Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 24.08.2018


BVerwG 24.08.2018 - 2 WD 3/18

Gefangenenbefreiung mit Körperverletzungen gegen Amtswalter; außerdienstliche Beleidigungen; Vorgesetzter; Beweiswürdigung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
24.08.2018
Aktenzeichen:
2 WD 3/18
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:240818U2WD3.18.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Truppendienstgericht Süd, 16. November 2017, Az: S 4 VL 23/16, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Ein Soldat verwirkt regelmäßig die disziplinarische Höchstmaßnahme, wenn er mittäterschaftlich an einer mit Körperverletzungen gegen Amtswalter einhergehenden Gefangenenbefreiung mitwirkt.

2. Außerdienstliche Beleidigungen erlangen dann disziplinarische Relevanz und können eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme gebieten, wenn sie sich jedenfalls wiederholt gegen andere Amtswalter richten (Fortschreibung der Senatsurteile vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - BVerwGE 149, 224 und vom 12. März 2015 - 2 WD 3.14 -).

Tatbestand

1

Der 1982 geborene frühere Soldat wurde nach dem Abitur 2002 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und zuletzt 2008 zum Oberleutnant befördert.

2

...

3

Der frühere Soldat wurde am 12. September 2010 im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung mit "6,20" beurteilt. Dort wurde er als talentierter, selbstbewusster, loyaler und leistungswilliger Offizier mit weit überdurchschnittlichen Arbeitsergebnissen beschrieben. Er sei als Kompanieeinsatzoffizier eine verlässliche Stütze des Kompaniechefs gewesen und habe seine besondere Stärke im Bereich der Menschenführung hervorragend eingesetzt. Er verfüge über ein sehr großes, steigerungsfähiges Entwicklungspotential. Für eine Verwendung als Kompaniechef sei er bereits sehr gut und für die Übernahme zum Berufssoldaten in außergewöhnlichem Maße geeignet.

4

Der nächsthöhere Vorgesetzte charakterisierte den früheren Soldaten als tatkräftigen Offizier mit ausgeprägtem Führungswillen und Führungsanspruch, ausgeprägter Leistungsfähigkeit und vorbildlicher Dienstauffassung. Er sei ein wesentlicher Leistungsträger. Derzeit bestehe eine Entwicklungsprognose bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive. Die Eignung für die Kompaniechef- oder Stabsoffizier-Verwendung sei deutlich erkennbar.

5

Am 22. März 2012 wurde er im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung ebenfalls mit "6,2" beurteilt. Der frühere Soldat behaupte sich im vorderen Leistungsdrittel. Den Erwartungen werde er regelmäßig zur vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten gerecht. Hervorgehoben wurden sein Geschick als Kompanieführer, seine Kommunikationsfähigkeit als S 3 und seine Leistungen als Ausbilder. Seine Stärken lägen im Außendienst und er überzeuge vor allem im direkten Umgang mit Soldaten.

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Der nächsthöhere Vorgesetzte schloss sich dem an und bescheinigte ihm eine Entwicklungsprognose bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive.

7

In der Vorinstanz hat die frühere Disziplinarvorgesetzte Major A die ausgezeichneten Leistungen des früheren Soldaten in der Ausbildung hervorgehoben. Sie habe ihn als diszipliniert, motiviert und korrekt kennengelernt. Sein außerdienstliches Verhalten passe dazu nicht.

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Auch der höhere Disziplinarvorgesetzte Generalleutnant B betonte in der Vorinstanz den sehr guten Ruf des früheren Soldaten. Dieser habe als Vertreter der Zeugin A in schwieriger Zeit hervorragende Arbeit geleistet, aber auch ein Doppelleben geführt. Im dienstlichen Bereich sei er ein korrekter, disziplinierter und sehr guter Offizier, im privaten Bereich jedoch im Kreis der ... verhaftet gewesen. Dort habe er eine Führungsposition innegehabt. Wegen des Disziplinarverfahrens habe der frühere Soldat seine Sicherheitsüberprüfung verloren; auch sei er deshalb von seinem Dienstposten abgelöst und versetzt worden.

9

Der aktuelle Zentralregisterauszug weist folgende Eintragungen auf:

- einen seit November 2011 rechtskräftigen, mit dem Anschuldigungspunkt 1 sachgleichen Strafbefehl des Amtsgerichts C vom 5. Oktober 2011 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, mit dem der frühere Soldat zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden war.

- ein zum Anschuldigungspunkt 2 sachgleiches Urteil des Amtsgerichts D vom 14. Oktober 2010 wegen Beleidigung in zwei Fällen. Es wurde im Oktober 2011 rechtskräftig, nachdem das Landgericht E ihn mit Berufungsurteil vom 22. September 2011 zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt hatte.

- einen seit 14. Januar 2010 rechtskräftigen zu Anschuldigungspunkt 3 sachgleichen Strafbefehl des Amtsgerichts F vom 4. September 2009 wegen Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen, mit dem der frühere Soldat zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt worden war.

- eine seit Juni 2012 rechtskräftige Entscheidung des Amtsgerichts C vom 23. Mai 2012, mit der unter Einbeziehung des Strafbefehls des Amtsgerichts C und des Urteils des Amtsgerichts D eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten und zwei Wochen gebildet worden war.

- ein seit dem 21. Dezember 2017 rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts G vom 23. November 2017 wegen gefährlicher Körperverletzung, mit dem der frühere Soldat zu einer einjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden war.

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Der letzte Disziplinarbuchauszug aus 2012 weist die sachgleichen strafgerichtlichen Verurteilungen aus.

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Der frühere Soldat ist berechtigt, das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst in Gold sowie die Schützenschnur in Gold zu tragen. Er ist seit Juni 2018 verheiratet, Vater von zwei Kindern und als kaufmännischer Angestellter tätig. Die Übergangsgebührnisse wurden ihm bis Ende 2016 ausgezahlt und die Übergangsbeihilfe von 18 424,02 € wurde einbehalten. Seine Vermögensverhältnisse bezeichnet er als geordnet.

Entscheidungsgründe

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1. Das Verfahren ist nach Anhörung des früheren Soldaten mit Verfügung vom 26. Januar 2011 eingeleitet worden. Nach Gewährung des Schlussgehörs wurde ihm mit Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft vom 23. März 2016 zur Last gelegt:

1. Der frühere Soldat griff als Angehöriger einer Fußballfangruppierung des Fußballvereins Y am 22. August 2009 zwischen 9:00 Uhr und 10:00 Uhr auf dem Hauptbahnhof in C zwischen dem Gleis 8 und 9 die Polizeibeamten PHM H, POM I, PHM J und PK K gemeinsam mit mindestens drei weiteren Angehörigen der Fangemeinschaft mit Fußtritten und Faustschlägen an, um den zuvor vorläufig festgenommenen und anderweitig Beschuldigten Angehörigen der Fangemeinschaft Q zu befreien, wobei er zumindest dem POM I mit den Füßen voraus in den linken Brustkorbbereich sprang und er sich so mindestens mit Fußtritten gegen die Polizeibeamten an der Befreiung beteiligte. Der frühere Soldat fügte dem POM I gemeinschaftlich zwei Rippenbrüche sowie dem Polizeibeamten J Prellungen der linken Körperhälfte und am rechten Oberarm und dem Polizeibeamten K schmerzhafte Prellungen im Rippenbereich zu.

2. Der frühere Soldat rückte am 16. Mai 2009 gegen 18:00 Uhr als Angehöriger einer Fußballfangemeinschaft des Fußballvereins Y mit mindestens 30 weiteren Fans am Bahnhaltepunkt D in D auf die dort zurückweichenden Polizeibeamten in einer Polizeikette zu und bezeichnete, da ihm die Freigabe des Bahnsteiges und das Zurückweichen der Polizei nicht schnell genug ging, den PHM L als "Vollidiot" und entgegnete ihm wörtlich oder sinngemäß lauthals "so einer wie Du wäre in Kunduz gefallen" und beschimpfte unter anderem den PHK M als "Dreckschwein", um so seine Missachtung kundzutun.

3. Der frühere Soldat äußerte am 24. Mai 2009 gegen 22:30 Uhr in der ...straße ... in F gegenüber den Polizeibeamten N und O wörtlich oder sinngemäß: "Jetzt stellen sie auch noch Klugscheißer bei der Polizei ein! Schauen Sie sich mal an, Sie sind ja prädestiniert, um beleidigt zu werden, Ihr habt keine Eier in der Hose!", um so seine Missachtung kundzutun."

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Damit habe der frühere Soldat vorsätzlich, zumindest jedoch fahrlässig die ihm obliegende Dienstpflicht verletzt, sich auch außer Dienst so zu verhalten, dass die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordern, nicht ernsthaft beeinträchtigt würden, wobei er als Vorgesetzter ein schlechtes Beispiel gegeben habe.

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2. Mit Urteil vom 16. November 2017 hat das Truppendienstgericht Süd dem früheren Soldaten das Ruhegehalt aberkannt.

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a) In tatsächlicher Hinsicht stehe zum Anschuldigungspunkt 1 auf der Grundlage der dazu vernommenen Zeugen, der verlesenen Aussagen des verstorbenen POM I, der Videoaufnahmen der Deutschen Bahn und des gegen ... rechtskräftig ergangenen Strafurteils des Amtsgerichts C vom 24. Januar 2012 fest, dass der frühere Soldat in aggressiver Form an der Befreiung des Zeugen Q mitgewirkt habe und dabei auch persönlich an den Tätlichkeiten gegen Polizisten beteiligt gewesen sei. Abweichend von den Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts C habe sich die Gefangenenbefreiung jedoch im Bereich des Bahnsteigs zu Gleis 9 abgespielt.

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Zum Anschuldigungspunkt 2 wurden die bindenden Feststellungen des Urteils des Landgerichts E vom 22. September 2011 zugrundegelegt; der Soldat habe am Nachmittag des 16.05.2009 als Angehöriger einer ... Fangruppierung das Bundesligaspiel zwischen dem Z und dem Y in der ...Arena in D besucht. Nach dem Spiel, gegen 18:00 Uhr habe er aus Ärger darüber, dass er nur langsam vorwärts kam und möglicherweise seinen Anschlusszug verpassen würde, den ihm gegenüber stehenden Polizeibeamten L als "Vollidiot" bezeichnet und ihn angeschrien, dass "so einer wie Du in Kunduz gefallen" wäre.

17

Zum Anschuldigungspunkt 3 stehe das angeschuldigte Verhalten auf der Grundlage der Aussagen der Zeugen Polizeihauptmeister O und N sowie der geständigen Einlassungen des früheren Soldaten fest.

18

b) Der frühere Soldat habe damit vorsätzlich ein Dienstvergehen begangen. Er habe nicht nur gegen Strafgesetze verstoßen, sondern auch seine Dienstpflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 3 SG verletzt. Dass er Vorgesetzter sei, wiege erschwerend.

19

Das Dienstvergehen wiege äußerst schwer. Der frühere Soldat habe kriminelles Unrecht begangen. Sein Verhalten wecke durchgreifende ernstliche Zweifel an seiner Rechtstreue, persönlichen Integrität und dienstlichen Zuverlässigkeit. Die allgemeine Gesetzestreue eines Soldaten sei die wesentliche Grundlage des öffentlichen Dienstes. Der Straftatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schütze die Autorität staatlicher Vollstreckungsorgane und diene dem Schutz des staatlichen Gewaltmonopols. Der frühere Soldat habe durch sein Verhalten einen Standort jenseits der Staatsgewalt eingenommen. Durch die vorsätzliche gefährliche Körperverletzung habe er zudem gravierend in die Menschenwürde und die körperliche Unversehrtheit der Geschädigten eingegriffen. Des Weiteren wirke erschwerend, dass er an einer Gefangenenbefreiung teilgenommen und damit die Hoheitsrechte des Staates, in dessen Bereich er selbst als Hoheitsträger eingesetzt sei, missachtet habe. Hinzu komme, dass er sich bei der Beleidigung als Soldat zu erkennen gegeben habe. Mildernd wirke zwar, dass er hervorragenden Dienst geleistet habe und hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 2 und 3 geständig gewesen sei; jedoch fehle es beim Anschuldigungspunkt 1 an Einsicht und Reue.

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Sowohl wegen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte als auch wegen der gefährlichen Körperverletzungen bilde eine Dienstgradherabsetzung den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Sie werde der Schwere des Pflichtenverstoßes jedoch nicht gerecht, so dass die Höchstmaßnahme zu verhängen sei. Das Vertrauen in die ordnungsgemäße Dienstausübung des früheren Soldaten werde vor allem dadurch erschüttert, dass er durch seine Widerstandshandlung nicht nur die körperliche Integrität und Gesundheit der Polizeibeamten beeinträchtigt, sondern durch seine Mitwirkung bei der Gefangenenbefreiung auch Hoheitsrechte anderer Amtsträger verletzt habe. Damit habe er sich als Vorgesetzter disqualifiziert, wobei ohne Belang sei, ob er als Täter oder Mittäter gehandelt habe.

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3. Mit seiner fristgerecht eingegangenen unbeschränkten Berufung wendet sich der frühere Soldat gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz vor allem zum Anschuldigungspunkt 1. Zeugenaussagen und Videoaufnahmen trügen die Feststellungen hierzu nicht. Bewiesen sei insbesondere nicht, dass er POM I angegriffen und an der Gefangenenbefreiung mitgewirkt habe. Die Geschehnisse im Bereich des Gleises 9 seien durch die Überwachungskameras nicht einsehbar gewesen. Die erstinstanzlichen Feststellungen zu dem "Kicksprung" seien eine bloße Vermutung. Auch die Zeugenaussagen hätten den Nachweis dafür nicht erbracht. Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 3 sei die Feststellung unrichtig, er habe seinerzeit bekundet, Soldat zu sein; dies werde der Zeuge R bestätigen. Zudem sei die Polizeikontrolle in F überzogen gewesen und er dadurch zu wechselseitigen Ehrverletzungen provoziert worden, auch wenn er sie im Nachhinein als unklug erkenne. Ungeachtet dessen seien bei der Maßnahmebemessung seine herausragenden Leistungen und der enge zeitliche Zusammenhang der drei Ereignisse, der für ein nur zeitweiliges Versagen spreche, nicht mildernd eingestellt worden. Das gelte auch, soweit er im Verfahren vor dem Amtsgericht C eine Vereinbarung zur Vermeidung einer dem Ansehen der Bundeswehr abträglichen Hauptverhandlung abgeschlossen habe. Der Dienstherr habe auch von einer vorläufigen Dienstenthebung abgesehen. Mildernd müsse sich schließlich die überlange Verfahrensdauer auswirken. Schriftsätzlich zunächst erhobene Rügen zur Besetzung der Kammer des Truppendienstgerichts und zu einem Verfahrensfehler durch eine unterbliebene Zeugenvernehmung wurden in der Berufungshauptverhandlung nicht aufrechterhalten.

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Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Verfahrenshindernisse stehen der Durchführung des Berufungsverfahrens nicht entgegen. Etwaige Verfahrensfehler führen jedenfalls bei der nach § 121 Abs. 2 WDO gebotenen Ermessensentscheidung aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung nicht zur Zurückverweisung. Der Senat hat daher in der Berufungshauptverhandlung im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen getroffen.

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1. Zur Überzeugung des Senats steht in tatsächlicher Hinsicht fest:

24

a) Der frühere Soldat hat sich - wie unter Anschuldigungspunkt 2 beschrieben - gegenüber Polizisten ehrverletzend verhalten. Dies steht gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO aufgrund der bindenden Feststellungen im Urteil des Landgerichts E vom 22. September 2011 fest. Der frühere Soldat hat den Sachverhalt eingeräumt und im Übrigen darauf hingewiesen, dass er sich zur Beleidigung deshalb habe hinreißen lassen, weil er von Pfefferspray getroffen worden sei, obwohl von ihm keine Übergriffe ausgegangen seien. Dieser Umstand stellt den Tatbestand der Beleidigung jedoch nicht in Frage.

25

b) Der frühere Soldat hat sich auch wie unter Anschuldigungspunkt 3 beschrieben ehrverletzend geäußert. Er hat sich zu den Beleidigungen in der Berufungshauptverhandlung geständig eingelassen und sie damit erklärt, sich seinerzeit provoziert gefühlt zu haben. Auch diese Beleidigung sei "saudämlich" gewesen. Er habe jedoch die mit einer Kamera begleitete polizeiliche Personenkontrolle (mit drei Polizeiwagen und 20 Polizeibeamten) für völlig überzogen gehalten und deshalb geäußert, die Polizeibeamten hätten "keine Eier in der Hose". Dass die ehrverletzenden Äußerungen gefallen sind, wird auch durch die glaubhafte Aussage des Zeugen N in der Berufungshauptverhandlung und die dort verlesene erstinstanzliche Aussage des Polizeibeamten O bestätigt; nach ihren nachvollziehbaren, ohne Belastungseifer vorgetragenen und konsistenten Schilderung ist die Polizeikontrolle auch nur von einem Polizeiwagen durchgeführt worden. Beleidigungen seitens der Polizei hat es nicht gegeben; die Aussage des Zeugen R hat dies nicht in Frage gestellt.

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c) Zur Überzeugung des Senats steht ebenso fest, dass der frühere Soldat wie unter Anschuldigungspunkt 1 angeschuldigt, gemeinschaftlich mit anderen Angehörigen der Fußballfangruppierung des Y "..." (im Folgenden: Fan-Club) an der gewalttätigen und bei Polizeibeamten zu Körperverletzungen führenden Befreiung des Q mitgewirkt hat. Jedoch bestand seine Mitwirkungshandlung nicht darin, POM I in den linken Brustkorbbereich gesprungen zu sein oder andere Polizeibeamte durch Tätlichkeiten verletzt zu haben; insoweit war er freizustellen.

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aa) Dass es am 22. August 2009 zwischen 9:00 Uhr und 10:00 Uhr auf dem Hauptbahnhof in C auf dem Bahnsteig 9 durch Angehörige (Mitglieder) des Fan-Clubs zur Befreiung des von POM I zuvor festgenommenen Q gekommen ist und jene Angehörigen ihn sowie PK K hierbei rechtswidrig erheblich verletzt haben, steht fest.

28

Der - vom früheren Soldaten nicht bestrittene - Vorgang der Befreiung des vom POM I zuvor (vorläufig) festgenommenen Q durch mitreisende Fußballfans steht auf der Grundlage der Aussagen des POM I sowie aufgrund der damit inhaltlich übereinstimmenden Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung erneut vernommenen Polizeibeamten J und K fest. Sie haben aus unmittelbarer Anschauung sowohl von der durch POM I vorgenommenen Festnahme eines Fan-Mitglieds und dessen Befreiung durch Personen berichtet, die sie wegen ihrer weitgehend uniformen Bekleidung und ihrer koordinierten Vorgehensweise nachvollziehbar als Angehörige des Fan-Clubs zugeordnet haben. Bedenken an der Glaubhaftigkeit der Aussagen bestehen nicht, da sie auch mit den im Amtsgerichtsurteil dokumentierten früheren Aussagen inhaltlich kohärent sind. Auch die Videoaufzeichnung lässt die Festnahme des Q durch POM I erkennen und dokumentiert auch, dass dieser nur wenige Augenblicke später verfolgt von Polizeibeamten in den wartenden Zug flüchten konnte.

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bb) Fest steht des Weiteren, dass - wie ebenfalls vom früheren Soldaten nicht bestritten - mit dem Befreiungsvorgang jedenfalls gegen die Polizeibeamten K und I erhebliche Körperverletzungen verbunden waren. Die Verletzung, von der der Zeuge PK J bei sich berichtet hat und die durch Fußabdrücke auf seiner Uniform dokumentiert ist, entstand hingegen nach eigener Aussage des Zeugen noch im Zug bei dem Versuch, den Rückzug des POM I mit dem Festgenommenen Q zu sichern, und somit nicht auf dem Bahnsteig.

30

Der Zeuge K hat in der Berufungshauptverhandlung von Verletzungen in Form von Prellungen am Oberkörper berichtet, die zu Atemproblemen und dazu geführt hätten, dass er sich nach den Attacken zunächst nicht habe hinsetzen können. Als Folge der Verletzung habe er dann noch zwei Wochen später am Umzug nicht uneingeschränkt mitwirken können und seiner Ehefrau Umzugsarbeiten überlassen müssen. Seine Aussage ist glaubhaft und entspricht den Fotoaufnahmen von den Verletzungen des Zeugen (Beiakte XII, Bl. 26/27).

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Dass ebenso der Polizeibeamte I erhebliche Verletzungen davon getragen hat, folgt aus dessen oben angeführten Aussagen. In der Zeugenvernehmung vom 26. August 2009 hat er davon berichtet, dass ihm von einem Fan der "...-Gruppe" mit der Faust gegen das Kinn geschlagen worden sei. Ausweislich des Amtsgerichtsurteils hat er zudem von Schlägen und Tritten berichtet, die er anlässlich der Befreiung des von ihm festgenommenen Q von Angehörigen des Fanclubs erlitten hat und bei ihm zu einer gebrochenen und einer angebrochenen Rippe - verbunden mit einer etwa eineinhalb wöchigen Dienstunfähigkeit - geführt haben. Auch die aktenkundigen Fotoaufnahmen von seinem Oberkörper nach den Übergriffen (Beiakte XII, Bl. 28) stützen seine Aussage.

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cc) Nicht feststellbar ist, dass der frühere Soldat dem POM I die Verletzungen selbst und unmittelbar zugefügt hat.

33

Die dienstliche Stellungnahme des POM I vom 22. August 2009 beschreibt nur einen Angriff bei der Gefangenenbefreiung durch 5 - 7 Fans ohne die Person des früheren Soldaten zu erwähnen. In der Zeugenvernehmung vor der Polizeiinspektion C am 26. August 2009 berichtet dieser zwar von der "Wiedererkennung des ... an der Gefangenenbefreiung", identifiziert ihn jedoch nicht als denjenigen, der ihn anlässlich der Gefangenenbefreiung körperlich misshandelt hat. Dem entspricht, dass er ausweislich der Gründe im Amtsgerichtsurteil den früheren Soldaten zwar als einen Rädelsführer erkannt, ihn auch dort jedoch nicht als Person identifiziert hat, die ihn selbst tätlich angegriffen hat.

34

Auch den Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen PK J, PHK K, PHK a.D. S und OLt d.R. T sowie den gemäß § 123 Satz 1 WDO verlesenen erstinstanzlichen Zeugenaussagen des PHW U, POK V und des Bahnangestellten a.D. W lässt sich nicht entnehmen, dass der frühere Soldat den Polizeibeamten I unmittelbar körperlich misshandelt hat.

35

Des Weiteren lassen auch die in Augenschein genommenen Videoaufnahmen der Deutschen Bahn nicht auf eine körperliche Misshandlung des POM I unmittelbar durch den früheren Soldaten schließen. Die Videosequenz lässt zum einen bereits keinen eindeutigen "Kicksprung" erkennen. Zum anderen ist - wie bereits vom Truppendienstgericht festgestellt - nicht zu erkennen, dass dieser gegen den POM I gerichtet gewesen wäre. Damit fehlt es an einem hinreichenden Beweis, zumal der (vermeintliche) Kicksprung ausweislich der Videoaufzeichnungen zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem sich die Masse der Fußballfans wieder auf den wartenden Zug zubewegte und der festgenommene Q schon befreit war. Auch der sachverständige Zeuge X hat ausgesagt, eine Auswertung der Videoaufnahmen zeige, dass der frühere Soldat an der Gefangenenbefreiung nicht unmittelbar beteiligt gewesen sein könne, weil er zu diesem Zeitpunkt auf der anderen Bahnsteigseite vermummt an vorderster Front gestanden habe.

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dd) Ungeachtet dessen hat der frühere Soldat jedoch an der Gefangenenbefreiung dergestalt mitgewirkt, dass er am Bahnsteig 8 zusammen mit anderen Mitgliedern des Fan-Clubs durch sein Verhalten Polizeikräfte band und sie dadurch davon abhielt, die auf Bahnsteig 9 vorgenommene Befreiung des Festgenommenen Q durch andere Fan-Club-Angehörige abzuwehren.

37

Ein solches Verhalten des früheren Soldaten steht ausweislich der Videoaufnahmen fest. Sie zeigen, wie er mit einem roten Tuch unterhalb des Nasenbereichs vermummt und mit rotem T-Shirt, dreiviertel langer Cargo-Hose, weißen Schuhen (Sneakers) bekleidet in vorderster Reihe den Polizeibeamten auf Bahnsteig 8 in aggressiver Haltung gegenüber steht. Dass es sich dabei um den früheren Soldaten handelt, hat er weder in Abrede gestellt, noch bestehen daran Zweifel. Zwar trägt er wie andere Angehörige des Fan-Clubs ein rotes T-Shirt; es weist jedoch auf dem Brustbereich ein besonders konturiertes Emblem auf, welches bei anderen Angehörigen des Fan-Clubs nicht anzutreffen ist. Darüber hinaus ist an der Wade des früheren Soldaten jene auffällige Tätowierung zu sehen, die der POM I in seiner Vernehmung vom 26. August 2009 sowie der Zeuge J in der Berufungshauptverhandlung als markant beschrieben haben.

38

Das Verhalten des früheren Soldaten war konfrontativ und band die Aufmerksamkeit der auf dem Bahnsteig 8 stehenden Polizeibeamten. Seine Einlassung in der Berufungshauptverhandlung, er habe sich "schützend" vor andere gestellt, um die Situation deeskalierend wieder "einzufangen", bildet eine Schutzbehauptung, die als solche bereits im Amtsgerichtsurteil zutreffend gewürdigt worden ist. Die Videosequenzen lassen eindeutig erkennen, dass der frühere Soldat nicht - wie er glauben machen möchte - deeskalierend, sondern durch Auftreten und Gestik den die Festnahme Qs gegenüber der Fanmasse abschirmenden Polizisten aggressiv bedrohlich gegenüber getreten ist. Sie zeigen, dass sich der frühere Soldat aus dem Bereich des Treppenaufgangs kommend gezielt und mit hoher Geschwindigkeit von hinten durch die Gruppe hindurch bis zu den Polizeibeamten vorarbeitet und von einem anderen Fan-Club-Angehörigen durch mäßigendes Handauflegen davon abgehalten wird, noch weiter zu den Polizeibeamten vorzupreschen. Dabei trat er den Polizeibeamten ausweislich der Videoaufzeichnungen vermummt gegenüber, wozu kein Anlass bestanden hätte, wenn seine Motivation tatsächlich deeskalierend gewesen wäre.

39

Diesem Verhalten und dieser Motivationslage entspricht die Aussage des Zeugen J, der frühere Soldat sei den Polizeibeamten gegenüber aufgebracht gewesen und er habe jedenfalls in seinem Sichtfeld keinen Angehörigen des Fan-Clubs wahrgenommen, der deeskalierend agiert habe. Auch der Zeuge K, der nach eigener Aussage gerade am Bahnsteig 8 gestanden hat, hat ausgesagt, deeskalierend sei ihm niemand aufgefallen. Der Zeuge S sah sich in der Situation zudem nach eigener Aussage veranlasst, Pfefferspray einzusetzen.

40

Fernerhin hat POM I in seiner Vernehmung vom 26. August 2009 und mithin zeitnah zum Tatgeschehen den früheren Soldaten als Mitwirkenden der Gefangenenbefreiung identifiziert und seine Erinnerung nachvollziehbar mit der auffälligen Erscheinung desselben (Tätowierung am Fuß und Oberarm, sportliche Figur) begründet. Dass es sich dabei nicht um eine etwa inkorrekt wiedergegebene Aussage des verstorbenen Polizeibeamten handelt, folgt daraus, dass der ihn seinerzeit vernehmende Zeuge X in der Berufungshauptverhandlung die korrekte Wiedergabe dieser Aussage ausdrücklich bestätigt hat.

41

Der vom früheren Soldaten als Entlastungszeuge benannte OLt d.R. T konnte zu dem Geschehen nichts aussagen.

42

ee) Zur Überzeugung des Senats steht des Weiteren fest, dass der frühere Soldat die Auswirkungen seines Verhaltens gewollt und im Wissen der Tatumstände gehandelt hat. Dies ergibt sich zwingend aus den äußeren Umständen. Der frühere Soldat reiste in den Abteils des Fußballfanclubs, in die zwei Polizeibeamte zu Kontrollzwecken einstiegen und in denen der POM I den ihn attackierenden Fußballfan Q verhaftete. Der frühere Soldat begab sich dann mit der großen Masse der Fanclubmitglieder, die den Q wieder befreien wollte, auf den Bahnsteig, vermummte sich und drängte sich in die vorderste Reihe der Angreifer vor. Seine Vermummung und sein Vorpreschen belegen, dass er an der gewaltsamen Gefangenenbefreiung wissentlich und willentlich mitwirkte.

43

Seine Aussage, er habe nicht mitbekommen, dass ein Polizeibeamter Q festgenommen habe, ist vor diesem Hintergrund eine unglaubwürdige Schutzbehauptung. Spätestens als er in vorderster Reihe der anrückenden Fans vor den Polizeibeamten stand, bestand - wie die Videoaufnahmen belegen - zeitweise eine Sichtbeziehung zu dem POM I, der den Q im Griff hatte. Es ist daher auszuschließen, dass der frühere Soldat von der Verhaftung des Q nichts wusste und nicht an dessen Befreiung mitwirken wollte. Dafür spricht auch, dass er in dem gegen ihn geführten Strafverfahren ausweislich eines richterlichen Aktenvermerks (Beiakte XIII, Bl. 782) eigeninitiativ auf den Erlass eines Strafbefehls hingewirkt und sich mit einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ausdrücklich einverstanden erklärt hat.

44

Jedenfalls sind die Einlassungen des früheren Soldaten zu seinem Verhalten unglaubhaft, weil sie nicht nur in Randbereichen des Geschehens prozesstaktisch wechseln. So trägt er erstmals in der Berufungshauptverhandlung vor, er habe sich deshalb das Tuch vor das Gesicht gezogen, weil er im Zug - noch bevor alle wieder ausgestiegen seien - gehört habe, dass Pfefferspray eingesetzt werde. In dem vor dem Amtsgericht C geführten Strafverfahren hatte er sich 2012 noch dahingehend eingelassen, er wisse nicht, warum er sich vermummt habe, dies sei ganz einfach aus einem Reflex heraus erfolgt. Zutreffend hat das Amtsgericht das als völlig abwegig angesehen. Unglaubhaft sind ebenfalls seine wechselhaften Einlassungen zur Frage seiner Zugehörigkeit zum Fan-Club. Während er in der Berufungshauptverhandlung ausführte, er sei kein Mitglied dieses Fan-Clubs gewesen, er wolle sich insbesondere für den Zeitraum vor 2009 nicht äußern, hatte er sich ausweislich der Gründe des Amtsgerichtsurteils 2012 noch dahingehend eingelassen, er sei wohl seit 2006 Mitglied des Fan-Clubs "..." gewesen, dort 2008 aber wieder ausgestiegen. Sein gesamtes Verhalten lässt jedoch darauf schließen, dass er zur Tatzeit mit dem Fanclub eng verbunden war.

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Selbst wenn er 2008 formell ausgetreten sein sollte, bliebe die Annahme lebensfremd, jegliches Zugehörigkeitsgefühl sei damit erloschen und seine Teilnahme an der gemeinsamen Anreise am 22. August 2009 bei gemeinsamem Fan-Dresscode sei eher zufällig gewesen. Dem entspricht, dass die Videoaufzeichnungen den früheren Soldaten nahezu durchgehend innerhalb der Gruppierung zeigen und sie nicht ansatzweise Hinweise darauf enthalten, dass er sich von ihr separieren wollte. Für das fortbestehende Zugehörigkeitsgefühl des früheren Soldaten als Motiv für sein Handeln spricht zudem, dass er sich veranlasst gesehen hat, eine Person zu verfolgen, die einem Fan-Club-Angehörigen einen Schal entwendet hatte.

46

2. Der frühere Soldat hat ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen. Er hat wissentlich und willentlich, mithin vorsätzlich, gegen § 17 Abs. 2 Satz 3 SG verstoßen. Ein Verstoß auch gegen § 7 SG in Gestalt eines Verstoßes gegen die Loyalität zur Rechtsordnung liegt hingegen nicht vor, weil § 17 Abs. 2 Satz 3 SG insoweit abschließend ist (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 WD 3.15 - juris Rn. 25).

47

a) Die durch Fan-Club-Angehörige begangenen gefährlichen Körperverletzungen (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 StGB) und die Gefangenenbefreiung (§ 113 Abs. 1 StGB) sind dem früheren Soldaten gem. § 25 Abs. 2 StGB als Mittäter rechtlich zuzurechnen. Er hat die Straftatbestände gemeinschaftlich mit ihnen dadurch begangen, dass er auf Gleis 8 Polizeikräfte band und damit einen wesentlichen Beitrag zur Begehung einer eigenen und nicht - wie für die Teilnahme charakteristisch (§§ 28 Abs. 1, 25 und 26 StGB) - fremden Tat leistete.

48

aa) Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jeder sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass diese als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert keine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst, sodass selbst ein die Tatbestandsverwirklichung lediglich fördernder Beitrag ausreichen kann, der sich auf Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlungen beschränkt. Allerdings muss sich die Mitwirkung nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden bei wertender Gesamtbetrachtung als Teil der Tätigkeit aller darstellen, wobei wesentliche Anhaltspunkte dafür der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu bilden können (BGH, Beschlüsse vom 13. September 2017 - 2 StR 161/17 - NStZ-RR 2018, 40 und vom 11. Juli 2017 - 2 StR 220/17 - NStZ 2018, 144 <145> sowie Urteile vom 21. Mai 2015 - 3 StR 575/14 - juris Rn. 10 und vom 23. Januar 1958 - 4 StR 613/57 - BGHSt 11, 268). Dabei verlangt das Erfordernis eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens weder eine Kausalität des Beitrags noch das Erfordernis eines gemeinsamen Tatplanes eine ausdrückliche Vereinbarung; er kann auch konkludent und noch während der eigentlichen Tatausführung bis zur Tatbestandsbeendigung getroffen werden. Nicht erforderlich ist zudem, dass der Mittäter die fremde Handlung in allen Einzelheiten kennt (Fischer, StGB, Kommentar, 65. Aufl. 2018, § 25 Rn. 33 f.).

49

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen charakterisiert die Handlung des früheren Soldaten ihn rechtlich nicht lediglich als "Randfigur" (Wessels/Beulke, Strafrecht, AT, 39. Aufl. 2009, § 13 Rn. 513) des Geschehens. Auch stellt sich die Handlung nicht als Förderung einer fremden Handlung dar. Mit der Bindung von Polizeikräften am Bahnsteig 8 griff der frühere Soldat zwar nicht unmittelbar in das Kerngeschehen ein; dies ist nach der zitierten Rechtsprechung jedoch deshalb unschädlich, weil sie dafür in unmittelbarer räumlicher Nähe und zeitlich parallel zur Gefangenbefreiung (Ausführungsstadium) erfolgte. Die Bindung der Polizeikräfte in genau dieser Zeit bewirkte, dass diese ihrem Kollegen I am unmittelbar angrenzenden Bahnsteig 9 nicht beistehen und die Befreiung des festgenommenen Q nicht verhindern konnten. Damit lag ein das Kerngeschehen wesentlich unterstützender und mithin die Tatherrschaft mit begründender Tatbeitrag vor. Ob die Befreiungshandlung zum Zeitpunkt des Agierens des früheren Soldaten bereits tatbestandsmäßig vollendet war, ist dabei ohne Belang, weil sie jedenfalls noch nicht beendet war. Ausweislich der Videoaufnahmen ziehen sich die Fan-Club-Angehörigen erst zurück, nachdem der frühere Soldat auf Bahnsteig 9 konfrontativ aufgetreten war.

50

Der frühere Soldat hatte auch ein eigenes ideelles Interesse an der Befreiung des Angehörigen des Fan-Clubs, da er sich mit dem Fan-Club aus den bereits dargelegten Gründen solidarisch fühlte.

51

Dass der Entschluss zur Befreiung des Q nicht auf einem zwischen dem früheren Soldaten und den auf dem Bahnsteig 9 agierenden Fan-Club-Angehörigen ausdrücklich abgesprochenen Plan beruhte, ist unschädlich. Eine konkludente Übereinkunft, den Fan-Club-Angehörigen Q zu befreien, reichte aus. Sie fand deutlich dadurch Ausdruck, dass die Angehörigen des Fan-Clubs den Zug - ausweislich der Videoaufzeichnungen und der Zeugenaussagen der Polizeibeamten - wie auf Kommando aus dem Zug strömten und kollektiv in kämpferischer Absicht auf POM I und den von ihm verhafteten Q zustürmten. Ein anderes Motiv als mit vereinten Kräften und unter Einsatz von Gewalt das Abführen des Angehörigen Q zu verhindern, ist nicht ersichtlich. Dass es zu keinen weiteren Absprachen hinsichtlich der Befreiungsmodalitäten kam, betrifft angesichts der konkreten Zielsetzung sowie der beschränkten örtlichen Gegebenheiten auf dem nur wenige Meter schmalen Bahnsteig ein Planungsdetail, so dass darüber keine besondere Übereinkunft mehr getroffen zu werden brauchte. Der ausweislich der Videosequenzen gemeinsame geschlossene Rückzug des Fan-Clubs in den Zug auf Bahnsteig 9 nach der Befreiung des Q unterstreicht zusätzlich das planvolle Vorgehen des Fan-Clubs, den der Zeuge S in der Berufungshauptverhandlung zutreffend als hochorganisiert und gut vorbereitet beschrieben hat.

52

b) Ein außerdienstliches Dienstvergehen liegt zwar bei allen angeschuldigten Verhaltensweisen vor, da der frühere Soldat das Verhalten sowohl außer Dienst als auch außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen zeitigte (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2009 - 2 WD 16.08 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 43 Rn. 39). Sie sind jedoch geeignet gewesen, die Achtung und das Vertrauen, die die dienstliche Stellung des Soldaten erfordert, i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 3 SG "ernsthaft" zu beeinträchtigen.

53

aa) Die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn es Zweifel an seiner Redlichkeit und Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Dies kommt bei strafrechtlich relevantem Verhalten auch außerhalb des Dienstes in Betracht. Der Begriff der "ernsthaften" Beeinträchtigung im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 3 SG verlangt jedoch, nicht jeden Verstoß gegen Strafgesetze als ernsthafte Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten anzusehen. Die aus einem Verstoß gegen die Strafrechtsordnung resultierenden Zweifel an der Rechtstreue eines Soldaten und damit seiner Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit sind umso größer, je höher die Sanktionsdrohung ist, über die sich der Soldat mit dem vorgeworfenen Verhalten hinwegsetzt. Erlaubt der Strafrahmen eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, kann hieraus bereits die Disziplinarwürdigkeit des außerdienstlichen Fehlverhaltens folgen (BVerwG, Urteil vom 24. November 2015 - 2 WD 15.14 - juris Rn. 51). Ermöglicht die Sanktionsdrohung der Strafrechtsnorm hingegen noch keine Freiheitsstrafe im mittleren Bereich, bedarf es zur Begründung einer allein aus Zweifeln an der Rechtstreue des Soldaten resultierenden Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Fehlverhaltens zusätzlicher Umstände (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - BVerwGE 149, 224 Rn. 53 ff.).

54

bb) Eine ernsthafte Beeinträchtigung ergibt sich hinsichtlich des unter Anschuldigungspunkt 1 angeschuldigten Verhaltens folglich daraus, dass der frühere Soldat - wie mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts C, an dessen Richtigkeit keine Bedenken bestehen, festgestellt - eine gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§§ 224 Abs. 1, 223, 52, 56, 113 Abs. 1 StGB) begangen hat. Bei diesen Straftatbeständen bewegt sich der obere Strafrahmen mit drei (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) und fünf Jahren (gefährliche Körperverletzung) oberhalb der Zweijahresgrenze. Der Straftatbestand der Gefangenenbefreiung nach § 120 Abs. 1 StGB, den das Amtsgericht C wegen des sachgleichen Sachverhalts in dem gegen den ... gerichteten Verfahren mit Urteil vom 24. Januar 2012 auch nach der Rechtsauffassung des Senats zutreffend bejaht hat, umfasst einen Strafrahmen von bis zu 3 (Abs. 1) bzw. 5 (Abs. 2) Jahren.

55

cc) Eine ernsthafte Beeinträchtigung begründen darüber hinaus auch die Beleidigungen gemäß Anschuldigungspunkte 2 und 3. Zwar rechtfertigt das sich aus dem Strafrahmen ergebende Gewicht der Tat allein noch nicht die Annahme einer ernsthaften Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen, die die dienstliche Stellung des früheren Soldaten erfordern (BVerwG, Urteil vom 12. März 2015 - 2 WD 3.14 - Rn. 45). Diese Annahme kann allerdings auch aus qualifizierenden Umständen folgen, aus denen sich verlässlich Rückschlüsse auf mangelnde Gesetzestreue oder mangelndes Verantwortungsbewusstsein ableiten lassen (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - juris Rn. 69). Qualifizierende Umstände bilden etwa die wiederholte Begehung oder eine einschlägige Vorbelastung (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - BVerwG 2 WD 5.13 - BVerwGE 149, 224 Rn. 61). Da der frühere Soldat vorliegend wiederholt wegen Beleidigungen verurteilt wurde, liegen Umstände dieser Art vor. Sie werden dadurch verstärkt, dass der frühere Soldat zum Zeitpunkt des Dienstvergehens als Inhaber eines öffentlichen Amtes andere Hoheitsträger gerade in Ausübung ihrer amtlichen Funktion beleidigt hat. Ob er sich im Zusammenhang mit der gemäß Anschuldigungspunkt 3 begangenen Beleidigung zusätzlich als Soldat zu erkennen gegeben hat, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

56

3. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten (Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin der Bundeswehr (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

57

Nach Maßgabe dessen ist dem früheren Soldaten das Ruhegehalt nach § 58 Abs. 2 Nr. 4 WDO abzuerkennen. Eine solche gerichtliche Disziplinarmaßnahme kann auch gegen ihn ausgesprochen werden, weil er nach § 1 Abs. 3 Satz 1 WDO als Soldat im Ruhestand gilt. Dem Ruhegehalt stehen gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 WDO die Übergangsleistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz gleich, auf die der frühere Soldat vorliegend in Form ihm noch nicht ausgezahlter Übergangsbeihilfe Anspruch hätte (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2014 - 2 WD 7.13 - juris Rn. 58 m.w.N.)

58

a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt die Verfehlung außerordentlich schwer.

59

Die Verletzungen der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes (§ 17 Abs. 2 Satz 3 SG) wiegen schwer. Die Wahrung dieser Pflicht ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist.

60

Der besondere Unrechtsgehalt des Dienstvergehens ergibt sich auch daraus, dass der frühere Soldat mit sämtlichen Pflichtverletzungen zugleich kriminelles Unrecht begangen hat und er entsprechend verurteilt worden ist. Zudem wurden sowohl die Pflichtverletzungen als auch die Straftaten mehrfach verwirklicht. Einen besonders erschwerenden Umstand bildet dabei, dass sie sich durchgehend gegen staatliche Amtswalter richten, die der frühere Soldat in Ausübung ihres Dienstes vielmehr zu unterstützen gehalten gewesen wäre, weil er - seinerzeit - ebenfalls Inhaber eines öffentlichen Amtes war.

61

Hinsichtlich des Verhaltens zu Anschuldigungspunkt 2 ist mildernd einzustellen, dass sich sein impulsives Verhalten damit erklärte, von Pfefferspray getroffen worden zu sein, obwohl er nicht aggressiv in Erscheinung getreten war.

62

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden des Weiteren dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat als Oberleutnant in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VorgV) und Soldaten in Vorgesetztenstellung für die Wahrung dienstlicher Interessen eine höhere Verantwortung obliegt. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (BVerwG, Beschluss vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 30).

63

b) Das Dienstvergehen zeigte mehrfach nachteilige Auswirkungen. Dem früheren Soldaten musste als Folge des Dienstvergehens die Sicherheitsstufe entzogen werden; zudem wurde er von seinem aktuellen Dienstposten enthoben und versetzt. Zu einem Auslandseinsatz konnte er nach eigenem Vortrag nicht kommandiert werden. Vor allem aber hat er an der Verletzung mehrerer Polizeibeamter mitgewirkt und andere Polizisten zudem in ihrer Ehre verletzt. Ob er darüber hinaus das Ansehen der Bundeswehr dadurch geschädigt hat, dass er sich anlässlich des unter Punkt 3 angeschuldigten Verhaltens eigeninitiativ oder erst auf Nachfrage nach seinem Berufsstand als Soldat zu erkennen gegeben hat, kann dahingestellt bleiben. Zum einen ist es nicht angeschuldigt worden und zum anderen stellt der Senat das Bekanntwerden von soldatischen Pflichtverletzungen bei den Strafverfolgungsorganen nicht maßnahmeverschärfend ein (BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2016 - 2 WD 4.15 - juris Rn. 79 m.w.N.).

64

c) Die Beweggründe des Soldaten sind durch Eigennutz, Rücksichtslosigkeit und Missachtung der Rechtsordnung charakterisiert.

65

Angesichts der Vielzahl der vergleichbaren Pflichtverletzungen und ihres zeitlichen Abstandes liegt es fern, in dem Verhalten eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat zu sehen, die mildernd zu bewerten wäre (BVerwG, Urteil vom 2. November 2017 - 2 WD 3.17 - juris Rn. 63 m.w.N.).

66

d) Das Maß der Schuld wird durch das vorsätzliche Handeln des voll schuldfähigen früheren Soldaten bestimmt.

67

e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sprechen die letzten Beurteilungen für den früheren Soldaten. Dort wird er als herausragender Soldat charakterisiert. Jedoch lässt sich ihnen auch entnehmen, dass sich die positiven Feststellungen auf den dienstlichen Bereich beschränken, womit der Ambivalenz der Persönlichkeit des früheren Soldaten zutreffend Rechnung getragen wird. Der positiven Leistungskomponente steht nämlich die fehlende Integrität als negative Persönlichkeitskomponente entgegen. Hier spricht gegen den früheren Soldaten ganz deutlich sein Aggressionspotenzial, das er in Konfliktsituationen nicht unter Kontrolle hat, obwohl gerade diese Fähigkeit einen guten Soldaten qualifiziert. Dokumentiert wird dieser gravierende Persönlichkeitsmangel vor allem durch seine mehrfachen einschlägigen Vorstrafen.

68

Dass der frühere Soldat die Vorwürfe nach Anschuldigungspunkt 1 bestreitet, erschwert die Maßnahme nicht, weil für ihn keine Verpflichtung besteht, sich selbst zu belasten, und er insoweit von der Wahrheitspflicht gemäß § 13 Abs. 1 SG entbunden ist. Sein Aussageverhalten steht jedoch einer günstigen Persönlichkeitsbeurteilung des Inhalts entgegen, er habe durchgehend Einsicht gezeigt und sich mit dem Dienstvergehen kritisch auseinander gesetzt (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 - 2 WD 21.15 - juris Rn. 44 m.w.N.)

69

4. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

70

a) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".

71

Diese bestimmt sich nach den den Schwerpunkt des einheitlichen Dienstvergehens bildenden Tätlichkeiten gegen Polizeibeamte, mit denen die Gefangenenbefreiung verbunden war. Bei einer außerdienstlichen Körperverletzung, bei der wie vorliegend die qualifizierenden Tatbestandsmerkmale nach den §§ 224 - 227 StGB erfüllt sind, bildet die Dienstgradherabsetzung bis in einen Mannschaftsdienstgrad den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2012 - 2 WD 18.11 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 39 Rn. 32). Dass es sich um ein außerdienstliches Fehlverhalten handelt, rechtfertigt keine mildere Regelmaßnahme. Die Unfähigkeit, im privaten Bereich die Grenzen rechtmäßiger Anwendung von körperlicher Gewalt einzuhalten, hat auch Auswirkungen auf das Vertrauen des Dienstherrn in die dienstliche Zuverlässigkeit des Soldaten. Soldaten üben für den Dienstherrn das staatliche Gewaltmonopol in der Verteidigung des Staates und seiner Bürger nach außen hin aus. Hierbei muss der Dienstherr darauf vertrauen können, dass sie besonnen und unter Beachtung rechtlicher Grenzen vorgehen (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - 2 WD 2.15 - juris Rn. 46).

72

b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich wegen be- und entlastender Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 2 WD 4.13 - juris Rn. 73).

73

Nach Maßgabe dessen liegen derart erschwerende Umstände vor, dass der frühere Soldat aus dem Dienst zu entfernen wäre, falls er sich noch im Dienst befände, § 65 Abs. 1 Satz 2 WDO. Da diese Disziplinarmaßnahme wegen seines Ausscheidens aus dem aktiven Dienst nicht mehr möglich ist, ist ihm das Ruhegehalt abzuerkennen (§ 58 Abs. 2 Nr. 4 WDO i.V.m. § 65 WDO). Durch das Dienstvergehen hat der frühere Soldat die Grundlage des Vertrauens des Dienstherrn zu ihm irreversibel zerstört, so dass dem Dienstherrn eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses objektiv unzumutbar ist.

74

Der frühere Soldat hat zum einen an gefährlichen Körperverletzungen gegen andere Amtswalter mitgewirkt, welche in rechtmäßiger Ausübung ihres Amtes tätig geworden sind. Zum anderen ist er wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB) verurteilt worden und Mittäter an einer Gefangenenbefreiung (§ 120 Abs. 1 StGB) gewesen, wodurch er gleichsam das staatliche Gewaltmonopol als Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.1.2017 - 2 BvR 1/13 - NJW 2017, 611 <620 f.> in Abrede gestellt hat. In Zusammenschau mit den mehrfachen Beleidigungen, die er als Inhaber eines öffentlichen Amtes gegen andere Amtsinhaber begangen hat, hat er damit besonders rücksichtslos und brutal Missachtung gegenüber der Rechtsordnung und den zu ihrer Durchsetzung berufenen Sachwaltern zum Ausdruck gebracht. Hierbei hat er die Solidarität zu Angehörigen des Fan-Clubs über die berechtigten Belange der Allgemeinheit und vor allem die Würde und die Rechte anderer Amtswalter gestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1982 - 2 WD 63.81 - BVerwGE 76, 7 <10> = juris Rn. 66). Damit hat er das Vertrauen des Dienstherrn und der Öffentlichkeit, dass er diesem Staat und seine Institutionen als Soldat jederzeit tapfer verteidigen wird (§ 7 SG), zerstört.

75

Dahingestellt bleiben kann nach alledem, ob die Dauer des Disziplinarverfahrens verfassungs- und konventionswidrig unangemessen lang gewesen ist. Ist die Höchstmaßnahme zu verhängen, kann die Verfahrensdauer keine maßnahmemildernde Wirkungen mehr entfalten (BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2018 - 2 WD 15.17 - juris Rn. 56 m.w.N.). Dasselbe gilt für die fachlichen Leistungen des früheren Soldaten, wenn sie als überdurchschnittlich anzusehen wären. Die persönliche Integrität eines Soldaten steht gleichberechtigt neben dem Erfordernis der fachlichen Qualifikation, sodass gravierende Defizite an der persönlichen Integrität, die zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn führen müssen, nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2018 - 2 WD 10.18 - Rn. 44).

76

Ebenso wenig können mildernde Umstände in der Begehung der Taten nach den Anschuldigungspunkten 2 und 3 ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen.

77

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 139 Abs. 1 Satz 2, Halbs. 1 WDO, § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO, da keine Gründe vorliegen, die es unbillig erscheinen ließen, den früheren Soldaten seine notwendigen Auslagen tragen zu lassen.