Entscheidungsdatum: 22.01.2019
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2015 012 457
(hier: Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. Januar 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie die Richterinnen Akintche und Seyfarth
beschlossen:
1. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.
3. Die verspätet gezahlte Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.
I.
Die am 17. Februar 2015 angemeldete Wort-/Bildmarke (weiß/grün)
ist am 29. Mai 2015 unter der Nummer 30 2015 012 457 für Dienstleistungen der Klassen 35 und 38 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 3. Juli 2015.
Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Beschwerdeführerin am 25. September 2015 Widerspruch erhoben aus ihrer am 31. August 2004 für Waren und Dienstleistungen aus den Klassen 9, 35, 38 und 42 eingetragenen Wortmarke 304 16 699
physio.de
Mit Beschluss vom 19. Juli 2018 hat die Markenstelle für Klasse 35 den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, weil die Widersprechende auf die zulässig erhobene Einrede mangelnder Benutzung durch den Inhaber der angegriffenen Marke die Benutzung der Widerspruchsmarke schon nicht glaubhaft gemacht habe.
Gegen diesen Beschluss, der den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin laut Empfangsbekenntnis am 24. Juli 2018 zugestellt worden war, richtet sich die am 21. August 2018 per Telefax beim DPMA eingegangene Beschwerde der Widersprechenden.
Mit Schreiben der Rechtspflegerin des Senats vom 31. Oktober 2018 wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass ausweislich der Akten die tarifmäßige Beschwerdegebühr nicht gezahlt worden ist. Dieses gerichtliche Schreiben ist der Beschwerdeführerin am 5. November 2018 zugestellt worden. Eingegangen ist die Beschwerdegebühr beim DPMA sodann am 9. November 2018.
Mit Schriftsatz vom 21. November 2018 hat die Beschwerdeführerin wegen der Versäumung der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
1. ihr wegen der Versäumung der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
2. den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 35, vom 19. Juli 2018 aufzuheben und die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der älteren Marke zu löschen.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags führt der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin aus, er habe den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin persönlich mit E-Mail vom 15. August 2018 aufgefordert, die Beschwerdegebühr zu zahlen. Dieser habe übersehen, dass es sich dabei um eine Zahlungsaufforderung gehandelt habe und daher die E-Mail nicht zur weiteren Bearbeitung an seine Buchhaltung übermittelt. Die Beschwerdeführerin sei daher ohne Verschulden gehindert gewesen, die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr einzuhalten. Auch treffe den im Rahmen des Verschuldens gleichgestellten Prozessbevollmächtigten kein Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist. Die Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten R… habe die Zahlfrist nicht in die Fristenliste notiert. Aus diesem Grund sei es dem Prozessbevollmächtigten nicht möglich gewesen, eine Kontrolle der Durchführung der Zahlung zu gewährleisten. Bei Frau R… handle es sich um eine geschulte und zuverlässige Mitarbeiterin, wie regelmäßige Kontrollen des Prozessbevollmächtigten ergeben hätten. Sie erfülle die ihr übertragenen Aufgaben seit über 25 Jahren sorgfältig und fehlerlos.
Zur Glaubhaftmachung wird der vorgetragene Sachverhalt anwaltlich versichert und sowohl eine Versicherung an Eides Statt von Frau R… vom 20. November 2018 als auch eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin, Herrn B…, vom 14. November 2018 eingereicht. Zudem ist die E-Mail des Prozessbevollmächtigten vom 15. August 2018 an den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin vorgelegt worden.
Der Inhaber der angegriffenen Marke und Beschwerdegegner hat zu dem Antrag auf Wiedereinsetzung keine Stellungnahme abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde gilt gemäß § 82 Abs. 1 S. 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt, da die Beschwerdeführerin die Beschwerdegebühr nach § 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG nicht rechtzeitig gezahlt hat und Wiedereinsetzung nicht gewährt werden kann.
1. Nach §§ 64 Abs. 6 i. V. m. 66 Abs. 2 MarkenG ist die Beschwerde gegen die Entscheidung der Markenstelle innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim DPMA einzulegen. Innerhalb der Beschwerdefrist ist nach §§ 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG auch die Beschwerdegebühr in Höhe von 200 EUR zu zahlen (Gebührenverzeichnis Nr. 401 300). Die dem Beschluss vom 19. Juli 2018 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung weist ausdrücklich darauf hin.
Der angefochtene Beschluss des DPMA vom 19. Juli 2018 ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 24. Juli 2018 gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 5 Abs. 4 VwZG zugestellt worden. Die einmonatige Beschwerdefrist begann deshalb am 25. Juli 2018 zu laufen und endete mit Ablauf des 24. August 2018, §§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, 222 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).
Diese Frist hat die Beschwerdeführerin mit der am 9. November 2018 eingegangenen Zahlung nicht gewahrt.
2. Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr ist statthaft und auch ansonsten zulässig (§ 91 Abs. 1 bis 3 MarkenG). In der Sache hat der Wiedereinsetzungsantrag jedoch keinen Erfolg, weil die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nicht ohne Verschulden im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 MarkenG versäumt worden ist.
a) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit Einreichung am 21. November 2018 gemäß § 91 Abs. 2 MarkenG rechtzeitig innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses - hier der Empfang des gerichtlichen Schreibens vom 5. November 2018 - gestellt worden. Innerhalb der Antragsfrist ist zudem die Zahlung der Beschwerdegebühr nachgeholt worden, § 91 Abs. 4 MarkenG.
b) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist jedoch unbegründet, da die Beschwerdeführerin nicht ohne Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 91 Abs. 1 S. 1 MarkenG).
Verschulden in diesem Sinne umfasst Vorsatz und jede Art von Fahrlässigkeit. Fahrlässig nach § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt, wer die im Verkehr übliche Sorgfalt außer Acht lässt. Auch leichte Fahrlässigkeit und Mitverschulden schließen eine Wiedereinsetzung aus (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 91 Rn. 10 mit Verweis auf Schulte/Schell, PatG, § 123 Rn. 67). Ohne Verschulden ist eine Frist versäumt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall nach den subjektiven Verhältnissen des Betroffenen zumutbar war. Mangelnde Sorgfalt vertretungsberechtigter Personen ist wie eigenes Verschulden zu werten. Dies gilt für gesetzliche Vertreter (§ 51 Abs. 2 ZPO) ebenso wie für Verfahrensbevollmächtigte (§ 85 Abs. 2 ZPO).
Von einem fehlenden Verschulden kann danach nicht ausgegangen werden.
Den von der Widersprechenden und Beschwerdeführerin beauftragten Rechtsanwalt, dem der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 vom 19. Juli 2018 mitsamt einer Rechtsbehelfsbelehrung zugestellt worden ist, traf die Verpflichtung, entweder selbst - ggf. auch vorsorglich - innerhalb der Beschwerdefrist für die rechtzeitige Zahlung der Beschwerdegebühr Sorge zu tragen oder seine Mandantin - die Widersprechende - so rechtzeitig von dem Beschluss der Markenstelle und den laufenden Fristen zur Einlegung der Erinnerung bzw. Beschwerde und zur Zahlung der Rechtsbehelfsgebühr zu unterrichten, dass die Widersprechende selbst für die Einhaltung der Fristen hätte sorgen können.
aa) Es spricht durchaus schon Einiges dafür, dass der Geschäftsführer der Widersprechenden und Beschwerdeführerin als gesetzlicher Vertreter (§ 51 ZPO) die Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr nicht unverschuldet versäumt hat.
Mit E-Mail vom 15. August 2018 - mithin neun Tage vor Ablauf der Beschwerde- und Zahlungsfrist - hat der Verfahrensbevollmächtigte dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin den Entwurf der Beschwerdeschrift übermittelt mit der Aufforderung, ihm Änderungs- und Ergänzungswünsche mitzuteilen. In einem eigenen Punkt II. „Beschwerdegebühr“ hat der Anwalt zudem Folgendes ausgeführt:
„Innerhalb der Beschwerdefrist ist die Beschwerdegebühr in Höhe von Euro 200,00 auf das Konto der Bundeskasse Halle/DPMA für das Deutsche Patent- und Markenamt zu entrichten. Die Kontodaten lauten:
(… Angaben zu „Zahlungsempfänger“, „IBAN“, „BIC“, „Verwendungszweck“ und „Anschrift der Bank“…).
Die Frist für den Eingang der Beschwerdegebühr ist der 24.08.2018 .“
Eine ausdrückliche Aufforderung an die Mandantin, die Einzahlung der Gebühr selbst vorzunehmen fehlt zwar, die Angabe der konkreten Daten betreffend die Zahlung hätten bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt den Geschäftsführer jedenfalls zu einer entsprechenden Rückfrage veranlassen müssen. Dass dieser sowohl eine solche Rückfrage bei seinem Anwalt wie auch eine Weiterleitung an seine Buchhaltung unterlassen hat, ist zumindest fahrlässig. Letztlich kann aber die Frage dahingestellt bleiben, ob dem Geschäftsführer selbst der Vorwurf der mangelnden Sorgfalt zu machen ist oder ob sein „Übersehen“ wegen der fehlenden ausdrücklichen Zahlungsaufforderung deshalb als unverschuldet anzusehen sein könnte, weil er darauf hätte vertrauen dürfen, dass der Rechtsanwalt die Einzahlung auch der Beschwerdegebühr vornimmt, wie es nämlich offenbar bei Zahlung der Widerspruchsgebühr (vgl. Kontoauszug zum Aktenzeichen 30 2015 012 457 in der elektronischen DPMA-Akte) gehandhabt worden war.
bb) Jedenfalls beruht aber das Versäumnis der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr auf einem (Mit)Verschulden des Bevollmächtigten, so dass ein Wiedereinsetzungsgrund nicht gegeben ist.
An die Sorgfalt eines Anwalts werden von der Rechtsprechung strenge Maßstäbe angelegt. Verletzt der anwaltliche Vertreter die bei der üblichen Bearbeitung von Fristsachen bestehenden Sorgfaltspflichten, so ist von einer verschuldeten Fristversäumung auszugehen. Der Anwalt muss dabei nicht jeden Arbeitsschritt persönlich ausführen, sondern ist grundsätzlich befugt, einfachere Verrichtungen auf sein Büropersonal zu übertragen. Soweit Hilfskräfte mit Tätigkeiten betraut werden, muss es sich um für die jeweilige Aufgabe konkret bestimmtes, geschultes, zuverlässiges, erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal handeln (BGH NJW 2007, 1453).
Die Kanzleiangestellte R… hat zwar eidesstattlich versichert, dass sie - nach Weiterleitung der E-Mail an den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin - die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nicht in die Fristenliste aufgenommen habe, obwohl die Eintragung der Frist zu ihrem Aufgabenbereich gehöre. Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin bzw. ihres Bevollmächtigten geht aber nicht hervor, ob und inwieweit die zu notierende Zahlungsfrist vorliegend überhaupt Gegenstand von Kontrollmaßnahmen war, d. h. ob im Büro des Verfahrensbevollmächtigten klar und unmissverständlich geregelt ist, welche konkreten Kontrollmaßnahmen der Eintragung einer Frist - hier zur Einzahlung der Beschwerdegebühr - zu folgen haben und welche Person diese Kontrollen vorzunehmen hat. Ob den Verfahrensbevollmächtigten daher schon ein Organisationsverschulden trifft, braucht letztlich nicht abschließend geprüft zu werden.
Denn die Übertragung von Maßnahmen zur Fristüberwachung entbindet den Anwalt nicht von einer eigenverantwortlichen begleitenden Überprüfung. Werden dem Anwalt die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, trifft ihn die Obliegenheit der Prüfung, ob die zu beachtende Frist und auch alle weiteren unerledigten Fristen in dem betreffenden Verfahren richtig notiert worden sind (BGH MarkenR 2009, 165; Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 91 Rn. 14 und 15).
Damit hätte der Verfahrensbevollmächtigte spätestens bei der Unterzeichnung der Beschwerdeschrift, die am 21. August 2018 beim DPMA per Fax eingegangen ist, feststellen können und müssen, dass auch die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr drei Tage später am 24. August 2018 abläuft und unabhängig von den Eintragungen im Fristenkalender hinterfragen müssen, was mit der Zahlung der Beschwerdegebühr ist. Insoweit hätte er zu diesem Zeitpunkt, als die rechtzeitige Gebührenzahlung noch möglich gewesen wäre, eigenständig auch entsprechende Vorkehrungen treffen müssen, um die rechtzeitige Zahlung zu gewährleisten bzw. den fruchtlosen Ablauf der Zahlungsfrist zu verhindern, so z. B. die im Hinblick auf die fehlende ausdrückliche Zahlungsaufforderung in seiner E-Mail erforderlich gewordene Nachfrage bei seiner Mandantin, ob diese die Einzahlung vorgenommen hat.
Die Beschwerdeführerin kann sich also nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr Verfahrensbevollmächtigter von seiner Kanzleiangestellten R… nicht geson-dert auf den drohenden Ablauf der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr hingewiesen wurde. Mögliche Fehler von Hilfspersonen in der Kanzlei können vorliegend daher nicht als in erster Linie ursächlich für die Fristversäumung angesehen werden bzw. lassen diese Fehler ein für die Fristversäumung ursächliches Verschulden des Verfahrensbevollmächtigen ebenso wenig entfallen.
Von einer unverschuldeten Fristversäumung kann nach alledem nicht ausgegangen werden.
3. Die Beschwerde gilt damit nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt, weshalb die verspätet gezahlte Beschwerdegebühr ohne Rechtsgrund gezahlt
und mithin zurückzuzahlen ist (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 66 Rn. 50 und 53). Mangels wirksam eingelegter Beschwerde war über die weiteren Anträge nicht zu entscheiden.