Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 25.10.2011


BVerwG 25.10.2011 - 1 WB 36/11

Besondere Auslandsverwendung; Repatriierung; Anhörung der Vertrauensperson; keine Erweiterung der Beteiligungsrechte


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
1. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
25.10.2011
Aktenzeichen:
1 WB 36/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die Anhörungsrechte der Vertrauenspersonen der Soldaten zu Personalmaßnahmen können nicht über die gesetzlichen Regelungen des Soldatenbeteiligungsgesetzes hinaus - etwa durch Verwaltungsvorschriften oder durch Selbstbindung einer Dienststelle der Bundeswehr - erweitert werden (Anschluss an Beschluss vom 11. Dezember 1991 - BVerwG 6 P 5.91 - Buchholz 250 § 47 BPersVG Nr. 7; Aufgabe der Rechtsprechung im Beschluss vom 1. Februar 2011 - BVerwG 1 WB 6.10 -).

Tatbestand

Der Antragsteller, ein Oberstleutnant der Reserve, wurde wegen des Verdachts, ein Dienstvergehen begangen zu haben, durch Entscheidung des Kommandeurs eines deutschen Einsatzkontingents von seinem Einsatz in einer besonderen Auslandsverwendung abgelöst ("repatriiert"). Im Beschwerdeverfahren machte er unter anderem geltend, die zuständige Vertrauensperson sei nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

...

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Die Entscheidung des Kommandeurs des 21. Deutschen Einsatzkontingents ISAF vom 18. Dezember 2009, die besondere Auslandsverwendung des Antragstellers vorzeitig mit sofortiger Wirkung zu beenden, stellt eine truppendienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 WBO dar, die der Überprüfung durch die Wehrdienstgerichte - hier durch das Bundesverwaltungsgericht (§ 22 WBO i.V.m. § 21 Abs. 1 WBO) - unterliegt. Diese Maßnahme ("Repatriierung") ist mit der tatsächlichen Rückführung des Antragstellers nach Deutschland am 23. Dezember 2009 vollzogen worden und hat sich anschließend erledigt. Eine Repatriierungsentscheidung erledigt sich in der Regel in dem Zeitpunkt, zu dem die Kommandierung des betroffenen Soldaten zu einem deutschen Einsatzkontingent planmäßig enden sollte, weil damit die vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes gegenstandslos wird (grundlegend: Beschluss vom 12. August 2008 - BVerwG 1 WB 35.07 - BVerwGE 132, 1 = Buchholz 450.1 § 19 WBO Nr. 2, Rn. 32 = NZWehrr 2009, 69). Wenn der betroffene Soldat zu diesem Zeitpunkt nicht mehr den Status eines aktiven Soldaten innehat und daher die Grundlage für die (Fortsetzung der) Kommandierung entfällt, tritt die Erledigung bereits vor Ablauf des ursprünglich festgesetzten Kommandierungszeitraums im Zeitpunkt der Entlassung ein (vgl. dazu Beschluss vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 38.07 -). Der Antragsteller ist zum 15. Januar 2010 aus dem Wehrdienst entlassen worden.

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Bei dieser Konstellation können die Rügen eines Soldaten gegen eine Repatriierungsentscheidung des Kontingentführers nicht mehr mit einem Anfechtungs- und Aufhebungsantrag, sondern nur noch mit dem Feststellungsantrag weiter verfolgt werden, dass die Entscheidung über die vorzeitige Beendigung der besonderen Auslandsverwendung rechtswidrig war (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 27. November 2007 - BVerwG 1 WB 31.07 - Rn. 16 ff).

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Die Repatriierungsentscheidung des Kontingentführers weist keine formellen Fehler auf. (wird ausgeführt)

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Der Umstand, dass die für die Offiziere zuständige Vertrauensperson vor der Entscheidung des Kontingentführers nicht förmlich angehört worden ist, hat keine Rechte des Antragstellers verletzt.

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Nach der Rechtsprechung des Senats folgt aus dem Soldatenbeteiligungsgesetz im Falle der vorzeitigen Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung kein Anspruch auf Anhörung der Vertrauensperson. Insbesondere ergibt sich aus § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SBG keine derartige Anhörungspflicht. Denn die vorzeitige Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung stellt keine (Rück-)Kommandierung eines Soldaten dar. Auch die analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SBG auf den Fall der vorzeitigen Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung ist ausgeschlossen (vgl. im Einzelnen: Beschluss vom 1. Februar 2011 - BVerwG 1 WB 6.10 - DokBer B 2011, 183, Rn. 42 bis Rn. 45).

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In seiner vorgenannten Entscheidung vom 1. Februar 2011 hat der Senat allerdings ausgesprochen, dass das Einsatzführungskommando der Bundeswehr sich in der Handakte durch ständige Verwaltungspraxis dahin habe festlegen dürfen, die Anhörung der Vertrauensperson als antragsabhängige Verfahrensgarantie zu Gunsten des betroffenen Soldaten zu regeln; es sei insoweit vor der Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung zu einer rügefähigen Anhörung der Vertrauensperson verpflichtet.

45

An dieser Rechtsprechung hält der Senat unter Berücksichtigung des Beschlusses des 6. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 1991 - BVerwG 6 P 5.91 - (Buchholz 250 § 47 BPersVG Nr. 7) nicht mehr fest. Der 6. Revisionssenat hat entschieden, dass die Beteiligung des Personalrats durch den Dienststellenleiter bei personellen Maßnahmen über die gesetzliche Regelung hinaus nicht zu einer gerichtlich zu beachtenden Erweiterung der Rechte des Personalrats führe. Zur Begründung hat der 6. Revisionssenat hervorgehoben, dass die Beteiligungsrechte der Personalvertretungen gesetzlich abschließend geregelt seien; beteilige ein Dienststellenleiter Personalvertretungen über den gesetzlichen Rahmen hinaus, so werde dadurch kein formelles Verfahren ausgelöst, in dessen Rahmen Personalvertretungen einen Anspruch auf Beteiligung hätten. Bei einer derartigen gesetzlich nicht vorgesehenen Beteiligung könne es sich nur im Informationen oder Konsultationen handeln. Eine außergesetzliche Erweiterung der Beteiligungsrechte sei auch nicht im Rahmen einer Selbstbindung der Verwaltung möglich. Ein betroffener Antragsteller könne insoweit keine Verletzung von Mitwirkungsrechten geltend machen. Diese Rechtsauffassung des 6. Revisionssenats, die er nicht aufgegeben hat, wird in der aktuellen personalvertretungsrechtlichen Literatur geteilt (vgl. z.B. Rehak in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, Stand: August 2011, Vorbemerkungen zu §§ 75 bis 81, Rn. 2, § 75 Rn. 2, § 76 Rn. 4; Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 11. Auflage 2008, § 75 Rn. 1 m.w.N.). Sie ist gem. § 48 SBG ebenso für die Personalvertretungen zu beachten, die in den personalratsfähigen Dienststellen und Einrichtungen der Bundeswehr zu wählen sind. Der Rechtsauffassung des 6. Revisionssenats schließt sich der beschließende Senat auch für den Bereich der Beteiligungsrechte der Vertrauensperson an.

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Dafür ist maßgeblich, dass der Katalog der Beteiligungsrechte der Vertrauensperson bei Personalmaßnahmen in § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG abschließend geregelt ist. Das hat der Senat im Einzelnen in seinem Beschluss vom 1. Februar 2011 (a.a.O.) ausgeführt. Die Konzentration der Beteiligungstatbestände in § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG auf die nur dort bestimmten Personalmaßnahmen entsprach im Übrigen einer ausdrücklichen Zielsetzung des Gesetzgebers (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Beteiligung der Soldaten und der Zivildienstleistenden vom 5. Juni 1990 ; vgl. auch Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, BPersVG, 7. Auflage 2011, § 23 SBG Rn. 1). Überdies ergibt sich aus § 20 SBG, dass die Vertrauensperson nur über beteiligungspflichtige beabsichtigte Maßnahmen und Entscheidungen zu unterrichten und dazu anzuhören ist. Damit hat der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass zum Zweck der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit - im Sinne eines Vorrangs des Gesetzes - die förmlichen und unter Berücksichtigung des § 23 Abs. 2 Satz 2 SBG einklagbaren Beteiligungspflichten allein im Gesetz geregelt und limitiert sein sollen. Das vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Nr. 808 der Handakte geregelte Verfahren über die Beteiligung der Vertrauensperson erweist sich vor diesem Hintergrund lediglich als eine nicht förmliche Konsultation der Vertrauensperson zu der beabsichtigten Repatriierung. Abweichungen von dem in Nr. 808 der Handakte geregelten Verfahren können insofern vom Antragsteller nicht als Ermessensfehler im Rahmen der ihm zustehenden geschützten Rechte geltend gemacht werden.