Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 11.10.2016


BPatG 11.10.2016 - 27 W (pat) 554/16

Markenbeschwerdeverfahren – "Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr" – Widerspruch aus mehreren Marken - mangelnde Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar – Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten - keine Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr – Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
11.10.2016
Aktenzeichen:
27 W (pat) 554/16
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 037 229

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 11. Oktober 2016 durch die Vorsitzende Richterin Klante, den Richter Hermann und die Richterin kraft Auftrags Seyfarth

beschlossen:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr.

2

Die Antragstellerin ist Inhaberin der Marke 30 2013 037 229 – BR Fashion.

3

Auf die Widersprüche aus den Unionsmarken EM 004 471 264 und EM 008 784 068 sowie aus der deutschen Marke 30 2008 005 243 hat das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), Markenstelle für Klasse 25, mit Beschluss vom 3. März 2016 die Löschung dieser Marke angeordnet. Der Beschluss wurde der Antragstellerin und Inhaberin der jüngeren Marke am 14. März 2016 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 30. März 2016, beim DPMA eingegangen am 5. April 2016, hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Beschwerde gegen den Beschluss der Markenstelle eingelegt. Eine Beschwerdegebühr war zunächst nicht einbezahlt worden. Der Betreff der Beschwerdebegründung lautet „In der Sache der Widersprüche aus den Wort-/Bildmarken EM 004 471 264-BR, EM 008 784 068-BR, (Banana Republic) // Ihr Zeichen: 30 201 037 229.8/25 BR Fashion“. Auch inhaltlich bezieht sich die Begründung nur auf die beiden im Betreff genannten Widerspruchsmarken.

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Mit Verfügung vom 20. Juli 2016, der Antragstellerin zugestellt am 26. Juli 2016, hat der Rechtspfleger darauf hingewiesen, dass die tarifmäßige Gebühr nicht eingezahlt worden sei, und daher festzustellen sein werde, dass die Beschwerde nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gelte. Er hat des weiteren darauf hingewiesen, dass sich die Beschwerde nach ihrem Wortlaut nur gegen die Löschung der angegriffenen Marke aus den Marken EM 004 471 264 und EM 008 784 068 richte, obwohl die Löschung auch auf den Widerspruch aus der Marke 30 2008 005 243 angeordnet worden sei. Die Antragstellerin teilte daraufhin mit, sie habe Beschwerde gegen den Beschluss des DPMA hinsichtlich aller drei genannten Marken eingelegt. Hinsichtlich der Wort-/Bildmarke 30 2008 005 243 sei die Beschwerde mit gleicher Post, aber - wegen der besseren Zustellbarkeit an die Beschwerdegegner - mit getrennter Begründung eingereicht worden. Die Antragstellerin legt ein weiteres Schreiben vom 30. März 2016 vor, welches die Einlegung der Beschwerde auch bezüglich der Wort-/Bildmarke 30 2008 005 243 betrifft. Nach ihrer Auffassung handele sich um eine Beschwerde gegen einen Beschluss des DPMA, der als verbundene Entscheidung ergangen sei. Es sei der Antragstellerin nicht anzulasten, dass nur die Beschwerde gegen die Marken Banana Republic an das Bundespatentgericht abgegeben worden sei. Sie habe zunächst beim DPMA Auskunft über das Schicksal der Beschwerde gegen die Marke Banana Republic erbeten und mit der Gebührenzahlung insoweit noch abwarten wollen. Dass die zweite Beschwerdebegründung nicht eingegangen sein soll, sei nicht von ihr verschuldet. Die Gebühr sei inzwischen einbezahlt worden.

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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

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ihr Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr zu gewähren.

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Die Widersprechende hat sich zu dem Antrag nicht geäußert.

II.

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Im Hinblick auf die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG festzustellen, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt.

9

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist zulässig. Er ist insbesondere in der richtigen Form sowie in den dafür in § 91 Abs. 2 und 5 MarkenG bestimmten Fristen gestellt worden. Auch die versäumte Handlung ist durch die am 29. August 2016 erfolgte Gutschrift der Beschwerdegebühr auf dem Konto der Bundeskasse nachgeholt worden (§ 91 Abs. 4 MarkenG).

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Der Wiedereinsetzungsantrag ist hingegen nicht begründet, weil ein Wiedereinsetzungsgrund nicht vorliegt.

11

Die Markenstelle für Klasse 25 hat mit Beschluss vom 3. März 2016 über die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund der Widersprüche aus den Unionsmarken EM 004 471 264 und EM 008 784 068 sowie aus der deutschen Marke 30 2008 005 243 entschieden. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG findet gegen die Beschlüsse der Markenstellen die Beschwerde statt. Nach § 82 Abs. 1 S. 3 MarkenG i. V. m. Nr. 401 300 Gebührenverzeichnis zu § 2 Abs. 1 PatKostG ist regelmäßig für jede Beschwerde eine Beschwerdegebühr zu entrichten. Für mehrere Beschwerden sind deshalb grundsätzlich auch mehrere Gebühren zu zahlen. Hat ein Widersprechender aus mehreren Marken Widersprüche gegen eine Marke erhoben, die – wie hier – alle mit einem Beschluss zurückgewiesen worden sind, ist indes nur eine Beschwerdegebühr zu zahlen, weil nur ein Verfahrensbeteiligter einen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts anficht (vgl. BPatG, Beschluss vom 4. April 2014, 26 W (pat) 520/13 m. w. N.). Für die Beschwerde der Markeninhaberin gegen den Beschluss des DPMA vom 3. März 2016 war daher nur eine Beschwerdegebühr fällig. Nach § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG, § 66 Abs. 2 MarkenG war die Beschwerdegebühr innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses der Markenstelle zu bezahlen. Die Zustellung des Beschlusses ist am 14. März 2016 mit Empfangsbekenntnis (§ 5 Abs. 2 VwZG) erfolgt, so dass die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr am 14. April 2016 endete (§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 222 ZPO). Die Einzahlung der Beschwerdegebühr erfolgte am 29. August 2016, somit also nach Ablauf der gesetzlichen Zahlungsfrist.

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Die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist nicht ohne Verschulden versäumt worden.

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Gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 MarkenG erfolgt die Wiedereinsetzung in eine dem  Patentamt oder dem Patentgericht gegenüber versäumte Frist nur, wenn die Fristversäumnis ohne Verschulden erfolgt ist. Ohne Verschulden ist eine Frist dann versäumt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall zumutbar war, wobei sich die Anforderungen nach den tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten unter Heranziehung eines objektiven Vergleichsmaßstabes richten und nicht überspannt werden dürfen (vgl. BGH GRUR 2008, 837 Münchner Weißwurst; Kober-Dehm in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 91 Rdnr. 10). Mangelnde Sorgfalt vertretungsberechtigter Personen ist insoweit wie eigenes Verschulden zu werten. Dies gilt nicht nur für gesetzliche Vertreter (§ 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 51 Abs. 2 ZPO), sondern ebenso für Verfahrensbevollmächtigte (§ 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO), so dass sich der Anmelder ein Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen muss (vgl. BGH 2007, 261 (Nr. 10) – Empfangsbekenntnis).

14

Die Notwendigkeit der Zahlung der Beschwerdegebühr, die Zahlungsfrist sowie die Höhe der Gebühr ergeben sich aus dem Gesetz (§ 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG). Die mangelnde Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften stellt prinzipiell keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, da grundsätzlich jeder Verfahrensbeteiligte verpflichtet ist, sich die Kenntnis über das Recht des jeweiligen Verfahrens zu verschaffen. Insbesondere auf speziellen Rechtsgebieten, wie dem Markenrecht, gehört es zur verkehrsüblichen Sorgfalt eines Anwalts, sich entsprechend sachkundig zu machen (BPatG, Beschluss vom 3. Juli 2007, 27 W (pat) 94/06 – PEPEROSA/PEPE; Kober-Dehm in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 91 Rn. 18; Busse/Baumgärtner, Patentgesetz, 7. Auflage 2012, § 123 Rn. 38). Von Anwälten muss erwartet werden, dass sie zu so essentiellen Aspekten von Markenanmeldungen, wie der Zahlung von Gebühren, über ausreichende Kenntnisse verfügen (BPatG a. a. O.).

15

Soweit der Antragstellervertreter keine Kenntnis von den Bestimmungen für die Zahlung der Beschwerdegebühr gehabt haben sollte, vermag dies daher keine Wiedereinsetzung zu begründen.

16

In der Rechtsmittelbelehrung zu dem Beschluss des DPMA vom 3. März 2016 wird außerdem auf die entsprechenden gesetzlichen Regelungen, insbesondere auch auf die Folgen der Nichtzahlung bzw. der verspäteten Zahlung der Beschwerdegebühr ausdrücklich hingewiesen. Eine darüber hinausgehende Aufklärungspflicht des Amtes sieht § 61 Abs. 2 MarkenG nicht vor. Die Einlassung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, er habe erst das Schicksal der „zweiten“ Beschwerde abwarten wollen, bevor er die Gebühr zahlte, ändert an dieser Beurteilung nichts. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde beginnt mit Zustellung des angegriffenen Beschlusses zu laufen und ist weder von einer Eingangsbestätigung des DPMA noch von der Abgabe der Beschwerde an das Bundespatentgericht abhängig. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin durfte deshalb nicht annehmen, der Ablauf der Beschwerdefrist sei gehemmt, weil der Eingang des zweiten Beschwerdeschreibens nicht bestätigt worden war. Auf die Frage nach dem Verbleib dieses Schreibens sowie darauf, in welchem Umfang der Beschluss des DPMA angegriffen worden ist, kommt es daher vorliegend nicht an.

17

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war anzuordnen, da für die als nicht eingelegt geltende Beschwerde eine Gebühr nicht geschuldet und daher die verspätet gezahlte Gebühr ohne Rechtsgrund entrichtet worden ist (vgl. BPatG, Beschluss vom 2. November 2015, 28 W (pat) 543/14; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 66 MarkenG, Rdnr. 49).