Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 23.06.2015


BSG 23.06.2015 - B 1 KR 21/14 R

Krankenversicherung - Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse - keine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung für unter 60-jährige Patienten mit Schlaganfall - keine Verwirkung durch Unterlassen


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
23.06.2015
Aktenzeichen:
B 1 KR 21/14 R
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend SG Hamburg, 5. März 2012, Az: S 6 KR 1338/09, Urteilvorgehend Landessozialgericht Hamburg, 20. Februar 2014, Az: L 1 KR 34/12, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 1 Abs 6 KFPVbg 2005
Nr 8-550.0 OPS 2005
Nr 8-550.1 OPS 2005
Nr 8-550.2 OPS 2005

Leitsätze

Eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung ist nur für Patienten ab Vollendung des 60. Lebensjahrs vorgesehen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 20. Februar 2014 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1904,83 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

2

Das für die Behandlung Versicherter zugelassene Krankenhaus der klagenden Krankenhausträgerin behandelte die am 5.4.1948 geborene, bei der Beklagten versicherte K. (im Folgenden: Versicherte) vollstationär vom 22.11. bis 8.12.2005 wegen eines Schlaganfalls mit Frührehabilitation (Hauptdiagnose ICD-10-GM <2005> I63.4 - Hirninfarkt durch Embolie zerebraler Arterien; Nebendiagnosen ua G40.9 - Epilepsie, G81.9 - Hemiparese und Hemiplegie, I10.00 - Benigne essentielle Hypertonie ohne Angabe einer hypertensiven Krise, I48.11 - Chronisches Vorhofflimmern, I50.0 - Herzinsuffizienz, R47.0 - Dysphasie und Aphasie, U50.20 - Mittlere motorische Funktionseinschränkung sowie U51.22 - Schwere kognitive Funktionseinschränkung). Die Klägerin berechnete hierfür die Fallpauschale (DRG <2005>) B44Z (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems; kodiert ua: Operationen- und Prozeduren-Schlüssel 8-550.1, geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten; insgesamt 5344 Euro; 13.12.2005). Die Beklagte bat die Klägerin um eine Rechnungskorrektur, weil sie den OPS 8-550.1 fehlerhaft kodiert habe. Bei der angegebenen Behandlung in der Inneren Abteilung könne eine geriatrische Komplexbehandlung nicht stattgefunden haben (29.12.2005). Die Beklagte zahlte ihr mangels einer Antwort 3439,17 Euro für die DRG B70B (Apoplexie ohne intrakranielle Blutung; 27.2.2006). Die Klägerin forderte vergeblich vollständige Vergütung in der geltend gemachten Höhe, weil die Behandlung in der Abteilung für Geriatrische Frührehabilitation erfolgt sei (um diesen Hinweis geänderte Rechnung, 26.6.2007). Das SG hat die am 16.12.2009 erhobene Klage auf Zahlung des Restbetrags von 1904,83 Euro nebst Zinsen abgewiesen, da die Klägerin anderthalb Jahre nicht auf die Aufforderung zur Übersendung einer korrigierten Rechnung reagiert habe (Urteil vom 5.3.2012). Das LSG hat die Beklagte dagegen antragsgemäß verurteilt, weil das Patientenalter für eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung unerheblich und der Anspruch nicht verwirkt sei (Urteil vom 20.2.2014).

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Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 109 Abs 4 S 3 SGB V, § 17b Abs 1 S 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), § 7 Nr 1, § 9 Abs 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) iVm OPS (2005) 8-550.1 und § 242 BGB. Das Patientenalter der Versicherten von unter 60 Jahren schließe eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung aus. Der Restvergütungsanspruch sei verwirkt.

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Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 20. Februar 2014 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. März 2012 zurückzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG das die Klage abweisende SG-Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung weiterer 1904,83 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die Klägerin hat keinen weiteren zulässig mittels der echten Leistungsklage (stRspr, vgl zB BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12 mwN) geltend gemachten Vergütungsanspruch für die vollstationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten gegen die Beklagte.

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1. Die Höhe der Vergütung für die Behandlung Versicherter im Jahr 2005 bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenen der Klägerin nach § 109 Abs 4 S 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 S 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 5 Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz <2. FPÄndG> vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und § 17b KHG (hier anzuwenden idF durch Art 1 Nr 4 2. FPÄndG; vgl entsprechend BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen ) konkretisiert. Die Spitzenverbände der KKn (ab 1.7.2008: Spitzenverband Bund der KKn) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 5 FPG) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 8 2. FPÄndG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG (idF durch Art 5 FPG).

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2. Die Klägerin durfte auf dieser Grundlage für die Behandlung der Versicherten einen Rechnungsbetrag von 3439,17 Euro berechnen (DRG <2005> B70B - Apoplexie ohne intrakranielle Blutung). Insoweit kann der erkennende Senat im Revisionsverfahren von diesem - bei Zugrundelegung der DRG (2005) B70B - der Höhe nach von den Beteiligten nicht bestrittenen Betrag ausgehen (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 17). Die Klägerin hat aber keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf Zahlung von 5344 Euro für die DRG (2005) B44Z (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems). Sie hat schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Vergütung der DRG (2005) B44Z, weil eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nur für Patienten ab Vollendung des 60. Lebensjahres in Betracht kommt, während die Versicherte dagegen bei der Behandlung 57 Jahre alt war.

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a) Die Klägerin war allerdings nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht daran gehindert, ihren Restzahlungsanspruch gegenüber der Beklagten noch im Dezember 2009 geltend zu machen. Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg auf den Einwand der Verwirkung. Das Rechtsinstitut der Verwirkung passt als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Es findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 4 RdNr 15; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 mwN), etwa wenn eine Nachforderung eines Krankenhauses nach vorbehaltlos erteilter Schlussrechnung außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der KK erfolgt (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 27). Um eine solche Nachforderung geht es indes nicht. Die Verwirkung setzt zudem als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (stRspr; vgl zB BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 mwN). An solchen die Verwirkung auslösenden Umständen fehlt es vorliegend. Hierfür genügt es nicht, dass sich die Klägerin die aus Sicht der Beklagten berechtigte Teilzahlung überweisen ließ, ohne sich hierzu zu äußern. Nichtstun, also Unterlassen, kann ein schutzwürdiges Vertrauen nur in Ausnahmefällen allenfalls dann begründen und zur Verwirkung des Rechts führen, wenn der Schuldner dieses als bewusst und planmäßig erachten darf (vgl hierzu ausführlich BSG Urteil vom 1.7.2014 - B 1 KR 47/12 R - SGb 2014, 497 = Juris RdNr 11). Das Schweigen der Klägerin war in diesem Sinne nicht beredt.

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b) Zu Recht ziehen die Beteiligten nicht in Zweifel, dass die Klägerin die DRG (2005) B44Z nur abrechnen durfte, falls sie zulässig OPS (2005) 8-550.1 kodieren durfte. Daran fehlt es. Eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung ist nur für Patienten ab Vollendung des 60. Lebensjahres vorgesehen.

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Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Nach § 1 Abs 6 S 1 FPV 2005 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 KHG und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.

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Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu Letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in der Version 2005 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 21.10.2004, BAnz Nr 209 vom 4.11.2004, S 22574, in Kraft getreten am 1.1.2005 ) sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2005 einschließlich Erweiterungskatalog vom 21.10.2004 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Operationen- und Prozedurenschlüssels vom 21.10.2004, BAnz Nr 209 vom 4.11.2004, S 22574, in Kraft getreten am 1.1.2005 ). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24).

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Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 12 ff). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27 mwN; s zum Ganzen auch BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 12 ff mwN).

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Die DRG (2005) B44Z wird nur dann im Groupierungsvorgang angesteuert, wenn Prozeduren nach OPS (2005) 8-550 zu kodieren sind (vgl G-DRG, German Diagnosis Related Groups Version 2005/2006, Definitionshandbuch Bd 1 S 299; Bd 5 Anlage B S 573; dort ist die ADRG <2005> B44 deckungsgleich mit OPS <2005> 8-550, soweit die MDC 1 über die entsprechende neurologische Hauptdiagnose - hier ICD-10-GM <2005> I63.4 - angesteuert wird; vgl zu Letzterem Definitionshandbuch Bd 5 Anlage A S 35), ansonsten richtet sich hier die Vergütung nach DRG (2005) B70B. Allein die Schlüsselnummern nach OPS (2005) 8-550 betreffen die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung. Die einzelnen Schlüssel unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich Behandlungsdauer und Zahl der Therapieeinheiten (OPS <2005> 8-550.0: Mindestens 7 Behandlungstage und 10 Therapieeinheiten; OPS <2005> 8-550.1: Mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten; OPS <2005> 8-550.2: Mindestens 21 Behandlungstage und 30 Therapieeinheiten). Alle OPS (2005) 8-550 setzen nach dem einleitenden Hinweis als eines der Mindestmerkmale ua eine Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung voraus (Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich "Klinische Geriatrie" erforderlich; sofern diese nicht vorliegt, ist zur Aufrechterhaltung bereits bestehender geriatrischer Versorgungsangebote übergangsweise bis zum Jahresende 2007 eine vergleichbare mehrjährige Erfahrung im Bereich "Klinische Geriatrie" ausreichend; zu den Anforderungen an eine aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal vgl BSG Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 26/13 R - Juris RdNr 18, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 301 Nr 3 vorgesehen).

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Nach den für die Auslegung von Vergütungsregelungen oben aufgezeigten Kriterien folgt schon aus dem Wortlaut "Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung", dass es um eine geriatrische Behandlung der Patienten und nicht etwa um eine neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation geht. Die letztere Art der Frührehabilitation ist rechtssystematisch unter OPS <2005> 8-552 erfasst. Sie setzt nach dem OPS <2005> ua ein Frührehateam unter Leitung eines Facharztes für Neurologie, Neurochirurgie oder physikalische und rehabilitative Medizin voraus, der über eine mindestens 3-jährige Erfahrung in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation verfügt. Beide Arten der Rehabilitation schließen sich gegenseitig aus. Sie bedürfen deshalb der Abgrenzung.

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Die Rechtsordnung gibt hierfür nicht ausdrücklich exakte Grenzwerte vor. Der für die DRG und OPS verwendete Begriff der "geriatrischen" frührehabilitativen Komplexbehandlung ist in den genannten Regelwerken nicht näher definiert. Die dort geregelten Anforderungen an ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung erfordern - wie dargelegt - die Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich "Klinische Geriatrie". Die Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern sehen insoweit einheitlich keine Möglichkeit einer entsprechenden Facharztkompetenz vor. Die Zusatz-Weiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung Geriatrie umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Vorbeugung, Erkennung, konservative und interventionelle Behandlung und Rehabilitation körperlicher und seelischer Erkrankungen im biologisch fortgeschrittenen Lebensalter mit dem Ziel der Erhaltung und Wiederherstellung größtmöglicher Selbstständigkeit. Weiterbildungsinhalt ist insbesondere der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Symptomatologie und funktionellen Bedeutung von Altersveränderungen sowie Erkrankungen und Behinderungen des "höheren Lebensalters" (vgl DGG, recherchiert am 18.5.2015 unter "http://www.dggeriatrie.de/weiterbildung.html"). Eine genaue Altersgrenze der betroffenen Patienten ist rechtlich dadurch nicht fixiert. Das landesrechtliche Krankenhausplanungsrecht und die hieran anknüpfenden Versorgungsverträge der Krankenhäuser legen ebenfalls keine präzisen, bundeseinheitliche Vorgaben begründende Grenzen zugrunde, soweit sie überhaupt "geriatrische Betten" vorsehen. Daraus erwächst gerade der legitime Bedarf, im Rahmen des OPS qualitative Strukturvorgaben zu regeln (vgl hierzu zB BSG Urteil vom 10.3.2015 - B 1 KR 4/15 R - Juris RdNr 14; BSG Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 26/13 R - Juris RdNr 18, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 301 Nr 3 vorgesehen), zumal die Krankenhausbehandlung erfordernde Akutbehandlung mit der - etwa geriatrischen - Frührehabilitation inhaltlich verknüpft ist (vgl § 39 Abs 1 S 3 SGB V). Dementsprechend genügt es bei geriatrischer frührehabilitativer Komplexbehandlung für die Behandlungspflicht und den Vergütungsanspruch des zugelassenen Krankenhauses (§ 109 Abs 4 S 2 und 3 SGB V), dass die Behandlung vom generellen Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst und die behandelnde Abteilung im Krankenhaus hinreichend ausgestattet ist, um den strukturellen Anforderungen einer geriatrischen Frührehabilitation entsprechen zu können (vgl in diesem Sinne zB LSG Hamburg Urteil vom 14.12.2014 - L 1 KR 60/14 - Juris RdNr 17 ff; OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 22.11.2012 - 13 A 2379/11 - Juris RdNr 38 = MedR 2013, 252).

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Die notwendige Grenzziehung zwischen geriatrischer und sonstiger, insbesondere etwa neurologisch-neurochirurgischer frührehabilitativer Komplexbehandlung ist mangels ausdrücklicher rechtlich exakt vorgegebener Grenzwerte anhand der medizinischen Ausrichtung der jeweiligen Frührehabilitation vorzunehmen. Das entspricht auch dem Grundsatz, dass der OPS - soweit keine abweichenden rechtlichen Vorgaben bestehen - Operationen und Prozeduren unter Verwendung medizinischer Begriffe mit dem Sinngehalt definiert und strukturiert, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 18).

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Nach diesem Maßstab kommt dem Alter der Patienten für die Abgrenzung geriatrischer von sonstiger frührehabilitativer Komplexbehandlung eine entscheidende Bedeutung zu. Geriatrie befasst sich mit den Alterungsprozessen und den diagnostischen, therapeutischen, präventiven und rehabilitativen Aspekten der Erkrankungen alter Menschen (vgl zB Empfehlungen für die klinisch-geriatrische Behandlung, Bundesarbeitsgemeinschaft der Klinisch-Geriatrischen Einrichtungen e.V., Hans Peter Meier-Baumgartner, 2. Auflage 1998, S 12). Geriatrie ist die Lehre von den Krankheiten des alternden Menschen (Wikipedia, recherchiert am 18.5.2015 unter "http://de.wikipedia.org/wiki/Geriatrie"). Eine altersunabhängige Zuordnung von Patienten zur Geriatrie, wie sie das LSG vornehmen will, ist ausgeschlossen. Die zwingend an das Alter anknüpfende Grenzziehung muss die bestehenden Abstufungen der Bedürfnisse der Patienten berücksichtigen, die die Notwendigkeit des Einsatzes des Instrumentariums der Geriatrie bedingen.

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Nach diesen Kriterien ist für die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung neben der typischen Multimorbidität regelmäßig ein Alter von 70 Jahren zu fordern, zumindest aber ein Alter von 60 Jahren in Verbindung mit plausibilisierenden Angaben. Die Geriatrische Medizin behandelt nach ihrem Selbstverständnis nämlich die speziellen Erkrankungen alter Patientinnen und Patienten, die häufig älter als 65 Jahre und multimorbide sind. Die Mehrzahl der Patienten, die von Geriatrischer Medizin profitiert, gehört der Altersgruppe der über 80-Jährigen an. Sie sieht Geriatrische Patienten definiert insbesondere durch geriatrietypische Multimorbidität und höheres Lebensalter (meist über 70 Jahre), wobei die geriatrietypische Multimorbidität hierbei vorrangig vor dem kalendarischen Alter zu sehen ist (vgl DGG - recherchiert am 18.5.2015 unter "http://www.dggeriatrie.de/nachwuchs/91-was-ist-geriatrie.html"). Die Klägerin verweist zutreffend auf die "Abgrenzungskriterien Geriatrie" (M. Borchelt ua, VERSION V1.3, gemeinsame Arbeitsgruppe der Bundesarbeitsgemeinschaft der Klinisch-Geriatrischen Einrichtungen e.V., der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie e.V., basierend auf den Ergebnissen der Konsensus-Konferenz vom 15.01.2003 in Essen und der Folgekonferenz vom 14.10.2003 in Hannover). Danach widmet sich die Geriatrie Patienten mit geriatrietypischer Multimorbidität, die überwiegend 70 Jahre alt oder älter sind (vgl ebenda, S 5, Übersicht 1). In Einklang damit fordert etwa der Bundesverband Geriatrie in einer Stellungnahme zu einem Gesetzgebungsverfahren zum Ausbau der Geriatrischen Versorgung in Niedersachsen (6.3.2012, LT-Drucks 16/4037), bei der stationären Aufnahme von über 80-jährigen Patienten bzw Patienten die älter als 70 Jahre sind und bei denen mehrere Erkrankungen oder Einschränkungen (frailty) vermutet werden, einen entsprechenden geriatrischen Bedarf zu identifizieren. Unterhalb eines Alters der Patienten von 60 Jahren kann danach von einem spezifisch geriatrischen Bedarf keine Rede sein.

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Die Behandlung der Versicherten genügte diesen Anforderungen nicht. Die Versicherte war nämlich lediglich 57 Jahre alt.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 1, § 155 Abs 1 S 3, § 161 Abs 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.