hat das LSG zu Recht entschieden, dass der Klägerin Alg ab 1.12.2005 nach einem Bemessungsentgelt von 80,50 Euro zusteht.
a) Die Bemessung des der Klägerin zustehenden Alg richtet sich nach § 129 SGB III in der seit 1.8.2001 geltenden Fassung durch das Gesetz vom 16.2.2001 (BGBl I 266) sowie nach §§ 130 bis 132 SGB III, die durch das Gesetz vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) mit Wirkung ab 1.1.2005 neu gefasst worden sind. Eine Übergangsregelung im Hinblick auf die Leistungsbemessung hat der Gesetzgeber nur getroffen, soweit es um die Neufestsetzung des Bemessungsentgelts bei vor dem 1.1.2005 entstandenen Ansprüchen auf Alg geht (§ 434j Abs 5 SGB III). Für den am 1.12.2005 entstandenen Anspruch der Klägerin auf Alg spielt diese Übergangsregelung keine Rolle.
Nach § 129 Nr 1 SGB III beträgt das Alg für Arbeitslose, die - wie die Klägerin - mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, 67 % (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Nach § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III in der seit dem 1.1.2005 geltenden Fassung umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Nach näherer Maßgabe von § 130 Abs 2 SGB III bleiben bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums bestimmte Zeiten außer Betracht.
Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn (ua) der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 130 Abs 3 Nr 1 SGB III). Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens (ebenfalls) nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 132 Abs 1 SGB III in der seit 1.1.2005 geltenden Fassung).
b) In Anwendung der genannten Bestimmungen ist das LSG zu Recht von einem zugrunde zu legenden zweijährigen Bemessungsrahmen vom 1.12.2003 bis 30.11.2005 ausgegangen. Das Ende des Bemessungsrahmens bildet der letzte Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 SGB III). Für die Klägerin maßgebend ist deshalb der 30.11.2005, weil sie noch vom 16.8.2005 bis 30.11.2005 in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 25 Abs 1 Satz 1 SGB III) gestanden hat. Hieraus ergibt sich ein regulärer Bemessungsrahmen vom 1.12.2004 bis 30.11.2005 bzw ein gemäß § 130 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III erweiterter Bemessungsrahmen vom 1.12.2003 bis 30.11.2005. Auch unter Zugrundelegung des erweiterten Bemessungsrahmens liegen die Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung der Klägerin bis zum 7.4.2001 außerhalb des Bemessungsrahmens. Wie sich aus § 130 Abs 3, § 132 Abs 1 SGB III ergibt, sieht das Gesetz eine Erweiterung des Bemessungsrahmens über zwei Jahre hinaus nicht vor.
Eine Veränderung des Bemessungsrahmens kann, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, nicht deswegen angenommen werden, weil nach § 130 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III bei der Ermittlung "des Bemessungszeitraums" Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes außer Betracht bleiben, wenn wegen der Betreuung und Erziehung des Kindes das Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gemindert war. Diese Regelung soll - wie der Senat bereits entschieden hat (ua Urteil vom 29.5.2008 - B 11a AL 23/07 R - BSGE 100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr 1, RdNr 23 ff) - nur davor schützen, dass in die Ermittlung des Bemessungsentgelts Entgeltabrechnungszeiträume versicherungspflichtiger Beschäftigungen einfließen, die nach § 131 Abs 1 iVm § 130 Abs 1 SGB III eigentlich zu berücksichtigen wären, in denen aber das erzielte Arbeitsentgelt wegen der Kindererziehung atypisch niedrig und daher nicht repräsentativ war (vgl BSG Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 39/08 R - Juris RdNr 16; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 130 RdNr 60 f und 67 ff). Dagegen trifft § 130 Abs 2 Nr 3 SGB III keine Sonderregelung zu den Voraussetzungen, von denen es nach § 130 Abs 1 und Abs 3 iVm § 132 Abs 1 SGB III abhängt, inwieweit das vor dem Beginn der Kindererziehung erzielte Arbeitsentgelt als Bemessungsentgelt herangezogen werden kann (vgl Urteil vom 29.5.2008, aaO, RdNr 23).
c) Da innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht mindestens 150 Kalendertage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festgestellt werden können, ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen ist (§ 132 Abs 1 SGB III). Das von der Beklagten im Änderungsbescheid vom 14.8.2006 angesetzte Bemessungsentgelt von 80,50 Euro täglich ist zutreffend berechnet. Die Klägerin war - wie auch sie nicht bezweifelt - aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung der Qualifikationsgruppe 2 zuzuordnen; der Betrag von 80,50 ergibt sich aus der Bezugsgröße für 2005 von 28 980 Euro (vgl § 2 Abs 1 der Verordnung vom 29.11.2004, BGBl I 3098) geteilt durch 360 (§ 132 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III). Auch die weiteren Berechnungen der Beklagten zur Höhe des täglichen Leistungssatzes von 34,41 Euro entsprechen den Bestimmungen des § 133 SGB III in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung, wonach zur Ermittlung des Leistungsentgelts iS des § 129 SGB III eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 vH des Bemessungsentgelts, die Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war, und der Solidaritätszuschlag vom Bemessungsentgelt abzuziehen sind. Insoweit erhebt auch die Revision keine Einwände.
3. Es verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, dass das Arbeitsentgelt, das die Klägerin länger als drei Jahre vor dem Eintritt des Versicherungsfalls erzielt hat, nicht als Bemessungsentgelt zugrunde gelegt werden kann. Der Senat hält nach erneuter Prüfung an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (ua Urteil vom 29.5.2008 - B 11a AL 23/07 R - BSGE 100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr 1; vgl auch Urteil des 7. Senats vom 21.7.2008 - B 7 AL 23/08 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 3). Er weist ergänzend darauf hin, dass das BVerfG die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats vom 29.5.2008 (aaO) nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 11.3.2010 - 1 BvR 2909/08) und darüber hinaus zur streitgegenständlichen Problematik Vorlagen des SG Dresden und des SG Aachen als unzulässig angesehen hat (Beschlüsse vom 10.3.2010 - 1 BvL 11/07 - und vom 14.3.2011 - 1 BvL 13/07).
Der Senat sieht weiterhin keine Verpflichtung des Gesetzgebers aus Art 6 Abs 1 GG, bei Eltern bzw Müttern, die sich nach längeren freiwilligen Unterbrechungen ihres Berufslebens dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stellen, den Lohnersatz durch das Alg nicht nach dem aktuell voraussichtlich erzielbaren Lohn zu bemessen, sondern anhand des vor der Kindererziehung erzielten Arbeitsentgelts. Denn aus Art 6 Abs 1 GG folgt nicht, der Staat müsse jegliche die Familie betreffende Belastung ausgleichen oder die Familie ohne Rücksicht auf sonstige öffentliche Belange fördern (vgl auch Beschluss des BVerfG vom 10.3.2010 - 1 BvL 11/07 - RdNr 45 mwN). Aus Art 6 Abs 4 GG kann die Klägerin nach der Überzeugung des Senats ebenfalls nicht die Verfassungswidrigkeit des geltenden Alg-Bemessungsrechts ableiten, da aus Art 6 Abs 4 GG für Sachverhalte, die nicht allein Mütter betreffen, keine besonderen Rechte hergeleitet werden können (vgl auch Beschluss des BVerfG vom 11.3.2010 - 1 BvR 2909/08 - Juris RdNr 6, mit Hinweisen auf BVerfGE 87, 1, 42 und BVerfGE 94, 241, 259 = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5; vgl ferner Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - Juris RdNr 9, zur Berechnung der Höhe des Elterngelds). Der Gesetzgeber ist aufgrund von Art 6 Abs 4 GG auch nicht gehalten, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen (vgl hierzu ua Beschluss des BVerfG vom 14.3.2011 - 1 BvL 13/07 - Juris RdNr 64 mwN). Der Senat hält auch weiter daran fest, dass sich die Auffassung der Klägerin nicht auf Art 3 Abs 1 GG stützen lässt, da es nicht als sachwidrig angesehen werden kann, bei allen Versicherten, die keinen ausreichend zeitnahen Bemessungszeitraum von wenigstens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorzuweisen haben, die Indizwirkung des zuletzt erzielten Lohns als nicht mehr gewährleistet anzusehen und deshalb den voraussichtlich aktuell erzielbaren Lohn als Bemessungsgrundlage heranzuziehen.
Im vorliegenden Fall ist insbesondere zu beachten, dass - wie bereits unter 1. dargestellt - die Klägerin ohne die mit Wirkung ab 1.1.2003 eingeführte Versicherungspflicht für Erziehende gemäß § 26 Abs 2a SGB III bereits dem Grunde nach mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit keinen Anspruch auf Alg gehabt hätte und dass für den Personenkreis der Erziehenden der Versicherungsschutz nicht mit eigenen finanziellen Aufwendungen verbunden ist (vgl § 347 Nr 9 SGB III in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung; BT-Drucks 16/7263 S 5 ff). Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern es verfassungsrechtlich geboten sein könnte, den von der Klägerin vor der Kindererziehung erzielten Lohn zur Bemessungsgrundlage zu machen. Denn unabhängig davon, dass das Alg nicht in voller Äquivalenz zu geleisteten Beiträgen festgesetzt werden und dem Arbeitslosen nicht die volle Aufrechterhaltung eines früheren Lebensstandards ermöglichen muss (vgl BVerfGE 90, 226 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6, Juris RdNr 55 mwN), können Anwartschaften auf Sozialleistungen Eigentumsschutz nur genießen, wenn sie (auch) auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen (vgl ua BVerfGE 53, 257, 290 f = SozR 7610 § 1587 Nr 1; BVerfG, Beschluss vom 7.11.2007 - 1 BvR 1840/07, NZS 2008, 530; vgl auch Urteil des Senats vom 21.3.2007 - B 11a AL 43/06 R, Juris RdNr 15). Es kann deshalb nicht als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen werden, wenn der Gesetzgeber für die Personen, die durch die Einführung der Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs 2a SGB III die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Alg auch ohne Erwerbstätigkeit und ohne eigene Beiträge erfüllen, eine fiktive Bemessung wie für sonstige Versicherte vorsieht (vgl hierzu Urteil des Senats vom 29.5.2008 - B 11a AL 23/07 R - BSGE 100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr 1, RdNr 46).
4. Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist der Senat weiterhin davon überzeugt, dass die streitgegenständlichen Bemessungsvorschriften und ihre Anwendung im vorliegenden Fall nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßen. Es besteht deshalb kein Anlass, eine diesbezügliche Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach Art 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorzulegen.
Der Senat hält daran fest, dass das im vorliegenden Fall einschlägige deutsche Recht insbesondere nicht gegen die Richtlinie 79/7/EWG des Rats vom 19.12.1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl L 6 S 24) und auch nicht gegen sonstige europäische Richtlinien zur Verwirklichung der Gleichbehandlung (vgl Husmann NZA-Beilage 2008, 94 ff) verstößt. Dies gilt auch dann, wenn unterstellt wird, dass die Regelungen zur fiktiven Bemessung des Alg, die wegen ihrer Geltung für alle Versicherten jedenfalls keine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beinhalten, in der Praxis vorwiegend bei Frauen zur Anwendung kommen. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Anschein einer Diskriminierung widerlegt, wenn die in Rede stehenden Regelungen durch Faktoren sachlich gerechtfertigt sind, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, und wenn die gewählten Mittel einem legitimen Ziel der Sozialpolitik des betreffenden Mitgliedstaats dienen und zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sind (vgl ua EuGHE I 1995, 4741 = SozR 3-6083 Art 4 Nr 12 mwN; EuGHE I 1995, 4625 = SozR 3-6083 Art 4 Nr 11; EuGHE I 1996, 179 = SozR 3-6083 Art 4 Nr 13; EuGH NJW 2008, 499, 501 mwN). Von einer solchen sachlichen Rechtfertigung bzw der Geeignetheit und Erforderlichkeit der gewählten Mittel im Sinne der Rechtsprechung des EuGH ist auszugehen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin unter den gegebenen Umständen einen Anspruch auf Alg dem Grunde nach nur durch die sie begünstigende Einführung einer Versicherungspflicht für Erziehende erworben hat; dann kann es nicht als sachwidrig angesehen werden, sie bei der Bemessung unter Heranziehung eines fiktiven Arbeitsentgelts genau so zu behandeln wie andere Versicherte ohne hinreichend zeitnah erzieltes Arbeitsentgelt.
5. Der Senat hält schließlich ebenfalls an seiner Rechtsprechung fest, wonach auch die nähere Ausgestaltung der fiktiven Bemessung durch § 132 Abs 2 SGB III nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil vom 29.5.2008, B 11a AL 23/07 R (BSGE 100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr 1, RdNr 49 ff), Bezug genommen. Die von der Revision als unbillig empfundene Abkehr von der individuellen Ermittlung des tariflich erzielbaren Arbeitsentgelts begegnet weder als solche durchgreifenden Bedenken noch führt sie im Fall der Klägerin - auch unter Berücksichtigung der erheblichen Differenz zwischen dem zuletzt bezogenen Arbeitsentgelt und dem fiktiven Bemessungsentgelt - zu einem sachlich unvertretbaren Ergebnis.