Entscheidungsdatum: 08.09.2015
Zuwendungen der Kinder des Versicherten zum Ausgleich ungedeckter Heimkosten sind als Bruttoeinahmen zum Lebensunterhalt bei der Berechnung der Belastungsgrenze für die Höhe des Festzuschusses bei Zahnersatz zu berücksichtigen.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. März 2014 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Beteiligten streiten über Kostenerstattung für eine im Jahr 2012 durchgeführte Instandsetzung von Zahnersatz.
Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin wohnt in einem Seniorenheim. Sie bezog im Jahr 2012 Renten der landwirtschaftlichen Sozialversicherung und der Deutschen Rentenversicherung bis Ende Juni iHv monatlich insgesamt 776,21 Euro brutto und seitdem von 793,18 Euro brutto. Die nach Abzug der monatlichen Nettorenten und der Leistungen der Pflegekasse (Pflegestufe 2) verbliebenen Heimkosten iHv mindestens 1039,87 Euro wurden durch Zuwendungen ihrer Kinder gedeckt. Für die Instandsetzung von Zahnersatz stellte die Zahnärztin der Klägerin 32,18 Euro (61,27 Euro abzüglich Festzuschuss 29,09 Euro) in Rechnung (25.9.2012). Die Beklagte lehnte die Zahlung eines doppelten Festzuschusses ab, weil unter Berücksichtigung der Zuwendungen der Kinder die monatlichen Bruttoeinnahmen der Klägerin zum Lebensunterhalt die maßgebliche Grenze von 1050 Euro überstiegen (Bescheid vom 10.10.2012, Widerspruchsbescheid vom 31.1.2013).
Das SG hat die Klage auf Zahlung des doppelten Festzuschusses (weitere 29,09 Euro) abgewiesen (Urteil vom 27.8.2013). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung unter Bezugnahme auf die Gründe des SG ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die Gewährung eines doppelten Festzuschusses abgelehnt, weil keine unzumutbare Belastung der Klägerin vorliege. Ihre Einnahmen zum Lebensunterhalt beliefen sich auf mehr als 1050 Euro brutto. Hierzu zählten auch Zuwendungen ihrer Kinder zum Ausgleich ungedeckter Heimkosten (Urteil vom 20.3.2014).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 55 Abs 2 SGB V und Art 3 GG. Zuwendungen ihrer Kinder seien nicht als Einkommen zu berücksichtigen, weil sie zweckgebunden und unmittelbar an das Seniorenheim gezahlt würden, ohne dass sie hierüber verfügen könne. Sie werde auch gegenüber gesunden Menschen benachteiligt. Denn folge man der Auffassung des LSG, liege ihr Einkommen allein wegen der bestehenden Pflegebedürftigkeit, die der Grund für die Zuwendungen sei, über der Grenze des § 55 Abs 2 S 2 Nr 1 SGB V.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. März 2014 und des Sozialgerichts Trier vom 27. August 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 29,09 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGB V). Zu Recht haben es die Vorinstanzen abgelehnt, die beklagte KK zur Zahlung höherer Zahnersatzkosten zu verurteilen. Die Klägerin hat Anspruch auf einen Festzuschuss nach § 55 Abs 1 SGB V, den die Beklagte erfüllt hat (dazu 1.). Einen doppelten Festzuschuss nach § 55 Abs 2 SGB V kann die Klägerin nicht beanspruchen (dazu 2.). Der Festzuschuss ist auch nicht um 20 oder 30 vH nach § 55 Abs 1 S 3 und 5 SGB V zu erhöhen (dazu 3.).
1. Nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V (idF durch Art 1 Nr 14 Buchst a Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung - Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992, BGBl I 2266 mWv 1.1.1993) haben Versicherte - wie die Klägerin - Anspruch auf Krankenbehandlung. Die Krankenbehandlung umfasst ua zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst a Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Modernisierungsgesetz
Die zahnärztliche Behandlung ihrerseits umfasst die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden (§ 28 Abs 2 S 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 15 Buchst a Doppelbuchst aa GMG mWv 1.1.2005). Der Anspruch auf Zahnersatz ist in den §§ 55 ff SGB V näher geregelt. Nach § 55 Abs 1 S 1 SGB V (idF durch Art 1 Nr 36 GMG, dieser idF durch Art 1 Nr 1 Buchst a Gesetz zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz vom 15.12.2004, BGBl I 3445 und durch Art 4a Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem SGB II - Kommunales Optionsgesetz - vom 30.7.2004, BGBl I 2014 mWv 1.1.2005) haben Versicherte Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkannt ist (eingehend zum Anspruch Versicherter auf Zahnersatzleistungen und zur Systematik der maßgebenden Normen BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 9 ff). Diese Voraussetzungen sind nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt.
Der Festzuschuss umfasst 50 vH der nach § 57 Abs 1 S 6 und Abs 2 S 6 und 7 SGB V festgesetzten Beträge für die jeweilige Regelversorgung. Die Höhe des Festzuschusses richtet sich hier nach der im Zeitpunkt des Beginns der Behandlung im Jahr 2012 (BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 20) maßgebenden, mWv 1.1.2012 in Kraft getretenen Bekanntmachung - Befunde und zugeordnete Regelversorgungsleistungen - vom 24.11.2011 (BAnz 2011 Nr 192 S 4511). Danach beträgt der Festzuschuss 29,09 Euro (Befund 6.1, Prothetisch versorgtes Gebiss ohne Befundveränderung mit wiederherstellungsbedürftiger herausnehmbarer-/Kombinationsversorgung ohne Notwendigkeit der Abformung, je Prothese; Regelversorgung Zahnärztliche Leistungen 100a, Wiederherstellung ohne Abformung). Diesen Betrag hat die Beklagte bewilligt.
2. Die Klägerin kann keinen doppelten Festzuschuss nach § 55 Abs 2 SGB V beanspruchen. Gemäß § 55 Abs 2 SGB V haben Versicherte bei der Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu den Festzuschüssen nach Abs 1 S 2 Halbs 1 der Vorschrift Anspruch auf einen Betrag in jeweils gleicher Höhe, angepasst an die Höhe der für die Regelversorgungsleistungen tatsächlich anfallenden Kosten, höchstens jedoch in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn sie ansonsten unzumutbar belastet würden. Eine unzumutbare Belastung liegt nach § 55 Abs 2 S 2 SGB V vor, wenn (1) die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten 40 vH der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht überschreiten (dazu a), (2) der Versicherte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII oder im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), Leistungen nach dem Recht der bedarfsorientierten Grundsicherung, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder dem SGB III erhält (dazu b) oder (3) die Kosten der Unterbringung in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung von einem Träger der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge getragen werden (dazu b). Die Klägerin wird nach diesen Grundsätzen nicht unzumutbar belastet.
a) Es liegt keine unzumutbare Belastung iS des § 55 Abs 2 S 2 Nr 1 SGB V (idF des GMG) vor. Die Voraussetzungen dieser Rechtsnorm sind nicht erfüllt (dazu aa). Sie steht mit der Verfassung (dazu bb) und dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention - Gesetz vom 21.12.2008, BGBl II 1419, in der Bundesrepublik in Kraft seit 26.3.2009, BGBl II 812 - UN-BRK -; dazu cc) im Einklang.
aa) Die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der Klägerin überschreiten 40 vH der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Die Bezugsgröße im hier maßgebenden Jahr 2012 betrug nach der auf der Grundlage von § 17 Abs 2 S 1 SGB IV erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2012 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2012 vom 2.12.2011, BGBl I 2421) 2625 Euro monatlich. 40 vH der Bezugsgröße belaufen sich danach auf 1050 Euro. Eine Erhöhung des Vomhundertsatzes nach § 55 Abs 2 S 5 SGB V scheidet aus. Die Klägerin lebt nicht - wie von § 55 Abs 2 S 5 SGB V vorausgesetzt - mit anderen Angehörigen in einem gemeinsamen Haushalt.
Die Einnahmen der Klägerin zum Lebensunterhalt liegen über 1050 Euro. Zu den monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der Klägerin gehören nicht allein, wie sie meint, ihre Renteneinnahmen von 793,18 Euro brutto monatlich, sondern auch die Zuwendungen ihrer Kinder von über 1000 Euro monatlich, die der (teilweisen) Deckung der Heimkosten dienen. Eine (umfassende) Definition der "Einnahmen zum Lebensunterhalt" findet sich im SGB V nicht. § 55 Abs 2 S 4 SGB V bestimmt lediglich, dass Grundrenten, die Beschädigte nach dem BVG oder nach anderen Gesetzen in entsprechender Anwendung des BVG erhalten, sowie Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung für Schäden an Körper und Gesundheit gezahlt werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG nicht zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt gehören, weil sie nach der Vorstellung des Gesetzgebers schädigungsbedingte Mehraufwendungen abdecken sollen (BT-Drucks 11/2237 S 18 zu § 69 Abs 3 S 2).
Der Begriff der Einnahmen zum Lebensunterhalt findet sich wortgleich in § 62 SGB V (und auch noch in § 10 Abs 1 Nr 5, Abs 3 SGB V des Gesetzentwurfs zum Gesundheits-Reformgesetz, BT-Drucks 11/2237 S 13). In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 11/2237 S 161 zu § 10 Abs 1 SGB V und S 187 zu § 69 Abs 2 SGB V) heißt es: "Einnahmen zum Lebensunterhalt sind - wie schon im geltenden Recht (§ 180 Abs 4 RVO) - die persönlichen Einnahmen, die dem tatsächlichen Lebensunterhalt dienen, also die Einnahmen, die der typischen Funktion des Arbeitsentgelts beim Pflichtversicherten entsprechen. Dazu gehören nicht zweckgebundene Zuwendungen (zB zur Abdeckung eines Mehrbedarfs wie Pflegegeld, Blindenzulage oder Kindergeld). Auf die dazu entwickelte Rechtsprechung und Praxis kann zurückgegriffen werden."
Der Begriff ist danach nicht mit einem anderen Einkommensbegriff vergleichbar, etwa mit dem durch steuerrechtliche Besonderheiten geprägten Begriff des Gesamteinkommens (§ 16 SGB IV; BT-Drucks 11/2237 S 161 zu § 10 Abs 1 SGB V), der ua der Familienversicherung in § 10 Abs 1 Nr 5, Abs 3 SGB V idF des Gesetzentwurfs vom 3.5.1988 zugrunde gelegt wird (vgl dazu auch BT-Drucks 11/2237 S 161), sondern geht darüber hinaus. Er orientiert sich im Wesentlichen an wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Er erfasst alle tatsächlich erzielten (Brutto-)Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die der typischen Funktion des Arbeitsentgeltes beim Pflichtversicherten entsprechen (BSG SozR 4-2500 § 62 Nr 4 RdNr 13). Den (sonstigen) Einnahmen zum Lebensunterhalt hat das BSG deshalb alle Einnahmen zugerechnet, die dem Versicherten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (vgl BSG SozR 2200 § 180 Nr 12 mwN; BSGE 57, 235, 237 = SozR 2200 § 180 Nr 19 S 59 f; BSGE 57, 240, 242 = SozR 2200 § 180 Nr 20 S 64). Dazu zählen etwa auch freigiebige Leistungen Dritter, nicht mit dem Versicherten im gemeinsamen Haushalt lebender Angehöriger des Versicherten, selbst wenn die Zuwendungen für einen bestimmten Zweck gewährt werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 62 Nr 4 RdNr 19; vgl ähnlich zu § 194 Abs 2 S 1 SGB III aF BSGE 88, 258, 260 ff = SozR 3-4300 § 193 Nr 3 mwN; zum Zuwendungsbegriff nach § 84 SGB XII vgl BSGE 113, 86 = SozR 4-3500 § 84 Nr 1).
Für eine gegenüber § 62 Abs 1 S 2 SGB V funktionsdifferente Auslegung des Begriffs der Einnahmen zum Lebensunterhalt besteht im Rahmen des § 55 Abs 2 SGB V kein Anlass. Der Gesetzgeber hat die Formulierung bewusst entsprechend dem bis 31.12.2003 geltenden Recht gewählt. Vorgängerregelung des § 55 Abs 2 SGB V war § 61 Abs 1 Nr 2, Abs 2 Nr 1 SGB V aF. Hiernach hatte die KK bei der Versorgung mit Zahnersatz den von den Versicherten zu tragenden Anteil der Kosten nach § 30 Abs 2 SGB V aF zu übernehmen, wenn die Versicherten unzumutbar belastet würden. Eine unzumutbare Belastung lag vor, wenn die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten 40 vH der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht überschritten. Unter den gleichen Voraussetzungen regelte § 61 Abs 1 Nr 1, Abs 2 Nr 1 SGB V aF die vollständige Befreiung von Zuzahlungen (heute § 62 SGB V). Hätte der Gesetzgeber ab 1.1.2004 die unzumutbare Belastung in § 55 Abs 2 und § 62 SGB V unterschiedlich regeln wollen, hätte er dies zum Ausdruck gebracht. Das Gegenteil ist der Fall. In der Gesetzesbegründung zum GMG heißt es zu § 55 Abs 2 SGB V, dass entsprechend dem bisher geltenden Recht Versicherte in Fällen einer unzumutbaren Belastung Anspruch auf die doppelten Festzuschüsse und damit auf eine vollständige Übernahme der Kosten der jeweiligen Regelversorgung haben (BT-Drucks 15/1525 S 92 zu § 55 Abs 2 SGB V).
§ 55 Abs 2 S 2 Nr 2 und 3 SGB V sprechen nicht gegen eine solche Auslegung. Beide Regelungen gehen davon aus, dass ua bei einem Bezug von Leistungen nach dem SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt, Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Leistungen für Einrichtungen) eine unzumutbare Belastung vorliegt. Der Gesetzgeber stellt dabei allein auf die Faktizität des Bezugs von bedürftigkeitsabhängigen Leistungen ab (dazu b; BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 3 LS), die typisierend die Annahme rechtfertigt, dass der Versicherte nicht in der Lage ist, die über den Festzuschuss hinausgehenden Kosten von Zahnersatz zumutbar tragen zu können. Diese Annahme ist bei der Klägerin angesichts der Zuwendungen ihrer Kinder aber nicht gerechtfertigt.
Die von den Kindern der Klägerin monatlich gezahlten mehr als 1000 Euro zum Ausgleich der ungedeckten Heimkosten sind danach Einnahmen zum Lebensunterhalt in dem aufgezeigten Sinn. Wie die von der Klägerin bezogene Rente erfüllen auch diese Zuwendungen den Zweck, den Lebensunterhalt in dem Seniorenheim zu ermöglichen. Deshalb ist es - anders als die Klägerin meint - auch nicht schädlich, dass mit der Zuwendung eine solche Zweckbindung einhergeht. Ob die Zahlungen insoweit einer (unterhalts-)rechtlichen oder sittlichen Pflicht entsprechen, ist für die vom erkennenden Senat vorgenommene Wertung ebenfalls ohne Bedeutung (vgl zum Unterhaltsbeitrag eines Stiefbruders BSGE 64, 100, 109 = SozR 2200 § 180 Nr 44 S 190). Hieran ändert nichts, dass die Klägerin über die Zuwendungen der Kinder nicht verfügen kann, weil sie direkt an den Heimträger gezahlt werden. Denn mit diesen Zahlungen wird der zivilrechtliche Anspruch des Heimträgers gegenüber der Klägerin (teilweise) erfüllt und damit der Lebensunterhalt sichergestellt. Im Gegenzug ist sie in dem Seniorenheim untergebracht und wird dort versorgt. Es macht keinen Unterschied, ob die Kinder der Klägerin das Geld direkt an den Heimträger überweisen oder aber an ihre Mutter, die es dann ihrerseits zur Tilgung der Schuld gegenüber dem Heimträger einsetzt.
bb) § 55 Abs 2 S 2 SGB V verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 5 zu § 61 Abs 2 Nr 2 SGB V aF; BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 3 zu § 61 Abs 2 Nr 2 und 3 SGB V aF). Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber allerdings im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums grundsätzlich berechtigt, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl BVerfGE 87, 234, 255 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3; 100, 59, 90; 103, 392, 397 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39, stRspr). Der Gesetzgeber darf danach bei der Ordnung von Massenerscheinungen - wie sie besonders im Bereich der Sozialversicherung auftreten - typisierende Regelungen treffen (vgl BVerfGE 75, 108, 162), wenn die damit verbundenen Härten nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl BVerfGE 111, 115, 137; BVerfG SozR 4-2600 § 96a Nr 10 RdNr 15-17 mwN). Besondere Härten sind jedenfalls für die Klägerin nicht ersichtlich. Anknüpfungspunkt der Typisierung sind hier die Einnahmen des Versicherten, die bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII regelmäßig nicht, jedenfalls nicht in ausreichendem Maß vorhanden sind, während die Klägerin über entsprechende Einnahmen verfügt. Solange sie von ihren Kindern unterstützt wird, fehlt es an einer unzumutbaren Belastung. Sie wird ohne erkennbaren Verstoß gegen den Gleichheitssatz so gestellt wie ein Heimbewohner, der als einzige Einnahme eine Rente bezieht, deren Höhe dem aus Rente und Zuwendungen an die Klägerin zusammengerechneten Betrag entspricht.
Verweist der Gesetzgeber - wie hier - die Versicherten grundsätzlich auf eine partielle Eigenverantwortung, ist es sachgerecht, nur dort - wenn auch nicht zwingend innerhalb des SGB V - zu differenzieren, wo die Eigenverantwortung an der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit scheitert (vgl BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, RdNr 34 ff). Eine solche Differenzierung hat der Gesetzgeber - wie dargelegt - in § 55 Abs 2 S 2 SGB V vorgenommen. Zwingende verfassungsrechtliche Gründe für eine darüber hinausgehende Härtefallregelung bestehen nicht (vgl BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 46-47). Es ist auch nicht Aufgabe der Rechtsprechung, als ungerecht empfundene Entscheidungen des Gesetzgebers ohne gesetzliche Grundlage zu korrigieren (vgl BSG SozR 4-2500 § 62 Nr 4 RdNr 18).
cc) Auch ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art 5 Abs 2 UN-BRK (zur unmittelbaren Anwendung des Art 5 Abs 2 UN-BRK vgl BVerfGE 128, 138, 156 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9 RdNr 54; Denkschrift der Bundesregierung zur UN-BRK, BT-Drucks 16/10808 S 45, 48; Masuch in Festschrift für Renate Jaeger, 2011, 245, 246, 250) oder das Art 5 Abs 2 UN-BRK entsprechende Benachteiligungsverbot behinderter Menschen gemäß Art 3 Abs 3 S 2 GG ist nicht ersichtlich. Die Regelung über den Festzuschuss knüpft nicht an eine Behinderung im verfassungsrechtlichen und konventionsrechtlichen Sinne an. Soweit die Vorschrift zugleich behinderte Menschen iS des Art 3 Abs 3 S 2 GG oder des Art 1 Abs 2 UN-BRK trifft, ist sie wegen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des GKV-Leistungskatalogs gerechtfertigt (vgl BSGE 110, 194 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 69, RdNr 32 ff; BSG Urteil vom 2.9.2014 - B 1 KR 12/13 R - Juris RdNr 23).
b) Die Voraussetzungen von § 55 Abs 2 S 2 Nr 2 und 3 SGB V liegen ebenfalls nicht vor. Weder bezieht die Klägerin eine der in § 55 Abs 2 S 2 Nr 2 SGB V genannten bedürftigkeitsabhängigen Leistungen, noch werden die Heimkosten vom Träger der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge ganz oder teilweise erbracht. Ohne Bedeutung ist es, dass die Klägerin - insbesondere ohne die Zuwendungen ihrer Kinder - ggf einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung hätte (§§ 41 ff SGB XII) und der zuständige Träger der Sozialhilfe auch die Heimkosten entweder ganz oder zum Teil als Leistungen der Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff SGB XII) übernommen hätte. Denn die Norm stellt ausdrücklich auf den tatsächlichen Bezug von bedürftigkeitsabhängigen Leistungen ("erhält") bzw auf die tatsächliche Zahlung der Heimkosten durch den Sozialhilfeträger ("getragen werden") ab (BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 3 LS).
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf einen höheren Festzuschuss nach § 55 Abs 1 S 3 und 5 SGB V. Für eigene Bemühungen der Versicherten zur Gesunderhaltung der Zähne erhöht sich der Festzuschuss um 20 vH (§ 55 Abs 1 S 3 SGB V) und bei regelmäßiger Zahnpflege um weitere 10 vH (§ 55 Abs 1 S 5 SGB V). Er kann sich mithin auf bis zu 80 vH, vorliegend also auf 37,82 Euro erhöhen. Die Klägerin hat nach eigenem Bekunden die nach § 55 Abs 1 S 4 SGB V für eine Erhöhung erforderlichen Kontrolluntersuchungen in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Behandlung nicht durchgeführt. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.