Entscheidungsdatum: 05.10.2011
1. § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG, wonach bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung die Einlegung des Rechtsmittels noch innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig ist, ist bei Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts nach Ablauf von fünf Monaten seit der Verkündung nicht anwendbar.
2. Interessenabfragen im Bereich der Deutschen Rentenversicherung Nord unterliegen der Mitbestimmung des dortigen Gesamtpersonalrats.
I.
Die Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Rentenversicherung Nord, die Beteiligte zu 1, führt so genannte Interessenabfragen durch. Durch sie werden Beschäftigte der Deutschen Rentenversicherung Nord in entsprechender Entgelt- oder Besoldungsgruppe aufgefordert, sich auf freie Stellen gleicher Wertigkeit, die nach Aufgaben und Anforderungen näher bezeichnet sind, zu bewerben. Seit September 2008 legt die Beteiligte zu 1 die Interessenabfragen dem Gesamtpersonalrat, dem Beteiligten zu 2, zur Mitbestimmung vor.
Der Personalrat für die Dienststelle Hamburg der Deutschen Rentenversicherung Nord, der Antragsteller, ist der Auffassung, dass Interessenabfragen wie bisher in die Zuständigkeit der örtlichen Personalräte fielen. Das von ihm angerufene Verwaltungsgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass die Durchführung von Interessenabfragen und deren Veröffentlichung am Standort Hamburg der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Dienststelle sei grundsätzlich zur dienststelleninternen Ausschreibung von zu besetzenden Stellen verpflichtet. Dies gelte auch, wenn eine Besetzung im Rahmen einer wertgleichen Umsetzung beabsichtigt sei. Denn auch dann könne das berufliche Fortkommen tangiert werden. Aus der Verpflichtung der Beteiligten zu 1 zur dienststelleninternen Ausschreibung folge, dass der Antragsteller und nicht der Beteiligte zu 2 zur Mitbestimmung berufen sei. Denn nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 RVOrgG-AusfG sei die Einrichtung der Deutschen Rentenversicherung Nord in Hamburg Dienststelle im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 MBGSH.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Oberverwaltungsgericht den erstinstanzlichen Beschluss dahin geändert, dass die Durchführung von Interessenabfragen und deren Veröffentlichung am Standort Hamburg der Deutschen Rentenversicherung Nord nur insofern der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegen, als sich die Interessenabfragen nicht auf Stellen mit dienststellenübergreifendem Zuschnitt des Zuständigkeitsbereichs bezieht; im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richten sich die Rechtsbeschwerden des Antragstellers und der Beteiligten zu 1.
Der Antragsteller trägt vor: Die dienststellenübergreifende Tätigkeit des künftigen Stelleninhabers könne keinen Einfluss auf die Zuständigkeit der zur Mitbestimmung befugten Interessenvertretung haben. Das zu schützende kollektive Interesse knüpfe nicht an die eventuell dienststellenübergreifenden Außenkontakte bei der Ausübung der Tätigkeit an, sondern an die Sicherstellung der erforderlichen Bewerberkonkurrenz. Vorliegend gehe es um die Mitbestimmung bei Stellenbesetzungsverfahren. Die zu besetzenden Stellen seien organisatorisch jeweils genau einer Dienststelle zuzuordnen, weshalb die örtlichen Personalräte zu beteiligen seien. Ob die Interessenabfragen dienststellenübergreifend vorzunehmen seien oder nicht, sei eine Einzelfallentscheidung, an welcher der örtliche Personalrat zu beteiligen sei. Dafür sprächen auch die beim Fusionsprozess festgelegten Rahmenbedingungen, wonach die Arbeitsmengen so zu verteilen seien, dass die prozentuale Verteilung der Arbeitsplätze auf die Standorte der drei beteiligten Länder wesentlich der Relation der Stellen der drei Landesversicherungsanstalten vor der Vereinigung entspreche. Der örtliche Personalrat habe die Pflicht, die kollektivrechtlichen Interessen der Beschäftigten in der Dienststelle wahrzunehmen. Dies könne von dem dienststellenübergreifenden zuständigen und zusammengesetzten Gesamtpersonalrat nicht in ausreichendem Maße geleistet werden. Das Prinzip der Bestenauslese komme bei den hier in Rede stehenden Interessenabfragen nicht zur Anwendung. Im Übrigen lasse sich daraus keine Aussage zur Abgrenzung der Zuständigkeit von Personalvertretungen herleiten.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
1. den angefochtenen Beschluss zu ändern und die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den erstinstanzlichen Beschluss zurückzuweisen,
2. die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 1 beantragt sinngemäß,
1. unter Änderung des angefochtenen und Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses den Antrag in vollem Umfang abzulehnen,
2. die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Die Interessenabfragen würden grundsätzlich an allen drei Standorten der Deutschen Rentenversicherung Nord durchgeführt und seien damit keine ausschließlich örtlich bezogenen Fragen. Bei den Interessenabfragen liege der Schwerpunkt der beteiligungspflichtigen Angelegenheit in der Ausschreibung einer Umsetzungsmaßnahme innerhalb der Deutschen Rentenversicherung Nord. Der Beteiligte zu 2 habe einer Vorlage der Arbeitsgruppe "Durchführung von Interessenabfragen" zugestimmt, wonach die Interessenabfragen dienststellenübergreifend durchgeführt würden. Diese Zustimmung sei für den Antragsteller als verbindlich hinzunehmen und führe gleichzeitig zum Verlust seines Mitbestimmungsrechts. Die Interessenabfragen dienten faktisch dem späteren Bewerbungs- und Auswahlverfahren für die ausgeschriebene Stelle. Die Auswahlentscheidung könne nur einheitlich erfolgen. Bestehe hierfür folgerichtig ein Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 2, so müsse dies aus dem Gedanken einer Annexkompetenz heraus ebenso für die vorgeschaltete Durchführung und Veröffentlichung der Interessenabfrage gelten. Der Begriff der dienststelleninternen Ausschreibung sei nicht auf den einzelnen Standort zu beziehen, sondern umfasse alle drei Standorte der Deutschen Rentenversicherung Nord.
II.
A. Gegen die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde des Antragstellers bestehen keine Bedenken. Aber auch das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 ist als selbständige Rechtsbeschwerde und nicht nur als unselbständige Anschlussrechtsbeschwerde zulässig.
1. Allerdings hat die Beteiligte zu 1 sowohl die Frist zur Einlegung als auch diejenige zur Begründung der Rechtsbeschwerde versäumt.
a) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde zwei Monate; beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 88 Abs. 2 MBGSH vom 11. Dezember 1990, GVOBl Schl.-H. S. 577, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 4. Februar 2011, GVOBl Schl.-H. S. 34, in Verbindung mit § 74 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 92 Abs. 2 Satz 1 ArbGG). Da im vorliegenden Fall der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts am 14. Juni 2010 verkündet, aber erst am 19. November 2010 der Beteiligten zu 1 zugestellt wurde, kommt § 74 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ArbGG zur Anwendung, so dass die Fristen fünf Monate nach dem Verkündungstermin zu laufen begannen. Die Beteiligte zu 1 hätte demnach ihre Rechtsbeschwerde bis 14. Dezember 2010 einlegen und bis 14. Januar 2011 begründen müssen. Ihre Rechtsbeschwerde ist jedoch erst am 20. Dezember 2010 und ihre Rechtsbeschwerdebegründung erst am 19. Januar 2011 eingegangen.
b) Zu einem anderen Ergebnis führt nicht § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG, wonach bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung die Einlegung des Rechtsmittels noch innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig ist. Diese Vorschrift ist bei Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts mit fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung nach Ablauf von fünf Monaten seit der Verkündung weder auf die Rechtsbeschwerdefrist noch auf die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist anwendbar. Nur auf diese Weise werden Ungereimtheiten vermieden und vom Gesetzgeber verfolgte Beschleunigungsabsichten gewahrt (vgl. BAG, Urteile vom 16. Dezember 2004 - 2 AZR 611/03 - AP Nr. 30 zu § 66 ArbGG 1979 Bl. 9, vom 24. Oktober 2006 - 9 AZR 709/05 - AP Nr. 34 zu § 66 ArbGG 1979 Rn. 12 und vom 16. Januar 2008 - 7 AZR 1090/06 - juris Rn. 9).
2. Der Beteiligten zu 1 ist jedoch gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist und der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung rechtfertigt in der Regel die Annahme eines fehlenden Verschuldens des Beteiligten an der Fristversäumung. Nur wenn die Rechtsmittelbelehrung offensichtlich nicht geeignet ist, den Anschein der Richtigkeit zu erwecken, ist die Fristversäumnis als schuldhaft anzusehen (vgl. BAG, Urteil vom 16. Dezember 2004 a.a.O. Bl. 9 R f. und vom 24. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 21 sowie Beschluss vom 25. Januar 2007 - 5 AZB 49/06 - AP Nr. 1 zu § 16 SGB II Rn. 9).
Im vorliegenden Fall war die vom Oberverwaltungsgericht erteilte Rechtsmittelbelehrung vor allem deswegen unrichtig, weil sie bei den Angaben zur Frist für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde nicht auch darüber unterrichtete, dass beide Fristen spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung begannen. Darüber musste das Oberverwaltungsgericht jedenfalls deswegen informieren, weil wegen der späten Übergabe des vollständigen Beschlusses an die Geschäftsstelle mit der Überschreitung des Fünfmonatszeitraums bei der Zustellung zu rechnen war. Andererseits durften die Beteiligte zu 1 und ihr Prozessbevollmächtigter auf die Richtigkeit der erteilten Rechtsmittelbelehrung vertrauen. Diese war nicht offenkundig falsch. Die Anknüpfung der Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels an den Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Entscheidung ist in der Rechtsordnung durchweg üblich. Die Bezugnahme der Begründungsfrist auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels kommt ebenfalls vor und war hier immerhin Inhalt der bis 31. Dezember 2001 geltenden Regelung (§ 72 Abs. 5, § 74 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 2 Satz 1 ArbGG a.F. i.V.m. § 554 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO a.F.). Dagegen kommt die Regelung in § 74 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ArbGG in der Praxis selten zur Anwendung, weil es dem Beschwerdegericht in aller Regel gelingt, seinen instanzbeendenden Beschluss den Beteiligten innerhalb von fünf Monaten nach Verkündung zuzustellen. Angesichts dessen durften sich die Beteiligte zu 1 und ihr Prozessbevollmächtigter darauf verlassen, dass entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Oberverwaltungsgerichts die Zustellung des angefochtenen Beschlusses die Monatsfrist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde und deren Einlegung eine weitere Monatsfrist für die Begründung in Lauf setzten.
b) Die Wiedereinsetzung scheitert nicht daran, dass es an einem dahingehenden Antrag fehlt. Ist die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt worden, so kann Wiedereinsetzung ohne Antrag gewährt werden (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO). So liegt es hier. Die Beteiligte zu 1 hat - wie oben bereits dargestellt - jeweils wenige Tage nach Ablauf der maßgeblichen Frist die Rechtsbeschwerde eingelegt bzw. begründet. Dass die Beteiligte zu 1 zum Zeitpunkt der Vorlage ihrer Rechtsbeschwerdebegründung oder irgendwann in der Zeit davor über die Unrichtigkeit der erteilten Rechtsmittelbelehrung informiert war (vgl. § 234 Abs. 1 und 2 ZPO), ist nicht ersichtlich.
3. Der Senat weist das Oberverwaltungsgericht vorsorglich und zur künftigen Beachtung darauf hin, dass die seinem Beschuss beigefügt Rechtsmittelbelehrung - von der Nichterwähnung der Regelung in § 74 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ArbGG abgesehen - zwei weitere Mängel aufweist: Die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde beträgt zwei Monate; sie beginnt nicht mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde (§ 74 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 92 Abs. 2 Satz 1 ArbGG). Zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde sind nicht nur Rechtsanwälte, sondern auch Verbandsvertreter zugelassen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5, Abs. 4, § 94 Abs. 1 ArbGG).
B. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist unbegründet, diejenige der Beteiligten zu 1 begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht in seinem feststellenden Teil auf der unrichtigen Anwendung von Rechtsnormen (§ 88 Abs. 2 MBGSH i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). In diesem Umfang ist er daher aufzuheben; da der Sachverhalt geklärt ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Ablehnung des Antrages in vollem Umfang. Die hier in Rede stehenden Interessenabfragen im Bereich der Deutschen Rentenversicherung Nord unterliegen der Mitbestimmung des dortigen Gesamtpersonalrats, des Beteiligten zu 2. Der für die Dienststelle Hamburg gebildete Personalrat, der Antragsteller, ist nicht zur Beteiligung berufen.
1. Auf die Deutsche Rentenversicherung Nord ist das Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein anzuwenden (vgl. Beschlüsse vom 17. Juli 2010 - BVerwG 6 PB 6.10 - juris Rn. 4 ff. und vom 30. November 2010 - BVerwG 6 PB 16.10 - juris Rn. 4).
2. Zu Recht ist ein Gesamtpersonalrat bei der Deutschen Rentenversicherung Nord gebildet worden (§ 45 Abs. 1, § 84 Abs. 5 Satz 1 MBGSH). Bei dieser handelt es sich um eine der Aufsicht des Landes Schleswig Holstein unterstehende Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit (§ 29 Abs. 1 SGB IV). Bei ihr bestehen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung organisationsrechtlicher Bestimmungen des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (RVOrgG-AusfG) vom 28. September 2005, GVOBl Schl.-H. S. 342, mehrere Personalräte, nämlich jeweils einer in den Dienststellen Lübeck, Hamburg und Neubrandenburg (vgl. Beschluss vom 17. Juli 2010 a.a.O. Rn. 15 ff. und 19 ff.).
3. Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der drei örtlichen Personalräte einerseits und des Gesamtpersonalrats andererseits gilt daher § 61 MBGSH; dies wird in § 2 Abs. 2 Satz 3 RVOrgG-AusfG ausdrücklich klargestellt. Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH ist der Gesamtpersonalrat nur zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die mehrere in ihm zusammengefasste Dienststellen betreffen und die nicht durch die einzelnen Personalräte innerhalb ihres Geschäftsbereichs geregelt werden können.
a) Erste Voraussetzung für die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats ist danach, dass die beteiligungspflichtige Angelegenheit mehrere in ihm zusammengefasste Dienststellen betrifft. Die Angelegenheit muss dienststellenübergreifende Wirkung haben (vgl. Landtagdrucks. 12/996 S. 122). Dagegen verbleibt es bei der Zuständigkeit des örtlichen Personalrats, wenn von der beabsichtigten Maßnahme ausschließlich die Beschäftigten einer Dienststelle betroffen werden. § 2 Abs. 2 Satz 1 RVOrgG-AusfG bestätigte dies für den Bereich der Deutschen Rentenversicherung Nord. Danach beteiligt deren Geschäftsführung als gemeinsame Dienststellenleitung für alle drei Dienststellen in Hamburg, Lübeck und Neubrandenburg (§ 2 Abs. 1 Satz 2 RVOrgG-AusfG) in den Fällen, in denen Beschäftigte einer dieser Dienststellen betroffen sind, den dort gebildeten Personalrat unmittelbar (vgl. Landtagdrucks. 16/202 S. 7 f.).
b) Die vorbezeichnete erste Voraussetzung für die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats ist bereits dann erfüllt, wenn der Dienststellenleiter beabsichtigt, eine dienststellenübergreifende Maßnahme zu treffen. Dies reicht jedoch für die Begründung der Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats noch nicht aus. § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH verlangt vielmehr zusätzlich, dass die Angelegenheit nicht durch die einzelnen Personalräte innerhalb ihres Geschäftsbereichs geregelt werden kann. Diese zweite Voraussetzung unterwirft die dienststellenübergreifende Absicht des Dienststellenleiters einem Rechtfertigungszwang. Nur wenn die Maßnahme gerade als dienststellenübergreifende geboten ist, ist der Gesamtpersonalrat an Stelle der sonst zuständigen örtlichen Personalräte zur Mitbestimmung berufen.
aa) § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH ist der Regelung in § 50 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG nachgebildet. Diese Vorschrift lautet: "Der Gesamtbetriebsrat ist zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können". Es liegt daher nahe, sich bei der Auslegung der Regelung in § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 50 Abs. 1 BetrVG zu orientieren (vgl. in diesem Zusammenhang zum Ausschluss der Mitbestimmung bei leitenden Angestellten: Beschluss vom 22. März 2006 - BVerwG 6 P 10.05 - Buchholz 251.95 § 84 MBGSH Nr. 1 Rn. 24 f.).
Dagegen spricht nicht, dass der Gesamtbetriebsrat durch Entsendung von Mitgliedern der Betriebsräte des Unternehmens gebildet wird (§ 47 Abs. 2 BetrVG), während der Gesamtpersonalrat unmittelbar von den Beschäftigten der beteiligten Dienststellen gewählt wird (§ 45 Abs. 3 MBGSH). Denn die dienststellenübergreifende Legitimation des Gesamtpersonalrats spielte für den Gesetzgeber nach der Konzeption der Regelung in § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH keine entscheidende Rolle. Diese Regelung verlangt zur Begründung der Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats eine materielle Rechtfertigung. Fehlt es daran, so muss sich der Dienststellenleiter mit seinem Anliegen an die örtlichen Personalräte wenden. Dass diese - unter der Voraussetzung einer dezentralen Regelungsmöglichkeit - legitimiert sind, die von ihnen vertretenen Beschäftigten zu repräsentieren, unterliegt keinem Zweifel.
bb) Unter sinngemäßer Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 50 BetrVG ergibt sich Folgendes: Das Erfordernis, wonach die Angelegenheit nicht durch die einzelnen Personalräte innerhalb ihres Geschäftsbereichs geregelt werden kann, setzt nicht notwendig die objektive Unmöglichkeit einer dienststellenbezogenen Regelung voraus. Ausreichend, aber regelmäßig auch zu verlangen ist vielmehr, dass ein sachlich zwingendes Erfordernis für eine dienststellenübergreifende Regelung besteht. Dieses Erfordernis kann sich aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben. Reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht. Maßgeblich sind stets die konkreten Umstände der Gesamtdienststelle und der ihr zugehörigen einzelnen Dienststellen (vgl. BAG, Beschlüsse vom 3. Mai 2006 - 1 ABR 15/05 - BAGE 118, 131 Rn. 25 und vom 14. November 2006 - 1 ABR 4/06 - BAGE 120, 146 Rn. 22). Der Gleichbehandlungsgrundsatz begrenzt die Regelungsmacht der Partner der Dienststellenverfassung, hat jedoch keinen Einfluss auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Personalvertretungen (vgl. BAG, Beschlüsse vom 23. März 2010 - 1 ABR 82/08 - AP Nr. 135 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung Rn. 17 und vom 18. Mai 2010 - 1 ABR 96/08 - AP Nr. 34 zu § 50 BetrVG 1972 Rn. 17). Sofern der Gesamtpersonalrat im Sinne von § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH für die Behandlung einer Angelegenheit originär zuständig ist, hat er diese Angelegenheit insgesamt mit dem Dienststellenleiter zu regeln. Eine Aufspaltung der Zuständigkeiten auf Gesamtpersonalrat und örtliche Personalräte verbietet sich aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (vgl. BAG, Beschluss vom 14. November 2006 a.a.O. Rn. 35).
4. Nach den vorgenannten Grundsätzen unterliegen Interessenabfragen im Bereich der Deutschen Rentenversicherung Nord der Mitbestimmung des Gesamtpersonalrats, des Beteiligten zu 2.
a) Die Interessenabfragen, um die es dem Antragsteller geht, richten sich, wie die der Antragsschrift beigefügten Anlagen Ast 1 und Ast 2 belegen, an alle Beschäftigten der Deutschen Rentenversicherung Nord in entsprechender Vergütungs- oder Besoldungsgruppe. Sie betreffen deshalb die drei Dienststellen in Lübeck, Hamburg und Neubrandenburg und damit mehrere Dienststellen im Zuständigkeitsbereich des Beteiligten zu 2.
b) Die Interessenabfragen können im Bereich der Deutschen Rentenversicherung Nord nicht durch die einzelnen Personalräte in den Dienststellen Lübeck, Hamburg und Neubrandenburg geregelt werden. Es besteht ein zwingendes Erfordernis, darüber dienststellenübergreifend zu entscheiden.
aa) Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts gibt der Umstand, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 RVOrgG-AusfG die Einrichtung der Deutschen Rentenversicherung Nord in Lübeck, Hamburg und Neubrandenburg zu Dienststellen im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 MBGSH erklärt, nichts dafür her, dass Stellenausschreibungen auf die Standorte zu begrenzen sind und die Mitbestimmung daher durch die örtlichen Personalräte wahrzunehmen ist. Personalvertretungsrechtliche Festlegungen zum Dienststellenbegriff, die spezifischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen im Zusammenhang mit der Bildung von Personalvertretungen dienen, sind für materielle arbeits- und dienstrechtliche Vorgänge nicht maßgeblich. Dasselbe gilt grundsätzlich, soweit Mitbestimmungstatbestände an solche Vorgänge anknüpfen. So ist z.B. der Wechsel eines Beschäftigten von der Hauptdienststelle zu einer personalvertretungsrechtlich verselbständigten Nebenstelle im Rahmen von Mitbestimmungstatbeständen unbeachtlich, welche einen Dienststellenwechsel voraussetzen (vgl. Beschluss vom 11. November 2009 - BVerwG 6 PB 25.09 - Buchholz 251.92 § 67 SAPersVG Nr. 2 Rn. 7 m.w.N.).
Hier liegt eine vergleichbare Fallgestaltung vor. Mit der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 RVOrgG-AusfG verfolgt der schleswig-holsteinische Landesgesetzgeber ein spezielles personalvertretungsrechtliches Anliegen. Trotz des standortübergreifenden Organisationsaufbaus der Deutschen Rentenversicherung Nord sollen die Beschäftigten an den Standorten der früheren Hauptverwaltungen eigene Personalräte wählen können. Der Gesetzgeber hält dies wegen Größe und Bedeutung der Einrichtungen für notwendig, damit ausschließlich örtlich bezogene Fragen personalvertretungsrechtlich sinnvoll behandelt werden können (LTDrucks 16/202 S. 7 zu § 2). Daraus geht hervor, dass der Gesetzgeber sich für ein spezielles Gesamtdienststellensystem mit zentralen und dezentralen Mitbestimmungskompetenzen entschieden hat. Hinsichtlich der Abgrenzung verweist er - mit der Klarstellung in § 2 Abs. 2 Satz 1 RVOrgG-AusfG - auf die auch sonst geltende Regelung in § 61 MBGSH (§ 2 Abs. 2 Satz 3 RVOrgG-AusfG). Materielle Gebote, Maßnahmen standortbezogen oder standortübergreifend durchzuführen, lassen sich daraus nicht ableiten.
bb) Das zwingende Erfordernis für eine dienststellenübergreifende Regelung ergibt sich hier aus der Eigenart der Mitbestimmung bei Ausschreibungen, als deren Unterfall die hier in Rede stehenden Interessenabfragen sich darstellen.
(1) Unter einer Ausschreibung ist die allgemeine Aufforderung zu verstehen, sich auf eine freie Stelle zu bewerben. Sie richtet sich - wie im Fall der öffentlichen oder externen Ausschreibung - an einen unbestimmten Personenkreis oder - wie im Fall der dienststelleninternen Ausschreibung - an alle Beschäftigten der Dienststelle oder eine bestimmte Gruppe von ihnen (vgl. Beschlüsse vom 9. Januar 2007 - BVerwG 6 P 6.06 - Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 36 Rn. 20 und vom 14. Januar 2010 - BVerwG 6 P 10.09 - BVerwGE 136, 29 = Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 110 Rn. 11). Bei den hier in Rede stehenden Interessenabfragen handelt es sich um interne Ausschreibungen. Durch sie werden Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung Nord in bestimmten Entgelt- oder Besoldungsgruppen aufgefordert, sich auf eine gleich bewertete Stelle zu bewerben.
(2) Die Beteiligung des Personalrats im Zusammenhang mit der Stellenausschreibung rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass die Auswahl der Personen, mit der eine freie Stelle besetzt wird, in der Regel das berufliche Fortkommen oder sonstige berufsbezogene Belange und Vorstellungen anderer in der Dienststelle Beschäftigter berührt und deswegen ein schutzwürdiges kollektives Interesse daran besteht, sicherzustellen, dass sich nach Möglichkeit jeder interessierte Beschäftigte an der Bewerberkonkurrenz beteiligen kann. Dieses Interesse ist besonders stark, wenn sich die Stellenbesetzung innerhalb der Dienststelle vollzieht. Die Frage, ob die zu besetzende Stelle dienststellenintern ausgeschrieben wird oder nicht, hat Gewicht. Denn darin, ob das geschieht, liegt die Entscheidung darüber, ob innerhalb der Dienststelle eine offene Bewerberkonkurrenz ermöglicht oder ob die Stelle auf andere Weise besetzt wird (vgl. Beschlüsse vom 9. Januar 2007 a.a.O. Rn. 32 und vom 14. Januar 2010 a.a.O. Rn. 23).
(3) Im Mitbestimmungsverfahren hat der Personalrat zunächst darüber zu wachen, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausschreibung - teilweise in Gestalt der öffentlichen oder dienststellenübergreifenden Ausschreibung - vorsehen (vgl. § 10 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes vom 26. März 2009, GVOBl Schl.-H. S. 93, sowie § 7 des Gleichstellungsgesetzes vom 13. Dezember 1994, GVOBl Schl.-H. S. 562, zuletzt geändert durch Art. 4 der Verordnung vom 8. September 2010, GVOBl Schl.-H. S. 575). Sodann sind Verwaltungsvorschriften zur Ausschreibung zu beachten, durch welche vom Gesetzgeber belassene Gestaltungsspielräume ausgefüllt werden (vgl. Beschlüsse vom 9. Januar 2007 a.a.O. Rn. 36 und vom 14. Januar 2010 a.a.O. Rn. 18).
(4) Im Bereich der Deutschen Rentenversicherung Nord gilt nach Nr. 4 der mit Zustimmung des Beteiligten zu 2 beschlossenen Richtlinien zur Durchführung von Interessenabfragen, dass diese grundsätzlich an allen drei Standorten durchgeführt werden sollen. Dieser Grundsatz findet seine sachliche Rechtfertigung im standortübergreifenden Organisationsaufbau der Deutschen Rentenversicherung Nord. Die Beschäftigten können ein - berufliches oder persönliches - Interesse daran haben, künftig auf einer gleichwertigen Stelle an einem anderen Standort eingesetzt zu werden. Auch wenn die Veränderungen nicht unmittelbar mit einer Beförderung oder Höhergruppierung verbunden ist, so können sich aus der Umsetzung gleichwohl Chancen für ein späteres berufliches Fortkommen entwickeln (vgl. Beschlüsse vom 22. Juli 2003 - BVerwG 6 P 3.03 - Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 30 S. 44 und vom 15. November 2006 - BVerwG 6 P 1.06 - BVerwGE 127, 142 = Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 40 Rn. 29). Diese Gesichtspunkte gilt es zu berücksichtigen, wenn im Mitbestimmungsverfahren darüber zu entscheiden ist, ob die Interessenabfrage standortbezogen oder standortübergreifend vorgenommen wird. Dabei sind die Interessen der Beschäftigten der jeweils anderen Standorte einzubeziehen. Dazu ist im Bereich der Personalvertretungen nur der Gesamtpersonalrat, der Beteiligte zu 2, berufen, der allein über ein Mandat der Beschäftigten aller drei Standorte verfügt (§ 45 Abs. 3 MBGSH). Die Entscheidung muss einheitlich ergehen. Dies wäre aber bei einer Beteiligung aller drei Personalräte nicht sichergestellt.
cc) Gegen die vorstehende Beurteilung spricht nicht, dass durch Ausschreibungen personelle Einzelmaßnahmen vorbereitet werden, die ihrerseits der Mitbestimmung der örtlichen Personalräte unterliegen. Denn die Ausschreibung ist selbst keine personelle Einzelmaßnahme. Sie hat vielmehr kollektiven Charakter, weil ihr Adressatenkreis über eine bestimmte Einzelperson hinausgeht (vgl. Beschluss vom 9. Januar 2007 a.a.O. Rn. 20).
dd) Die Regelung zur Arbeitsmengenverteilung auf die Standorte gemäß § 141 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 SGB VI i.V.m. Art. 1 § 4 Abs. 2 des Vereinigungsbeschlusses vom 24. September 2004 und dem Genehmigungsbescheid der Behörde für Soziales und Familie der Freien und Hansestadt Hamburg vom 15. Mai 2005 hat keine Bedeutung für die Aufteilung der Mitbestimmungskompetenzen unter den Personalvertretungen nach dem Maßstab des § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH.
ee) Aus der Mitbestimmungsvorlage vom 12. April 2010, welche der Antragsteller sowohl im Beschwerde- als auch im Rechtsbeschwerdeverfahren eingereicht hat (Anlage ASt. 11 zum Schriftsatz vom 15. April 2010 sowie Anlage ASt. 21 zum Schriftsatz vom 29. Juni 2011), ergibt sich, dass von der Beteiligten zu 1 die örtlichen Personalräte beteiligt werden, wenn im Rahmen der Umsetzung der Geschäftsprozessoptimierung auf Interessenabfragen verzichtet werden soll. Ob diese Praxis, durch welche der Antragsteller begünstigt wird, mit § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH vereinbar ist, hat der Senat hier nicht zu entscheiden. Denn Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die positiven Entscheidungen der Beteiligten zu 1, Interessenabfragen vorzunehmen (vgl. zur Mitbestimmung beim Absehen von der Ausschreibung: Beschluss vom 14. Januar 2010 a.a.O. Rn. 22 ff.).