Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 06.04.2017


BVerwG 06.04.2017 - 4 A 16/16

Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses für Höchstspannungsleitung (Ganderkeseeleitung); Anforderung an Klagebegründung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
06.04.2017
Aktenzeichen:
4 A 16/16
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:060417U4A16.16.0
Dokumenttyp:
Urteil
Zitierte Gesetze
§ 75 Abs 1a S 1 VwVfG
Art 4 Abs 1 S 1 EGRL 147/2009
Art 4 Abs 1 S 4 EGRL 147/2009
Art 4 Abs 2 EGRL 147/2009
Art 5 EGRL 147/2009
Art 7 EWGRL 43/92
Art 6 Abs 2 EWGRL 43/92
Art 6 Abs 3 EWGRL 43/92
Art 6 Abs 4 EWGRL 43/92
Art 1 EWGRL 43/92
Art 4 Abs 4 S 1 EGRL 147/2009

Leitsätze

§ 43e Abs. 3 Satz 1 EnWG (juris: EnWG 2005) verlangt, dass sich der Kläger in der fristgerecht vorzulegenden Klagebegründung mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss substantiiert auseinandersetzt. Eine lediglich pauschale Bezugnahme auf im Planfeststellungsverfahren erhobene Einwände oder deren wörtliche Wiederholung in der Klagebegründung ohne Würdigung des Planfeststellungsbeschlusses genügt diesen Begründungsanforderungen nicht.

Tatbestand

1

Gegenstand der Klage ist der Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 31. März 2016 für den Neubau und den Betrieb einer kombinierten 380-kV-Höchstspannungsfrei- und -erdkabelleitung zwischen den Umspannwerken Ganderkesee im Landkreis Oldenburg und Sankt Hülfe bei Diepholz im Landkreis Diepholz durch die Beigeladene (sog. Ganderkeseeleitung). Die Länge der geplanten Leitung beträgt insgesamt rund 60,7 km, wovon ca. 18,1 km auf die Kabeltrasse und ca. 42,6 km auf die Freileitungstrasse mit 108 Masten entfallen. Für den Übergang von Erdkabel und Freileitung sind insgesamt sechs Kabelübergangsanlagen (KÜA) erforderlich. Die Energieleitung ist Teil der als Vorhaben Nr. 2 ("Neubau Höchstspannungsleitung Ganderkesee - Wehrendorf, Nennspannung 380 kV") im Bedarfsplan des Energieleitungsausbaugesetzes - EnLAG - aufgeführten Höchstspannungsleitung.

2

Der Kläger ist eine anerkannte Naturschutzvereinigung. Im Planfeststellungsverfahren erhob er zahlreiche Einwendungen, die sich im Wesentlichen mit seinem Klagevorbringen decken, und denen umfangreiche naturschutzfachliche Stellungnahmen seines Sachbeistandes beigefügt waren.

3

Der Planfeststellungsbeschluss wurde im Niedersächsischen Ministerialblatt vom 6. April 2016 öffentlich bekannt gemacht; die öffentliche Auslegung erfolgte in der Zeit vom 14. bis 27. April 2016. Eine Zustellung an den Kläger oder seinen damaligen Bevollmächtigten erfolgte nicht.

4

Der Kläger hat am 27. Mai 2016 Klage erhoben. Er hält die Entscheidung für rechtswidrig, weil der Planfeststellungsbeschluss an erheblichen Mängeln leide. Dieser verstoße gegen Naturschutzrecht, insbesondere in Bezug auf den Schutz eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung (Vogelschutzgebiet), den besonderen Artenschutz und die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Der Planfeststellungsbeschluss setze sich zudem mit den Einwendungen im Planfeststellungsverfahren nur unzureichend auseinander. Auch die Vorgaben der Landesplanung seien hinsichtlich des Schutzgutes Mensch bzw. Wohnumfeld nur unzureichend geprüft worden. Diese Mängel führten zu einer fehlerhaften Alternativenprüfung, zumal die Planfeststellungsbehörde insofern auch von fehlerhaften Rechtsgrundsätzen ausgegangen sei.

5

Der Kläger beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 31. März 2016 für den Neubau und den Betrieb einer kombinierten 380-kV-Höchstspannungsfrei- und -erdkabelleitung zwischen den Umspannwerken Ganderkesee und St. Hülfe bei Diepholz aufzuheben,

hilfsweise,

ihn für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

6

Darüber hinaus beantragt er, die im Protokoll vom 8. März 2017 erwähnten Vorlagefragen dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.

7

Beklagte und Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

8

Sie verteidigen den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss und halten eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für nicht erforderlich.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen Mängeln, die zu seiner Aufhebung oder - als Minus hierzu - zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG und § 43 Satz 7 EnWG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG).

10

A. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 3 EnLAG i.V.m. Nr. 2 der Anlage zum EnLAG im ersten und letzten Rechtszug, weil das Vorhaben ein Teil des Neubaus der Höchstspannungsleitung Ganderkesee - Wehrendorf, Nennspannung 380 kV, ist.

11

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger als nach § 3 Abs. 1 UmwRG anerkannte Vereinigung gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, ohne eine eigene Rechtsverletzung geltend machen zu müssen (§ 2 Abs. 1 UmwRG). Bei dem in Streit stehenden Planfeststellungsbeschluss handelt es sich um eine Entscheidung im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVPG über die Zulässigkeit eines Vorhabens, für das gemäß § 3b Abs. 1 UVPG i.V.m. Nr. 19.1.1 der Anlage 1 zum UVPG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht.

12

Die Klageerhebung am 27. Mai 2016 erfolgte fristgerecht. Da der Planfeststellungsbeschluss dem Bevollmächtigten des Klägers nicht zugestellt worden ist, wurde die Klagefrist erst durch die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses und das Ende der darin bestimmten Auslegungsfrist (§ 43 Satz 7 EnWG i.V.m. § 74 Abs. 5 Satz 3 VwVfG) ausgelöst. Die Auslegung endete am 27. April 2016.

13

B. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen zwingendes Recht (I.) und erweist sich auch nicht als abwägungsfehlerhaft (II.).

14

I. Die behaupteten Verstöße gegen Vorschriften zum Schutz Europäischer Vogelschutzgebiete (1.), gegen Artenschutzrecht (2.) oder die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (3.) sowie gegen § 2 EnLAG (4.) oder das niedersächsische Raumordnungsprogramm (5.) liegen nicht vor. Deshalb kann offenbleiben, ob der Kläger sich als anerkannte Vereinigung nach § 3 Abs. 1 UmwRG gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG uneingeschränkt auf eine Verletzung vorgenannter Regelungen berufen kann.

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1. Der Planfeststellungsbeschluss widerspricht nicht Vorschriften zum Schutz Europäischer Vogelschutzgebiete.

16

a) Zutreffend geht der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass das Vorhaben nur zu mittelbaren Beeinträchtigungen des Vogelschutzgebietes Diepholzer Moorniederung führt, denn die Trasse verläuft außerhalb eines, ggf. auch faktischen Vogelschutzgebietes.

17

In Niedersachsen erfolgt die Auswahl von Vogelschutzgebieten (§ 32 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG) durch die Landesregierung (§ 25 Satz 1 Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz - NAGBNatSchG). Die ausgewählten Gebiete sind von der obersten Naturschutzbehörde im Niedersächsischen Ministerialblatt bekannt zu machen (§ 25 Satz 2 NAGBNatSchG). Teilbereiche der Diepholzer Moorniederung sind mit Beschluss der Landesregierung vom 12. Juni 2001 (Nds. MBl. 2002, S. 717 ff.) als Vogelschutzgebiet festgelegt worden. Durch den Abdruck entsprechender Karten wurde der räumliche Geltungsbereich des Vogelschutzgebietes beschrieben. Mit Erklärung der Landesregierung vom 28. Juli 2009 (Nds. MBl. 2009, S. 783 ff.) ist u.a. das Vogelschutzgebiet Diepholzer Moorniederung zu einem "Besonderen Schutzgebiet" im Sinne der Europäischen Vogelschutzrichtlinie nach Maßgabe der mitabgedruckten Karten erklärt worden. Diese decken sich mit denen aus dem Beschluss vom 12. Juni 2001. Aus einem Abgleich mit dem sich daraus ergebenden räumlichen Umfang des Vogelschutzgebietes Diepholzer Moorniederung ergibt sich, dass die planfestgestellte Trasse nicht durch das Vogelschutzgebiet verläuft, sondern zu diesem einen Mindestabstand von ca. 3 km einhält (PFB S. 251). Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

18

Der Kläger ist jedoch der Meinung, dass die 380-kV-Freileitung faktische Vogelschutzgebiete durchquere. Das habe die Planfeststellungsbehörde übersehen. Im Planaufstellungsverfahren sei aufgezeigt worden, dass Vogelarten, für die das Vogelschutzgebiet gemeldet worden ist, zum Teil weit über das gemeldete Gebiet hinaus verbreitet seien. Für den Kranich lägen nur die Schlafplätze im Vogelschutzgebiet, nicht aber die unverzichtbaren Nahrungsflächen. Die Diepholzer Moorniederung gehöre zu den wichtigsten Rastgebieten für den Kranich in Deutschland. Die Schutzgebietsgrenzen müssten den heutigen Gegebenheiten angepasst werden. Folglich handele es sich bei den Nahrungsflächen um faktische Vogelschutzgebiete. Dem folgt der Senat nicht.

19

Aus Art. 4 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 20 S. 7 - Vogelschutzrichtlinie) - VRL - ergibt sich nicht, dass sämtliche Landschaftsräume unter Schutz gestellt werden müssen, in denen vom Aussterben oder sonst bedrohte Vogelarten vorkommen. Vielmehr haben die Mitgliedstaaten die Gebiete auszuwählen, die im Verhältnis zu anderen Landschaftsteilen am besten die Gewähr für die Verwirklichung der Richtlinienziele bieten. Die Richtung gibt insbesondere Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VRL vor. Schutzmaßnahmen sind danach zu ergreifen, soweit sie erforderlich sind, um das Überleben und die Vermehrung der im Anhang I aufgeführten Vogelarten und der in Art. 4 Abs. 2 VRL angesprochenen Zugvogelarten sicherzustellen. Die Auswahlentscheidung hat sich ausschließlich an diesen ornithologischen Erhaltungszielen zu orientieren (vgl. EuGH, Urteile vom 2. August 1993 - C-355/90 [ECLI:EU:C:1993:331] - Rn. 26, vom 11. Juli 1996 - C-44/95 [ECLI:EU:C:1996:297] - Rn. 26 und vom 19. Mai 1998 - C-3/96 [ECLI:EU:C:1998:238] - Rn. 60; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 - 4 A 15.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 168 S. 95 = juris Rn. 25). Dementsprechend erscheint es zwar denkbar, dass Flächen, die aufgrund der aktuell dort stattfindenden landwirtschaftlichen Nutzung bestimmten geschützten Vogelarten als Nahrungsfläche dienen, in ein Vogelschutzgebiet einbezogen werden (müssen). Der Kläger legt aber nicht dar, dass gerade die von ihm benannten und von der Leitung gequerten Flächen zu den zahlen- und flächenmäßig geeignetsten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL gehören. Angesichts des Umstandes, dass es sich hierbei um ein Areal von lediglich ca. 120 ha handelt, während das gesamte Nahrungsflächenangebot für den Kranich in der Diepholzer Moorniederung einen Raum von insgesamt rund 31 000 ha umfasst (PFB S. 253), ist eine solche Annahme auch fernliegend. Damit geht einher, dass die EU-Kommission in Bezug auf das Vogelschutzgebiet Diepholzer Moorniederung, auch hinsichtlich des Kranichs, bisher keinen Nachmeldebedarf im Plangebiet gesehen hat (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 22. Januar 2004 - 4 A 32.02 - BVerwGE 120, 87 <102 f.>, vom 21. Juni 2006 - 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 Rn. 21 und vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 53). Die vom Kläger angeführten Nahrungsflächen in der Rüssener Heide werden durch die Trasse auch nicht entwertet, weil hier ein Erdkabelabschnitt (KÜA Rüssen-Nord bis KÜA Aldorf-Nord) planfestgestellt wurde, die Flächen also nach Fertigstellung der Trasse als landwirtschaftliche Nutzflächen und damit ggf. auch als Nahrungsflächen für den Kranich wieder zur Verfügung stehen.

20

Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2017 gestellte Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass in den Grenzen des EU-Vogelschutzgebietes Diepholzer Moorniederung allenfalls ein kleiner einstelliger Prozentsatz der alljährlich rastenden Kraniche eine ausreichende Nahrungsgrundlage für einen bis zu sechsmonatigen Rast- und Überwinterungsaufenthalt vorfindet, und der Tatsache, dass die Masse der bis zu sechs Monate in der Diepholzer Moorniederung rastenden Kraniche auf Nahrungsflächen außerhalb des EU-Vogelschutzgebietes Diepholzer Moorniederung angewiesen sind, war abzulehnen. Es kann offenbleiben, ob diese Beweisanträge schon deshalb zurückgewiesen werden können, weil sie gemäß § 43e Abs. 3 EnWG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO verspätet gestellt wurden. Sie waren jedenfalls auch in der Sache abzulehnen. Die Beweisbehauptungen sind unstreitig. Weder Beklagte noch Beigeladene haben bisher in Frage gestellt, dass die in der Diepholzer Moorniederung rastenden Kraniche in erheblichem Umfang auf Nahrungsflächen außerhalb des festgesetzten Vogelschutzgebietes angewiesen sind. Die Beweisanträge führen auch nicht auf eine entscheidungserhebliche Tatsache. Fraglich ist nicht, ob Kraniche in erheblichem Umfang Nahrungsflächen außerhalb des Vogelschutzgebietes nutzen, sondern ob gerade die von der Leitung gequerten (kleinen) Nahrungsgebiete zu den zahlen- und flächenmäßig geeignetsten gehören und deshalb in das Vogelschutzgebiet aufzunehmen sind.

21

b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Vogelschutzgebiet Diepholzer Moorniederung wirksam festgesetzt ist, denn der Planfeststellungsbeschluss steht sowohl mit § 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG (aa) als auch mit Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL (bb) im Einklang.

22

Die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Vorhabens, das sich auf ein dem Schutz der Vogelschutzrichtlinie unterfallendes Gebiet auswirken kann, hängen davon ab, ob das Schutzgebiet gemäß § 32 Abs. 2 BNatSchG zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Abs. 2 BNatSchG erklärt worden ist. Mit der Schutzgebietserklärung geht das Gebiet nach Art. 7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 S. 7 - Habitatrichtlinie) - FFH-RL - in das Schutzregime dieser Richtlinie über. Auf ausgewiesene Vogelschutzgebiete ist deshalb das System habitatschutzrechtlicher Prüf- und Verfahrensschritte anzuwenden, das der Bundesgesetzgeber in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL in § 34 BNatSchG normiert hat (BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 67, vom 10. April 2013 - 4 C 3.12 - BVerwGE 146, 176 Rn. 10 und vom 1. April 2015 - 4 C 6.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:010415U4C6.14.0] - BVerwGE 152, 10 Rn. 14 f.). Ein mit den Erhaltungszielen des Gebietes unverträgliches Vorhaben kann dann im Wege der Ausnahmeprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG/Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zugelassen werden (BVerwG, Urteil vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 ). Ohne wirksame Schutzgebietsausweisung verbleibt es bei dem strengeren Schutzregime der Vogelschutzrichtlinie, derzufolge nur überragende Gemeinwohlbelange wie der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen oder der Schutz der öffentlichen Sicherheit die Verbote des Art. 4 Abs. 4 VRL überwinden können (BVerwG, Urteil vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <289>). Die erforderliche Prüfung einer Beeinträchtigung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL und die Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG/Art. 6 Abs. 3 FFH-RL erfolgen hingegen nach gleichgerichteten Maßstäben; es geht jeweils um den Ausschluss von - im Hinblick auf die jeweiligen Schutzzwecke und Erhaltungsziele - erheblichen Gebietsbeeinträchtigungen (vgl. BVerwG, Urteile vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <288 f.> und vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:110816U7A1.15.0] - BVerwGE 156, 20 Rn. 66).

23

aa) Der Kläger legt nicht substantiiert dar, dass die nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG erforderliche Verträglichkeitsprüfung fehlerhaft durchgeführt und deshalb zu Unrecht eine erhebliche Beeinträchtigung des Vogelschutzgebietes Diepholzer Moorniederung von der Beklagten verneint worden ist (§ 34 Abs. 2 BNatSchG).

24

Kann aufgrund der Vorprüfung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG - wie hier (vgl. PFB S. 250) - nicht ausgeschlossen werden, dass ein Projekt ein Gebiet erheblich beeinträchtigt, dann darf das Projekt grundsätzlich nur zugelassen werden, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass es nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Sind erhebliche Beeinträchtigungen zu besorgen, ist das Projekt gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG vorbehaltlich einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG - die vorliegend nicht getroffen wurde - unzulässig (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 [ECLI:DE:BVerwG:2016:210116U4A5.14.0] - BVerwGE 154, 73 Rn. 62).

25

Für das Planfeststellungsverfahren ließ die Beigeladene eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung (FFH-VU) nach § 34 BNatSchG für das EU-Vogelschutzgebiet Diepholzer Moorniederung (letzter Stand Oktober 2014) erstellen, die ergänzt wird durch die Untersuchung Kollisionsrisiko Kranich (2007). Eine Aktualisierung dieser Untersuchungen erfolgte durch die Beurteilung der Ergebnisse der "Gastvogeluntersuchung 2014/2015 im Hinblick auf die Eingriffsregelung, artenschutzrechtliche Belange und Natura 2000-Verträglichkeit" vom März 2016. Auf der Grundlage dieser Unterlagen gelangte die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 254) zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Beeinträchtigung hinsichtlich der Erhaltungsziele des Vogelschutzgebietes Diepholzer Moorniederung durch Wirkungen der außerhalb des Gebietes geplanten 380-kV-Leitung nicht bestehe. Dies gelte auch unter Berücksichtigung möglicher kumulativer Beeinträchtigungen durch die Windpark-Projekte in Schierholz, Dickel und Aldorf.

26

Der Kläger hält die FFH-VU und die hierauf aufbauende Würdigung im Planfeststellungsbeschluss für fehlerhaft. Hiermit vermag er nicht durchzudringen.

27

(1) Die Bestandserfassung und -bewertung in der FFH-VU ist nicht zu beanstanden.

28

Um die projektbedingten Einwirkungen zutreffend auf ihre Erheblichkeit hin beurteilen zu können, hat die Verträglichkeitsprüfung in einem ersten Schritt eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung der von dem Projekt betroffenen maßgeblichen Gebietsbestandteile bzw. betroffenen Arten zu leisten (stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 43 und vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 68). Die Methode der Bestandsaufnahme ist nicht normativ festgelegt; die Methodenwahl muss aber die für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standards der "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" einhalten (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile 6. November 2012 - 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 35, vom 28. März 2013 - 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 41 und vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 45; EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 [ECLI:EU:C:2004:482] - Rn. 54). Gegenstand der Verträglichkeitsprüfung ist die Verträglichkeit des Projekts mit den Erhaltungszielen des Gebietes (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL). Dem hat der Prüfungsrahmen Rechnung zu tragen (BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 72). Bei der Bestandserfassung und der Bestandsbewertung kommt der Planfeststellungsbehörde, soweit sich in der ökologischen Fachwissenschaft keine allgemeinen Standards herausgebildet haben, eine Einschätzungsprärogative zu. Die Bestandsaufnahme muss aber auch insofern plausibel und stimmig sein (BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 74 f.). Im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung ist es nicht erforderlich, das floristische und faunistische Inventar des betreffenden Gebietes flächendeckend und umfassend zu ermitteln. Auch eine konkrete Bestandserfassung vor Ort kann nur in der Regel, aber nicht ausnahmslos verlangt werden (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 59; Beschluss vom 6. März 2014 - 9 C 6.12 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 8 Rn. 32). Werden abweichend von einer Standardmethode Vor-Ort-Untersuchungen durch worst-case-Annahmen ersetzt, müssen diese konsequent durchgehalten werden (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 51).

29

Der Kläger rügt, dass nicht alle Schutzgüter des Vogelschutzgebietes Diepholzer Moorniederung von der FFH-VU und damit auch vom Planfeststellungsbeschluss erfasst worden seien, denn die im Standarddatenbogen ausgewiesene Liste von Vogelarten sei viel umfangreicher als die Angaben zu den "wertbestimmenden Vogelarten", auf die in der FFH-VU abgestellt werde. Damit leide der Planfeststellungsbeschluss an einem erheblichen Ermittlungsdefizit. Dem ist nicht zu folgen. Zwar beantwortet sich die Frage, für welche Arten ein Schutzgebiet ausgewiesen wurde, sofern die Schutzziele nicht aufgrund einer Erklärung des Mitgliedstaates zum besonderen Schutzgebiet feststehen (Art. 4 Abs. 4 FFH-RL), grundsätzlich aus dem Standarddatenbogen, den der Mitgliedstaat der Kommission übermittelt hat (siehe etwa Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 19. April 2007 - C-304/05 [ECLI:EU:C:2007:228] - Rn. 31 ff.). Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass der Mitgliedstaat verpflichtet ist, alle im Standarddatenbogen aufgeführten Vogelarten in die Festlegung der Erhaltungsziele für das entsprechende Gebiet einzubeziehen (BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2008 - 9 B 15.08 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 35 Rn. 12). Vielmehr kommt es darauf an, inwieweit den Auflistungen im Standarddatenbogen die Erklärung zu entnehmen ist, dass das Gebiet gerade aufgrund bestimmter Vogelarten ausgewählt wurde (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 77). Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - C-191/05 [ECLI:EU:C:2006:472] - Rn. 12 und 16) hat bestätigt, dass die Erhaltungsziele eines Vogelschutzgebietes nicht notwendig alle im Gebiet vorkommenden Arten nach Anhang I der VRL umfassen müssen, sondern nur solche, deren Schutz die Ausweisung des Gebietes letztlich gerechtfertigt hat (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:101116U9A18.15.0] - juris Rn. 65). Dabei kann es sich aber schon mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 VRL nur um die für das Gebiet charakteristischen Vogelarten handeln (BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2008 - 9 B 15.08 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 35 Rn. 12).

30

Nach diesen Maßstäben musste der Planfeststellungsbeschluss nicht alle im Standarddatenbogen genannten Vogelarten in den Blick nehmen. In der auf § 25 Satz 1 und 2 NAGBNatSchG beruhenden Bekanntmachung im Niedersächsischen Ministerialblatt vom 7. Oktober 2002 (S. 717 ff.) sind die Erhaltungsziele sowie die wertbestimmenden Vogel- und Zugvogelarten benannt; die Aufzählung bleibt weit hinter den Angaben im Standarddatenbogen zurück. Diese Angaben wurden durch den "Entwurf" für die Erhaltungsziele des Vogelschutzgebietes Diepholzer Moorniederung vom 19. Juni 2006 und durch die Veröffentlichung des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) vom 1. Oktober 2014 aktualisiert. Danach sind wertbestimmende Vogelarten nach Art. 4 Abs. 1 VRL (Anhang I) als Brutvögel Goldregenpfeifer, Sumpfohreule und Ziegenmelker, als Gastvogel die Kornweihe und als Brut- und Gastvogel der Kranich, sowie nach Art. 4 Abs. 2 VRL als Brutvögel Krickente, Baumfalke, Bekassine, Großer Brachvogel, Rotschenkel, Schwarzkehlchen und Raubwürger. Diese Vogelarten haben die FFH-VU und der Planfeststellungsbeschluss in den Blick genommen. Der Kläger legt weder dar, dass diese Liste unvollständig ist und der Ergänzung bedarf noch dass die Bestandserfassung und -bewertung bezüglich dieser Vogelarten fehlerhaft erfolgt ist.

31

Auch die in Bezug auf die Bestandserfassung und -bewertung des Kranichs erhobenen Rügen greifen nicht durch. Hier wird übersehen, dass eine Aktualisierung der Daten erfolgte und in die "Beurteilung der Ergebnisse der Gastvogeluntersuchung 2014/2015 im Hinblick auf die Eingriffsregelung, artenschutzrechtliche Belange und Natura 2000-Verträglichkeit, Deckblatt 1" (Stand März 2016) eingeflossen ist, die der Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt.

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(2) Fehler bei der Ermittlung und Bewertung der projektbedingten Einwirkungen zeigt der Kläger ebenfalls nicht auf.

33

Ob ein Projekt ein Vogelschutzgebiet in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigen kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 43 und vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 68; siehe auch Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 35) anhand seiner Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der maßgeblichen Gebietsbestandteile zu beurteilen. Maßgebliches Kriterium ist der günstige Erhaltungszustand der geschützten Arten im Sinne der Legaldefinitionen des Art. 1 Buchst. i FFH-RL. Der "Erhaltungszustand einer Art" ist definiert als die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Art auswirken können; als "günstig" wird der Erhaltungszustand angesehen, wenn aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, dass die Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraums, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird, das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Populationen dieser Art zu sichern. Um erhebliche Beeinträchtigungen nach § 34 Abs. 1 BNatSchG zu verneinen, muss ein günstiger Erhaltungszustand trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben, ein bestehender schlechter Erhaltungszustand darf jedenfalls nicht weiter verschlechtert werden (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 43). Für die Verträglichkeitsprüfung gilt ein strenger Prüfungsmaßstab. Ein Projekt ist nur dann zulässig, wenn nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel verbleibt, dass erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden (EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 - Rn. 59 und 61; BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 56 und vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 67). Nur dann darf die Verträglichkeitsprüfung mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen werden.

34

Die bei der Erfassung und Bewertung projektbedingter Beeinträchtigungen zugrunde zu legende Untersuchungsmethode ist normativ nicht geregelt. Die Zulassungsbehörde ist also nicht auf ein bestimmtes Verfahren festgelegt. Sie muss aber, um zu einer verlässlichen Beurteilung zu gelangen, auch insoweit den für die Verträglichkeitsprüfung maßgeblichen Standard der "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" einhalten (stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 62, vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 73 sowie vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 35; Beschluss vom 28. November 2013 - 9 B 14.13 - NuR 2014, 361 Rn. 7). Das setzt die "Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen" voraus (BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 und vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 26). Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge, die sich auch bei Ausschöpfung der einschlägigen Erkenntnismittel derzeit nicht ausräumen lassen, müssen indes kein unüberwindbares Zulassungshindernis darstellen. Insoweit ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten, die kenntlich gemacht und begründet werden müssen (BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 105 und vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 48).

35

Gemessen hieran ist die Ermittlung und Bewertung der projektbedingten Einwirkungen durch die Planfeststellungsbehörde nicht zu beanstanden. Der Planfeststellungsbeschluss setzt sich auf S. 249 bis S. 254 mit dem Gebietsschutz auseinander. Er verweist darauf, dass Natura 2000-Gebiete (FFH-Gebiete, Vogelschutzgebiete) von der Trasse nicht gequert würden. Von der Leitung potenziell betroffen sei aber das Vogelschutzgebiet Diepholzer Moorniederung, da es innerhalb der Wirkräume der relevanten Wirkfaktoren liege und Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele nicht von vornherein ausgeschlossen werden könnten (PFB S. 250). Sodann werden die allgemeinen und die speziellen Erhaltungsziele des Vogelschutzgebietes definiert und anschließend die hierfür wertbestimmenden Arten aufgezählt. Auf dieser Grundlage geht der Planfeststellungsbeschluss zunächst davon aus, dass die Lebensraumansprüche der Arten Sumpfohreule und Ziegenmelker als Brutvögel sowie von Krickente, Baumfalke, Bekassine, Großem Brachvogel, Rotschenkel, Schwarzkehlchen und Raubwürger sich weitgehend auf die Moorflächen beschränkten. Da sich diese in einer Entfernung von 3 km und mehr zur geplanten Leitung befänden, seien erhebliche Beeinträchtigungen des Natura 2000-Gebietes nicht zu erwarten. Der Kläger nimmt das hin.

36

Weiter prüft die Planfeststellungsbehörde die mögliche Betroffenheit der wertbestimmenden Arten Goldregenpfeifer, Kornweihe und Kranich (PFB S. 251). Bezüglich dieser Vogelarten geht sie davon aus, dass relevante Wirkungen der geplanten Leitung auf die Avifauna ausschließlich anlagebedingt seien. Baubedingte Wirkfaktoren seien zeitlich begrenzt und führten nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen für Gastvogellebensräume und damit für das Vogelschutzgebiet Diepholzer Moorniederung, weil die rastenden Vögel in die großräumig offenen Nahrungsgebiete ausweichen könnten. Als Wirkfaktoren auf die Avifauna stellt der Planfeststellungsbeschluss, gestützt auf die FFH-VU, auf Vogelverluste (insbesondere bei den Großvögeln) durch Leitungsanflug, auf Habitatveränderungen von Nahrungsgebieten und auf eine Barrierewirkung der Leitung ab (PFB S. 252). Unter Berücksichtigung dieser Wirkfaktoren geht er davon aus, dass die Erhaltungsziele für die wertbestimmenden Arten Goldregenpfeifer und Kornweihe von dem Vorhaben nicht berührt würden. Beachtlich sei aber der Kranich als Gastvogelart, weil diese Großvögel Flächen außerhalb des Vogelschutzgebietes als Nahrungsräume nutzten, die teilweise von der geplanten Freileitungstrasse berührt würden. Vor diesem Hintergrund prüft die Planfeststellungsbehörde die Verträglichkeit des Vorhabens näher, wobei sie den Erhaltungszustand des Kranichs als "gut" einstuft (PFB S. 252). Im Ergebnis verneint sie eine erhebliche Beeinträchtigung im Hinblick auf die drei genannten Wirkfaktoren. Insgesamt ergäben sich keine erheblichen Beeinträchtigungen hinsichtlich der Erhaltungsziele des Vogelschutzgebietes Diepholzer Moorniederung durch Wirkungen der außerhalb des Gebietes geplanten 380-kV-Leitung (PFB S. 254).

37

(a) Der Kläger rügt, es bestünden hinreichende fachliche Zweifel an den naturschutzrechtlichen Ermittlungen und Bewertungen, so dass nicht mit der notwendigen Sicherheit erhebliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden könnten. Zur Begründung wiederholt er seinen umfangreichen Vortrag aus dem Planfeststellungsverfahren, der weiterhin Bestand habe. Das verfehlt die rechtlichen Anforderungen. Nach § 43e Abs. 3 Satz 1 EnWG hat der Kläger innerhalb einer Frist von sechs Wochen die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Wird - wie hier - ein Anspruch auf Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses oder auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit zum Gegenstand einer Klage gemacht, muss sich das Vorbringen des Klägers mit dem Planfeststellungsbeschluss, mit dem das Vorhaben zugelassen wird, auseinandersetzen. Eine lediglich pauschale Bezugnahme auf im Planfeststellungsverfahren erhobene Einwände oder deren wörtliche Wiederholung in der Klagebegründung ohne Würdigung des Planfeststellungsbeschlusses genügt diesen Begründungsanforderungen nicht. Denn Gegenstand der Klage ist der Planfeststellungsbeschluss (OVG Lüneburg, Urteil vom 14. August 2015 - 7 KS 148/12 - NVwZ-RR 2016, 254 = juris Rn. 28; VGH München, Urteil vom 24. November 2010 - 8 A 10.40011 - juris Rn. 18).

38

Der Kläger geht im Übrigen durchgängig davon aus, dass die Leitungstrasse ein faktisches Vogelschutzgebiet durchquere. Damit versperrt er sich den Blick darauf, dass die Ganderkeseeleitung weder durch ein ausgewiesenes noch durch ein faktisches Vogelschutzgebiet führt und daher nur die Wechselwirkungen (u.a. Flugrouten von den Schlafplätzen zu den Nahrungsflächen und wieder zurück) mit dem Vogelschutzgebiet von Bedeutung sind. Dass diese Wechselwirkungen, die nach den ins Verfahren eingebrachten Unterlagen überschaubar sind (siehe etwa Planunterlage FFH-VU, Karte 1: Lebensräume und Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele, Deckblatt), da ausgiebige Nahrungshabitate von den Schlafplätzen der Kraniche aus erreicht werden können, ohne die Leitung kreuzen zu müssen, von der Planfeststellungsbehörde fehlerhaft eingeschätzt worden wären, legt der Kläger nicht dar.

39

Die erstmals mit Schriftsatz vom 22. März 2017 unter Vorlage einer Stellungnahme seines Sachbeistandes erhobene Rüge, dass öffentlich verfügbares Datenmaterial in der FFH-VU unberücksichtigt geblieben sei, zielt in der Sache wohl darauf, die FFH-VU sei fehlerhaft, weil die Planfeststellungsbehörde nicht die "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" berücksichtigt habe. Es kann offenbleiben, ob dieser Vortrag gemäß § 43e Abs. 3 EnWG, § 87b Abs. 3 VwGO verspätet ist. Er ist jedenfalls unsubstantiiert. Der Kläger legt nicht dar, inwiefern die von ihm genannten Unterlagen über die im Planfeststellungsverfahren berücksichtigten umfangreichen Erkenntnismittel hinaus weitere für die Verträglichkeitsprüfung relevante Informationen liefern könnten. Zudem fehlt teilweise ein Nachweis über die öffentliche Zugänglichkeit der Quellen bzw. sind diese erst nach Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses erstellt worden.

40

(b) Unabhängig hiervon sind die Einwände des Klägers auch in der Sache unbegründet.

41

(aa) Der Einwand, der Goldregenpfeifer sei nicht geprüft worden, ist unzutreffend. Der Goldregenpfeifer, der nur als Brutvogel zu den wertbestimmenden Arten gehört, wurde im Hinblick auf die Wirkfaktoren des Projekts auf die Avifauna untersucht, aber keiner näheren Betrachtung unterzogen, weil er als Brutvogel auf die Moorflächen und moornahen Grünlandflächen im Ostteil des Vogelschutzgebietes (Großes Moor bei Uchte) beschränkt sei, seine Brutflächen zu weit von der Leitung entfernt seien und er daher durch die Leitung nicht berührt werde. Dass diese Einschätzung unzutreffend wäre, zeigt der Kläger nicht auf.

42

(bb) Der Kläger legt auch nicht dar, dass die Planfeststellungsbehörde die Grenzen der ihr zukommenden Einschätzungsprärogative in Bezug auf eine erhebliche Beeinträchtigung des Kranichs überschritten hat.

43

Der Planfeststellungsbeschluss verneint zunächst hinsichtlich des Wirkfaktors "Barrierewirkung" mit Blick auf das Flugverhalten des Kranichs an der bestehenden 380-kV-Leitung südlich bzw. südöstlich des Rehdener Geestmoors eine erhebliche Beeinträchtigung. Der Kläger nimmt dies hin.

44

Weiter geht der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass die Ganderkeseeleitung zu einem Verlust an Nahrungsflächen für den Kranich von insgesamt ca. 120 ha führe. Dies habe bei einem Nahrungsflächenangebot in der Diepholzer Moorniederung von insgesamt ca. 31 000 ha keine Auswirkungen auf den günstigen Erhaltungszustand des Kranichs. Der Kläger kritisiert, die von der FFH-VU bilanzierten 120 ha Nahrungsgebietsverlust seien ersichtlich zu wenig, weil dieser Wert auf mehr als 10 Jahre alten Daten beruhe und damit nicht die noch einmal deutlich ausgeweitete Raumnutzung des Kranichs zum Zeitpunkt der Planfeststellung berücksichtige. Das führt auf keinen Ermittlungs- oder Bewertungsfehler. Wie der "Beurteilung der Ergebnisse der Gastvogeluntersuchung 2014/2015 im Hinblick auf die Eingriffsregelung, artenschutzrechtliche Belange und Natura 2000-Verträglichkeit - Deckblatt 1" (Stand März 2016) zu entnehmen ist, erfolgte eine Aktualisierung der Rastvogelerfassung im Winterhalbjahr 2014/2015, weil die vorliegenden Erfassungsergebnisse älter als fünf Jahre seien und zu vermuten sei, dass sich das Rastvogelgeschehen innerhalb des Planungsraums ausgeweitet habe. Diese Aktualisierung, in die auch Informationen von örtlichen Fachleuten (u.a. des BUND Diepholzer Moorniederung [2011, 2014] und des Naturschutzrings Dümmer 2014) eingeflossen sind, führte u.a. dazu, dass von einer erheblichen Erhöhung des Gastvogelaufkommens des Kranichs in der Diepholzer Moorniederung ausgegangen wurde (S. 11) und dass Veränderungen hinsichtlich der Abgrenzung der Nahrungsräume vorgenommen wurden (S. 11). So konnte etwa ein zusätzliches Nahrungshabitat des Kranichs in der Rüssener Heide identifiziert werden (siehe auch PFB S. 253).

45

Hinsichtlich des Verlusts von Nahrungsflächen übersieht der Kläger zudem die Unterschiede zwischen dem Verlust von LRT-Flächen und dem Verlust von Habitatflächen geschützter Arten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 2014 - 9 C 6.12 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 8 Rn. 34). Bezüglich des Verlusts von Habitatflächen kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht die Grundannahme zum Tragen kommen, im Regelfall sei jeder Flächenverlust erheblich (z.B. BVerwG, Beschluss vom 6. März 2014 - 9 C 6.12 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 8 Rn. 34 m.w.N.). Während die Definition eines günstigen Erhaltungszustandes in Art. 1 FFH-RL für den natürlichen Lebensraum u.a. darauf abstellt, ob die Flächen, die er im natürlichen Verbreitungsgebiet einnimmt, mindestens beständig sind (Buchst. e), kommt es - wie ausgeführt - für den günstigen Erhaltungszustand einer Art nicht auf die Beständigkeit der Habitatfläche, sondern auf die Beständigkeit der Art an (Buchst. i). Verluste von Habitatflächen führen deshalb nicht ohne Weiteres zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes der geschützten Art. Entscheidendes Beurteilungskriterium ist vielmehr das der Stabilität, das die Fähigkeit umschreibt, nach einer Störung wieder zum ursprünglichen Gleichgewicht zurückzukehren. Ist eine Population dazu in der Lage, sei es, dass sie für ihren dauerhaften Bestand in der bisherigen Qualität und Quantität auf die verlorengehende Fläche nicht angewiesen ist, sei es, dass sie auf andere Flächen ohne Qualitäts- und Quantitätseinbußen ausweichen kann, so bleibt ein günstiger Erhaltungszustand erhalten und ist demgemäß eine erhebliche Beeinträchtigung zu verneinen (BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 43 ff. und vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 132; Beschluss vom 6. März 2014 - 9 C 6.12 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 8 Rn. 34). Das muss erst recht gelten, wenn Nahrungsflächen für eine geschützte Art betroffen sind, die außerhalb des Schutzgebietes liegen. Anhaltspunkte dafür, dass Kraniche gerade auf die von der in Streit stehenden Leitung entwerteten Nahrungsflächen angewiesen sind und nicht ggf. auf andere Flächen ausweichen können, sind vom Kläger nicht vorgetragen worden und angesichts des Umfangs der gesamten Nahrungsflächen in der Diepholzer Moorniederung auch nicht ersichtlich.

46

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs angeregt hat (Vorlagefrage Ziffer 1 zum Gebietsschutz, Anlage 2 zum Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 8. März 2017), bedarf es einer Vorlage nicht. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass sich die rechtlichen Regelungen der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie voneinander unterscheiden (EuGH, Urteile vom 28. Juni 2007 - C-235/04 [ECLI:EU:C:2007:386], Kommission/Spanien - Rn. 79 und vom 14. Oktober 2010 - C-535/07 [ECLI:EU:C:2010:602], Kommission/Österreich - Rn. 24; siehe auch EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 - C-374/98 [ECLI:EU:C:2000:670], Basses Corbières - Rn. 51 ff.). Das findet seine Grundlage - wie bereits dargestellt - in Art. 1 Buchst. e FFH-RL einerseits und Art. 1 Buchst. i FFH-RL andererseits. Im Habitatrecht geht es um den "Erhaltungszustand eines natürlichen Lebensraums", während im Vogelschutzrecht der "Erhaltungszustand einer Art" maßgeblich ist. Hinsichtlich des Schutzregimes ist das erkennbar ein anderer Ansatz. Das schließt indes nicht aus, dass die Prüfung einer Beeinträchtigung im Sinne des Beeinträchtigungsverbots des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL und die Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 BNatSchG nach gleichgerichteten Maßstäben erfolgen, weil es in beiden Fällen um die Feststellung erheblicher Gebietsbeeinträchtigungen geht (BVerwG, Urteile vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <288 f.> und vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 66). Eine Vorlagepflicht besteht insoweit nicht, denn die richtige Anwendung des Unionsrechts ist im Sinne der acte-clair-Doktrin (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:EU:C:1982:335], CILFIT -) derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel an der Beantwortung der gestellten Frage keinerlei Raum bleibt.

47

Schließlich verneint der Planfeststellungsbeschluss auch eine erhebliche Beeinträchtigung hinsichtlich des Wirkfaktors "Leitungsanflug" (Tötungsrisiko). Er stützt sich dabei ganz wesentlich auf die Ergebnisse der Kollisionsstudie zum Kranich (AG Kollisionsrisiko Kranich 2007) und ordnet zur Verringerung des Anflugrisikos eine Markierung des Erdseils mit beweglichen schwarz-weißen Kunststoffstäben auf einer Aluminiumträgerkonstruktion in allen Freileitungsabschnitten in einem Abstand von 25 m an. Damit bestehe nurmehr ein Risiko von 0,5 bis 1,4 kollidierender Kraniche pro Rastsaison an der geplanten Freileitung, womit eine erhebliche Beeinträchtigung ausgeschlossen werden könne. Der Kläger rügt, auch das Tötungsrisiko sei fehlerhaft eingeschätzt worden. Der Kranich sei in besonderer Weise anfluggefährdet; Kraniche verunglückten regelmäßig an Freileitungen, was entsprechende Massenunfälle immer wieder belegten. Auch die vorgenommene Abschätzung des Kollisionsrisikos erweise sich als völlig unzureichend. Das gelte etwa hinsichtlich des Zeitraums der durchgeführten Beobachtungen, der Berücksichtigung des Überflugverhaltens der telemetrierten Kraniche und des Fehlens weiterer Begleituntersuchungen, wie z.B. einer Totfundsuche. Dass die in der Kollisionsstudie 2007 angestellten Überlegungen ein realistisches Gesamtbild lieferten, sei mehr als zweifelhaft. Schließlich seien die Schlussfolgerungen in der Kollisionsstudie fraglich, weil darin die Erhöhung des Rastbestandes deutlich unterschätzt worden sei. Auch sei wesentliches Datenmaterial unberücksichtigt geblieben. Einen Ermittlungs- oder Bewertungsfehler zeigt der Kläger damit nicht auf.

48

Zutreffend weist der Kläger allerdings darauf hin, dass der Kranich in besonderer Weise anfluggefährdet ist (siehe auch BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 103). Das stellen aber weder der Planfeststellungsbeschluss noch die Kollisionsstudie in Frage. Da es derzeit keine anerkannte Standardmethode und keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich der Ermittlung des Anflugrisikos des Kranichs an Höchstspannungsleitungen gibt, musste eine geeignete Methode zur Abschätzung des Kollisionsrisikos entwickelt werden (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 90). Die Beigeladene hatte daher eine Arbeitsgruppe beauftragt, in einer Studie das Kollisionsrisiko von Kranichen im Planungsraum abzuschätzen. Das Ergebnis ist die Kollisionsstudie 2007, die von einem Verlust von 2,5 bis 7 Exemplaren pro Rastsaison ohne Vermeidungsmaßnahmen bzw. von 0,5 bis 1,4 Exemplaren im Falle einer Erdseilmarkierung ausgeht. Die Studie macht hinreichend deutlich, dass gesicherte Erkenntnisse über das Anflugrisiko von Kranichen nicht bestehen. Folglich arbeitet sie mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen, die kenntlich gemacht und begründet werden und sich nicht unwesentlich aus Aufzeichnungen und Daten des BUND Diepholzer Moorniederung speisen. Zur Abschätzung des Kollisionsrisikos entwickelt die Studie vier Bausteine. Dabei werden u.a. die Ergebnisse aus Beobachtungen von Überflügen und Kollisionen an der bestehenden 380-kV-Freileitung südlich bzw. sudöstlich des Rehdener Geestmoors berücksichtigt und zudem Literaturdaten aus einer Untersuchung über Kanadakraniche in Nebraska (USA) verwertet (Baustein 1). Sodann wird die Zahl der Überflüge über die geplante Leitung abgeschätzt (Baustein 2) und ein Korrekturfaktor von 1,4 eingeführt, um der erwarteten Zunahme des Kranichaufkommens Rechnung zu tragen (Baustein 3). Den sich stellenden prognostischen Risiken wird durch konservative Ansätze z.B. beim Kollisionsfaktor und bei der Zahl der Überflüge Rechnung getragen (Baustein 4).

49

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht bei der Entwicklung einer fallbezogenen Methode für die Behörden ein erweiterter Spielraum. Anzuwenden ist eine Methode, die transparent, funktionsgerecht und schlüssig ausgestaltet ist. Unverzichtbar ist dabei, dass die angewandten Kriterien definiert werden und ihr sachlich untersetzter Sinngehalt nachvollziehbar dargelegt wird (BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:280416U9A9.15.0] - BVerwGE 155, 91 Rn. 30 und vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - juris Rn. 112; Beschluss vom 2. Oktober 2014 - 7 A 14.12 - DVBl. 2015, 95 Rn. 6). Dem ist hier genügt. Der Kläger vermochte die Ergebnisse der Studie nicht substantiiert zu erschüttern. Seine naturschutzfachliche Meinung über die Erhöhung des Tötungsrisikos des Kranichs durch die in Streit stehende Leitung ist der von der Planfeststellungsbehörde fachlich begründeten nicht bereits deshalb überlegen, weil sie umfangreichere oder aufwendigere Ermittlungen oder strengere Anforderungen für richtig hält. Anderes gilt erst dann, wenn sich eine Auffassung als allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durchgesetzt hat und die gegenteilige Meinung als nicht mehr vertretbar angesehen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 66). Hierfür ist - wie ausgeführt - derzeit aber nichts ersichtlich. Hieran ändert auch der Verweis des Klägers auf Massenunfälle von Kranichen an Hochspannungsleitungen nichts. Es ist bereits zweifelhaft, ob das von ihm angeführte Ereignis eine mit der planfestgestellten Leitung vergleichbare Trasse betraf. Unstreitig ist es aber jedenfalls an der süd- bzw. südöstlich des Rehdener Geestmoors nahezu mittig durch das Vogelschutzgebiet Diepholzer Moorniederung verlaufenden 380-kV-Freileitung bisher nicht zu solchen Massenunfällen gekommen. Der Kläger legt nicht dar, dass die angefochtene 380-kV-Trasse, die zudem außerhalb des Vogelschutzgebietes verläuft, im Vergleich zur vorhandenen 380-kV-Leitung ein höheres Gefährdungspotenzial für den Kranich aufweist. Dafür bestehen auch keine Anhaltspunkte.

50

Gegen die Berücksichtigung der im Planfeststellungsbeschluss angeordneten Markierung des Erdkabels in allen Freileitungsabschnitten mit beweglichen schwarz-weißen Kunststoffstäben auf einer Aluminiumträgerkonstruktion in einem Abstand von 25 m (Vermeidungsmaßnahme V 01 i.V.m. Nebenbestimmung 1.1.3.2.3 Nr. 3) als Maßnahme zur Verringerung des Anflugrisikos für den Kranich, bestehen ebenfalls keine Bedenken. Dass solche Maßnahmen zulässig und als schadenbegrenzende Maßnahmen grundsätzlich auch geeignet sind, hat der Senat bereits entschieden (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 104 ff.). Der Ansatz der Planfeststellungsbehörde, die bei der hier verwendeten Markierung und unter Berücksichtigung der konkreten Situation vor Ort von einer Verringerung des Anflugrisikos um 80 % ausgeht, erscheint jedenfalls nicht unvertretbar. Substantiierte Einwände hiergegen hat der Kläger nicht vorgetragen. Hinzu kommt, dass der Planfeststellungsbeschluss über die Empfehlungen der FFH-VU und der Kollisionsstudie hinaus eine Erdseilmarkierung nicht nur in bestimmten Bereichen, sondern im gesamten Verlauf der Freileitung angeordnet hat.

51

Der Anrufung des Europäischen Gerichtshofs zur Klärung der zweiten Vorlagefrage zum Gebietsschutz (Anlage 2 zum Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 8. März 2017), die die Zulässigkeit sog. Bagatell- oder Irrelevanzschwellen zum Gegenstand hat, bedurfte es nicht. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich. Die Beigeladene hat im Vorfeld der Planfeststellung umfangreiche Untersuchungen und Analysen in Bezug auf die Gefährdung des Kranichs durch die beantragte Trasse durchgeführt, auch unter Berücksichtigung der durch das Vogelschutzgebiet Diepholzer Moorniederung bereits verlaufenden 380-kV-Freileitung. Auf der Grundlage der so in der konkreten Konstellation ermittelten Risiken für den Kranich hat sie eine Abschätzung vorgenommen, ob trotz der projektbedingten Einwirkungen eine erhebliche Beeinträchtigung des Kranichs verneint werden kann und mithin ein günstiger Erhaltungszustand des Kranichs trotz der Durchführung des Projekts stabil bleibt. Dieses Ergebnis hat der Planfeststellungsbeschluss, auch mit Blick auf kumulative Beeinträchtigungen durch Windpark-Projekte (PFB S. 254), gewürdigt und übernommen. In der Sache handelt es sich daher um eine individuelle Erheblichkeitsprüfung im Sinne von § 34 Abs. 1 BNatSchG in Bezug auf den Kranich und nicht um die Anwendung oder Entwicklung etwaiger Bagatell- oder Irrelevanzschwellen. Damit stellen sich auch die weiteren in diesem Zusammenhang vom Kläger formulierten Vorlagefragen nicht, die auf die Zulässigkeit von lebensraum- oder artspezifischen Bagatellschwellen bezogen sind.

52

bb) Geht man mit dem Kläger von einer fehlerhaften Festsetzung des Vogelschutzgebietes Diepholzer Moorniederung aus, ist insoweit zwar ein faktisches Vogelschutzgebiet in den Grenzen der bisherigen räumlichen Festlegungen zugrunde zu legen; das Vorhaben steht aber mit dem Beeinträchtigungsverbot des Art. 4 Abs. 4 VRL im Einklang.

53

Nach Art. 4 Abs. 4 VRL treffen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel in den Schutzgebieten zu vermeiden, sofern sich diese auf die Zielsetzungen des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VRL und außerdem der Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 VRL erheblich auswirken. Danach muss das Überleben der geschützten Vogelarten und ihre Vermehrung im Verbreitungsgebiet sichergestellt sein; außerdem ist für die geschützten Vogelarten eine ausreichende Vielfalt und eine ausreichende Flächengröße der Lebensräume zu erhalten oder ggf. wiederherzustellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <290>, vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254 Rn. 52 und vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31 Rn. 48; EuGH, Urteil vom 2. August 1993 - C-355/90 [ECLI:EU:C:1993:331], Santoña - Rn. 15).

54

Gemessen daran sind erhebliche Beeinträchtigungen durch das Vorhaben ausgeschlossen. Für eine vorhabenbedingte Verschmutzung oder sonstige Beeinträchtigung der im Schutzgebiet gelegenen Lebensräume der geschützten Vogelarten Goldregenpfeifer, Sumpfohreule, Ziegenmelker, Kornweihe, Kranich, sowie Krickente, Baumfalke, Bekassine, Großer Brachvogel, Rotschenkel, Schwarzkehlchen und Raubwürger fehlen Anhaltspunkte.

55

Entsprechend obiger Ausführungen, wonach eine erhebliche Beeinträchtigung des Vogelschutzgebietes Diepholzer Moorniederung im Planfeststellungsbeschluss zu Recht verneint worden ist (§ 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG), können auch erhebliche Belästigungen im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL ausgeschlossen werden. Denn - wie ausgeführt - folgt die Prüfung des Ausschlusses erheblicher Belästigungen im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL in einem - unterstellt - fehlerhaft festgesetzten und damit faktischen Vogelschutzgebiet den Maßstäben von § 34 Abs. 1 BNatSchG (vgl. BVerwG, Urteile vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <288 f.> und vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 66). Es ist folglich unschädlich, dass die Planfeststellungsbehörde nicht (auch) eine Verträglichkeitsprüfung in Bezug auf ein faktisches Vogelschutzgebiet durchgeführt hat.

56

2. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen Regelungen des Artenschutzrechts.

57

a) Die artenschutzrechtliche Beurteilung der Planfeststellungsbehörde beruht auf einer ordnungsgemäßen Bestandserfassung.

58

Die Methode der Bestandserfassung ist nicht normativ festgelegt; sie hängt maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalles ab (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 129 und vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - juris Rn. 75). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Prüfung, ob einem Planvorhaben artenschutzrechtliche Verbote nach § 44 BNatSchG entgegenstehen, eine ausreichende Ermittlung und Bestandsaufnahme der im Trassenbereich vorhandenen Tierarten und ihrer Lebensräume voraus (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 54), wobei der Planfeststellungsbehörde sowohl bei der ökologischen Bestandsaufnahme als auch bei deren Bewertung, namentlich bei der Qualifizierung möglicher Betroffenheiten und bei der Beurteilung ihrer populationsbezogenen Wirkungen, eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zusteht (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 65). Die Behörde ist folglich nicht verpflichtet, ein lückenloses Arteninventar aufzustellen (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 54). Erforderlich, aber auch ausreichend ist - auch nach den Vorgaben des Unionsrechts - eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 54 ff. m.w.N.). Die in diesem Rahmen getroffenen, auf fachgutachtliche Stellungnahmen gestützten Annahmen der Planfeststellungsbehörde unterliegen gerichtlicher Prüfung nur dahin, ob sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem unzulänglichen oder gar ungeeigneten Bewertungsverfahren beruhen (stRspr, vgl. zu den Anforderungen: BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 66 f. m.w.N., vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 38, vom 28. März 2013 - 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 114, vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254 Rn. 60, vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 107, vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 90 und vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 128).

59

Die notwendige Bestandsaufnahme wird sich regelmäßig aus zwei wesentlichen Quellen speisen, nämlich der Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und einer Bestandserfassung vor Ort, deren Methodik und Intensität von den konkreten Verhältnissen im Einzelfall abhängt. Erst durch eine aus beiden Quellen gewonnene Gesamtschau kann sich die Planfeststellungsbehörde regelmäßig die erforderliche hinreichende Erkenntnisgrundlage verschaffen. Lassen allgemeine Erkenntnisse zu artspezifischen Verhaltensweisen, Habitatansprüchen und dafür erforderlichen Vegetationsstrukturen sichere Rückschlüsse auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein bestimmter Arten zu, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Planfeststellungsbehörde daraus entsprechende Schlussfolgerungen zieht. Ebenso ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten, Schätzungen und, sofern der Sachverhalt dadurch angemessen erfasst werden kann, mit worst-Case-Betrachtungen zu arbeiten (BVerwG, Urteil vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 38).

60

Diesen Anforderungen werden die Untersuchungen der im Trassenbereich vorhandenen Arten, die in den Anwendungsbereich der Verbote nach § 44 BNatSchG fallen, und ihrer Lebensräume gerecht. Methodik und Umfang der gutachterlichen Ermittlungen zum Artenschutz erweisen sich als fehlerfrei.

61

aa) Soweit der Kläger die Ermittlungstiefe im Planfeststellungsverfahren bezüglich der artenschutzrechtlichen Verbote kritisiert und hierzu umfangreich aus den Einwendungen seines Sachbeistandes vom 12. Februar 2013 zitiert, verfehlt er - wie ausgeführt - bereits die Darlegungsanforderungen gemäß § 43e Abs. 3 Satz 1 EnWG.

62

Auch in der Sache trifft die Kritik des Klägers nicht zu. Die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden artenschutzfachlichen Untersuchungen speisen sich im Wesentlichen aus den beiden beschriebenen Quellen, die sich wechselseitig ergänzen: Ihnen liegen zum einen die in Fachbeiträgen dargestellten faunistischen Untersuchungen vor Ort zugrunde; zum anderen beruhen sie auf der Abfrage vorhandener Erkenntnisse bei Fachbehörden und ehrenamtlichen Stellen des Naturschutzes sowie auf der Auswertung bereits vorliegender Daten, gutachterlicher Untersuchungen und der einschlägigen Fachliteratur zu den in Rede stehenden streng oder besonders geschützten Arten, deren Verhaltensweisen und Habitatansprüchen. Dieses methodische Vorgehen entspricht dem rechtlich Gebotenen und gewährleistet eine breite Datenbasis für die Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände.

63

bb) Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass über das Vorkommen von Fledermäusen im Trassenraum nach den Darlegungen im Artenschutzbeitrag und im Planfeststellungsbeschluss keine Erkenntnisse vorlägen; das Vorkommen von Fledermäusen habe nicht nachgewiesen werden können. Ein Ermittlungsfehler ist damit gleichwohl nicht aufgezeigt. Denn die Planfeststellungsbehörde geht im Hinblick auf das Vorhandensein sog. Höhlenbäume, deren Bestand im Trassenraum wiederholt, zuletzt im Oktober 2014, erfasst worden ist, als in Betracht kommender Nistplatz von Fledermäusen und gestützt auf entsprechenden naturschutzfachlichen Sachverstand von deren Existenz im Planungsraum aus und unterwirft sie einer artenschutzrechtlichen Prüfung. Dieses Vorgehen ist unter Anwendung vorstehender Grundsätze nicht zu beanstanden.

64

cc) Schließlich ist der Kläger der Auffassung, dass bei der Erfassung und Darstellung der artenschutzrechtlichen Betroffenheit von Vögeln Fehler unterlaufen seien, denn es liege lediglich für eine kleine Zahl gefährdeter Vogelarten eine Auswertung und räumliche Darstellung vor. Die weit überwiegende Zahl der Brutvögel werde nur erwähnt, Revierzahlen würden vielfach nicht einmal angegeben. In diesem Zusammenhang kritisiert der Kläger weiter, er habe im Frühjahr 2014 zwei je 10 ha große Teilflächen in der Nähe der geplanten Trasse avifaunistisch untersuchen lassen und hierauf in seiner Stellungnahme vom 4. Mai 2015 hingewiesen. Die Planfeststellungsbehörde habe diesen Befund vollständig ignoriert; es sei beim Kläger noch nicht einmal die genaue Zuordnung der betroffenen Vogelarten zu den Reviermittelpunkten erfragt worden. Der Kläger lege daher mit der Klagebegründung das entsprechende Untersuchungsergebnis vor. Auch hiermit vermag er nicht durchzudringen.

65

Die Planfeststellungsbehörde hat, gestützt auf den Artenschutzbeitrag (Stand Oktober 2014), eine gestufte Prüfung vorgenommen. Der eigentlichen Prüfung der Verbotstatbestände vorausgegangen ist eine Vorprüfung (Konfliktanalyse), in welcher die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG Art für Art überschlägig abgeprüft wurden. Angesichts der Vielzahl unionsrechtlich geschützter Vogelarten hat es der Artenschutzbeitrag als zweckmäßig angesehen, das Spektrum der Vogelarten für die detaillierte Konfliktanalyse einzugrenzen. Danach sollten solche Arten nicht weiter untersucht werden, die nicht gefährdet, sondern allgemein verbreitet sind (bezogen auf die Landesfläche bzw. die Region Tiefland-West), oder die keine besondere Empfindlichkeit gegenüber den Wirkungen des Vorhabens aufweisen. Hingegen sollten solche Arten weiter betrachtet werden, die besondere ökologische Anforderungen stellen oder an einem Ort besonders konzentriert vorkommen (vgl. Artenschutzrechtlicher Beitrag, Stand Oktober 2014 S. 5, 6). Der Artenschutzbeitrag und diesen nachvollziehend der Planfeststellungsbeschluss scheiden damit in einem frühen Prüfungsstadium solche Vogelarten aus, die von vornherein als nicht planungsrelevant anzusehen sind; das ist grundsätzlich zulässig (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 - 9 B 14.13 - DVBl. 2014, 237 Rn. 20). Dass sich die Planfeststellungsbehörde damit nicht innerhalb der ihr insoweit zukommenden Einschätzungsprärogative gehalten hätte, legt der Kläger nicht dar. Es fehlen jegliche Ausführungen dazu, weshalb die von ihm im Trassenraum festgestellten Vogelarten einer näheren Betrachtung durch die Planfeststellungsbehörde im Hinblick auf das Artenschutzrecht bedurft hätten. Das gilt insbesondere für die von seinem Sachbeistand untersuchte Fläche östlich von Barnstorf, die - nach dessen eigenen Angaben (vgl. Anlage K 1 S. 9 zum Schriftsatz des Klägers vom 8. Juli 2016) - aufgrund der Verschiebung der Trasse nicht mehr unter dieser liege. Dies wirft zwangsläufig die Frage nach der Relevanz dieser Feststellungen auf, die der Kläger unbeantwortet lässt.

66

dd) Den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2017 gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass in den durch die Hochspannungsleitung zu querenden Baumbeständen die Vogelarten Baumpieper und Grauschnäpper, insbesondere in den von seinem Sachbeistand kartierten Probeflächen östlich von Goldenstedt und östlich von Barnstorf, die mit Schriftsatz vom 8. Juli 2016, Anlage K 1, S. 10 und 11, vorgelegt worden sind, sowie die Vogelarten Bluthänfling, Star und Waldlaubsänger ihre Brutplätze und Reviere haben, weist der Senat als verspätet zurück.

67

Nach § 43e Abs. 3 Satz 1 EnWG hat der Kläger innerhalb einer Frist von sechs Wochen die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. § 87b Abs. 3 VwGO gilt entsprechend (§ 43e Abs. 3 Satz 2 EnWG). Beweismittel in diesem Sinne sind auch Sachverständigengutachten. Im Klagebegründungsschriftsatz vom 8. Juli 2016 hat der Kläger keine Beweisangebote gemacht; gleiches gilt für den Schriftsatz vom 10. Februar 2017. Die Klagebegründungsfrist des § 43e Abs. 3 Satz 1 EnWG, über die sowohl im Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 844) als auch in der Mitteilung über den Eingang der Klage vom 2. Juni 2016 ordnungsgemäß belehrt worden ist, hat der Kläger nicht beachtet. Der Beweisantrag ist somit nicht fristgerecht angekündigt worden. Der Kläger hat die Verspätung nicht entschuldigt (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1998 - 11 A 6.97 - Buchholz 310 § 87b VwGO Nr. 3). Die Zulassung des Beweismittels (Sachverständigengutachten) würde den Rechtsstreit verzögern, weil nach dem Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung die Sache spruchreif ist (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2010 - 8 B 112.09 - juris Rn. 8). Ein Fall des § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO ist ersichtlich nicht gegeben.

68

Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens liegt im Ermessen des Senats, das er hier dahingehend ausübt, das Beweismittel zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen in der Sache zu entscheiden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 215 Rn. 48). Bei dem streitigen Vorhaben handelt es sich um ein Projekt, das in § 1 Abs. 1 EnLAG i.V.m. Nr. 2 der Anlage zum EnLAG als vordringlicher Bedarf ausgewiesen ist; es bildet den 1. Abschnitt der Höchstspannungsleitung Ganderkesee - Wehrendorf. Zudem handelt es sich um ein Pilotvorhaben im Sinne von § 2 Abs. 2 EnLAG zur Erprobung von Erdkabelabschnitten im Höchstspannungsdrehstromnetz; die hierbei gewonnenen Erkenntnisse können für andere Leitungsprojekte auch und gerade mit Blick auf die Reduzierung von Umweltauswirkungen wertvoll sein. Die Verwirklichung des Vorhabens duldet keinen weiteren Aufschub.

69

Der Beweisantrag wäre im Übrigen auch aus sachlichen Gründen abzulehnen gewesen. Er ist bereits zu unbestimmt, weil er auf alle durch die Höchstspannungsleitung zu querenden Baumbestände abstellt, ohne einen bestimmten Bereich zu individualisieren. Bezüglich der Vogelarten Bluthänfling, Star und Waldlaubsänger enthält die in Bezug genommene Stellungnahme zudem keine Aussagen. Es bestehen daher keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Brutplätzen oder Revieren dieser Vögel. Der Beweisantrag ist somit "ins Blaue hinein" gestellt. Es handelt sich um einen Ausforschungsbeweisantrag.

70

b) Die Bewertung der von der Ganderkeseeleitung voraussichtlich verursachten artenschutzrechtlichen Betroffenheiten durch die Beklagte ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

71

Der Planfeststellungsbeschluss erörtert unter Ziffer 2.2.3.6.4.2 (PFB S. 262 ff.) das Vorliegen von Verbotstatbeständen nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG in Bezug auf eine ganze Reihe von Lebewesen. Zusammenfassend kommt er zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben zwar zu Beeinträchtigungen geschützter Arten führe, die Zugriffsverbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG jedoch nicht verletzt würden, wenn spezielle - im Einzelnen genannte - Vermeidungs- und Schutzmaßnahmen sowie vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (CEF) durchgeführt würden. Die hieran geäußerte Kritik des Klägers verfängt nicht.

72

aa) Der Planfeststellungsbeschluss geht nachvollziehbar davon aus, dass es weder für Fledermäuse noch für den Kranich bau- oder betriebsbedingt zu einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG kommt.

73

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Tatbestand des Tötungsverbots mit Blick auf die bei einem Leitungsbauvorhaben nie völlig auszuschließende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere mit der Trasse erst dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 91 und vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 99). Dabei sind Maßnahmen, mittels derer solche Kollisionen vermieden werden können, in die Betrachtung miteinzubeziehen. Der Tatbestand des Tötungsverbots ist nur erfüllt, wenn das Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren einen Risikobereich übersteigt, der mit einer Leitungstrasse im Naturraum immer verbunden ist. Das gilt nicht nur für das betriebsbedingte Risiko von Kollisionen mit der Trasse, sondern auch für bau- und anlagebezogene Risiken (BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 235 Rn. 99 ).

74

Das anhand einer wertenden Betrachtung auszufüllende Kriterium der Signifikanz trägt dem Umstand Rechnung, dass für Tiere bereits vorhabenunabhängig ein allgemeines Tötungsrisiko besteht, welches sich nicht nur aus dem allgemeinen Naturgeschehen ergibt, sondern auch dann sozialadäquat (BT-Drs. 16/5100 S. 11) sein kann und deshalb hinzunehmen ist, wenn es zwar vom Menschen verursacht ist (vgl. Fellenberg, UPR 2012, 321 <326>), aber nur einzelne Individuen betrifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - juris Rn. 83). Denn tierisches Leben existiert nicht in einer unberührten, sondern in einer vom Menschen gestalteten Landschaft. Nur innerhalb dieses Rahmens greift der Schutz des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG.

75

Umstände, die für die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind insbesondere artspezifische Verhaltensweisen, häufige Frequentierung des durchschnittenen Raums und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 99). Bei der wertenden Bestimmung der Signifikanz des Tötungsrisikos können darüber hinaus auch weitere Kriterien im Zusammenhang mit der Biologie der Art (vgl. Fellenberg, UPR 2012, 321 <326 f.>; Heugel, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 44 Rn. 8) zu berücksichtigen sein. Für diese fachliche Beurteilung ist der Planfeststellungsbehörde eine Einschätzungsprärogative eingeräumt (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 99).

76

(2) Gemessen hieran ist die Annahme der Planfeststellungsbehörde, dass es vorliegend zu keiner signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos bei Fledermäusen oder bei Kranichen kommen werde, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kritik des Klägers am Planfeststellungsbeschluss ist unsubstantiiert.

77

Bei Fledermäusen wird von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zunächst dann ausgegangen, wenn Hauptflugrouten oder bevorzugte Jagdgebiete betroffen sind (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 141). Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte. Auch der Kläger zeigt solche nicht auf. Ein Verstoß gegen das Tötungsverbot kann ferner dann gegeben sein, wenn ein von einer Fledermaus bewohntes Quartier in einem (Höhlen-)Baum beseitigt wird und die Fledermaus bei der Fällaktion getötet würde (vgl. PFB S. 268). Insofern sieht der Planfeststellungsbeschluss eine Reihe von Schutzmaßnahmen vor (S 04: Einschlag von Wald nur in dem Zeitraum zwischen dem 1.10. und dem 28.2.; S 06: Erhalt von Höhlenbäumen durch Rückschnitt oberhalb der Höhlen; S 07: Endoskopische Untersuchung zu fällender Höhlenbäume auf überwinternde Fledermäuse vor der Abholzung i.V.m. Nebenbestimmung Ziffer 1.1.3.2.3 Nr. 12, wonach sämtliche zur Fällung vorgesehenen Bäume vor Beginn der Arbeiten zur Baufeldfreimachung erneut auf Höhlen, Spalten und Risse zu kontrollieren sind und die im Maßnahmenblatt beschriebene endoskopische Untersuchung für alle vorhandenen potenziellen Fledermausquartiere zu erfolgen hat). Dass diese Maßnahmen nicht ausreichend wären, um einen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG auszuschließen, legt der Kläger nicht dar.

78

Von einer signifikanten vorhabenbedingten Erhöhung des Tötungsrisikos für den Kranich kann ebenfalls nicht ausgegangen werden. Der Planfeststellungsbeschluss ordnet auf der Grundlage der Kollisionsstudie zum Kranich eine Erdseilmarkierung im gesamten Freileitungsabschnitt an und bewertet das Kollisionsrisiko deshalb als nicht signifikant (PFB S. 277). Gegen diese Einschätzung hat der Kläger über die im Rahmen des Vogelschutzes gemachten Einwendungen hinaus keine weitergehenden Rügen erhoben. Auf die bereits gemachten Ausführungen, die hier sinngemäß gelten, kann daher verwiesen werden.

79

bb) Der Planfeststellungsbeschluss verneint ferner zu Recht eine Verwirklichung des Störungsverbots (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG).

80

Der Tatbestand des Störungsverbots ist nach der Definition des § 44 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 BNatSchG nur erfüllt, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 258 und vom 28. März 2013 - 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 118; Beschluss vom 6. März 2014 - 9 C 6.12 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 8 Rn. 62). Er kann vor allem durch bau- und betriebsbedingte Beeinträchtigungen der geschützten Tierarten in Gestalt von akustischen und optischen Störwirkungen (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 104 f. und vom 9. Juni 2010 - 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 49), aber auch durch Trennwirkungen verwirklicht werden, die von der vorgesehenen Trasse ausgehen (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 105 und vom 14. April 2010 - 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 114). Dabei enthält das Störungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG bereits im Wortlaut einen populationsbezogenen Ansatz. Die populationsbezogene Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle steht mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. b FFH-RL und Art. 5 Buchst. d VRL im Einklang, die beide einen art- bzw. populationsbezogenen Schutzansatz verfolgen (BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2006 - 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 Rn. 44, vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 237 und vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 104). Diese Auffassung wird von der Europäischen Kommission geteilt (vgl. Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG vom Februar 2007, Kap. II.3.2.a Rn. 39, S. 42). Die Kritik des Klägers, der Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG sei individuenbezogen zu prüfen, verfehlt den rechtlichen Maßstab.

81

cc) Auch ein Verstoß gegen das Zerstörungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) ist im Planfeststellungsbeschluss in rechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint worden.

82

Nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ist es verboten, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Der Begriff der "Fortpflanzungsstätte" ist eng auszulegen (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 114). In zeitlicher Hinsicht betrifft die Verbotsnorm primär die Phase aktueller Nutzung der Lebensstätte. Unter Berücksichtigung des verfolgten Zwecks der Regelung, die Funktion der Lebensstätte für die geschützte Art zu sichern, ist dieser Schutz aber auszudehnen auf Abwesenheitszeiten der sie nutzenden Tiere einer Art, sofern nach deren Lebensgewohnheiten eine regelmäßig wiederkehrende Nutzung zu erwarten ist (BVerwG, Urteile vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 66 und vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 114).

83

Der Planfeststellungsbeschluss verneint bezüglich der Fledermäuse einen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG. Er geht davon aus, dass eine Quartierssuche in dem Untersuchungskorridor unverhältnismäßig aufwendig sei und nimmt daher hilfsweise eine Kartierung von Höhlenbäumen vor. Die erfassten Höhlenbäume stellten potenzielle Quartierbäume (Sommer- und Winterquartiere) für die aufgeführten Fledermausarten dar. Insofern könne die Wuchshöhenbegrenzung (Konflikt KA 2) oder die Fällung von Höhlenbäumen (Konflikt KA 3) möglicherweise einen Verstoß u.a. gegen das Zerstörungsverbot darstellen (PFB S. 267). Zur Vermeidung eines Verstoßes ordnet der Planfeststellungsbeschluss die bereits erwähnten Schutzmaßnahmen S 04, S 06 und S 07 an und kommt so sowohl für die Freileitungs- als auch die Erdkabelabschnitte zu dem Ergebnis, dass die angefochtene Trasse (auch) mit § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG vereinbar ist (PFB S. 268).

84

Die Kritik des Klägers an dieser Bewertung, die sich vor allem auf die fehlenden Erkenntnisse über das Vorkommen von Fledermäusen im Planungsraum und die Stellungnahme seines Sachbeistandes im Planfeststellungsverfahren stützt, ist unberechtigt; die Einwände sind unsubstantiiert. Auch insoweit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss, insbesondere mit den vorgesehenen Schutzmaßnahmen. Vor allem die Nebenbestimmung Ziffer 1.1.3.2.3 Nr. 12 war im Artenschutzbeitrag noch nicht vorgesehen und findet sich erstmals im Planfeststellungsbeschluss. Sie stellt sicher, dass Höhlenbäume, solange sie von Fledermäusen bewohnt werden, nicht gefällt werden dürfen. Soweit Höhlenbäume als potenzielle Quartiere für Fledermäuse gefällt werden müssen - nach Aktenlage ist das nur bei einem Baum der Fall (vgl. Maßnahmen für Naturschutz und Landschaftspflege Deckblatt 1, März 2016, S. 3) -, ist unter Maßnahme A19 CEF eine entsprechende Ausgleichverpflichtung vorgesehen, wonach in der näheren Umgebung der gefällten Höhlenbäume an geeigneten Bäumen für jeden gefällten Baum zehn Fledermauskästen angebracht werden müssen. Dass Fledermausersatzquartiere von den Tieren grundsätzlich angenommen werden, ist in der Fachliteratur anerkannt (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 21. August 2009 - 11 C 318/08.T - juris Rn. 734). Das Anbringen von künstlichen Quartieren gehört daher zu den Maßnahmen, die am häufigsten zum Ersatz von Quartierverlusten bei Fledermäusen ergriffen werden. Es handelt sich um eine gemäß § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG zulässige Maßnahme (BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - juris Rn. 91). Die gegen diese Ausgleichsmaßnahme vorgebrachten Rügen des Klägers sind daher unbegründet.

85

Des Weiteren kritisiert der Kläger, dass im Rahmen der artenschutzrechtlichen Prüfung dauerhaft geschützte Lebensstätten, insbesondere Baumhöhlen, als Thema lediglich in Bezug auf Fledermäuse angerissen worden seien. Dass solche Lebensstätten einen dauerhaften Schutz genössen, weil sie regelmäßig wiederkehrend oder sogar kontinuierlich genutzt würden, werde ebenso wenig angesprochen wie der Umstand, dass auch kleinere Baumhöhlen, wie sie von Meisen, Baumläufern, Kleibern, Staren, Bunt- und Kleinspechten, Schnäppern, aber auch verschiedenen (teilweise gesetzlich geschützten) Insektenarten, wie die nicht erfasste Gruppe der Hummeln oder Hornissen, und Fledermäusen genutzt würden, jährlich wiederkehrend in Anspruch genommen würden. Daher sei davon auszugehen, dass auch die winterliche Rodung der Baumbestände gegen § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verstoße, weil es sich um eine dauerhaft geschützte Lebensstätte handele, die überdies unverzichtbar sei. Es könne insofern nicht pauschal die Legalausnahme des § 44 Abs. 5 BNatSchG zugrunde gelegt werden, denn die Annahme, dass im Umfeld ausreichend Ersatzquartiere für die verschiedenen Funktionen des betroffenen Artenspektrums verfügbar seien, sei durch nichts belegt. Auch hiermit vermag der Kläger nicht durchzudringen. Er übersieht, dass der Artenschutzbeitrag das Problem behandelt (siehe Anhang 1: Höhlenbaumkartierung), aber keine Notwendigkeit dafür gesehen hat, diesem Umstand durch Schutz- oder Vermeidungsmaßnahmen Rechnung zu tragen. Dem ist der Planfeststellungsbeschluss gefolgt. Die Beigeladene weist zudem zu Recht darauf hin, dass die Aufenthaltsorte von u.a. Wildbienen einem ständigen Wechsel unterliegen, so dass Untersuchungsergebnisse nur eine Momentaufnahme sein können. Die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde zum Artenschutz ist auch insofern von ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative gedeckt.

86

c) Soweit der Kläger zum Artenschutz verschiedene Fragen formuliert hat, die er durch den Europäischen Gerichtshof klären lassen möchte, bedarf es einer Vorlage nach Art. 267 AEUV nicht.

87

Vorlagefrage Ziffer 1 zum Artenschutz (Anlage 4 zum Protokoll vom 8. März 2017), mit der der Kläger die Anwendbarkeit des Leitfadens zum strengen Schutzregime für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-RL 92/43/EWG vom Februar 2007 der Europäischen Kommission ("Leitfaden") auf den Schutz von Fortpflanzungs- und Ruhestätten von Vögeln, die unter den Schutz von Art. 5 der RL 2009/147/EG stehen, klären lassen möchte, ist zu unbestimmt formuliert. Es ist völlig unklar, ob der Kläger den gesamten Leitfaden oder nur bestimmte Aussagen, die aber nicht konkretisiert werden, auf die vorliegende Fallkonstellation erstreckt wissen will. Unabhängig davon ist die Frage nicht klärungsbedürftig; der Leitfaden bezieht sich ausdrücklich nur auf die Verbote des Art. 12 und die Ausnahmen davon in Art. 16 FFH-RL, erfasst somit die Verbote des Art. 5 und die Ausnahmen nach Art. 9 VRL nicht. Für die vorliegende Fallkonstellation misst er sich keine Geltung zu. Das bedarf nicht erst der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Letztlich fehlt es auch an Vortrag dazu, in welchem Zusammenhang die Frage entscheidungserheblich sein soll.

88

Mit der Vorlagefrage Ziffer 2 (und den Fragen 3 bis 5) zum Artenschutz (Anlage 4 zum Protokoll vom 8. März 2017) möchte der Kläger klären lassen, welche Maßstäbe bei der Sachverhaltsermittlung und bei der Prognose der Wirkungen eines Vorhabens auf europäische Vogelarten bzw. Arten nach Anhang IV der FFH-RL anzuwenden sind und ob dies ggf. die gleichen sind wie im FFH-Recht. Auch diese Frage erfordert keine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die für den Habitatschutz geltenden Anforderungen nicht unbesehen und unterschiedslos auf den allgemeinen Artenschutz übertragen werden können (vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 23. November 2007 - 9 B 38.07 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 7 Rn. 37). Vielmehr ist den Unterschieden Rechnung zu tragen, die schon im System der FFH-Richtlinie angelegt sind (siehe zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 58 ff.; zuletzt: Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 14.15 - juris Rn. 28 unter Ziffer 7a). Folglich ist eine Übertragung der für den Habitatschutz geltenden Maßstäbe auf den Artenschutz nicht Stand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine undifferenzierte Handhabung des Prüfprogramms nicht zu entnehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 2007 - 9 B 38.07 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 7 Rn. 37). Die Ausführungen des Klägers geben keinen Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit dieser Rechtsprechung. Für einen vernünftigen Zweifel im Sinne der acte-clair-Doktrin (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 -) bei der Beantwortung der gestellten Frage bleibt kein Raum.

89

Die Vorlagefrage Ziffer 3 zum Artenschutz (Anlage 4 zum Protokoll vom 8. März 2017) ist zu unbestimmt formuliert. In ihrer Weite ("... welche Anforderungen bzw. Kriterien sind bei der Sachverhaltsermittlung im Artenschutz anzuwenden ...") könnte sie nur in der Art eines Kommentars oder Lehrbuchs beantwortet werden. Sie lässt zudem unberücksichtigt, dass der jeweilige Ermittlungsaufwand ganz entscheidend von den Umständen des konkreten Einzelfalles abhängt und sich daher auch keine allgemein verbindlichen Grundsätze formulieren lassen. Im Übrigen legt der Kläger nicht dar, anhand welcher Vorschrift des Gemeinschaftsrechts eine Vorlagefrage an den Europäischen Gerichtshof formuliert werden soll.

90

Auch die Vorlagefrage Ziffer 4 zum Artenschutz (Anlage 4 zum Protokoll vom 8. März 2017) ist zu unbestimmt. Da sie auf Lebensstätten abstellt, ist sie auch zu weit gefasst, weil der Begriff der Lebensstätte über den in § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verwendeten Begriff der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten hinausgeht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Ruhestättenbegriff nicht den allgemeinen Lebensraum der geschützten Arten und sämtliche Lebensstätten, sondern einen abgrenzbaren und für die betroffene Art besonders wichtigen Fortpflanzungs- und Ruhebereich umfasst. Dieser muss einen nicht nur vorübergehenden, den artspezifischen Ansprüchen genügenden störungsfreien Aufenthalt ermöglichen (BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 222 und vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 66). Der Begriff ist tendenziell eng auszulegen (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 114).

91

Bei der Frage Ziffer 5 zum Artenschutz (Anlage 4 zum Protokoll vom 8. März 2017) nennt der Kläger schon keine Vorschrift des Unionsrechts, anhand derer zu überprüfen wäre, ob die Rechtsprechung zur naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative und damit korrespondierend zur Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte mit Unionsrecht vereinbar ist. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine restriktive Handhabung anerkannt (BVerwG, Urteile vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:070416U4C1.15.0] - BVerwGE 154, 377 Rn. 24 und vom 22. September 2016 - 4 C 2.16 [ECLI:DE:BVerwG:2016:220916U4C2.16.0] - BVerwGE 156, 148 Rn. 35).

92

3. Der Planfeststellungsbeschluss genügt auch der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung.

93

Er befasst sich mit den Anforderungen nach §§ 13 ff. BNatSchG ausführlich (PFB S. 231 bis 248). Hiermit setzt sich der Kläger nicht substantiiert auseinander. Seine Rüge, die fehlerhafte Prüfung des Artenschutzrechts führe auch zu einem Verstoß gegen §§ 13 ff. BNatSchG, geht schon deshalb ins Leere, weil - wie ausgeführt - der Planfeststellungsbeschluss mit Artenschutzrecht vereinbar ist. Soweit der Kläger zur weiteren Begründung auf die im Planfeststellungsverfahren vorgelegte Stellungnahme seines Sachbeistandes vom 12. Februar 2013 zu den (angeblichen) Defiziten hinsichtlich der Abarbeitung der Eingriffsregelung verweist, genügt dies - wie ebenfalls bereits ausgeführt - nicht den Darlegungserfordernissen des § 43e Abs. 3 Satz 1 EnWG.

94

4. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen das Energieleitungsausbaugesetz.

95

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG ist im Falle des Neubaus auf Verlangen der für die Zulassung des Vorhabens zuständigen Behörde bei einem - wie hier - Vorhaben nach § 2 Abs. 1 EnLAG eine Höchstspannungsleitung auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten als Erdkabel zu errichten und zu betreiben, wenn bestimmte Abstände zu Wohngebäuden im Bebauungsplanbereich (§ 30 BauGB) oder im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) - 400 m - bzw. zu Wohngebäuden im Außenbereich (§ 35 BauGB) - 200 m - unterschritten werden. Maßgeblich ist dabei der Abstand von der Trassenmitte bis zum nächstgelegenen Punkt der Außenwand eines Wohngebäudes; auf etwaige Grundstücksgrenzen kommt es nicht an. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, entscheidet die Planfeststellungsbehörde in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens darüber, ob statt einer Freileitung eine Erdverkabelung vom Vorhabenträger verlangt wird. Ausweislich des klaren Wortlauts lässt § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG dabei nur eine Teilerdverkabelung zu. Aus § 2 Abs. 3 EnLAG folgt - entgegen der Auffassung des Klägers - nichts anderes. Die Norm eröffnet nur die nach § 43 Satz 1 Nr. 1 EnWG nicht gegebene Möglichkeit, auch die Errichtung, den Betrieb oder die Änderung eines Erdkabels planfeststellen zu können (vgl. de Witt, in: De Witt/Scheuten, NABEG, § 2 EnLAG Rn. 15); darin erschöpft sich ihr Regelungsgehalt.

96

Nach diesen Vorgaben ist die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde gegen eine weitere Erdverkabelung in den vom Kläger angesprochenen Bereichen nicht zu beanstanden. Ermessensfehler zeigt der Kläger nicht auf.

97

a) Der Planfeststellungsbeschluss befasst sich unter Ziffer 2.2.3.4.11 und unter Ziffer 2.3.2.155 mit der Abstandsunterschreitung zum im Außenbereich befindlichen Einzelgebäude an der Hauptstraße und dem Anwesen Natenstedter Weg in der Gemeinde Colnrade. Danach resultiere die Abstandsunterschreitung daraus, dass die Trassenachse in die Mitte der Verbindungslinie zu diesen Wohnhäusern positioniert worden sei. Da der Abstand zwischen den beiden Gebäuden unter 400 m betrage, sei eine Trassenführung unter Einhaltung eines 200 m-Abstandes (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EnLAG) zu beiden Gebäuden nicht möglich (PFB S. 168). Das Einzelgebäude an der Hauptstraße verfüge durch seine "eingeklemmte" Lage zwischen der unmittelbar vor der Haustüre verlaufenden Kreisstraße K 249 im Süden und der Bewaldung entlang des Holtorfer Baches über ein nur sehr begrenztes unmittelbares Wohnumfeld für Außenaktivitäten. Die sich an dieser Stelle in Richtung Wald öffnende Außenfläche sei in Richtung der von Nord-Westen herangeführten Trasse durch den Waldbestand abgeschirmt. In Richtung der südwestlichen Sichtachse, auf der die Abstandsunterschreitung vorliege, sei bedeutsam, dass durch die Kreisstraße K 249 eine Zäsur des Wohnumfeldes erfolge. Durch die unmittelbar vor dem Haus verlaufende Kreisstraße werde es den Bewohnern des Hauses bereits unmöglich gemacht, ihr Wohnumfeld in Richtung der Trasse zu sozialen Interaktionen zu nutzen. Es liege daher ein Fall eingeschränkter Schutzwürdigkeit vor (PFB S. 167 f.). Das nähere Wohnumfeld des Anwesens Natenstedter Weg erstrecke sich nicht in Richtung der östlich verlaufenden Stromtrasse, sondern sei eher auf den westlichen Teil des Hofgeländes ausgerichtet. Die Versorgungsfunktionen und Freizeitaktivitäten könnten nur über den in etwa parallel zur Trasse nach Süden führenden Zuweg (Sackgasse Ostersehlt) wahrgenommen werden. Die Sichtbeziehungen zu der östlich geführten Freileitung seien im Bereich der Abstandsunterschreitung durch eine Baumreihe und Gebäude der Hofanlage abgeschirmt. Soweit es dagegen möglich erscheine, dass in südöstlicher Richtung der Leitungsbereich zwischen den Masten 57 und 58 nicht abgeschirmt sei, sei dies angesichts einer Entfernung von ca. 400 m im Außenbereich nicht mehr tatbestandsmäßig (PFB S. 168). Daher werde trotz der tatbestandlichen Abstandsunterschreitung das durch § 2 Abs. 2 EnLAG eröffnete Ermessen dahingehend ausgeübt, dass eine Verkabelung der Trasse in Bezug auf die Wohngebäude an der Hauptstraße und am Natenstedter Weg nicht verlangt werde (PFB S. 168 und S. 623).

98

Die vom Kläger hiergegen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Soweit er darauf verweist, dass der Wald unterhalb der Trasse auf einer Breite von mindestens 75 m abgeholzt werden müsse und damit eine entsprechende Abschirmungswirkung verloren gehe, verkennt er, dass nach den genehmigten Plänen im fraglichen Bereich keine Rodungen vorgesehen sind; der Baumbestand wird überspannt (Schutzmaßnahme S 03: "Schutz der Gehölzbestände durch schleiffreie Verlegung"; vgl. Plan "Maßnahmen im Trassenbereich, Deckblatt 1 von Deckblatt, Mast-Nr. 48 - Mast-Nr. 56"). Davon, dass das Grundstück Natenstedter Weg von allen Seiten bewaldet ist, geht der Planfeststellungsbeschluss nicht aus. Er räumt vielmehr eine fehlende Abschirmungswirkung in südöstlicher Richtung, zu den Masten 57 und 58, ausdrücklich ein (PFB S. 168) und erkennt damit in der Sache an, dass das Grundstück Natenstedter Weg in diesem Bereich ohne nennenswerten Sichtschutz ist. Das hält der Planfeststellungsbeschluss für hinnehmbar, weil sich die Trasse zunehmend vom Anwesen Natenstedter Weg entferne und damit der von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EnLAG geforderte Mindestabstand (alsbald) eingehalten werde. Der Kläger verkennt zudem, dass eine - wie hier - Außenbereichswohnnutzung weit weniger schutzwürdig ist als eine Wohnnutzung im beplanten oder unbeplanten Innenbereich. Eine Wohnbebauung im Außenbereich muss grundsätzlich damit rechnen, dass in ihrer Nähe "so etwas geschieht" (BVerwG, Beschluss vom 9. November 1979 - 4 N 1.78 - BVerwGE 59, 87 <102 f.> = juris Rn. 50), dass mithin eine privilegierte Nutzung - wie hier nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB - aufgenommen wird (VGH München, Beschluss vom 1. Dezember 2014 - 22 ZB 14.1594 - BauR 2015, 657 = juris Rn. 20 m.w.N.).

99

Der sinngemäß auf eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG zielende weitere Einwand des Klägers, es sei nur schwer nachvollziehbar, weshalb bei den unter Ziffer 2.2.3.4.12 des Planfeststellungsbeschlusses beschriebenen Wohngebäuden eine Erdverkabelung angeordnet worden sei, hingegen bei vorgenannten Wohngebäuden nicht, führt ebenfalls auf keinen Ermessensfehler. Die Sachverhalte sind schon nicht vergleichbar. Wie sich dem Planfeststellungsbeschluss entnehmen lässt, sind im Bereich der Masten Nr. 105 bis 120 der Ausgangsplanung insgesamt drei Wohngrundstücke im Außenbereich betroffen, bei denen die Trasse mit 129 m, 132 m und 103 m den erforderlichen Abstand von 200 m nicht eingehalten hätte; die Abstandsunterschreitung ist somit deutlich größer als bei den beiden Anwesen in Colnrade; betroffen sind zudem drei Anwesen. Aus dem Planfeststellungsbeschluss ergibt sich ferner, dass es - und damit anders als bei den Wohngebäuden in Colnrade - bei allen drei Wohnanwesen an einem ausreichenden Schutz des Wohnumfeldes, insbesondere an einer Einschränkung der Sichtbeziehungen zur Freileitung fehlt (PFB S. 169 ff.).

100

b) Der Planfeststellungsbeschluss befasst sich auch mit der Abstandsunterschreitung zur Innenbereichsbebauung in Eydelstedt, Dörpeler Damm und An den Langbergen, sowie zur Hofanlage Düste, die sich im Außenbereich befindet (Ziffer 2.2.3.4.13; PFB S. 174 ff.). Er hält bezüglich der im Innenbereich belegenen Wohngebäude einen gleichwertigen Wohnumfeldschutz aufgrund des bestehenden Waldes, der eine Sichtbeziehung zur Leitung verhindere, für gewährleistet. Im Innenbereich sei zwar das Wohnumfeld im Vergleich zum Außenbereich weiter zu ziehen. Angesichts der Satellitenaufnahmen sei jedoch erkennbar, dass sich die sozialen Kontakte und Freizeitaktivitäten innerhalb dieser Wohnsiedlung abspielen würden. Das weitere Wohnumfeld nehme daher in Richtung der südlich hinter dem Waldbestand verlaufenden 380-kV-Trasse in dieser Funktion deutlich ab. Insbesondere erscheine ein gleitender Übergang in eine Freizeitnutzung des Waldes nicht möglich, da sich zwischen dem Siedlungsgebiet und dem Wald ein 75 bis 120 m breites freies Feld befinde, über das, soweit ersichtlich, keine Wege in Richtung Wald führten. Auch die zu Versorgungszwecken erforderliche Verkehrsanbindung des Siedlungsgebietes "An den Langbergen/Dörpeler Damm" liege nicht innerhalb des 400 m-Abstandes in südlicher Richtung der Trasse, sondern könne angesichts des Ringstraßencharakters nur in östlicher Richtung über die Dörpeler Straße erfolgen. Eine Verschiebung der Trasse, um die 400 m-Abstände zu den vier genannten Wohngebäuden einzuhalten, sei zwar möglich. Eine Verschiebung zugunsten der Wohnhäuser habe jedoch eine Annäherung und Abstandsunterschreitung zu Wohngebäuden in Heitmannshäusern, einer Wohnbebauung im Außenbereich, zur Folge. Aufgrund des gleichwertigen Wohnumfeldschutzes zu dem Siedlungsgebiet An den Langbergen/Dörpeler Damm sei eine Verschiebung zu Lasten der Wohngebäude in Heitmannshäusern, für die keine Abschirmung der Trasse gegeben sei, nicht angezeigt. Aufgrund des gleichwertigen vorsorgenden Wohnumfeldschutzes sehe die Planfeststellungsbehörde daher keine Erdverkabelung vor. Bezüglich der Hofanlage Düste verweist der Planfeststellungsbeschluss darauf, dass eine kleinräumige Trassenverschiebung zur Einhaltung des 200 m-Abstandes entweder nicht möglich oder nicht vorzugswürdig sei. Ein ausreichender Wohnumfeldschutz sei aber gewährleistet, die Sichtbeziehung zur Freileitung sei zumindest teilweise durch Bäume abgeschwächt. Mit diesen Ausführungen setzt sich der Kläger nicht substantiiert auseinander. Das gilt insbesondere für die Folgen einer Trassenverschiebung zugunsten der Bebauung An den Langbergen/Dörpeler Damm und zu Lasten der Wohnbebauung in Heitmannshäusern.

101

5. Unberechtigt ist ferner der Vorwurf, der Planfeststellungsbeschluss sei mit dem niedersächsischen Raumordnungsprogramm nicht vereinbar.

102

Maßgeblich für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ist die Rechtslage bei dessen Erlass (BVerwG, Urteil vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <283>), soweit nicht spätere Rechtsänderungen einen vormaligen Rechtsverstoß entfallen lassen (BVerwG, Urteil vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52). Da der verfahrensgegenständliche Planfeststellungsbeschluss am 31. März 2016 erlassen wurde, ist er folglich auf seine Vereinbarkeit mit den Zielen und Grundsätzen des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen vom 8. Mai 2008 (Nds. GVBl. S. 132) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen vom 24. September 2012 (Nds. GVBl. S. 350 - im Folgenden "LROP 2012") zu überprüfen.

103

Ziele der Raumordnung sind verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen (§ 7 Abs. 2 ROG) textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG). Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 ROG sind sie bei raumbedeutsamen Planungen zu beachten. Grundsätze der Raumordnung sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG dagegen Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen. Bei raumbedeutsamen Planungen und Entscheidungen öffentlicher Stellen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen sind sie gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 ROG zu berücksichtigen. Im Unterschied zu den Zielen der Raumordnung stellen Grundsätze keine landesplanerische Letztentscheidung dar. Die verbindliche Rechtsgeltung einer bestimmten Planaussage ist dem Rechtscharakter eines Grundsatzes der Raumordnung fremd. Vielmehr hat er den Rang eines Abwägungsbelangs. Grundsätze und Ziele der Raumordnung liegen deshalb nicht auf einem Kontinuum des mehr oder weniger Verbindlichen. Sie sind nach dem Typensystem der Raumordnung vielmehr kategorial unterschiedlich (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 298 m.w.N.).

104

Das LROP 2012 enthält unter Abschnitt 4.2.07 Regelungen für die Energieübertragung im Höchstspannungsnetz in Form von Zielen und Grundsätzen. Dabei sind Ziele durch "Fettdruck" gekennzeichnet, die übrigen Regelungen haben die Wirkung von Grundsätzen (vgl. Präambel zum LROP 2012). Gemäß Abschnitt 4.2.07 Satz 1 LROP 2012 sind - als Ziel der Raumordnung - für die Energieübertragung im Höchstspannungsnetz mit einer Nennspannung von mehr als 110 kV bestimmte, in Anlage 2 zum LROP 2012 als Vorranggebiet "Leitungstrasse" festgelegte Leitungstrassen zu sichern. Die Anlage zu dieser Regelung sieht dabei u.a. eine Leitungstrasse "Ganderkesee - Diepholz/St. Hülfe" vor. Als Grundsatz formuliert Abschnitt 4.2.07 Satz 3 LROP 2012, dass die unterirdische Verlegung von Höchstspannungsleitungen im Übertragungsnetz erprobt werden soll. Sätze 6 bis 11 der Regelung formulieren Ziele der Raumordnung für neu zu errichtende Höchstspannungsfreileitungen. Dabei sehen Sätze 6 bis 8 - vergleichbar § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EnLAG - bestimmte Mindestabstände zu Wohngebäuden bzw. zu bestimmten überbaubaren Grundstücksflächen, die nicht im Außenbereich liegen, vor, während Satz 9 eine Unterschreitung der Mindestabstände als Ausnahme zulässt. Nach Abschnitt 4.2.07 Satz 12 LROP 2012 sind - als Grundsatz formuliert - neu zu errichtende Höchstspannungsfreileitungen so zu planen, dass ein Abstand von 200 m zu Wohngebäuden, die im Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB liegen, eingehalten wird. Schließlich legt Abschnitt 4.2.07 Satz 14 LROP 2012 - wiederum als Ziel der Raumordnung - fest, dass u.a. die als Vorranggebiet "Leitungstrasse" vorgesehene 380-kV-Höchstspannungsleitung Ganderkesee - Diepholz/St. Hülfe als Ergebnis der raumordnerischen Prüfung und Abstimmung als kombinierte Kabel- und Freileitungstrasse raumverträglich ist.

105

Hiervon ausgehend vermag der Senat einen Widerspruch zwischen den in Abschnitt 4.2.07 formulierten Zielen des LROP 2012 und der planfestgestellten Leitungstrasse nicht zu erkennen. Die Raumverträglichkeit des Vorhabens ist festgestellt (vgl. Abschnitt 4.2.07 Satz 14 LROP 2012). Obwohl Abschnitt 4.2.07 Satz 1 LROP 2012 ein Vorranggebiet "Leitungstrasse" im Sinne von § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 ROG festsetzt, ist es unschädlich, dass die planfestgestellte Trasse teilweise - vor allem im Bereich Eydelstedt, der anders als im LROP 2012 östlich und nicht westlich umgangen wird - von der in Anlage 2 zum LROP 2012 dargestellten Linie abweicht. Denn Vorranggebiete sind nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 ROG Gebiete, in denen die mit dem Vorrang belegte Funktion oder Nutzung andere raumbedeutsame Planungen ausschließt, soweit diese mit den vorrangigen Funktionen oder Nutzungen nicht vereinbar sind (vgl. Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2010, § 8 Rn. 73). Eine Ausschlusswirkung außerhalb des Vorranggebietes ist mit seiner Festlegung nicht verbunden (Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, a.a.O.; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 20. August 1992 - 4 NB 20.91 - NVwZ 1993, 167).

106

Auch mit Abschnitt 4.2.07 Satz 6 bis 9 LROP 2012 ist das Vorhaben vereinbar. Die Abstandsunterschreitung im Bereich der Wohnbebauung An den Langbergen/Dörpeler Damm (vgl. oben 4. b) betrifft mit Abschnitt 4.2.07 Satz 6 LROP 2012 ein Ziel der Raumordnung. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass die Beklagte insofern keine ausdrückliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Abstandsunterschreitungen gemäß Abschnitt 4.2.07 Satz 9 Buchst. a LROP 2012 getroffen hat. Das ist indessen unschädlich, denn der Planfeststellungsbeschluss bezieht im Zusammenhang mit der Ermessensausübung nach § 2 Abs. 2 EnLAG auch den Schutz des Wohnumfeldes in die Prüfung mit ein und trägt so den Anforderungen von Abschnitt 4.2.07 Satz 9 Buchst. a LROP 2012 hinreichend Rechnung. Dass der Wohnumfeldschutz von der Planfeststellungsbehörde fehlerhaft beurteilt worden wäre, zeigt der Kläger nicht auf. Erweist sich damit die Zulassung der Abstandsunterschreitung im Lichte von Abschnitt 4.2.07 Satz 6 und 9 Buchst. a LROP 2012 als rechtmäßig, kann offenbleiben, ob die Zielfestlegungen (Abschnitt 4.2.07 Satz 6 bis 11 LROP 2012) den gesetzlichen Anforderungen an Bestimmtheit und Erforderlichkeit genügen und hinreichend abgewogen sind (§ 7 Abs. 2 Satz 1 ROG).

107

Soweit die vom Kläger benannten Wohngebäude im Außenbereich belegen sind (Natenstedter Weg in der Gemeinde Colnrade sowie Hofanlage Düste in Eydelstedt), findet hierauf ausschließlich Abschnitt 4.2.07 Satz 12 LROP 2012 Anwendung, der nur einen Grundsatz formuliert. Da die planfestgestellte Freileitung zu diesen Anwesen den Abstand von 200 m unterschreitet, bestand insofern ein Abwägungsbedarf. Einen Abwägungsfehler zeigt der Kläger jedoch nicht auf. Wie bereits bei § 2 Abs. 2 EnLAG ausgeführt, nimmt der Planfeststellungsbeschluss - entsprechend Abschnitt 4.2.07 Satz 12 Halbs. 2 i.V.m. Satz 9 Buchst. a LROP 2012 - auch den Schutz des Wohnumfeldes in den Blick und bejaht einen gleichwertigen vorsorgenden Schutz der Wohnumfeldqualität. Das ist nicht zu beanstanden. Dass es auch insofern an einer ausdrücklichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Abstandsunterschreitungen gemäß Abschnitt 4.2.07 Satz 12 i.V.m. Satz 9 Buchst. a LROP 2012 fehlt, ist - wie bereits ausgeführt - unschädlich.

108

II. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen Mängeln der nach § 43 Satz 4 EnWG gebotenen Abwägung, die offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (vgl. § 43 Satz 7 EnWG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG).

109

Nach § 43 Satz 4 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (grundlegend: Urteil vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.>) verlangt das Abwägungsgebot, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots daher auf die Frage, ob die Planfeststellungsbehörde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie - auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials - die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat.

110

Hierfür kommt es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses an (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <283> und vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52 m.w.N.; Beschluss vom 17. Januar 2013 - 7 B 18.12 - juris Rn. 27).

111

1. Die Alternativenprüfung lässt einen Abwägungsfehler nicht erkennen.

112

Der Kläger kritisiert die Alternativenprüfung im Planfeststellungsbeschluss als unzureichend. Er ist zusammenfassend der Meinung, dass die Planfeststellungsbehörde fehlerhaft auf die Ausweisung weiterer Erdkabelabschnitte verzichtet habe.

113

Die Kritik ist unberechtigt. Der Einwand des Klägers, die Planfeststellungsbehörde sei keineswegs durch den Antrag der Vorhabenträgerin und die Ermächtigung des § 2 Abs. 2 EnLAG bei der Alternativenprüfung beschränkt, sondern müsse darüber hinaus die Prüfung auf weitere Erdkabelabschnitte erstrecken, was nicht erfolgt sei, wird dem Planfeststellungsbeschluss nicht gerecht. Unter dem Punkt 2.2.3.4 (PFB S. 133 ff.) wird nicht nur die beantragte Trassenführung (Ziffer 2.2.3.4.2) und die Alternativplanung (Ziffer 2.2.3.4.3) untersucht, sondern auch die sog. Nullvariante (Ziffer 2.2.3.4.5), technische Alternativen (Freileitungs-Monitoring und Hochtemperaturleiterseile; Ziffer 2.2.3.4.6) sowie eine durchgehende Erdverkabelung (Ziffer 2.2.3.4.7), alternative Erdkabelabschnitte (Ziffer 2.2.3.4.10 bis 2.2.3.4.14) und im Anhörungsverfahren eingebrachte Varianten (Ziffer 2.2.3.4.15) erörtert und abgewogen. Hiermit setzt sich der Kläger nicht substantiiert auseinander, einen Abwägungsfehler zeigt er nicht auf.

114

2. Soweit der Kläger weiter rügt, die Erkenntnisse aus der im April 2008 in Auftrag gegebenen Variantenprüfung für eine kombinierte Erdkabel-Freileitung-Verbindung seien im Planfeststellungsbeschluss falsch bzw. unzutreffend mitgeteilt worden, vermag er hiermit ebenfalls nicht durchzudringen. Die Planfeststellungsbehörde hat hier lediglich - im Sinne einer offenbaren Unrichtigkeit (§ 42 VwVfG) - die Himmelsrichtungen vertauscht (tatsächlich verlief eine Variante westlich, und zwei östlich von Barnstorf und nicht umgekehrt; vgl. PFB S. 190), ihrer Entscheidung aber die richtigen Varianten zugrunde gelegt und sich begründet für die Antragstrasse entschieden.

115

3. Der Kläger hält die Abwägungsentscheidung letztlich deshalb für fehlerhaft, weil die Planfeststellungsbehörde zur Auswahl von Freileitungs- und Erdkabelabschnitten ein externes Rechtsgutachten eingeholt habe, wobei dem Gutachter die einzelnen Abschnitte selbst zur Alternativenprüfung vorgelegt worden seien. Der beauftragte Gutachter habe nach seinem Kenntnisstand einen Abwägungsvorschlag erarbeitet, den die Planfeststellungsbehörde übernommen habe. Sie sei sich offensichtlich nicht selbst im Klaren gewesen, wie zu entscheiden sei. Auch dieser auf einen Abwägungsfehler zielende Einwand ist unbegründet. Die Einschaltung externer Gutachter durch die Planfeststellungsbehörde, auch zur Vorbereitung der eigentlichen Zulassungsentscheidung, ist zulässig und oftmals angesichts der Komplexität der Materie auch sachdienlich. Das entbindet die Planfeststellungsbehörde freilich nicht von einer eigenen Abwägungsentscheidung. Dafür, dass hier eine solche nicht getroffen worden wäre, ist nichts ersichtlich. Die Ausführungen des Klägers bewegen sich im Bereich der Spekulation.

116

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.