Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.09.2013


BPatG 10.09.2013 - 27 W (pat) 42/13

Markenbeschwerdeverfahren – "St. Petersburger Nationalballett" – die Berühmung einer staatlichen Trägerschaft ist bereits im Eintragungsverfahren zu prüfen – Täuschungsgefahr - Zulassung der Rechtsbeschwerde


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
10.09.2013
Aktenzeichen:
27 W (pat) 42/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

St. Petersburger Nationalballett

Anders als Firmenwahrheit und Berechtigung zur Namensführung ist die Berühmung einer staatlichen Trägerschaft bereits im Eintragungsverfahren im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG zu prüfen (Fortführung BPatG, Beschluss vom 22.05.2012, 27 W (pat) 51/11 – St. Petersburger Staatsballett).

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 071 871.4

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richterin Hartlieb und Richterin Kopacek am 10. September 2013

beschlossen:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.    

1

Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der Wortmarke

2

St. Petersburger Nationalballett

3

vom 7. Dezember 2010 mit Beschluss vom 22. April 2013 zurückgewiesen, nämlich für

4

09 Bespielte Bildträger aller Art

5

35 Werbung, insbesondere Fernsehwerbung, Kundengewinnung und Pflege durch Versandwerbung (Mailing), Plakatanschlagwerbung, Planung von Werbemaßnahmen, Rundfunkwerbung, Sponsoring in Form von Werbung: Versandwerbung, Marketing (Absatzforschung); Verkaufsförderung (Salespromotion); Geschäftsführung für Künstler oder Ballettvereinigungen

6

41 Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten, insbesondere Produktion von Ballett-, Theater- und Konzertaufführungen; Eintrittskartenvorverkauf (Unterhaltung); Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Ballett-, Theater- und Konzertaufführungen

7

45 Handel mit Aufführungsrechten (Lizenzvergabe) für Ballett-, Theater- und Konzertaufführungen.

8

Dies ist damit begründet, dass „St. Petersburger Nationalballett“ einen Sinngehalt mit beschreibendem Bezug zu den versagten Waren und Dienstleistungen aufweise. Das angesprochene Publikum werde die Bezeichnung als Hinweis auf künstlerischen Bühnentanz eines Ensembles aus St. Petersburg verstehen. Dieses Verständnis ergebe sich unmittelbar aus der Aneinanderreihung der Einzelwörter und aus der Bedeutung vergleichbarer Wortbildungen. Vergleichbare Anmeldungen, wie „Leipziger Ballett“, St. Petersburger Grand Ballett“, „Moskauer Staatsballett“ sowie „St. Petersburger Staatsballett“ seinen ebenfalls zurückgewiesen worden.

9

Der Beschluss ist der Anmelderin am 26. April 2013 zugestellt worden.

10

Mit ihrer Beschwerde vom 5. Juni 2013 wendet sie sich gegen die Wertungen der Markenstelle und verfolgt ihren Eintragungsantrag insoweit weiter, als die Eintragung des angemeldeten Zeichens versagt wurde.

11

Der Senat hat die Anmelderin mit Schreiben vom 25. Juni 2013 auf den Beschluss vom 22. Mai 2012, 27 W (pat) 51/11 zu „St. Petersburger Staatsballett" hingewiesen und um Vortrag in der Beschwerdebegründung gebeten, inwieweit die Anmelderin „Nationalballett“ verwenden könne, ohne die Verbraucher damit zu täuschen.

12

Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt die Anmelderin die Auffassung, vergleichbare Voreintragungen, wie „Moskauer Staatsballett, und „Russian National Ballett“ und „Das russische Nationalballett“ sowie weiterer entsprechender Marken rechtfertigten die Eintragung des angemeldeten Zeichens. Darauf sei die Markenstelle nicht eingegangen.

13

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

14

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. April 2013 aufzuheben, soweit er die Eintragung versagt.

II.

15

Über die Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Anmelderin hat keine mündliche Verhandlung beantragt; der Senat hält sie auch nicht für geboten.

16

Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

17

Zu Recht und mit eingehender sowie zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Wortfolge die Eintragung für die Waren der Klasse 9 und die Dienstleistungen der Klasse 41 nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG als Angabe zu Thema, Inhalt etc. versagt, weil „St. Petersburger Nationalballett“ kein Name eines Ensembles ist (vgl. Beschluss des Senats vom 24. April 2012, Az: 27 W (pat) 23/12 - „Guerzenich Orchester Köln“).

18

Ebenso ist „St. Petersburger Staatsballett“ für die Werbedienstleistungen der Klasse 35, bei denen Ballettvorführungen stattfinden können, beschreibend.

19

Dies gilt auch für die Dienstleistung „Geschäftsführung für Künstler oder Ballettvereinigungen“ sowie für den Handel mit Aufführungsrechten.

20

Diese Dienstleistungen können Tätigkeiten umfassen, bei denen ein St. Petersburger Nationalballett gegenüber Dritten vertreten wird und/oder Gegenstand von Verträgen sein kann.

21

Da das angemeldete Zeichen den Bestandteil „Nationalballett“ enthält, steht auch das Schutzhindernis aus § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG einer Eintragung entgegen (vgl. Beschluss des Senats zu „St. Petersburger Staatsballett“ und HABM 1. Bk von 4. April 2001, R 468/1999-1 – International Star Registry).

22

Der Senat kann dies prüfen, obwohl die Markenstelle andere Schutzhindernisse zu Grunde gelegt hat (BPatG, Beschl. v. 5.11.2008 - 32 W (pat) 34/07, BeckRS 2009, 04849 - Pure Black). Von der Gewährung des ausreichenden rechtlichen Gehörs ist auszugehen.

23

Die Prüfung ist insoweit auf ersichtliche Tatbestände beschränkt (§ 37 Abs. 3 MarkenG), weshalb keine Benutzungsform denkbar sein darf, in der das Zeichen nicht täuschend wirken kann (BGH GRUR 2002, 540, 541 - Omeprazok; BPatG GRUR-RR 2009, 131, 134 - DRSB-Deutsche Volksbank), wobei es auf die Verhältnisse des Anmelders mangels Bindung der Marke an einen Geschäftsbetrieb nicht ankommt. Unternehmensbezogene Angaben können daher im Anmeldeverfahren keine Täuschungsgefahr bewirken. Ob die Benutzung einer Marke am Markt wettbewerbs- oder standesrechtlich (BPatG Beschl. v. 8.7.2003 - 33 W (pat) 186/01, BeckRS 2009, 00954 - Rechtsberatung) erlaubt ist, ist nach dortigen Vorschriften zu prüfen. Das gilt auch für die Firmenwahrheit und für die Berechtigung zur Namensführung (BPatGE 42, 275 (281) Nr. 4 - Fr. Marc; zu Bildern: BPatG NJWE-WettbR 1999, 153 - Michael Schumacher; anders noch BPatGE 31, 115 - Bartels & Jaymes).

24

Wo aber eine Marke beim Anbieter eine staatliche Trägerschaft erwarten lässt, muss schon im Eintragungsverfahren die Berechtigung dazu geprüft werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Anmelder keine Beziehungen zu staatlichen Stellen hat und es nicht ein (einziges) „St. Petersburger Nationalballett“ gibt.

25

Der Bundesgerichtshof und ihm nachfolgend das Oberlandesgericht München sahen einen Wettbewerbsverstoß durch Irreführung nach §§ 3, 5 Abs. 1 UWG darin, dass die Geschäftsbezeichnung „Bundesdruckerei“ geeignet ist, bei den Marktteilnehmern unzutreffende Vorstellungen über die geschäftlichen Verhältnisse hervorzurufen (BGH, Urt. v. 29. März 2007 – I ZR 122/04, GRUR 2007, 1079; nachfolgend OLG München, Urt. v. 19. Juni 2008 - 29 U 5133/03; BGH, Beschl. v. 11. Februar 2010 - I ZR 154/08, WRP 2010, 759). Das Landgericht Nürnberg hat dementsprechend im Juli 2009 der G… GmbH per einstweiliger Verfügung verboten, die Bezeichnung Stadtwerke zu benutzen (Beschl. v. 9. Dezember 2008 - 3 O 10286/08, IR 2009, 40).

26

Derartige Berühmungen sind nur dann nicht irreführend, wenn die Verbraucher sie nicht ernst nehmen würden („Lack-Doktor“ für Kfz-Reparaturbetriebe; OLG Köln GRUR 1983, 135 - König-Pilsener; OLG Bamberg GRUR-RR 2003, 344 –Deutschlands bestes Einrichtungshaus; zum Verlust der Reputation des Professorentitels: BGH GRUR 1992, 525; GRUR 1991, 144; GRUR 1989, 445; GRUR 1987, 839). Das EuG spricht insoweit vom erlaubten Bereich der Suggestion (GRUR 2001, 332 - Vitalite). Nicht irreführend sind auch falsche, aber sinnlose Informationen. All dies trifft für „Nationalballett“ jedoch nicht zu, da dieser Begriff üblich ist und die Verbraucher zu besonderen Qualitätserwartungen verleitet.

27

Damit ist diese Angabe dazu geeignet, das Publikum in seinen wirtschaftlichen Entschlüssen, wie dem Kauf einer Eintrittskarte und dem Besuch der Vorführung, zu beeinflussen.

28

Selbst in der Marke enthaltene aufklärende Zusätze würden eine registerrechtlich relevante Täuschungsgefahr nicht verhindern (BPatG GRUR 1995, 197 - Original Klosterpforte). Erst recht gilt dies für die stets denkbare Möglichkeit, die Marke mit einem die Täuschungsgefahr ausschließenden Zusatz zu benutzen (BPatG BlPMZ 1962, 50 - Ei-Nuss m. Anm. Heydt, GRUR 1962, 242). Selbst eine problemlose Benutzung in der Vergangenheit wäre nicht erheblich.

29

Die Feststellung der hier maßgeblichen „Ersichtlichkeit“ stützt sich auf Erfahrungswissen. Sie ist - anders als die „Offenkundigkeit“ im Sinne des § 291 ZPO - nicht durch Zeugenbeweis zu ermitteln (BGH GRUR 2004, 244 – Marktführerschaft) und keinem Gegenbeweis zugänglich (Bornkamm, WRP 2000, 830, (833, 835); kritisch Pantle, MDR 1993, 1166 ff.). § 291 ZPO gilt nur für Tatsachen, nicht aber für Rechts- oder Erfahrungssätze (Bornkamm WRP 2000, 830, 835). Für die Beurteilung des Zusatzes „National-“ können die unterzeichneten Richter das Verkehrsverständnis - auch im Kontext mit künstlerischen Darbietungen - aus eigener Anschauung beurteilen (vgl. BGH GRUR 1992, 406 - Beschädigte Verpackung I; GRUR 1990, 607 - Meister-Kaffee; Teplitzky, GRUR 1992, 821, 826).

30

Für die Berücksichtigung der Irreführung durch Berühmung staatlicher Trägerschaft schon im Eintragungsverfahren spricht auch der Gedanke des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG sowie des Art. 7 Abs. 1 lit. h GMV, staatliche Hoheitszeichen vom Markenschutz auszuschließen, wenn kein Berechtigungsnachweis (§ 8 Abs. 4 S. 2 MarkenG, Art. 6ter Abs. 8 PVÜ) vorliegt. Die strenge Regelung in § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG umfasst auch „andere staatliche Hoheitszeichen im In- und Ausland“, also Staatssymbole, die der Selbstdarstellung des Staates dienen, integrierende Kraft haben, die Würde eines Staates erkennbar machen (BPatG, Beschl. v. 1.2.2005 - 33 W (pat) 342/01, BeckRS 2009, 15055 - Kampfschwimmer; EuGH GRUR 2010, 45 Rn. 40 - American Clothing Associates).

31

Darüber hinaus kann die Anmelderin auch aus den von ihr zitierten Voreintragungen keinen Anspruch auf Eintragung der vorliegenden Markenanmeldung herleiten.

32

Es verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise, da jeder Fall gesondert unter Einbeziehung seiner Besonderheiten zu beurteilen ist.

33

Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist außerdem keine Ermessens- sondern eine Rechtsfrage, und selbst Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken führen daher nicht zu einem Anspruch auf Eintragung (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rn. 18 - Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und Schwabenpost). Die Markenstelle hat sich auch mit dem Einwand ausreichend auseinandergesetzt und gezeigt, dass entsprechende Zeichen ebenfalls nicht eingetragen wurden.

34

Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass, da sich die Markenstelle mit dem Einwand der Voreintragungen auseinandergesetzt und die Anmelderin auf entsprechende Schutzversagungen sowie den Beschluss des Senats „St. Petersburger Staatsballett“ hingewiesen hat.

35

Die Rechtsbeschwerde ist zu der bisher nicht höchstrichterlich entschiedenen Frage, inwieweit eine Berühmung staatlicher Trägerschaft bereits im Eintragungsverfahren nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG geprüft werden kann, zuzulassen (§ 83 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 574 ZPO).