Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 07.03.2017


BVerwG 07.03.2017 - 6 B 53/16

Befangenheit eines ehrenamtlichen Richters als Kreistagsmitglied


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsdatum:
07.03.2017
Aktenzeichen:
6 B 53/16
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:070317B6B53.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 28. April 2016, Az: 4 LB 8/15, Urteilvorgehend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, 12. Februar 2015, Az: 8 A 220/13
Zitierte Gesetze
§ 2 LKreisO SH
§ 3 LKreisO SH
§ 25 Abs 1 S 1 LKreisO SH
§ 31 Abs 2 LKreisO SH
§ 40c S 3 Nr 10 LKreisO SH
§ 41 Abs 7 S 2 LKreisO SH
§ 51 Abs 5 LKreisO SH

Leitsätze

1. Die Besorgnis der Befangenheit kann nach Urteilserlass und Eintritt der Bindungswirkung (§ 318 ZPO) mit Blick auf die Prozessordnungsmäßigkeit dieser Entscheidung nicht mehr geltend gemacht werden (stRspr).

2. Ein ehrenamtlicher Richter verletzt seine Pflicht zur Anzeige eines Befangenheitsgrundes aus § 54 Abs. 1, Abs. 3 VwGO i.V.m. § 48 ZPO, wenn er in einem Anfechtungsprozess, in dem Gegenstand auch ein Widerspruchsbescheid des Kreises ist, nicht auf seine Stellung als Kreistagsmitglied hinweist.

3. Das Gericht verletzt das rechtliche Gehör der Beteiligten, wenn ein ehrenamtlicher Richter seiner Pflicht zur Selbstanzeige gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 48 ZPO nicht nachgekommen ist.

4. Der mit einem Befangenheitsantrag für den betroffenen Richter eintretende Stillstand des Verfahrens gem. § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO erfasst nicht die Abfassung eines bereits gefällten Urteils, bei dem durch Bekanntgabe des Tenors Bindungswirkung gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO eingetreten ist.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt zum einen die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer von der Beigeladenen, seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau, beantragten Auskunftssperre und zum anderen die Aufhebung von Gebühren- und Kostenfestsetzungen für eine von ihm beantragte Melderegisterauskunft.

2

Nach Trennung der Eheleute meldete sich die Beigeladene am 3. Mai 2013 bei der Beklagten an und beantragte zugleich die Einrichtung einer melderechtlichen Auskunftssperre, die vorläufig eingetragen wurde. Auf ihren schriftlichen Antrag verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Mai 2013 eine Auskunftssperre bis zum 31. Dezember 2015. Auf entsprechende Mitteilung der Beigeladenen löschte die Beklagte die Auskunftssperre im Bescheid vom 30. August 2013 mit Wirkung vom 7. Oktober 2013.

3

Am 27. September 2013 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Melderegisterauskunft über die Wohnanschrift der Beigeladenen und setzte dafür eine Gebühr und Portoauslagen in Höhe von 14,58 € fest. Am 11. November 2013 verlangte sie darüber hinaus Mahngebühren in Höhe von 4,50 €. Den Widerspruch wies der Kreis P. am 13. November 2013 zurück, legte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf und setzte für den Erlass des Widerspruchsbescheids Kosten i.H.v. 12,63 € fest.

4

Das Verwaltungsgericht hat dem Feststellungsantrag vollumfänglich und dem Anfechtungsantrag teilweise stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat das Verfahren hinsichtlich des Zeitraums der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auskunftssperre vor dem 29. Mai 2013 eingestellt und die Klage auf die Berufung der Beklagten vollumfänglich abgewiesen; die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für die erst nach Löschung der Auskunftssperre erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage kein berechtigtes Interesse ersichtlich sei. Insbesondere bestehe kein Rehabilitierungsinteresse des Klägers, da die von ihm vorgetragene Stigmatisierung seiner Person nicht durch die Auskunftssperre als solche, sondern nur darauf beruhen könne, dass der zugrundeliegende Sachverhalt rechtswidrigerweise nach außen gedrungen sei. Die Gebühren- und Kostenfestsetzungen seien rechtmäßig. Zwar spreche viel dafür, dass die Einrichtung einer Auskunftssperre zunächst ohne weiteres gerechtfertigt gewesen sei, da Tatsache i.S. des damals noch anzuwendenden § 27 Abs. 7 Satz 1 LMG auch ein schlüssiger Sachvortrag des die Sperre beantragenden Betroffenen sei. Darauf komme es aber nicht entscheidungserheblich an, da jedenfalls eine Melderegisterauskunft mit größerem Verwaltungsaufwand vorgelegen habe.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II

6

Die auf die Zulassungsgründe vorliegender Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers hat nur zum Teil Erfolg.

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1. Der Senat kann über die Beschwerde entscheiden, ohne dem Antrag des Klägers zu folgen, die Akten der Vorinstanz vorzulegen, damit diese erneut im Wege der Abhilfe über die Zulassung der Revision entscheidet.

8

Der vom Berufungsgericht am 10. Oktober 2016 gefasste Nichtabhilfebeschluss brauchte den Beteiligten gemäß § 56 Abs. 1 VwGO nicht zugestellt zu werden; der Kläger hat Kenntnis durch Akteneinsicht erlangt. Für die Nichtabhilfeentscheidung bedarf es nicht einmal zwingend förmlicher Beschlussfassung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 1962 - 4 B 124.62 - Buchholz 310 § 148 VwGO Nr. 1).

9

Der Umstand, dass der Nichtabhilfebeschluss von den mit Schriftsatz des Klägers vom 26. August 2016 erneut abgelehnten Richtern getroffen worden ist, berührt seine Wirksamkeit nicht. Wird ein Befangenheitsgesuch - wie hier - erst nach Fällung des Urteils und durch Übermittlung des Tenors eingetretener Bindungswirkung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO) angebracht und Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, ist das Befangenheitsgesuch mit Blick auf die noch ausstehende (Nicht-)Abhilfeentscheidung der Vorinstanz (§ 133 Abs. 5 Satz 1 VwGO) nicht schon wegen Beendigung der Instanz offensichtlich unzulässig (BVerwG, Urteil vom 16. April 1997 - 6 C 9.95 - NJW 1998, 323 <324>). Es kann aber ausnahmsweise dann unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen werden oder unberücksichtigt bleiben, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 7 C 13.13 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 5; stRspr). Davon ist auszugehen, wenn keine geeigneten Befangenheitsgründe vorgetragen werden, vielmehr das Vorbringen des Antragstellers von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen, etwa, wenn das Gesuch offenbar grundlos ist, nur der Verschleppung dient und damit rechtsmissbräuchlich ist (BVerwG, Beschluss vom 12. März 2013 - 5 B 9.13 - juris).

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Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Der erneute Befangenheitsantrag des Klägers vom 26. August 2016 wurde auf den eine Tatbestandsberichtigung bzw. Tatbestandsergänzung ablehnenden Beschluss des Berufungsgerichts vom 17. August 2016 gestellt. Er greift die gerichtliche Würdigung mangelnder Erheblichkeit des zur Tatbestandsberichtigung angeführten Vorbringens auf und referiert lediglich zum wiederholten Male die Angriffspunkte des Klägers in der Hauptsache. Das Gesuch enthält nur Vorbringen, das eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu rechtfertigen vermag.

11

Im Übrigen ist klarzustellen, dass die von der Beschwerde gegen die Durchführung des (Nicht-)Abhilfeverfahrens durch die Vorinstanz erhobenen Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht zum Erfolg verhelfen können. Gegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Beschwerdeverfahren gemäß § 133 VwGO der Ausspruch der Vorinstanz über die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil, nicht die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Nichtabhilfe. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht dafür Sorge zu tragen, dass die Vorinstanz ihrer prozessualen Obliegenheit nachkommt, eine Abhilfeentscheidung zu treffen, bevor es selbst über die Beschwerde entscheidet. Etwaige Besetzungsfehler des Berufungsgerichts oder sonstige Verfahrensmängel vor oder bei Erlass des Nichtabhilfebeschlusses hindern das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdegericht aber nicht daran, über die Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden. Eine Verkürzung des Rechtsschutzes ist damit nicht verbunden, denn das Bundesverwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung alle geltend gemachten Zulassungsgründe vollständig und eigenverantwortlich zu überprüfen (BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 2015 - 9 B 31.15 [ECLI:DE:BVerwG:2015:131015B9B31.15.0] - juris Rn. 9).

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2. Die Beschwerde hat mit der Gehörsrüge Erfolg, soweit die Vorinstanz die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 27. September 2013, die Zahlungserinnerung vom 11. November 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 13. November 2013 abgewiesen hat. Im Hinblick auf die Abweisung der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auskunftssperre gerichteten Klage durch Prozessurteil ist die Beschwerde dagegen unbegründet.

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2.1 Die Beschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht habe die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auskunftssperre gerichtete Klage zu Unrecht durch Prozessurteil abgewiesen, da es das sich aus dem Reputationsinteresse des Klägers speisende Fortsetzungsfeststellungsinteresse (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) verkannt habe. Dem folgt der beschließende Senat nicht.

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Zutreffend ist der Ansatz der Beschwerde, dass ein Verfahrensfehler darin liegen kann, wenn ein Gericht durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil entscheidet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 1968 - 8 B 110.67 - BVerwGE 30, 111 <113>). Das ist der Fall, wenn eine solche Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht, z.B. einer Verkennung ihrer Begriffsinhalte und der zugrunde zu legenden Maßstäbe (BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2006 - 6 B 64.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 36). Die Vorinstanz hat ein Rehabilitierungsinteresse des Klägers verneint. Sie ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Stigmatisierung seiner Person nicht auf der erledigten Auskunftssperre als behördlicher Maßnahme, sondern nur darauf beruhen kann, dass der ihrer Einrichtung zugrundeliegende Sachvortrag rechtswidrigerweise nach außen gedrungen ist. Dieser Differenzierung verschließt sich die Beschwerde. Ihr Vorbringen vermag aber nicht in Zweifel zu ziehen, dass ein eventueller Bruch behördlicher Geheimhaltungspflichten (§ 88a Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein - LVwG; § 30 VwVfG) bei Einrichtung einer Auskunftssperre diese nicht rechtswidrig macht, denn sie beruht nicht auf diesem Verfahrensverstoß (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 30 Rn. 18). Von einer gegenüber jedermann wirkenden melderechtlichen Auskunftssperre als in ihren Rechtsfolgen und faktischen Wirkungen neutraler behördlicher Maßnahme kann keine Stigmatisierung ausgehen.

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2.2 Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe § 88 VwGO dadurch verletzt, dass es den ursprünglichen, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auskunftssperre "von Anfang an" gerichteten Klageantrag so verstanden habe, dass dieser auch den Zeitraum vor dem 29. Mai 2013 erfasst habe, geht fehl. Das Berufungsgericht hat den ursprünglich gestellten Antrag des Klägers in interessengerechter Weise umfassend ausgelegt. Auf der Grundlage dieses Auslegungsbefunds ist es zu einer erst im Berufungsverfahren erklärten zeitlichen Antragsbeschränkung gelangt, die es als teilweise Klagerücknahme angesehen hat. Das lässt keine Verfahrensmängel erkennen.

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2.3 Die mit Blick auf die materiellrechtlichen Voraussetzungen einer Auskunftssperre sinngemäß erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die Vorinstanz sei von der bundeseinheitlichen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Einrichtung einer Auskunftssperre abgewichen, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass das Berufungsurteil noch unter Geltung der irrevisiblen landesrechtlichen Rechtsgrundlage des § 27 Abs. 7 Satz 1 des Meldegesetzes für das Land Schleswig-Holstein - LMG SH - ergangen ist, würde die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht auf einer Abweichung beruhen. Denn das die Feststellungsklage abweisende Prozessurteil verhält sich nicht zu der materiellrechtlichen Befugnisnorm für die erledigte Auskunftssperre. In den Gründen des klageabweisenden Sachurteils zu den Gebühren- und Kostenfestsetzungen hat das Berufungsgericht explizit ausgeführt, dass es auf die Rechtmäßigkeit der Auskunftssperre nicht entscheidungserheblich ankomme, da der Kläger eine Melderegisterauskunft beantragt habe, die mit größerem Verwaltungsaufwand verbunden gewesen sei.

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2.4 Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel des § 138 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor. Danach ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. Für die Ausschließungsgründe verweist § 54 Abs. 1 VwGO auf § 41 ZPO und ergänzt die dortigen Bestimmungen in § 54 Abs. 2 VwGO um die Regelung, dass als (ehrenamtlicher) Richter auch ausgeschlossen ist, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. Zwar erfasst die zuletzt genannte Vorschrift auch das dem Verwaltungsprozess vorausgegangene Widerspruchsverfahren (BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1977 - 5 C 71.75 - BVerwGE 52, 47 <48>). Aber für eine - weit zu verstehende - Mitwirkung des ehrenamtlichen Richters und Kreispräsidenten T. an dem Erlass des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2013 hinsichtlich der Gebührenfestsetzung für die Melderegisterauskunft ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Allein sein Amt als Kreispräsident reicht für die Annahme einer Mitwirkung am Widerspruchsverfahren nicht aus. Der vom Gesetzgeber bewusst als Befangenheits- und nicht als Ausschlussgrund ausgestaltete § 54 Abs. 3 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 1989 - 4 CB 23.89 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 42 S. 7) ist im vorliegenden Fall mangels eines vor Urteilserlass angebrachten Befangenheitsgesuchs mit Blick auf § 138 Nr. 2 VwGO ohne Bedeutung. Hinsichtlich des Berufsrichters RiOLG D. führt das Vorbringen der Beschwerde auch nicht ansatzweise auf einen gesetzlichen Ausschlussgrund.

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Bei der Fällung des Berufungsurteils am 28. April 2016 hat auch kein Richter mitgewirkt, der mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden war. In dieser Variante setzt die Vorschrift eine konstitutiv wirkende, dem Befangenheitsgesuch stattgebende gerichtliche Zwischenentscheidung voraus; sie sanktioniert nicht die Mitwirkung eines befangenen, sondern die prozessrechtswidrige Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters (Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 138 Rn. 97).

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Aus § 138 Nr. 2 VwGO ergibt sich, dass die Besorgnis der Befangenheit der Richter, die eine Entscheidung gefällt haben, mit Blick auf deren Prozessordnungsmäßigkeit spätestens nach Erlass des Urteils und Eintritt der Bindungswirkung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO) nicht mehr geltend gemacht werden kann. Der in § 138 Nr. 2 VwGO sanktionierte Verfahrensfehler ist demnach nur gegeben, wenn ein Ablehnungsgesuch in der Vorinstanz tatsächlich Erfolg gehabt hat. Das gilt selbst dann, wenn sich die Gründe für die Besorgnis der Befangenheit erst aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergeben (BVerwG, Urteil vom 21. März 2012 - 6 C 19.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 412 Rn. 18 f.; BFH, Beschluss vom 30. Mai 2008 - IX B 216/07 - BFH/NV 2008, 1510 <1511>; BGH, Beschluss vom 11. Juli 2007 - IV ZB 38/06 - NJW-RR 2007, 1653; BSG, Beschluss vom 18. April 2000 - B 2 U 201/99 B - HVBG-INFO 2000, 1978; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 138 Rn. 100). In einem solchen Fall kann allenfalls der Verfahrensfehler der vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Gerichts im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO gerügt werden.

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2.5 Auch der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel des § 138 Nr. 1 VwGO ist nicht gegeben. Danach ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Eine Abweichung von der nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung behauptet der Kläger nicht. In der von ihm sinngemäß gerügten Fallvariante eines nach Erlass des Urteils gestellten Befangenheitsantrags, der auf Gründe gestützt wird, die sich erst aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergeben, ist Voraussetzung für eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts in materieller Hinsicht, dass der oder die Richter der Vorinstanz tatsächlich und so eindeutig die gebotene Distanz und Neutralität haben vermissen lassen, dass jede andere Würdigung als die einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich erschiene; dann läge zugleich ein Verstoß unmittelbar gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor (BVerwG, Urteile vom 21. März 2012 - 6 C 19.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 412 Rn. 18 und vom 16. April 1997 - 6 C 9.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 382 S. 186). Hierfür ist im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nichts ersichtlich.

21

Die frühere Mitwirkung des RiOLG D. an einem vom Oberlandesgericht erlassenen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO in einem von dem Kläger gegen die Beigeladene angestrengten Zivilprozess (OLG Schleswig, Beschluss vom 18. Juni 2015 - 9 U 20/15 -) rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht. Das Vorbringen der Beschwerde, das letztlich nur die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Oberlandesgerichts in Zweifel zieht, lässt auch nicht ansatzweise erkennen, dass ein vor Erlass des hier angefochtenen Berufungsurteils gestellter Befangenheitsantrag gegen RiOLG D. hätte Erfolg haben müssen, geschweige denn nur mit willkürlicher Begründung hätte abgelehnt werden können. Das Gleiche gilt im Hinblick auf die Mitwirkung des ehrenamtlichen Richters und Kreispräsidenten T. Denn die vom einfachen Gesetzgeber in § 54 Abs. 3 VwGO geregelte unwiderlegliche Befangenheitsvermutung gehört nicht zum verfassungsimmanenten Kern des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das - nicht im Wege eines Befangenheitsantrags vor Erlass des Urteils geltend gemachte - Vorliegen ihrer Voraussetzungen rechtfertigt nicht die Annahme, der ehrenamtliche Richter und Kreispräsident T. habe tatsächlich und eindeutig bei der inzidenten Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Gebühren und Kosten die gebotene Distanz und Neutralität vermissen lassen. Der Vortrag der Beschwerde ergibt keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit der an dem Berufungsurteil beteiligten Richter mit Blick auf die klageabweisende Entscheidung zu zweifeln.

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2.6 Keinen Erfolg hat die Beschwerde ferner mit der Rüge, das Berufungsurteil sei von den nach Urteilsfällung als befangen abgelehnten Berufsrichtern unter Verstoß gegen die Wartepflicht gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO abgesetzt worden. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Regelung eines vorläufigen Tätigkeitsverbots für den abgelehnten Richter nach Sinn und Zweck nicht die schriftliche Abfassung und Unterzeichnung einer bereits vor Anbringung des Befangenheitsgesuchs getroffenen Entscheidung erfasst. Denn der mit einem Befangenheitsantrag für den (oder die) betroffenen Richter eintretende Stillstand des Verfahrens bezieht sich auf zukünftige Verfahrenshandlungen und anstehende Entscheidungen, nicht aber auf bereits getroffene Urteile, hinsichtlich derer die gerichtliche Bindungswirkung gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO eingetreten ist und bei denen das Beratungsergebnis lediglich noch zu Papier gebracht werden muss. Zudem schreibt § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Identität der an der Entscheidung mitwirkenden und der das Urteil unterzeichnenden Richter vor. Einen Richterwechsel, auf den ein Befangenheitsgesuch mit dem Ausscheiden des befangenen Richters aus dem Spruchkörper zielt, lässt das Prozessrecht in dieser Phase des Verfahrens nicht mehr zu.

23

2.7 Die Beschwerde hat mit der sinngemäß erhobenen Gehörsrüge teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat das rechtliche Gehör des Klägers verletzt, weil der ehrenamtliche Richter T. seiner Pflicht zur Selbstanzeige gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 48 ZPO nicht nachgekommen ist. Er hätte seine Stellung als Kreispräsident des Kreises P. offenbaren müssen, denn damit liegt im Hinblick auf den Anfechtungsantrag gegen den Bescheid vom 27. September 2013, die Zahlungserinnerung vom 11. November 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 13. November 2013 als selbständigem Streitgegenstand der Befangenheitsgrund des § 54 Abs. 3 VwGO vor. Das die Feststellungsklage abweisende Prozessurteil bleibt demgegenüber von diesem Mangel unberührt.

24

Gemäß § 54 Abs. 3 VwGO ist die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden. Das ist hier der Fall, weil der ehrenamtliche Richter T. als Kreispräsident Vorsitzender des Kreistags und damit eines der beiden Organe des Kreises P. als Gebietskörperschaft ist (§§ 1, 7 und 28 Kreisordnung für Schleswig-Holstein - KrO). Die Interessen dieses Kreises werden durch das vorliegende Verfahren und dessen Ausgang insoweit berührt, als Gegenstand der Anfechtungsklage gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Kreises P. ist. In dem Widerspruchsbescheid hat der Kreis den Widerspruch des Klägers gegen die gemeindliche Gebührenfestsetzung zurückgewiesen und Kosten für das Widerspruchsverfahren festgesetzt.

25

Der Senat hat erwogen, ob § 54 Abs. 3 VwGO in verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die kommunale Angelegenheiten betreffen, teleologisch dahingehend einzuschränken ist, dass die Vorschrift nur auf Streitigkeiten in Selbstverwaltungsangelegenheiten anzuwenden ist. Dann würde sie im vorliegenden Fall nicht greifen, da der Erlass des Widerspruchsbescheids im Vollzug des Melderechts für den Kreis P. als untere Fachaufsichtsbehörde eine Weisungsangelegenheit gewesen ist (§ 17 Abs. 1 und 3, § 119 LVwG i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO). Für eine teleologische Reduktion des § 54 Abs. 3 VwGO könnte sprechen, dass das Kommunalrecht bei den kommunalen Aufgaben zwischen Selbstverwaltungs- und Weisungsaufgaben trennt (vgl. § 2 und § 3 KrO) und sich die Organkompetenz des Kollegialorgans in einigen Bundesländern auf die Selbstverwaltungsangelegenheiten beschränkt. Diese Frage kann aber in ihrer Allgemeinheit dahinstehen, da das hier maßgebliche Landesrecht von Schleswig-Holstein dem Kreistag auch Informations- und Kontrollrechte beim Vollzug von Weisungsaufgaben einräumt: So hat der Landrat gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 KrO einzelnen Kreistagsabgeordneten auf Verlangen u.a. zu allen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung Auskunft zu erteilen und Akteneinsicht zu gewähren. § 31 Abs. 2 KrO sieht ein Auskunftsrecht auch für den Kreistag und § 41 Abs. 7 Satz 2 KrO für die Ausschüsse vor. § 40c Satz 3 Nr. 10 KrO erstreckt das Berichtswesen des Landrats gegenüber dem Kreistag und seinen Ausschüssen zur wirksamen Kontrolle der Verwaltung auch auf die Ausführung der Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung. Schließlich sieht § 51 Abs. 5 KrO vor, dass der Landrat sich bei Durchführung der Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung in Ermessensfällen von den Ausschüssen des Kreistags beraten lassen kann. Die in diesen Vorschriften der Schleswig-Holsteinischen Kreisordnung zutage tretenden Organkompetenzen des Kollegialorgans, seiner Ausschüsse und Mitglieder auch beim Vollzug der Weisungsaufgaben durch den Landrat bzw. die Kreisverwaltung rechtfertigt in dem hier zu entscheidenden Fall keine Einschränkung des § 54 Abs. 3 VwGO aus teleologischen Gründen.

26

Die Verpflichtung eines (ehrenamtlichen) Richters zur Anzeige des in § 54 Abs. 3 VwGO als unwiderlegliche Vermutung ausgestalteten Befangenheitsgrundes ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift bzw. ihrer Funktion im Zusammenhang mit dem Gebot der Wahrung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG. Die in § 48 ZPO vorgesehene Anzeige bestimmter Gründe durch den Richter dient der einfachrechtlichen Ausgestaltung des in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wurzelnden Grundsatzes, nicht vor einen Richter gestellt zu werden, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt. Dies setzt notwendigerweise voraus, dass eine solche Anzeige nicht im Belieben des Richters steht. Die Anzeigepflicht stellt über eine interne Dienst- oder Amtspflicht hinaus auch eine den Verfahrensbeteiligten gegenüber bestehende und damit auch unmittelbar verfahrensrelevante Pflicht dar. Denn die Frage, ob Befangenheitsgründe gegen die Mitwirkung eines Richters sprechen, berührt auch die prozessuale Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten (BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1993 - 1 BvR 878/90 - BVerfGE 89, 28 <36 f.>; BGH, Urteil vom 15. Dezember 1994 - I ZR 121/92 - NJW 1995, 1677 <1679>; offengelassen vom Senat noch im Urteil vom 16. April 1997 - 6 C 9.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 382 S. 184 f.). Deshalb liegt in der Verletzung der Anzeigepflicht aus § 48 ZPO ein Verfahrensverstoß des Berufungsgerichts unabhängig davon, ob dem betroffenen Richter diese Verpflichtung bewusst war oder nicht. Die Annahme eines Gehörsverstoßes in der hier vorliegenden Fallkonstellation kompensiert die sich aus § 138 Nr. 2 VwGO ergebende Einschränkung, dass die Besorgnis der Befangenheit nach Erlass eines Urteils und Eintritts der Bindungswirkung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO) mit Blick auf dessen Prozessordnungsmäßigkeit nicht mehr geltend gemacht werden kann (BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 1989 - 4 CB 23.89 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 42 S. 6), auch wenn sich Befangenheitsgründe erst aus der Entscheidung ergeben.

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3. Der Senat macht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung von der ihm nach § 133 Abs. 6 VwGO eröffneten Befugnis Gebrauch, das angefochtene Urteil hinsichtlich des die Anfechtungsklage gegen die Gebühren- und Kostenfestsetzungen abweisenden Teils aufzuheben und den Rechtsstreit insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Auf die Feststellungsklage entfällt ein Streitwertanteil von 5 000 €, auf die zurückverwiesene Anfechtungsklage ein Anteil von 31,71 €.