Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 01.10.2014


BPatG 01.10.2014 - 26 W (pat) 38/14

Markenbeschwerdeverfahren – Definition einer Gegenvorstellung - zur Zulässigkeit einer Gegenvorstellung – zur Statthaftigkeit der Gegenvorstellung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
01.10.2014
Aktenzeichen:
26 W (pat) 38/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke...

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 1. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Richters Reker als Vorsitzendem sowie der Richterin Eder und des Richters Dr. Himmelmann

beschlossen:

Der Antrag des Markeninhabers auf Nichterhebung von Kosten und die Gegenvorstellung des Markeninhabers vom 18. August 2014 werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Senat hat mit Beschluss vom 23. Juli 2014 die Beschwerde des Markeninhabers zurückgewiesen und ihm die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten erwachsenen Kosten auferlegt.

2

Der Markeninhaber, dem der genannte Beschluss am 14. August 2014 zugestellt worden ist, hat mit Schreiben vom 15. August 2014, das im BPatG am 18. August 2014 eingegangen ist,

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„Antrag auf Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung u. Bitte um Nachreichung der Originalunterschriften bezüglich der Beschlüsse mit den Az. 26 W (pat) 39/14 u. 26 W (pat) 38/14

4

gestellt.

5

Der Markeninhaber trägt vor, der Senat habe es genügen lassen, dass Rechtsanwalt F… eine Vollmacht beim Deutschen Patent- und Markenamt hinterlegt habe. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass die Widersprechende alleinige Inhaberin der Marke „B...®“ sei. Seiner Bitte um Vervollständigung der Vollmachtskette habe der Senat nicht entsprochen. Nach einem Inhaberwechsel auf Seiten der Widersprechenden sei ein nicht geklärter Bruch von Zuständigkeiten entstanden. Rechtsanwalt F… sei den Beweis dafür schuldig geblieben, dass die Widersprechende ihn damit beauftragt habe, beim Deutschen Patent- und Markenamt Antrag auf Löschung nach § 50 MarkenG zu stellen. Es sei ein schwerer Verfahrensfehler des Senats, den Ausführungen des Rechtsanwalts F… zu folgen. Ausweislich des Beschlusses vom 23. Juli 2014 habe der Markeninhaber die Kosten zu tragen. Dieser Feststellung werde vehement widersprochen. Die Nichterhebung von Kosten habe zwangsläufig auch das Nichtanfallen von Rechtsanwaltsgebühren zur Folge. Sein Schreiben sei im Wesentlichen auch als „Gegenvorstellung“ zu betrachten.

II.

6

Der Antrag des Markeninhabers vom 18. August 2014 auf Nichterhebung von Kosten ist nach § 99 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG unzulässig, weil der Markeninhaber gegen die Entscheidung des Senats in der Hauptsache kein Rechtsmittel eingelegt hat.

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Auch wenn zu Gunsten des Markeninhabers unterstellt wird, dass eine Gegenvorstellung als gesetzlich nicht ausdrücklich geregelter Rechtsbehelf grundsätzlich statthaft ist, ist die Gegenvorstellung des Markeninhabers vom 18. August 2014 nicht statthaft, weil die Kostenentscheidung des Senats zum einen nach § 71 Abs. 1 MarkenG in materielle Rechtskraft erwächst und zum anderen zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nach § 83 MarkenG angefochten werden konnte.

8

1. Unzulässigkeit der isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung

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Die Anfechtung der Kostenentscheidung seitens des Markeninhabers vom 18. August 2014 ist nach § 99 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG unzulässig, weil der Markeninhaber gegen die Entscheidung des Senats in der Hauptsache kein Rechtsmittel eingelegt hat.

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Entscheidungen des BPatG über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 71 Abs. 1 bis 3 MarkenG, die im Rahmen einer Hauptsacheentscheidung i. S. d. § 70 Abs. 1 MarkenG über Beschwerden nach § 66 Abs. 1 S. 1 MarkenG ergehen, sind in Verbindung mit der Hauptsache im Rechtsbeschwerdeverfahren überprüfbar. Sie sind nicht isoliert, d. h. unabhängig von der Anfechtung der Hauptsacheentscheidung, anfechtbar. Dies ergibt sich aus § 99 Abs. 1 ZPO, den § 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG für entsprechend anwendbar erklärt. Nach § 99 Abs. 1 ZPO ist die Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird (s. Knoll, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage 2012, § 71 Rn. 10, § 83 Rn. 10 jeweils m. w. N.).

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2. Gegenvorstellung

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a) Grundsätzliche Zulässigkeit der Gegenvorstellung

13

Zu Gunsten des Markeninhabers wird von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Gegenvorstellung des Markeninhabers vom 18. August 2014 ausgegangen (ebenso BPatG, Beschluss vom 14. November 2007, 26 W (pat) 74/05, PAVIS PROMA - Crysta/cristal).

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Die Gegenvorstellung ist ein gesetzlich nicht ausdrücklich geregelter Rechtsbehelf, durch den das Gericht, das entschieden hat, veranlasst werden soll, seine Entscheidung aus übersehenen oder neuen tatsächlichen und rechtlichen Gründen zu ändern. Die Gegenvorstellung wird aus einer analogen Anwendung von § 321a ZPO oder aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet (Reichold, in: Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, Kommentar, 35. Auflage 2014, Vorbem. § 567 Rn. 13 m. w. N.).

15

In der markenrechtlichen Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten (Knoll, a. a. O., § 83 Rn. 4 m. w. N.), dass die Praxis zur Gegenvorstellung in Verfahren vor dem BPatG nicht mehr aufrechterhalten werden könne, nachdem das BVerfG (Beschluss vom . April 3, NJW 3, 1924, 1927 ff., Rn. 68-70) das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsmittelklarheit durch spezielle gesetzliche Regelungen hervorgehoben habe. Mit der durch das „Anhörungsrügengesetz“ am 1. Januar 5 in Kraft getretenen Neufassung des § 321a ZPO sei eine derartige konkrete gesetzliche Bestimmung getroffen worden, die bei nicht mit der Rechtsbeschwerde anfechtbaren, insbesondere erstinstanzlichen Entscheidungen des BPatG die Gegenvorstellung ersetzen könne.

16

Allerdings hat das BVerfG mit Beschluss vom 25. November 8 (NJW 9, 829, Rn. 34-37) erklärt, aus seinem Beschluss vom . April 3 lasse sich nicht herleiten, dass eine Gegenvorstellung gegen gerichtliche Entscheidungen von Verfassungs wegen unzulässig sei. Auch einfachrechtlich sei die Gegenvorstellung nach der Rechtsprechung der Fachgerichte nicht als offensichtlich unzulässig anzusehen.

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b) Statthaftigkeit der Gegenvorstellung des Markeninhabers vom 18. August 2014

18

Die Gegenvorstellung des Markeninhabers vom 18. August 2014 ist nicht statthaft, weil die Kostenentscheidung des Senats zum einen nach § 71 Abs. 1 MarkenG in materielle Rechtskraft erwächst und zum anderen zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nach § 83 MarkenG angefochten werden konnte.

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Die Gegenvorstellung ist nur zulässig gegen Entscheidungen, die nicht in materielle Rechtskraft erwachsen. Sie ist zudem nur bei Beschlüssen statthaft, die nicht die Instanz abschließen (sonst Gehörsrüge, § 321a Abs. 1 S. 2 ZPO), nicht mit sofortiger Beschwerde oder Rechtsbeschwerde anfechtbar sind und die vom Gericht mangels materieller Rechtskraft (z. B. Prozesskostenhilfe-Beschluss) abgeändert werden dürfen, wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs, bei Verstößen gegen die Garantie des gesetzlichen Richters oder gegen das Willkürverbot des Art. 20 GG und bei greifbar gesetzwidrigen Entscheidungen (Reichold, a. a. O., Vorbem. § 567 Rn. 13 m. w. N.).

20

Die Gegenvorstellung des Markeninhabers ist unstatthaft, weil die Kostenentscheidung des Senats vom 23. Juli 2014 nach § 71 Abs. 1 MarkenG in materielle Rechtskraft erwächst. Denn Kostenfestsetzungsbeschlüsse nach § 104 ZPO, die mit Kostenentscheidungen nach § 71 Abs. 1 MarkenG vergleichbar sind, werden hinsichtlich zu- oder aberkannter Kosten formell und materiell rechtskräftig (Herget, in: Zöller, Zivilprozessordnung, Kommentar, . Auflage 2014, § 104 Rn. 21 zu „Rechtskraft“).

21

Die Gegenvorstellung des Markeninhabers ist auch deshalb unstatthaft, weil die Kostenentscheidung des Senats zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nach § 83 MarkenG angefochten werden konnte.

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c) Vollmacht

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Soweit der Markeninhaber reklamiert, dass die Widersprechende den Beweis dafür schuldig geblieben sei, dass sie Rechtsanwalt F… damit beauftragt habe, beim Deutschen Patent- und Markenamt Antrag auf Löschung nach § 50 MarkenG zu stellen, weist der Senat darauf hin, dass die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts in ihrem Beschluss vom 23. April 2014 im Löschungsverfahren mit dem Aktenzeichen  ... zutreffend auf die beim Deutschen Patent- und Markenamt hinterlegte Allgemeine Vollmacht der Antragstellerin verwiesen hat. Die Allgemeine Vollmacht erstreckt sich auf alle Angelegenheiten, die zum Geschäftskreis des Deutschen Patent- und Markenamts gehören und gilt daher auch für markenrechtliche Löschungsverfahren nach § 54 MarkenG. Dass der Senat dies hat genügen lassen, stellt – anders als es der Markeninhaber meint – keinen schweren Verfahrensfehler dar. Hinsichtlich des Antrags des Markeninhabers auf Nichterhebung von Kosten und seine Gegenvorstellung vom 18. August 2014 ist die Bevollmächtigung der Antragstellerin irrelevant, weshalb es für den Senat keinen Anlass gibt, die Bevollmächtigung der Antragstellerin zu prüfen.