Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 22.06.2017


BPatG 22.06.2017 - 30 W (pat) 43/16

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "TISIBA" – verspätete Einlegung der Erinnerung gegen den Beschluss des Rechtspflegers – Unzulässigkeit – zur Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren - Billigkeitsentscheidung – maßgeblich ist der Löschungsbeschluss der Markenabteilung - Löschung der Marke wegen Bösgläubigkeit – der Wert des Gegenstands des Erinnerungsverfahrens richtet sich nach dem Wert des Löschungsverfahrens


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
22.06.2017
Aktenzeichen:
30 W (pat) 43/16
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 020 675 - S 111/14 Lösch

(hier: Erinnerung gemäß § 23 Abs. 2 RPflG)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 22. Juni 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, des Richters Merzbach sowie des Richters Dr. Meiser

beschlossen:

Die Erinnerung der Markeninhaberin gegen den Beschluss des Rechtspflegers vom 12. Oktober 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Markeninhaberin.

Der Wert des Erinnerungsverfahrens beträgt 50.000,- Euro

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt am 21 März 2014 die Löschung der für die Markeninhaberin seit dem 6. Juni 2012 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 11 und 37 eingetragenen Marke 30 2012 020 675

Abbildung

2

mit der Begründung beantragt, die Markeninhaberin sei bei der Anmeldung der Marke bösgläubig gewesen (§§ 54 Abs. 1, 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG). Die Markeninhaberin hat der Löschung widersprochen (§ 54 Abs. 2 S. 2 MarkenG).

3

Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 16. Februar 2016 die Marke wegen Bösgläubigkeit gelöscht und der Antragsgegnerin ferner die Kosten des Verfahrens auferlegt.

4

Gegen den Beschluss der Markenabteilung, der den seinerzeitigen Vertretern am 19. März 2016 zugestellt worden ist, hat die Markeninhaberin mit einem am 14. April 2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz „Widerspruch“ eingelegt. Die Beschwerdegebühr ist ausweislich eines von der Antragstellerin vorgelegten Kontoauszugs am 21. April 2016 von einem Konto bei der V…bank C… eG abgebucht und am selben Tag auf dem Konto der Bundeskasse eingegangen und gutgeschrieben worden.

5

Der Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 12. Oktober 2016 festgestellt, dass die Beschwerde gegen den Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Februar 2016 als nicht eingelegt gilt. Der Beschluss wurde der Markeninhaberin ausweislich der Zustellungsurkunde am 25. Oktober 2016 durch Übergabe zugestellt.

6

Dieser Beschluss hatte eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, in welcher u. a. wörtlich folgendes ausgeführt ist:

7

„Gegen diese Entscheidung ist der Rechtsbehelf der Erinnerung für jede Person zulässig, die durch diese Entscheidung beschwert ist.

8

Die Erinnerung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Bundespatentgericht, Cincinnatistraße 64, 81549 München einzulegen. Die Erinnerungsfrist ist nur dann gewahrt, wenn die Erinnerung innerhalb der Frist beim Bundespatentgericht eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden. Die Erklärung über die Erinnerung kann auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts abgegeben werden, wobei die Erinnerungsfrist nur dann als gewahrt gilt, wenn die Erklärung rechtzeitig beim Bundespatentgericht eingeht.

9

…..“

10

Gegen diesen Beschluss hat die Markeninhaberin mit einem an das Deutsche Patent- und Markenamt adressierten, jedoch beim Bundespatentgericht per Fax am 9. November 2016 eingegangenen Schreiben, welches als Datum den 7. November 2016 ausweist, Erinnerung eingelegt, mit der sie zu der verspäteten Zahlung der Beschwerdegebühr vorgetragen hat, dass sie durch die Kanzlei K… nicht in Kenntnis gesetzt worden sei, dass Herr K… weder den beauftragten Widerspruch eingelegt noch die Gebühr gezahlt habe.

11

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, sich zum vorliegenden Beschwerde- und Erinnerungsverfahren inhaltlich jedoch nicht geäußert.

12

Mit Schriftsatz vom 23. November 2016 hat die Antragstellerin weiterhin beantragt, die Kosten des Verfahrens der Markeninhaberin und Beschwerdeführerin aufzuerlegen sowie den Gegenstandswert auf 50.000,- Euro festzusetzen.

13

Die Markeninhaberin hat sich dazu nicht geäußert.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

15

Die Erinnerung ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der nach § 23 Abs. 2 Satz 2 RPflG vorgeschriebenen Rechtsbehelfsfrist von zwei Wochen eingelegt worden ist.

16

Ausweislich der Zustellungsurkunde ist der Markeninhaberin der angefochtene Beschluss des Rechtspflegers am Dienstag, den 25. Oktober 2016 gemäß § 177 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG zugestellt worden Die zweiwöchige Frist endete damit gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. §§ 222 Abs. 1 ZPO 188 Abs. 2, 1. Altern. BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, in den das für den Fristbeginn maßgebende Ereignis (hier: die Zustellung) fällt. Dieser Tag war Dienstag, der 8. November 2016. Die Erinnerung ist ausweislich der Faxeingangsbestätigung am 9. November 2016 gegen 15.40 Uhr und damit außerhalb der Rechtsbehelfsfrist eingegangen. Unerheblich ist das auf dem Datum der Erinnerungsschrift ausgewiesene Datum 7. November 2016. Maßgebend ist allein der Eingang beim Bundespatentgericht. Damit ist die Erinnerung als unzulässig zu verwerfen.

III.

17

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens sind gemäß § 71 Abs. 1, 4 MarkenG der Markeninhaberin aufzuerlegen. Zwar kann bei der Feststellung der nach § 6 Abs. 2 PatKostG eintretenden Rechtsfolge (durch den Rechtspfleger) selbst mangels gesetzlicher Grundlage keine Kostenentscheidung erfolgen (BPatGE 45, 201 - Kosten bei Nichterhebungsfiktion). Dies gilt aber nicht für eine gegen diese Feststellung gerichtete befristete Rechtspflegererinnerung, bei der eine Kostenentscheidung entsprechend § 71 MarkenG ergehen kann (BPatGE 40,144,146 – DIESEL; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 66 Rdnr. 53).

18

Für die danach erforderliche Billigkeitsentscheidung ist nicht maßgebend, ob die Erinnerung gegen den (deklaratorischen) Beschluss des Rechtspflegers vom 12. Oktober 2016 z. B als „mutwillig“ o. ä. anzusehen ist; maßgeblich ist vielmehr, dass durch den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung vom 16. Februar 2016, welcher auch den Gegenstand des Erinnerungsverfahrens bestimmt, die Löschung der Marke wegen Bösgläubigkeit angeordnet worden ist.

19

Bei der Löschung einer eingetragenen Marke wegen Bösgläubigkeit i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 10 Marken entspricht es im Regelfall der Billigkeit, dem Markeninhaber die Kosten des Löschungsverfahrens aufzuerlegen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 71 Rdnr. 15 m. w. Nachw.). Dies gilt auch für das vorliegende Erinnerungsverfahren. Dem steht nicht entgegen, dass eine Sachentscheidung zur Frage der Bösgläubigkeit nicht getroffen worden ist. Denn nach § 71 Abs. 4 MarkenG ist eine Kostenentscheidung auch möglich, wenn sich die Hauptsache dadurch erledigt hat, dass die Beschwerde, die Anmeldung, der Widerspruch oder der Löschungsantrag zurückgenommen worden sind. Dem ist der Fall gleichzustellen, dass aufgrund der unzulässigen Erinnerung gegen den Beschluss des Rechtspflegers vom 12. Oktober 2016 feststeht, dass die Beschwerde der Markeninhaberin nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gilt und daher die durch Beschluss der Markenabteilung vom 16. Februar 2016 angeordnete Löschung der angegriffenen Marke wegen Bösgläubigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG) bestandskräftig geworden ist.

IV.

20

Der Antrag der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin, den Gegenstandswert für das Löschungs-Beschwerdeverfahren festzusetzen, ist nach § 33 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 RVG mit der Maßgabe zulässig, dass es mangels Anhängigkeit einer Beschwerde (§ 6 Abs. 2 PatKostG) um die Festsetzung des Werts für das vorliegende Erinnerungsverfahren geht. Dieser Wert bestimmt sich nach § 23 Abs. 2 Satz 3 und 1 i. V. m, Abs. 3 Satz. 2 RVG und ist, da in den markenrechtlichen Verfahren vor dem BPatG für die Anwaltsgebühren keine speziellen Wertvorschriften existieren, nach billigem Ermessen zu bestimmen.

21

Da Gegenstand des Erinnerungsverfahrens - wie bereits erwähnt - die Frage war, ob die Markeninhaberin wirksam Beschwerde gegen den die Löschung der Marke wegen Bösgläubigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG anordnenden Beschluss der Markenabteilung vom 16. Februar 2016 eingelegt hat, bemisst sich auch der Gegenstandswert des Erinnerungsverfahrens nach dem entsprechenden Wert des Löschungsverfahrens. Für dieses ist das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner Marke maßgeblich, welches vom Bundesgerichtshof regelmäßig mit 50.000 Euro bemessen wird (vgl. BGH, Beschl. v. 16. März 2006 – I ZB 48/05, GRUR 2006, 704 – Markenwert; Beschl. v. 30. Juli 2015 – I ZB 61/13 veröffentlicht in juris.). Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung der Mehrheit der Senate des BPatG (30 W (pat 1/14 - Titanshield; 27 W (pat) 57/07 – MAUI SPORTS; 27 W (pat) 103/12 – jugend forscht Schüler experimentieren; 28 W (pat) 58/12 - Lactec; 29 W (pat) 39/09 – Andernacher Geysir; 29 W (pat) 15/10 – Wasserkraft; 24 W (pat) 20/07 – SAMADHI; 24 W (pat) 45/12 - FAGUMIT; 26 W (pat) 128/03 – Dual Mode; 26 W (pat) 2/10 – ErblühTee; 26 W (pat) 47/12, 26 W (pat) 50/14 - Ismaqua).

22

Der Gegenstandswert für das vorliegende Erinnerungsverfahren ist daher nach § 33 Abs. 1, § 23 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 RVG auf

23

50.000,-- Euro

24

festzusetzen.

V.

25

Einer gesonderten Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr bedarf es nicht, da diese von Amts wegen zurückgezahlt wird (vgl. Ströbele/Hacker, § 71 Rdnr. 41).