Entscheidungsdatum: 14.05.2014
Nach § 156 Abs. 1 ZVG i.V.m. § 13 Abs. 1 ZVG kommt es für die Abgrenzung der laufenden Beträge der öffentlichen Lasten von den Rückständen auf die Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlagnahme des Grundstücks an. Eine öffentliche Last, die in diesem Zeitpunkt Rückstand ist, bleibt dies auch dann, wenn sie nach den abgaberechtlichen Vorschriften gegenüber einem neuen Eigentümer des Grundstücks später wiederum fällig gestellt wird.
Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Verpflichtung des Klägers, in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter Grundsteuern für das Jahr 2008 für ein Betriebsgrundstück zu zahlen.
Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts D. vom 24. März 2009 zum Zwangsverwalter der Grundstücke Gemarkung D., Flur …, Flurstücke …, … und … (Betriebsgrundstück P.weg …, … und …) bestellt, die den Vollstreckungsschuldnern J. und M. K. und einer J. K. Immobilien Besitzgesellschaft mbH & Co. KG unter dem Namen B. GbR (im Folgenden: B. GbR) gehörten und seit dem 31. März 2009 im Eigentum der E. GmbH & Co. KG (im Folgenden: E. KG) standen. Der Zwangsverwalter nahm das Betriebsgrundstück am 26. März 2009 in Besitz. Durch Beschluss vom 8. Mai 2009 stellte das Amtsgericht D. klarstellend fest, dass das Zwangsverwaltungsverfahren sich gegen die neue Eigentümerin E. KG bei Fortbestehen der Beschlagnahme ohne Unterbrechung fortsetze.
Die Grundsteuer für das genannte Betriebsgrundstück war zuletzt durch Bescheid vom 21. März 2007 gegenüber der B. GbR festgesetzt worden, und zwar in Höhe von jährlich 37 183,52 €, wobei ab 15. Mai 2007 - ausdrücklich auch für die Folgejahre - fortlaufende Quartalszahlungen in Höhe von jeweils 9 295,88 € fällig gestellt wurden. Der Bescheid sollte ausdrücklich solange wirksam bleiben, "bis er durch einen neuen Bescheid ersetzt wird".
Mit an die E. KG gerichteten Bescheiden vom 28. Mai 2009 nahm das Finanzamt - jeweils bezogen auf den 1. Januar 2008 - eine Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts von der B. GbR auf die E. KG vor und setzte den Grundsteuermessbetrag auf "wie bisher 7 436,71 €" fest. Mit Grundsteuerbescheid vom 22. Juni 2009 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger als Zwangsverwalter für die steuerpflichtige B. GbR die Grundsteuer für die Jahre 2008 und 2009 in Höhe von jeweils 37 183,52 € ab. Mit weiterem - hier streitgegenständlichen - Bescheid vom 22. Juni 2009 setzte sie gegenüber dem Kläger als Zwangsverwalter für die steuerpflichtige E. KG die Grundsteuer für die Jahre 2008 und 2009 auf jeweils 37 183,52 € fest.
Der Kläger hat gegen den letztgenannten Bescheid vom 22. Juni 2009 Klage erhoben, soweit darin die Grundsteuer für das Jahr 2008 festgesetzt wird. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. Oktober 2009 abgewiesen. Die streitige Grundsteuer sei nicht als Rückstand, sondern als laufender Betrag einer wiederkehrenden Leistung einzustufen, da der Anspruch der Beklagten erst nach der eingetretenen Beschlagnahme entstanden sei. Abzustellen sei gemäß § 38 AO auf den Steueranspruch der Beklagten gegen die E. KG, der erst mit der Zurechnung des Einheitswerts am 28. Mai 2009 und damit nach der Beschlagnahme entstanden sei. Das Zwangsverwaltungsverfahren wurde nach Erteilung des Zuschlags am 12. Dezember 2011 in einem Zwangsversteigerungsverfahren durch Beschluss des Amtsgerichts D. vom 12. März 2012 aufgehoben.
Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung des Klägers mit Urteil vom 9. August 2012 stattgegeben und unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den angefochtenen Grundsteuerbescheid aufgehoben, soweit er eine Grundsteuer für das Jahr 2008 festsetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Steuerbescheid habe sich nicht durch Erfüllung erledigt, denn er sei noch Grundlage dafür, dass die Beklagte den empfangenen Betrag behalten dürfe. Laufende Beträge wiederkehrender Leistungen, die vom Zwangsverwalter ohne weiteres zu berichtigen seien, seien nur der letzte vor der Beschlagnahme fällig gewordene Betrag sowie die später fällig werdenden Beträge, während ältere Beträge Rückstände seien. Die letzte vor der Beschlagnahme am 26. März 2009 fällig gewordene Quartalsrate sei diejenige vom 15. Februar 2009, die durch Grundsteuerbescheid vom 21. März 2007 gegenüber der B. GbR festgesetzt worden sei. Für die Abgrenzung von laufenden Beträgen wiederkehrender Leistungen und Rückständen komme es nicht auf die Person des Steuerschuldners, sondern darauf an, ob die abstrakt zu Jahresbeginn entstandene Steuer vor der Beschlagnahme fällig gestellt worden sei. Eine spätere Neufestsetzung derselben Steuerforderung gegen einen anderen Steuerschuldner könne an dieser Abgrenzung nichts mehr ändern. Dies folge aus dem zwangsverwaltungsrechtlichen Prinzip der Begleichung laufender wiederkehrender Leistungen aus den fortlaufend gezogenen Nutzungen. Selbst wenn es nicht auf den Beschlagnahmezeitpunkt, sondern allein auf die nach der Beschlagnahme erfolgte Steuerfestsetzung durch den streitgegenständlichen Bescheid gegenüber der E. KG ankäme, ändere sich an diesem Ergebnis nichts. Dann nämlich sei diese persönliche Steuerforderung vor der Beschlagnahme noch nie fällig gewesen.
Die Beklagte macht mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision geltend, die vom Berufungsgericht vorgenommene Abgrenzung von laufenden Beträgen und Rückständen stelle eine Verletzung von § 13 Abs. 1, § 156 Abs. 1 Satz 1, § 155 Abs. 2 Satz 2 ZVG dar. Der Auffassung des Berufungsgerichts stehe schon § 38 AO entgegen, nach dem die Grundsteuerforderung nicht gegenüber einem Grundstück, sondern gegenüber einer Person für ein Grundstück entstehe. Auch § 10 Abs. 1 GrStG definiere als Steuerschuldner denjenigen, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet werde. Hier sei die B. GbR für das Jahr 2008 nicht Steuerschuldnerin gewesen, denn der Steuergegenstand sei mit Wirkung zum 1. Januar 2008 der E. KG zugerechnet worden; die entsprechende Grundsteuerfestsetzung für das Jahr 2008 sei erst nach der Beschlagnahme, nämlich mit Bescheid vom 22. Juni 2009 erfolgt.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. August 2012 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. Oktober 2009 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Berufungsurteil.
Die Revision der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO), ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Das Berufungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Es hat zutreffend angenommen, dass es nicht zu der Verwalterbefugnis des Klägers nach § 34 Abs. 1 und 3 AO gehörte, die von der Beklagten geforderte Grundsteuer für das Jahr 2008 zu begleichen. Neben dem Grundstückseigentümer, der gemäß § 33 Abs. 1 AO Schuldner verbleibt, trifft den Zwangsverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO eine eigene Zahlungsverpflichtung, soweit seine Verwaltung reicht, d.h. soweit er hierzu nach dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) und der dazu ergangenen Zwangsverwalterverordnung (ZwVwV) verpflichtet und befugt ist; liegt ein solcher Fall vor, ist der Steuerbescheid an den Zwangsverwalter selbst zu richten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2006 - IX ZR 151/04 - NJW-RR 2006, 1096). Das war hier bezogen auf die Grundsteuer für das Jahr 2008 nicht der Fall; insoweit bestand keine eigene Zahlungspflicht des Klägers, da die Voraussetzungen des § 156 Abs. 1 Satz 1 ZVG entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vorlagen.
Nach § 156 Abs. 1 Satz 1 ZVG sind die laufenden Beträge der öffentlichen Lasten von dem Verwalter "ohne weiteres Verfahren" zu berichtigen, d.h. ohne Aufstellung eines Teilungsplans (vgl. § 156 Abs. 2 Satz 2 ZVG) und ohne Zahlungsanordnung durch das Vollstreckungsgericht (vgl. § 157 Abs. 1 ZVG). Zu den öffentlichen Lasten in Form einer wiederkehrenden Leistung zählt insbesondere die Grundsteuer (§ 12 GrStG, § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZVG). Die Zuordnung öffentlicher Lasten als "laufende Beträge" i.S.d. § 156 Abs. 1 ZVG bestimmt sich nach § 13 Abs. 1 ZVG. Danach sind laufende Beträge wiederkehrender Leistungen der letzte vor der Beschlagnahme fällig gewordene Betrag sowie die später fällig werdenden Beträge, während ältere Beträge Rückstände sind.
Hiervon ausgehend war die streitige Grundsteuer für das Jahr 2008 zum Zeitpunkt der Beschlagnahme, die nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts am 26. März 2009 durch Besitzerlangung des Betriebsgrundstücks durch den Verwalter erfolgte (§ 151 Abs. 1 ZVG), kein laufender Betrag, sondern Rückstand. Mit Bescheid vom 21. März 2007 wurde die Grundsteuer gegenüber der B. GbR festgesetzt und gemäß den in § 28 Abs. 1 GrStG genannten Quartalsterminen fällig gestellt. Den letzten vor der Beschlagnahme fällig gewordenen und daher i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 1 ZVG "laufenden" Betrag der Grundsteuer stellt die am 15. Februar 2009 fällig gewordene erste Quartalsrate für das Jahr 2009 dar. Die davor fällig gewordenen Quartalsraten für das Jahr 2008 waren daher zum Zeitpunkt der Beschlagnahme gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 ZVG bereits "Rückstände" geworden mit der Folge, dass keine Pflicht des Klägers zur Vorabberichtigung dieser Beträge nach § 156 Abs. 1 ZVG bestand.
An diesem Ergebnis ändert nichts, dass die Grundsteuer für das Jahr 2008 nach der Beschlagnahme gegenüber dem neuen Eigentümer des Betriebsgrundstücks (E. KG) durch Neufestsetzung nach vorausgegangener Fortschreibung der Zurechnung des Grundstücks (vgl. § 22 Abs. 2 und 4 BewG) erneut fällig gestellt wurde. Nach § 156 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 ZVG kommt es für die zwangsvollstreckungsrechtliche Abgrenzung der laufenden Beträge der öffentlichen Lasten von den Rückständen allein auf die Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlagnahme an. Eine öffentliche Last, die in diesem Zeitpunkt Rückstand ist, bleibt dies auch dann, wenn sie nach den abgaberechtlichen Vorschriften gegenüber einem neuen Eigentümer des Grundstücks später wiederum fällig gestellt wird. Maßgebend hierfür ist der Sinn und Zweck des Zwangsverwaltungsverfahrens sowie die mit dem Beschlagnahmezeitpunkt verbundene Zäsur (§ 13 Abs. 1 ZVG) und die ihr innewohnende Begrenzungsfunktion.
Das Zwangsverwaltungsverfahren ist darauf gerichtet, die laufenden, aus der ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks stammenden Erträge zur Befriedigung des Gläubigers einzusetzen, während dem Schuldner die Substanz des Vermögensgegenstandes ungeschmälert erhalten bleibt. Der Zwangsverwalter hat daher nach § 152 Abs. 1 ZVG das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen (BGH, Urteil vom 9. Januar 2006 a.a.O. S. 1097). Über die Zwangsverwaltung kann insbesondere keine Verwertung des Grundstücks bzw. seiner Substanz erreicht werden; Zwangsverwaltungsmasse ist allein die Summe der Bruttoeinnahmen aus den erzielten Nutzungen des Zwangsverwaltungsobjekts (Blümle, in: Löhnig, Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 2010, § 155 Rn. 8; Hagemann, in: Steiner u.a., Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl. 1986, § 155 Rn. 15). Dementsprechend sieht das Gesetz vor, dass "aus den Nutzungen des Grundstücks" vorweg die Ausgaben der Verwaltung und die Kosten des Verfahrens (vgl. § 155 Abs. 1 ZVG) zu bestreiten sind. Lediglich die danach verbleibenden Überschüsse werden auf die in § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 ZVG bezeichneten Ansprüche verteilt (§ 155 Abs. 2 ZVG). Dementsprechend werden nach § 156 Abs. 1 Satz 1 ZVG nur die laufenden Beträge der öffentlichen Lasten vorab beglichen; Rückstände öffentlicher Lasten sind von dieser Vorrangregelung ausdrücklich ausgenommen. Ansprüche auf andere als laufende Beträge dürfen erst befriedigt werden, wenn die laufenden Beträge selbst durch die vorhandenen Einnahmen gedeckt sind (Haarmeyer u.a., Zwangsverwaltung, 5. Aufl. 2011, 156 Rn. 2). Das Zwangsverwaltungsverfahren ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, von dem Grundsatz der Begleichung laufender wiederkehrender Leistungen aus den fortlaufend gezogenen Nutzungen geprägt, damit die Zwangsversteigerung vermieden und das Zwangsverwaltungsobjekt erhalten werden kann (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - V ZB 43/09 - BGHZ 182, 361 Rn. 13; Haarmeyer, a.a.O.).
Dieser Zielsetzung des Zwangsverwaltungsverfahrens widerspräche es, wenn die Zahlungspflicht des Verwalters nach § 156 Abs. 1 ZVG dadurch auf bereits längere Zeit vor der Beschlagnahme fällig gewordene Beträge öffentlicher Lasten erstreckt werden könnte, dass dieselben Beträge nach der Beschlagnahme erneut fällig gestellt werden. Soweit die Beklagte dem entgegenhält, die Fälligkeit könne nicht vor Bekanntgabe des Steuerbescheides gegenüber dem jeweiligen Steuerschuldner eintreten (s. § 220 Abs. 2 AO), übersieht sie, dass sich die hier allein maßgebliche Abgrenzung der laufenden Beträge von Rückständen nicht hieraus, sondern abschließend aus § 156 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 ZVG ergibt.
Hiervon abgesehen sprechen auch praktische Erwägungen für diese Auffassung. Für den Zwangsverwalter sind die vorzeitig zu begleichenden Forderungen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlagnahme ohne größere Schwierigkeiten anhand der vorgefundenen Steuerbescheide festzustellen (Hagemann, a.a.O. sowie Rn. 7); nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 ZwVwV hat er die bei Inbesitznahme des Grundstücks vorliegenden öffentlichen Lasten des Grundstücks unter Angabe der laufenden Beträge zu dokumentieren (vgl. genauer Haarmeyer, a.a.O. § 3 ZwVwV Rn. 22 f.). Der Zeitpunkt der Beschlagnahme stellt damit für den Zwangsverwalter eine klare Zäsur dar, um seinen in § 3 Abs. 1 ZwVwV geregelten Dokumentationspflichten und insbesondere seinen Zahlungsverpflichtungen ohne größere Abgrenzungsprobleme nachzukommen.
Auf die Richtigkeit der weiteren Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, dass es sich bei der Grundsteuer 2008 auch nach § 13 Abs. 3 ZVG um Rückstände handele, kommt es damit nicht an.