Entscheidungsdatum: 20.09.2016
Die Vorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach die Klage als zurückgenommen gilt, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt, ist auf Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach der Wehrbeschwerdeordnung entsprechend anwendbar.
Der ... geborene Antragsteller war Soldat auf Zeit. Seine Dienstzeit war bei einer Verpflichtungsdauer von 13 Jahren zuletzt auf zwei Jahre und sieben Monate, endend mit dem ..., festgesetzt. Mit Bescheid des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 14. Januar 2014 wurde der Antragsteller mit Ablauf des 28. Februar 2014 gemäß § 55 Abs. 4 Satz 2 SG wegen mangelnder Eignung aus dem Dienstverhältnis entlassen.
Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 27. August 2013 und 2. Oktober 2013 den Wechsel von der für ihn vorgesehenen Verwendungsreihe ... . in die Verwendungsreihe 61 (Stabsdienst) oder 63 (Materialbewirtschaftung) der Marine. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2013 erhob er Untätigkeitsbeschwerde, weil über seine Anträge auf Wechsel der Verwendungsreihe noch nicht entschieden worden sei. Mit Bescheid vom 11. Februar 2014 wies das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - die Beschwerde zurück und lehnte die Anträge ab.
Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 28. Februar 2014 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat den Antrag zusammen mit seiner Stellungnahme vom 17. Juni 2014 dem Senat vorgelegt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 16. Januar 2015 - 1 WB 25.14 - das Verfahren bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung in den vom Antragsteller gegen seine Entlassung aus dem Dienstverhältnis und gegen die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens des Laufbahnlehrgangs betriebenen Rechtsbehelfsverfahren ausgesetzt.
Mit Schreiben vom 16. März 2016 teilte das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - mit, dass der Antragsteller aufgrund eines Beschlusses des Truppendienstgerichts Nord vom 3. Dezember 2015 - N 1 ... - unter dem 18. Januar 2016 ein geändertes Lehrgangszeugnis erhalten habe, das bestandskräftig geworden sei; auch nach der Änderung habe der Antragsteller den erforderlichen fachlichen Laufbahnlehrgang endgültig nicht bestanden. Mit Schreiben vom 31. Mai 2016 teilte das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - ferner mit, dass der Antragsteller gegen den Beschwerdebescheid vom 21. März 2016, mit dem seine Beschwerde gegen seine Entlassung aus dem Dienstverhältnis zurückgewiesen wurde, keine Klage erhoben hat.
Der Senat hat daraufhin am 2. Juni 2016 das vorliegende Wehrbeschwerdeverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 17.16 wieder aufgenommen.
Mit Verfügung vom 20. Juni 2016, zugestellt am 22. Juni 2016, wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass der anhängige Rechtsstreit um einen Wechsel der Verwendungsreihe im Hinblick darauf, dass ein aktives Wehrdienstverhältnis nicht mehr bestehe, bedeutungslos geworden sei. Der Antragsteller wurde um eine Stellungnahme und ggf. um eine verfahrensbeendende Erklärung gebeten.
Mit weiterer Verfügung vom 15. Juli 2016, zugestellt am 19. Juli 2016, wurde der Antragsteller an die Erledigung der Verfügung vom 20. Juni 2016 erinnert. Er wurde ferner darauf hingewiesen, dass sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren nach Zugang dieser Aufforderung länger als zwei Monate nicht betreibe. Bis zum 19. September 2016 ist keine Reaktion des Antragstellers erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gilt gemäß § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 92 Abs. 2 VwGO als zurückgenommen. Das Verfahren wird eingestellt (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 92 Abs. 3 VwGO). Der Senat entscheidet hierbei - wie generell bei Entscheidungen über die Einstellung des Verfahrens (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 1 WB 35.12 - Buchholz 450.1 § 20 WBO Nr. 4 Rn. 12 ff.) - in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter.
1. Nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Diese Vorschrift ist auf Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach der Wehrbeschwerdeordnung (§ 17 Abs. 1, § 21 Abs. 1, § 22 WBO) entsprechend anwendbar.
Gemäß § 23a Abs. 2 WBO sind in den gerichtlichen Antragsverfahren - ergänzend zu den Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung - die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Eigenart des Beschwerdeverfahrens entgegensteht.
Das gerichtliche Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung ist - anders als das Klageverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung - als reines Antragsverfahren und nicht als kontradiktorischer Parteiprozess ausgestaltet (vgl. hierzu bereits BDH, Beschluss vom 17. Juli 1961 - WB 9.61 - BDHE 6, 185 <187>; ferner BVerwG, Beschluss vom 24. September 1969 - 1 WB 35.68 - BVerwGE 33, 337 <338> sowie zuletzt insb. Beschlüsse vom 21. Juli 2009 - 1 WB 18.08 - BVerwGE 134, 228 Rn. 20 und vom 9. Februar 2011 - 1 WB 59.10 - BVerwGE 139, 11 Rn. 7 f.). Einziger formeller Verfahrensbeteiligter ist nach der gesetzlichen Konstruktion der Beschwerdeführer bzw. Antragsteller. Die Wehrbeschwerdeordnung sieht dagegen nicht die Beteiligtenstellung eines Beschwerde- bzw. Antragsgegners oder eines Beklagten im Sinne von § 63 Nr. 2 VwGO vor (zur Zulassung der notwendigen Beiladung in Konkurrentenstreitigkeiten um höherwertige militärische Dienstposten vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2011 - 1 WB 59.10 - BVerwGE 139, 11 Rn. 10 ff., 16 ff.). Im Hinblick darauf, dass die Wehrbeschwerdeordnung das gerichtliche Verfahren nur in groben Zügen regelt, hat der Senat daher zwar seit jeher einzelne Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung - insbesondere soweit solche Ausdruck allgemeiner öffentlich-rechtlicher Prozessgrundsätze sind - ergänzend herangezogen; er hat jedoch zugleich die Anwendung aller Vorschriften für ausgeschlossen gehalten, die verfahrensrechtlich an die Rechtsnatur des Parteiprozesses anknüpfen.
Die Vorschrift des § 92 Abs. 2 VwGO basiert auf der Prozessvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses bzw. Rechtsschutzinteresses. Sie knüpft die Fiktion der Klagerücknahme an die sich aus dem passiven Verhalten des Klägers ergebende - durch "Betreiben" des Verfahrens widerlegbare - Vermutung, sein Interesse an der Aufrechterhaltung der Klage sei entfallen (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 92 Rn. 13; Decker, BayVBl. 1997, 673 <674>). § 92 Abs. 2 VwGO eröffnet die Möglichkeit, die Untätigkeit des Klägers zu sanktionieren, wenn dieser sich - insbesondere auch mit Blick auf die knappen Ressourcen der Justizgewährung - nicht zu einer gemessen an Art. 19 Abs. 4 GG zumutbaren Mitwirkung an dem von ihm angestrengten Verfahren bewegen lässt (zur Verfassungsmäßigkeit siehe BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. September 2012 - 1 BvR 2254/11 - BVerfGK 20, 43 Rn. 28; ebenso zur ähnlichen Regelung des § 33 Satz 1 AsylVfG a.F. BVerfG
2. Die Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 VwGO liegen hier vor.
a) Der Antragsteller hat das Verfahren von Beginn an nicht betrieben.
Bereits sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 28. Februar 2014 besteht lediglich aus der (formal ausreichenden) Erklärung, dass er die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantrage, mit dem einzigen Zusatz: "Die Begründung folgt". Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antragsteller - vor der Vorlage des Antrags an den Senat (§ 21 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 WBO) - mit Schreiben vom 26. März 2014 und 13. Mai 2014 an die von ihm angekündigte Antragsbegründung erinnert; der Antragsteller hat darauf nicht geantwortet. Ebenfalls ohne jede Reaktion des Antragstellers blieben die Erstzustellung (am 2. Juli 2014) durch den Senat (mit der Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung vom 17. Juni 2014) sowie die Anhörung des Antragstellers zur Aussetzung des Verfahrens (Zustellung am 23. Dezember 2014). Der Beschluss vom 16. Januar 2015 - 1 WB 25.14 - über die Aussetzung des Verfahrens wurde dem Antragsteller nach zwei erfolglosen Zustellversuchen (am 3. Februar und 20. Februar 2015) durch einen Beamten der Polizeistation ... am 9. April 2015 persönlich ausgehändigt. Keine Äußerung des Antragstellers erfolgte ferner auf die am 22. Juni 2016 zugestellte Mitteilung der Wiederaufnahme des Verfahrens, mit dem ihm zugleich in einem Hinweisschreiben vom 20. Juni 2016 die prozessuale Lage erläutert und er um eine Erklärung zur Beendigung (oder ggf. zum Fortgang) des Verfahrens gebeten wurde.
Da sämtliche Zustellungen (mit Ausnahme der genannten persönlichen Aushändigung) durch Niederlegung in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten erfolgten, hat sich das Gericht zusätzlich mehrfach durch Auskünfte der Stadt ... (vom 16. Februar, 26. Februar, 19. März und 26. März 2015 sowie vom 14. Juli 2016) vergewissert, dass der Antragsteller seine Wohnung unter der Adresse hat, unter der der Schriftverkehr geführt wurde.
Im Ergebnis hat der Antragsteller also mit Ausnahme der einleitenden prozessualen Antragstellung vom 28. Februar 2014 keine einzige Erklärung zur Sache oder zum Verfahren abgegeben und weder seinen Antrag begründet noch irgendeine Anfrage erledigt.
b) Mit Verfügung vom 15. Juli 2016, zugestellt am 19. Juli 2016, wurde der Antragsteller aufgefordert, das Hinweisschreiben vom 20. Juni 2016 umgehend zu beantworten oder das Verfahren auf sonstige Weise zu betreiben. Der Antragsteller wurde dabei darüber belehrt, dass sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung als zurückgenommen gilt, wenn er das Verfahren nach Zugang dieser Aufforderung länger als zwei Monate nicht betreibt. Außerdem wurden ihm die weiteren Rechtsfolgen (Einstellung des Verfahrens, Kostenfolgen) erläutert.
c) Bis zum Ablauf der Zweimonatsfrist am 19. September 2016 ist keine Reaktion des Antragstellers erfolgt.
3. Durch Beschluss war daher festzustellen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als zurückgenommen gilt (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 92 Abs. 2 Satz 4 VwGO). Als Folge dieser Feststellung war das Verfahren einzustellen (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Kosten des ohnehin gerichtsgebührenfreien (§ 20 Abs. 4 WBO i.V.m. § 137 Abs. 1 WDO) Verfahrens werden dem Antragsteller - ebenso wie bei einer erklärten Antragsrücknahme - nicht auferlegt, weil dies in der insoweit abschließenden Kostenvorschrift des § 20 WBO nicht vorgesehen ist.