Entscheidungsdatum: 19.11.2015
Der Anspruch auf finanzielle Abgeltung des bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Anspruch genommenen Mindestjahresurlaubs aus Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG (juris: EGRL 88/2003) ist bei Beamten auf den Zeitpunkt des Ruhestandseintritts zu beziehen. Dies gilt auch für Beamte, die in Altersteilzeit nach dem Blockmodell beschäftigt sind.
Der Rechtsstreit betrifft die finanzielle Abgeltung krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs bei einer Altersteilzeitbeschäftigung im Blockmodell.
Der 1948 geborene Kläger stand als Amtsinspektor (Besoldungsgruppe A 9 Z LBesO) im Dienst des Beklagten. Ihm war auf seinen Antrag hin Altersteilzeit in Form der Blockbildung bewilligt worden. Die Dienstleistungsphase war (zuletzt) bis zum 30. September 2007, die daran anschließende Freistellungsphase bis zum 30. September 2011 festgesetzt. Seit dem 9. März 2006 ist der Kläger dienstunfähig erkrankt, mit Ablauf des Monats September 2011 ist er in den Ruhestand versetzt worden.
Den im Oktober 2009 gestellten Antrag auf finanzielle Abgeltung seines krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs der Jahre 2006 und 2007 lehnte der Beklagte ab. Nach der Landesurlaubsverordnung verfalle Urlaub, der nicht bis zum 30. September des Folgejahres genommen worden sei. Im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts habe dem Kläger daher kein Urlaubsanspruch mehr zugestanden, der finanziell abzugelten sei.
Die hiergegen gerichtete Klage ist erstinstanzlich erfolglos geblieben. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, dem Kläger für 35 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2006 und 2007 eine finanzielle Abgeltung zu gewähren. Zwar sei der Urlaubsanspruch des Klägers im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts verfallen gewesen. Maßgeblich für den Anspruch auf finanzielle Abgeltung nicht in Anspruch genommenen Urlaubs sei aber der Eintritt in die Freistellungsphase. Ab diesem Zeitpunkt könne der Urlaub in tatsächlicher Hinsicht nicht mehr genommen werden.
Mit der Revision wendet sich der Beklagte gegen dieses Verständnis des unionsrechtlichen Abgeltungsanspruchs und beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. August 2014 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 24. Januar 2014 zurückzuweisen.
Der Kläger hält die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Bezugnahme auf den Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt die Auffassung des Beklagten.
Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt revisibles Recht. Der Anspruch auf finanzielle Abgeltung des bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Anspruch genommenen Mindestjahresurlaubs aus Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299 S. 9) ist bei Beamten auf den Zeitpunkt des Ruhestandseintritts zu beziehen. Dies gilt auch für Beamte, die in Altersteilzeit nach dem Blockmodell beschäftigt sind.
1. Nach der Rechtsprechung des zur verbindlichen Auslegung von Unionsrecht berufenen Gerichtshofs der Europäischen Union (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV) folgt unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung des bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Anspruch genommenen Mindestjahresurlaubs (stRspr, vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - C-118/13, Bollacke - EuZW 2014, 590 Rn. 23). Geregelt ist dabei nur der unionsrechtliche Urlaubsanspruch von vier Wochen (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - C-337/10, Neidel - NVwZ 2012, 688 Rn. 36; BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Mai 2014 - 2 BvR 324/14 - NVwZ 2014, 1160 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 - Buchholz 232.3 § 1 EUrlV Nr. 1 Rn. 18).
Dieser Anspruch gilt personell auch für Beamte. Der Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2003/88/EG hat eine eigenständige unionsrechtliche Bedeutung (stRspr, vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenol - juris Rn. 25); er umfasst grundsätzlich auch Beamte (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - C-337/10, Neidel - NVwZ 2012, 688 Rn. 19 ff.; ebenso BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 - Buchholz 232.3 § 1 EUrlV Nr. 1 Rn. 11).
2. Der Abgeltungsanspruch knüpft sachlich an den im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestehenden Urlaubsanspruch an.
a) Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür ist bei Beamten der Ruhestandseintritt.
Durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand endet zwar nicht das auf Lebenszeit (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) angelegte Beamtenverhältnis (missverständlich insoweit die Formulierung in § 21 Nr. 4 BeamtStG sowie hieran anknüpfend EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - C-337/10, Neidel - NVwZ 2012, 688 Rn. 31). Beendet wird aber das aktive Beamtenverhältnis, sodass das Rechtsverhältnis zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn eine andere Gestalt erhält (vgl. Summer, in: Fürst (Hrsg.), GKÖD, Stand: November 2015, L § 30 BBG Rn. 9; Plog/Wiedow, BBG, Stand: Oktober 2015, § 30 Rn. 7).
Der Ruhestandsbeamte (vgl. § 41 Satz 1 und § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG) hat keine Dienstleistungspflichten zu erfüllen und kann daher keinen Erholungsurlaub mehr nehmen. Er erhält auch keine Dienstbezüge, die Alimentation wird vielmehr auf Versorgungsbezüge umgestellt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG RP, der ebenfalls auf das Beamtenverhältnis Bezug nimmt). Diese Zäsur rechtfertigt die Annahme der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" im Sinne des Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - C-337/10, Neidel - NVwZ 2012, 688 Rn. 32; BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 - Buchholz 232.3 § 1 EUrlV Nr. 1 Rn. 12 und vom 30. April 2014 - 2 A 8.13 - Buchholz 232.3 § 1 EUrlV Nr. 2 Rn. 14).
b) Dies gilt auch für Beamte, die in Altersteilzeit in Form der Blockbildung beschäftigt sind (vgl. zur entsprechenden Rechtslage für Tarifbeschäftigte BAG, Urteile vom 15. März 2005 - 9 AZR 143/04 - BAGE 114, 89 Rn. 24 und vom 16. Oktober 2012 - 9 AZR 234/11 - NZA 2013, 575 Rn. 19).
Mit dem Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit kann ein Urlaubsanspruch zwar in tatsächlicher Hinsicht regelmäßig nicht mehr realisiert werden. Dieser Umstand rechtfertigt aber nicht die Annahme einer "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG (a.A. VGH Kassel, Urteil vom 26. September 2012 - 1 A 161/12 - juris Rn. 34).
Gegen eine derartige Interpretation spricht bereits, dass ein Beamter in der Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht nur im Beamtenverhältnis verbleibt, sondern weiterhin im Status des aktiven Beamten steht. Dementsprechend bleibt der Dienstherr zur Besoldung nach den Grundsätzen des aktiven Dienstes verpflichtet. Auch im Übrigen gilt während der Freistellungsphase das Rechtsregime des aktiven Beamtenverhältnisses, etwa im Hinblick auf die Zulässigkeit von Nebentätigkeiten, das Beihilfenrecht oder die Disziplinargewalt des Dienstherrn. In - maßgeblicher - rechtlicher Hinsicht ist daher weder das Beamtenverhältnis aufgelöst noch der Status als aktiver Beamter beendet.
Anknüpfungspunkte für die "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" bestehen damit nicht. Die Altersteilzeit im Blockmodell stellt vielmehr eine besondere Form der Teilzeitbeschäftigung dar, die dadurch geprägt ist, dass der Beamte in der Dienstleistungsphase eine über seiner Teilzeitquote liegende Dienstleistung erbringt und dafür im Gegenzug von der entsprechenden Verpflichtung in der Freistellungsphase entbunden wird (vgl. § 80b Abs. 3 LBG RP in der Fassung vom 27. Juni 2002, GVBl. S. 301). Durch die saldierende Betrachtung des Gesamtzeitraums der Altersteilzeit wird die in der Arbeitsphase erbrachte Dienstleistung in die Freistellungsphase übertragen und dort "fingiert". Das Konzept beruht auf der Annahme einer auch in der Freistellungsphase unterstellten Dienstleistung. Damit ist die Vorstellung eines bereits beendeten Arbeitsverhältnisses nicht vereinbar.
Auch in tatsächlicher Hinsicht ist durch den Beginn der Freistellungsphase aber noch nicht ausgeschlossen, dass der Beamte einen verbliebenen Urlaubsanspruch realisieren kann. Ebenso wie bei anderen Teilzeitbeschäftigungen im Blockmodell (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2008 - 2 C 15.07 - Buchholz 237.7 § 78b NWLBG Nr. 2 Rn. 19 für das sog. Sabbatjahrmodell) steht auch den in Altersteilzeitbeschäftigung tätigen Beamten bei wesentlichen Änderungen der Sachlage ein Anspruch auf Änderung des Teilzeitbeschäftigungsverhältnisses zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 2015 - 2 B 69.14 - ZBR 2015, 315 Rn. 8). Dementsprechend ist auch im Fall des Klägers die Ausgestaltung seiner Altersteilzeitbeschäftigung nachträglich geändert worden. Dabei kann es durchaus zu einer Rückkehr des Beamten zur Vollzeitbeschäftigung kommen - etwa wenn der Beamte aufgrund einer nachträglich eingetretenen Verschlechterung seiner finanziellen Verhältnisse auf die volle Alimentation angewiesen ist. Die Inanspruchnahme noch bestehenden Urlaubs ist folglich auch in tatsächlicher Hinsicht u.U. noch möglich.
c) Der vom Kläger angeregten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es nicht.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat bereits ausgesprochen, dass Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG dahin auszulegen ist, dass "ein Beamter bei Eintritt in den Ruhestand" Anspruch auf eine finanzielle Vergütung seines nicht genommenen Mindestjahresurlaubs hat (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - C-337/10, Neidel - NVwZ 2012, 688 Rn. 32). Damit ist geklärt, dass Bezugspunkt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Falle von Beamten der Eintritt in den Ruhestand ist.
Anhaltspunkte dafür, dass im Falle der Altersteilzeitbeschäftigung im Blockmodell anderes gelten könnte, liegen nicht vor. Vielmehr hat der Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt, dass spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, nicht in Anspruch genommener Urlaub verfällt. Die Entscheidung betraf gerade eine Konstellation, bei der der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugs- und Übertragungszeitraums dienstunfähig war (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10, KHS - Slg. 2011, I-11757 Rn. 30 ff., 41). Die hierfür maßgebende Erwägung, dass der Zweck des Urlaubsanspruchs dann nicht mehr vollständig erreicht werden kann, gilt auch für Beamte, die Altersteilzeit im Blockmodell gewählt haben.
Auch aus Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG folgt kein Recht auf ein unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub. Der Zweck der Urlaubsgewährung rechtfertigt vielmehr eine Begrenzung des maximalen Übertragungszeitraums auf 18 Monate (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Mai 2014 - 2 BvR 324/14 - NVwZ 2014, 1160 Rn. 12). Die Verlängerung des Übertragungszeitraums für in Altersteilzeit beschäftigte Beamte zöge im Übrigen eine Besserstellung gegenüber Beamten in Vollzeitbeschäftigung nach sich, für die ein entsprechender Urlaubsverfall auch im Krankheitsfall eintritt.
3. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Ruhestandseintritts stand dem Kläger kein Urlaubsanspruch mehr zu, der finanziell hätte abgegolten werden können.
Erholungsurlaub wird jahresbezogen gewährt (vgl. § 44 BeamtStG) und ist grundsätzlich innerhalb des Urlaubsjahres in Anspruch zu nehmen. Dies folgt einerseits aus dem Zweck des Erholungsurlaubs, dem Beamten Zeit zur Erholung und zur privaten Freizeitgestaltung zu geben; andererseits aus den Folgen einer Ansammlung von Urlaubsansprüchen für die Arbeitsorganisation des Dienstherrn. Regelmäßig sind in den jeweiligen Erholungsurlaubsverordnungen Übertragungszeiträume vorgesehen, innerhalb derer Urlaub in Anspruch genommen werden kann. Für die hier streitgegenständlichen Urlaubsjahre 2006 und 2007 sah § 11 Abs. 1 Satz 2 der Urlaubsverordnung Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 16. April 2002 (GVBl. S. 172) eine Übertragbarkeit von Urlaubsansprüchen bis zum 30. September des Folgejahres vor.
Derartige Verfall- oder Übertragungsregelungen sind grundsätzlich mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG vereinbar. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss die Dauer des Übertragungszeitraums die Dauer des Bezugszeitraums der Urlaubsgewährung überschreiten (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - C-337/10, Neidel - NVwZ 2012, 688 Rn. 41 f.). Die Neunmonats-Regelung der Landesurlaubsverordnung genügt diesen Vorgaben nicht. Fehlen mitgliedstaatliche Regelungen oder entsprechen diese nicht den geschilderten Vorgaben, verfällt der unionsrechtliche Urlaubsanspruch jedenfalls 18 Monate nach dem Ende des jeweiligen Urlaubsjahres (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10, KHS - Slg. 2011, I-11757 Rn. 41; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 - Buchholz 232.3 § 1 EUrlV Nr. 1 Rn. 22).
Vorliegend ist der Urlaubsanspruch des Klägers daher spätestens am 30. Juni 2009 verfallen. Im Zeitpunkt seiner Versetzung in den Ruhestand zum 1. Oktober 2011 stand ihm kein Urlaub mehr zu. Es fehlt damit das materielle Substrat für einen finanziellen Abgeltungsanspruch (BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 95.13 - juris Rn. 6).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.