Entscheidungsdatum: 23.07.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke …
(hier: Gegenstandswert und Kosten)
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 23. Juli 2013 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Hartlieb
beschlossen:
I. Der Antrag des Beschwerdegegners auf Kostenauferlegung wird zurückgewiesen.
II. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Gegen die rote Bildmarke 303 00 846
geschützt für "Parfümeriewaren; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Makeup, Lippenstifte, Shampoos, Rasiermittel; Taschen; Ober- und Unterbekleidung" hat die Beschwerdeführerin aus der Gemeinschaftsbildmarke 145 789
u.a. geschützt für "Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Bekleidungsstücke" Widerspruch eingelegt.
Die Markenstelle hat den Widerspruch sowie die Erinnerung der Widersprechenden wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen und ist dabei teilweise von Warenidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen, weil die Benutzung der graphisch ausgestalteten Bezeichnung EXXON keine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bewirke.
Das Publikum werde das angegriffene Zeichen nicht mit "Doppel-X" bzw. "XX" benennen; das durchkreuzende Dreieck führe nämlich von einem Buchstabenbild weg. Die Vergleichsmarken würden somit nicht wörtlich gleich benannt.
Dagegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei aufgrund der Bekanntheit von EXXON erhöht. Die graphischen Unterschiede seien marginal. Zumindest werde das Publikum das angegriffene Zeichen als modernisierte Fassung der Widerspruchsmarke auffassen.
In der mündliche Verhandlung hat der Senat einen Vergleich angeregt und Zustellung an Verkündungs Statt beschlossen.
In der Folgezeit hat die Beschwerdeführerin ihren Widerspruch zurückgenommen.
Nunmehr hat der Beschwerdegegner beantragt,
der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und einen Gegenstandswert festzusetzen.
Das hat er damit begründet, die Widersprechende habe in wettbewerbswidriger Absicht gehandelt.
Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, eine Kostenentscheidung sei nur in einem Ausnahmefall angebracht. Der liege hier nicht vor.
Außerdem habe sie den Widerspruch zurückgenommen, bevor der Gegner einen Kostenantrag gestellt habe. Der Kostenantrag sei verspätet (vgl. Ströbele/Hacker § 71 Rn. 8). Sie hätte außerdem gar nicht wettbewerbswidrig handeln können, da der Beschwerdegegner geschäftlich nicht aktiv sei.
Ein Gegenstandswert sei dementsprechend nicht festzusetzen.
Der Wert müsste jedenfalls am untersten Rand liegen, da der Inhaber des angegriffenen Zeichens kein besonderes Interesse an ihm dargetan und das Zeichen nie benutzt habe.
II.
Der Antrag des Inhabers des angegriffenen Zeichens auf Kostenauferlegung, über den nach Rücknahme des Widerspruchs gemäß § 71 Abs. 1 und 3 MarkenG zu befinden ist, hat keinen Erfolg.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, der auch im Falle einer Widerspruchs- oder Beschwerderücknahme anzuwenden ist (§ 71 Abs. 4 MarkenG), können einem Beteiligten die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.
Bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung darf nicht außer Betracht bleiben, dass eine generelle Versagung der Erstattung von Kosten den in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Justizgewährungsanspruch beeinträchtigt (vgl. Brandi-Dohrn, FS 50 Jahre BPatG, S. 569 ff.). § 91 ZPO ist in allen Verfahren nach seinem Grundgedanken heranzuziehen (BVerfG NJW 2006, 136). Zu diesem Grundgedanken gehört die darin verankerte Unterliegenshaftung. Auch soweit der Gesetzgeber - wie in § 71 Abs. 1 MarkenG - einen Kostenerstattungsanspruch nur nach Maßgabe einer Billigkeitsentscheidung zugesteht, darf der Verfahrensausgang daher nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben (BVerfG NJW 1987, 2569, 2570 zu § 78 Satz 1 GWB).
Dazu verlangt der im Markenrecht gesetzlich verankerte Grundgedanke der Kostenteilung aber eine Berücksichtigung der Ausgangslage und ob das Verhalten der Beteiligten der prozessualen Sorgfalt entsprach.
Ein Abweichen vom Grundsatz der Kostenaufhebung ist nämlich geboten, wenn ein Verhalten eines Verfahrensbeteiligten die Kosten ganz oder teilweise verursacht hat, das mit der bei der Wahrnehmung von Rechten zu fordernden Sorgfalt nicht in Einklang steht. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Beteiligter seine Rechte und Interessen mit den gesetzlich gegebenen Mitteln verteidigt und dabei den Instanzenweg ausschöpft(Albrecht/Hoffmann, Die Vergütung des Patentanwalts, 2. Aufl. 2012 Rn. 598, 599). Es entspricht dem Recht auf gerichtliche Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG), selbst bislang anerkannte Rechtsprechungsgrundsätze einer erneuten gerichtlichen Überprüfung zu stellen (vgl. BPatG Mitt 2010, 529 - Igel plus).
Ob gegen Sorgfaltspflichten nur derjenige verstößt, der trotz ersichtlich fehlender Verwechslungsgefahr Widerspruch einlegt (BPatG, Beschl. v. 18. Juni 2009 – 30 W (pat) 108/05, BeckRS 2009, 23711 - CigarSpa/Spa), kann vorliegend dahinstehen, denn es verstößt jedenfalls nicht gegen die Sorgfaltspflicht, in einem vom Ausgang her offenen Verfahren, bei dem sich zudem Abgrenzungsvereinbarungen anbieten, Widerspruch zu erheben.
Die Widersprechende hat durch die Rücknahme ihres Widerspruchs nicht einer von Anfang an erkennbaren Aussichtlosigkeit Rechnung getragen oder diese gar zugestanden; jede Rücknahme kann auch andere Gründe haben.
Die Widersprechende hat nicht versucht, in einer erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation, ihre Interessen durchzusetzen.
Die Waren sind teilweise identisch. Für die Widerspruchsmarke konnte die Widersprechende wegen der Bekanntheit ihres Unternehmens eine gesteigerte Kennzeichnungskraft geltend machen und dieses Argument sowie die Tragweite einer Ausstrahlung der Bekanntheit einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen. Ferner warf der Fall die Frage auf, ob bei der schwarz-weiß eingetragenen Widerspruchsmarke eine assoziative Verwechslungsgefahr gegeben sein könnte, wenn sie als in dem Rot des angegriffenen Zeichens gehalten unterstellt wird.
Im Hinblick auf diese Fragen und die graphischen Übereinstimmungen wäre auch im Falle einer eventuellen Zurückweisung der Beschwerde eine Kostenauferlegung nicht billig gewesen.
III.
Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts ist zulässig, da auf beiden Seiten Anwälte mitgewirkt haben und keine Wertvorschriften bestehen. Der Geltungsbereich des Gerichtskostengesetzes (vgl. § 1 GKG) erstreckt sich nicht auf Wertfestsetzungen vor dem Bundespatentgericht zur Berechnung der Anwaltsgebühren; diese erfolgt gemäß § 23 Abs. 3 RVG nach billigem Ermessen.
In Widerspruchsverfahren nach § 42 MarkenG richtet sich der Wert nach dem Interesse des Inhabers des angegriffenen Zeichens (BPatGE 11, 166 (168); BPatGE 12, 245 f.; BPatG GRUR 1995, 415; GRUR 1999, 64 f.; GRUR 2006, 704 – Markenwert); Interessen des Widersprechenden sind dabei nicht relevant.
Anhaltspunkte für das Interesse des Inhabers der angegriffenen Marke sind u.a. der Umfang der Benutzung und die sich daraus ergebende Bekanntheit einer Marke, die Übereinstimmung mit einer Geschäftsbezeichnung, die Einbindung in eine Markenfamilie, die Kosten für die Entwicklung einer Marke, der beanspruchte Waren- und Dienstleistungsbereich sowie der Schutzumfang (Kennzeichnungskraft) etc., also Kriterien, die auch sonst im Markenrecht zum Tragen kommen.
Der BGH hat zur Anmeldung der Marke "Rheinpark-Center Neuss" (MarkenR 2012, 26) 50.000 € als Gegenstandswert angenommen, ohne dies mit einer besonderen Benutzung zu begründen. Auch sonst hat der BGH für Rechtsbeschwerdeverfahren deutlich höhere Werte als 50.000 € für Anmeldungen festgesetzt; Werte darunter sind nicht bekannt (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. 2012 Rn. 27). Dieser Wert erscheint keinesfalls als zu hoch, gelten für Gemeinschaftsmarken doch 250.000 € als durchschnittlich angemessen (EuG GRUR-Prax 2012, 200 - Royal Appliance International GmbH). Das Verhältnis der Anmeldegebühren 7:2 (1.050 € zu 300 €) würde auf den Gegenstandswert umgesetzt sogar mehr als 70.000 € für die nationale Marke ergeben. Die für Unterlassungsansprüche bei bloß drohender Beeinträchtigung, die sich schon aus einer Markenanmeldung (Begehungsgefahr) ergeben kann, üblichen Streitwerte gehen ebenfalls in diese Richtung (vgl. Albrecht/Hoffmann, a.a.O., Rn. 222, 332).
Der Senat hält im markenrechtlichen Widerspruchsbeschwerdeverfahren im Regelfall und auch im vorliegenden Verfahren einen Gegenstandswert von 50.000 € für angemessen.
Dabei orientiert sich der Senat an der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Da sich im Regelfall das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers am Erhalt seiner Marke im patentgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht von seinem entsprechenden Interesse im Rechtsbeschwerdeverfahren unterscheidet, sind keine unterschiedlichen Werte im Beschwerde- und im Rechtsbeschwerdeverfahren anzusetzen. Immer ist schließlich das Interesse dessen maßgeblich, der Markeninhaber ist. Den unterschiedlichen Anforderungen an die Anwälte tragen die unterschiedlichen Gebührensätze ausreichend Rechnung (Albrecht/Hoffmann, a.a.O., Rn. 626). Dies entspricht auch der Handhabung in der Verwaltungs-, Arbeits- und Finanzgerichtsbarkeit sowie in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 131 KostO (BPatG GRUR 2012, 1174 – Plus).
Die Vertreter niedrigerer Gegenstandswerte wollen darauf abstellen, dass Marken vor Aufnahme ihrer Benutzung überhaupt noch keinen oder allenfalls einen geringen Wert hätten, zumal Marken in relevantem Umfang als sog Vorratsmarken angemeldet bzw. nachfolgend im Widerspruchsverfahren verteidigt würden, ohne dass bereits geklärt sei, wofür sie konkret benutzt werden sollten. In Mitt 2012, 525 – Eye of Eden verweist das BPatG zudem zur Rechtfertigung des Abweichens vom Bundesgerichtshof auf die unterschiedlichen anzuwendenden Vorschriften (PatKostG und RVG bei DPMA und BPatG sowie GKG beim BGH), womit nur für DPMA und BPatG nach § 23 RVG Regel- bzw. Höchstbeträge gelten. Demgegenüber stellen die Vertreter höherer Streitwerte auch auf die Kosten bzw. Verluste durch Verzögerungen ab (BPatG Mitt 2012, 85 – Allflora; Beschl. v. 26.4.2010 – 27 W (pat) 146/08 – Moulin Rouge; Beschl. v. 5.8.2008 - 27 W (pat) 75/08).
Eine Benutzung des angegriffenen Zeichens hat der Beschwerdegegner in der mündlichen Verhandlung verneint. Eine geplante Benutzung in einem Umfang, der Anhaltspunkte für eine Anhebung des Gegenstandswerts geben könnte, hat er nicht vorgetragen und ist nicht ersichtlich.
IV.
Nachdem die Rechtsprechung der Senate des Bundespatentgerichts zum Gegenstandswert nicht einheitlich ist, bietet sich eine Klärung über die gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V.m. § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassene Rechtsbeschwerde an (BPatG Beschl. v. 21.2.2011 – 29 W (pat) 39/09 - Andernacher Geysir; a.A. BPatG BlPMZ 2012, 421 (423); BPatGE 22, 129 (130); Ströbele/Hacker a.a.O. Rn. 24).
Die Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen in solchen Nebenverfahren ist u.a. deswegen eingeführt worden, um die unterschiedliche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Kostenrechts zu vereinheitlichen (BT-Drucks. 14/4722 S. 116). Da sich die in § 83 MarkenG geregelte Rechtsbeschwerde ausschließlich auf Beschwerden nach § 66 MarkenG in Hauptsacheverfahren (Monatsfrist gemäß § 66 Abs. 2 MarkenG) und nicht auf Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse gemäß § 63 Abs. 3 Satz 3 MarkenG in Nebenverfahren bezieht, soll § 83 MarkenG nicht zur Anwendung kommen. Diese Vorschrift soll dem Umstand Rechnung tragen, dass das BPatG wie ein Verwaltungsgericht Verwaltungsakte überprüft und gegen seine Beschlüsse keine weitere Tatsacheninstanz vorgesehen ist. Einer eigenen Rechtsbeschwerderegelung für Nebenverfahren bedarf es im Markengesetz nicht, weil sein § 82 allgemein auf § 574 ZPO verweist.
V.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).