Entscheidungsdatum: 17.09.2012
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 16. Dezember 2010 - 5 A 1349/07 - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juni 2011 - 3 L 44/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil und der Beschluss werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Greifswald zurückverwiesen.
Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Juli 2011 - 3 L 44/11 - gegenstandslos.
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Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung eines Antrags auf Fortsetzung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, nachdem dieses wegen Nichtbetreibens durch den Kläger mit einem Beschluss gemäß § 92 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 VwGO eingestellt worden ist.
I.
1. a) Der Beschwerdeführer erwarb im Jahr 1992 von der Bundesrepublik Deutschland das Eigentum an einem Grundstück auf der Insel H … . Zuvor war das Grundstück durch einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur abgemarkt worden.
Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Veräußerung eines an das Grundstück des Beschwerdeführers angrenzenden Grundstücks führte der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur U., der Beklagte des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagter), Vermessungen zur Bestimmung der Flurstücksgrenze durch. Diese ergaben eine Grenzfeststellung, die nach Auffassung des Beschwerdeführers nicht mit derjenigen von 1992, durch einen Grenzstein dokumentierten, übereinstimmt.
Gegen die Grenzfeststellung erhob der Beschwerdeführer Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2007 zurückwies. Die im Grenzfeststellungs- und Abmarkungsverfahren bekannt gegebenen Vermessungsergebnisse seien rechtmäßig erlassen, weil ein Vergleich der Ist-Lage der vorgefundenen und wiederhergestellten Abmarkungen der Grenzpunkte Übereinstimmung mit der Soll-Lage des Katasternachweises ergeben habe und weil der vom Beschwerdeführer angezeigte Granitgrenzstein in seiner Lage tatsächlich nicht mit dem Katasternachweis übereinstimme und keine unterirdische Vermarkung habe.
b) Der Beschwerdeführer erhob beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Entscheidungen des Beklagten und begründete diese im Wesentlichen damit, die im Jahr 1992 festgestellte Grenze sei bindend. In einem Schriftsatz vom 16. Juni 2008 benannte er unter anderem seinen Vater als Zeugen für seine Behauptung, der strittige Grenzstein sei der 1992 gesetzte. Hierauf erwiderte der Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Juli 2008; er legte dar, weshalb es sich bei dem strittigen Grenzstein nicht um den 1992 gesetzten handeln könne. Bitten des Verwaltungsgerichts an den Beschwerdeführer um Stellungnahme hierzu blieben unbeantwortet. Daraufhin erließ das Verwaltungsgericht eine Betreibensaufforderung nach § 92 Abs. 2 VwGO, die dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 16. Januar 2009 zugestellt wurde. Am 16. März 2009 übermittelte der Prozessbevollmächtigte einen Schriftsatz, in der zur Betreibensaufforderung wie folgt Stellung genommen wurde:
"Der Kläger hat seine Klage begründet und hält daran fest.
Der Beklagte tritt der Klage entgegen.
Dessen ungeachtet regen wir namens des Klägers an, in der Sache eine gerichtsnahe Mediation durchzuführen.
Es hat sich zur Kenntnis des Unterzeichneten erwiesen, dass das Angebot u.a. des Verwaltungsgerichts Greifswald insoweit mitunter zu Erfolgen führt."
c) Mit Beschluss vom 18. März 2009 entschied das Verwaltungsgericht, dass die Klage als zurückgenommen gilt, und stellte das Verfahren ein. Die Klage gelte nach § 92 Abs. 2 VwGO als zurückgenommen, da der Beschwerdeführer das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate seit Zustellung der Aufforderung nicht im Sinne dieser Aufforderung, wonach zum Vortrag des Beklagten vom 3. Juli 2008 Stellung genommen werden sollte, betrieben habe.
d) Mit Schreiben eines neu bestellten Prozessbevollmächtigten vom 3. Februar 2010 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, das Verfahren fortzusetzen.
2. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil vom 16. Dezember 2010 bestätigte das Verwaltungsgericht den Eintritt der Rücknahmefiktion nach § 92 Abs. 2 VwGO. Der Beschwerdeführer habe das Verfahren trotz Aufforderung mehr als zwei Monate nicht im Sinne der Verfügung betrieben.
Die Betreibensaufforderung habe am 14. Januar 2009 an den Beschwerdeführer ergehen dürfen. Im Zeitpunkt der Betreibensaufforderung hätten konkrete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Beschwerdeführers bestanden.
Innerhalb der zweimonatigen Betreibensfrist habe sich der Beschwerdeführer lediglich mit dem am 16. März 2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz geäußert. Ein Betreiben im Sinne des § 92 Abs. 2 VwGO bedeute dieser Schriftsatz nicht. Soweit der damalige Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 16. März 2009 mitgeteilt habe, dass der Beschwerdeführer an seiner Klage festhalte, habe diese Erklärung keinen substantiellen Aussagewert. Die gerichtliche Verfügung vom 14. Januar 2009 habe erkennbar darauf abgezielt, dass der Beschwerdeführer zu den vom Beklagten im Schreiben vom 3. Juli 2008 vorgebrachten verschiedenen Tatsachen, die den vom Beschwerdeführer als maßgeblich angesehenen Granitgrenzstein betroffen hätten, Stellung nehmen sollte. Hierzu enthalte der Schriftsatz vom 16. März 2009 aber keine Aussage. Vor dem prozessualen Hintergrund dieser Aufforderung könne der Schriftsatz letztlich nur als ein Nichtbetreiben gewertet werden.
3. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 1. Juni 2011 lehnte das Oberverwaltungsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil ab. Die Berufung sei nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zuzulassen.
Das Verwaltungsgericht habe an den Beschwerdeführer eine Betreibensaufforderung richten dürfen, denn im Zeitpunkt der Aufforderung am 5. Januar 2009 hätten sachlich begründete Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses bestanden. Da am 8. Juli 2008 eine sechswöchige Frist für die erbetene Stellungnahme gesetzt worden sei, an deren Erledigung durch Verfügungen vom 20. Oktober und 21. November 2008 erinnert worden sei, habe der Beschwerdeführer mit dem Unterlassen jeglicher Antwort über einen Zeitraum von circa sechs Monaten seit der Aufforderung zur Stellungnahme seine prozessuale Mitwirkungspflicht in einer Weise verletzt, die geeignet gewesen sei, die durch Stellungnahme des Beklagten zur Sache ausgelösten Zweifel an einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse zu verfestigen. Es sei nicht ersichtlich, warum es dem Beschwerdeführer in dem genannten Zeitraum nicht hätte möglich sein sollen, zu antworten. Zumindest aber habe von ihm eine Mitteilung erwartet werden können, aus welchen Gründen eine Antwort nicht möglich sei. Sein völliges Verschweigen habe deshalb den Rückschluss auf ein Desinteresse am weiteren Verfahren zugelassen.
Die weiteren Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO seien ebenfalls erfüllt gewesen. Um der Aufforderung zu entsprechen, hätte sich der Beschwerdeführer so substantiiert äußern müssen, dass Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses beseitigt worden wären und der äußere Anschein einer Vernachlässigung prozessualer Mitwirkungspflichten entfallen wäre. Der Anforderung an ein substantielles Vorbringen genüge es jedenfalls nicht, wenn ein Kläger auf eine konkrete Aufforderung hin lediglich mitteile, er wolle das Verfahren weiter betreiben. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer die erbetenen Verfahrenshandlungen auch deswegen nicht vorgenommen, weil das Gericht eine inhaltliche Stellungnahme zu dem Vortrag des Beklagten mit Schriftsatz vom 3. Juli 2008 erbeten gehabt habe. Die Erklärung vom 16. März 2009 habe für ein substantielles Betreiben umso weniger ausgereicht, als dem Antwortschreiben nicht zu entnehmen gewesen sei, welche Gründe den Beschwerdeführer gehindert haben sollten und noch hinderten, sich inhaltlich zu erklären.
4. Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers wies das Oberveraltungsgericht mit dem schließlich auch mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 20. Juli 2011 zurück.
II.
1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer im Wesentlichen eine Verletzung seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht seien zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 VwGO und zwar sowohl hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Betreibensaufforderung als auch hinsichtlich der Annahme des Nichtbetreibens vorgelegen hätten.
2. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens und das Land Mecklenburg-Vorpommern hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des gerichtlichen Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.
3. Der 4. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts äußert sich in seiner Stellungnahme dahingehend, dem Verwaltungsgericht dürfte die Einstellung des Verfahrens nach § 92 Abs. 2 VwGO verwehrt gewesen sein, nachdem der Beschwerdeführer deutlich gemacht habe, dass er an seiner Klage festhalte. Der Beschwerdeführer habe hier seine Klage substantiiert und unter Beweisantritt begründet. Sein Interesse an einer weiteren Rechtsverfolgung habe er hinreichend dargetan. Es sei Sache des Gerichts, das unterschiedliche Vorbringen der Beteiligten zu bewerten.
III.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme ist zur Durchsetzung eines in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechts des Beschwerdeführers angezeigt (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden, die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2010 und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. Juni 2011 verletzen die Garantie wirksamen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (dazu 1.). Ob sie darüber hinaus auch den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzen, kann offen bleiben (dazu 2.). Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts über die Anhörungsrüge gegenstandslos.
1. Das Verwaltungsgericht hat durch die Ablehnung des Antrags des Beschwerdeführers auf Fortsetzung des Verfahrens gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verstoßen; das Oberverwaltungsgericht durfte die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht bestätigen.
a) aa) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet den Rechtsweg im Rahmen der jeweiligen einfachgesetzlichen Prozessordnungen. Der Weg zu den Gerichten, insbesondere auch zur inhaltlichen Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung, darf von der Erfüllung und dem Fortbestand bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig gemacht werden (vgl. BVerfGE 9, 194 <199 f.>; 10, 264 <267 f.>; 27, 297 <310>; 35, 65 <72 f.>). Die dem Gesetzgeber obliegende normative Ausgestaltung des Rechtswegs muss aber das Ziel dieser Rechtsgewährleistung, nämlich den wirkungsvollen Rechtsschutz, auch tatsächlich verfolgen und ermöglichen (vgl. BVerfGE 110, 77 <85>). Sie muss im Hinblick darauf geeignet und angemessen sowie für den Rechtsuchenden zumutbar sein (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>). Der Zugang zu den Gerichten und zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen darf nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 78, 88 <99>; 110, 77 <85>; stRspr). Dieser Grundsatz gilt auch innerhalb des jeweils eingeleiteten Verfahrens selbst, soweit es darum geht, sich dort effektiv Gehör verschaffen zu können, und nicht nur für die Eröffnung des Zugangs zum Gericht selbst (BVerfGE 81, 123 <129>). Der gerichtlichen Durchsetzung des materiellen Anspruchs dürfen auch hier nicht unangemessen hohe verfahrensrechtliche Hindernisse in den Weg gelegt werden (BVerfGE 53, 115 <127 f.>).
bb) Im Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. BVerfGE 61, 126 <135>; 96, 27 <39 f.>; 110, 77 <85>). Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung; fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen.
Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens entfallen. Vom Wegfall eines ursprünglich gegebenen Rechtsschutzinteresses kann ein Gericht im Einzelfall auch dann ausgehen, wenn das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an einer Sachentscheidung mangels Sachbescheidungsinteresses nicht mehr gelegen ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Oktober 1998 - 2 BvR 2662/95 -, juris Rn. 17).
cc) Eine Regelung über eine Verfahrensbeendigung wegen unterstellten Wegfalls des Rechtsschutzinteresses ist grundsätzlich von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 1993 - 2 BvR 1972/92 -, NVwZ 1994, S. 62 <63>). Allerdings führt die Rücknahmefiktion des § 92 Abs. 2 VwGO zur Beendigung des Rechtsschutzverfahrens mit möglicherweise irreversiblen Folgen, insbesondere wenn behördliche Ausgangsentscheidungen dadurch in Bestandskraft erwachsen, ohne dass der Kläger dies durch ausdrückliche Erklärung in bewusster Entscheidung herbeigeführt hätte. Die Handhabung eines solch scharfen prozessualen Instruments muss daher im Lichte der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unter strikter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben erfolgen, verstanden als Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Kläger oder Antragsteller das von ihm eingeleitete Verfahren auch durchführen will. Namentlich darf § 92 Abs. 2 VwGO nicht als Sanktion für einen Verstoß gegen prozessuale Mitwirkungspflichten oder unkooperatives Verhalten eines Beteiligten gedeutet oder eingesetzt werden. Hierfür ist die Rücknahmefiktion nicht konzipiert. Sie soll vielmehr nur die Voraussetzungen für die Annahme eines weggefallenen Rechtsschutzinteresses festlegen und gesetzlich legitimieren (vgl. zu § 81 AsylVfG, auf den § 92 Abs. 2 VwGO zurückgeht [BTDrucks 13/3993, S. 12], BTDrucks 12/2062, S. 42: vereinfachte Beendigung eines Verfahrens, "an dessen Fortführung der Kläger erkennbar kein Interesse mehr hat"; ferner Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 92 Rn. 3 und 46 [Stand: Januar 2012], Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 92 Rn. 18).
Zwar gilt auch für die Rücknahmefiktion des § 92 Abs. 2 VwGO, dass nicht jede fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts einen Verfassungsverstoß darstellt. Angesichts der gravierenden, den Rechtsschutz jedenfalls im konkreten Verfahren ohne Sachprüfung abschneidenden Wirkung dieser Vorschrift gebietet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG jedoch eine strenge Prüfung der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung des § 92 Abs. 2 VwGO durch das Bundesverfassungsgericht. Insbesondere hat es zu kontrollieren, ob die von den Verwaltungsgerichten mit Rücksicht auf die Rechtsschutzgarantie herausgearbeiteten Anforderungen an eine zulässige Betreibensaufforderung nach § 92 Abs. 2 Satz 1 und 3 VwGO gewahrt und die Voraussetzungen für die Annahme eines Nichtbetreibens nicht verfehlt, insbesondere der Vorschrift hierbei keine falsche Zielrichtung gegeben wurden. Hiernach müssen zum einen zum Zeitpunkt der Betreibensaufforderung sachlich begründete Anhaltspunkte vorliegen, die den späteren Eintritt der Fiktion als gerechtfertigt erscheinen lassen. Solche Anhaltspunkte sind insbesondere dann gegeben, wenn der Kläger seine prozessualen Mitwirkungspflichten nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2000 - BVerwG 8 B 119.00 -, NVwZ 2000, S. 1297 <1298>; Beschluss vom 12. April 2001 - BVerwG 8 B 2.01 -, NVwZ 2001, S. 918; Beschluss vom 7. Juli 2005 - BVerwG 10 BN 1.05 -, juris Rn. 4). Zum anderen hat ein Kläger das Verfahren nur dann nicht mehr im Sinne von § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO betrieben, wenn er innerhalb der Zwei-Monatsfrist nicht substantiiert dargetan hat, dass und warum das Rechtsschutzbedürfnis trotz des Zweifels an seinem Fortbestehen, aus dem sich die Betreibensaufforderung ergeben hat, nicht entfallen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2005 - BVerwG 10 BN 1.05 -, juris Rn. 7).
b) Hieran gemessen ist die Auffassung der Ausgangsgerichte, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer Betreibensaufforderung gemäß § 92 Abs. 2 VwGO im Januar 2009 vorlagen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden
Im Schriftsatz vom 16. Juni 2008 führt der damalige Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers aus, dessen Vater sei bei der seinerzeitigen Abmarkung anwesend gewesen und habe mit eigenen Augen gesehen, wie Mitarbeiter des Vermessungsingenieurs hinsichtlich des strittigen Grenzpunkts einen Aushub von circa 1 Meter vorgenommen, dort eine Flasche hineingelegt und diese zerstoßen hätten. Die Scherben der damals zerstoßenen Flasche würden sich an Ort und Stelle finden lassen.
In seiner Erwiderung vom 3. Juli 2008 hierauf trägt der Beklagte im Wesentlichen vor, ein Zerstoßen der Flasche sei in der Niederschrift von 1992 nicht vermerkt und wäre aus fachlicher Hinsicht auch nicht nachvollziehbar. Im August 2007 sei in Anwesenheit des Beschwerdeführers der Granitgrenzstein freigelegt worden; eine Flasche als Unterlage sei nicht vorgefunden worden. Hiervon hätten sich die Beteiligten vor Ort durch Betrachtung des Loches überzeugen können. Es müsse davon ausgegangen werden, dass dieser Granitgrenzstein nicht identisch sei mit dem 1992 verhandelten Grenzpunkt.
Angesichts dessen, dass der Beklagte auch unter Hinweis auf einen Ortstermin, an dem der Beschwerdeführer selbst teilnahm, die Richtigkeit einer zentralen Behauptung im Vorbringen des Beschwerdeführers in Frage stellte, lag es nahe, dass der Beschwerdeführer sich zu den Ausführungen des Beklagten äußerte. Dass er sich hierzu trotz entsprechender Bitte des Verwaltungsgerichts vom 8. Juli 2008 und zweimaliger Erinnerung (vom 20. Oktober und 21. November 2008) hieran nicht veranlasst sah, durfte das Verwaltungsgericht zum Anlass nehmen, am Fortbestand des Rechtsschutzinteresses des Beschwerdeführers ernsthaft zu zweifeln.
c) Nicht mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar ist hingegen die Annahme, der Beschwerdeführer habe das Verfahren entgegen der darauf ergangenen Aufforderung des Verwaltungsgerichts nicht betrieben. Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht haben damit ein unangemessen hohes Hindernis bei der gerichtlichen Verfolgung des geltend gemachten Anspruchs errichtet.
Die Ausgangsgerichte haben sich bei ihren Ausführungen nicht vom Zweck des § 92 Abs. 2 VwGO leiten lassen. Dieser besteht nicht darin, den Kläger zu einer Substantiierung seines Klagebegehrens anzuhalten, sondern in der Klärung der aufgekommenen Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 1993 - 2 BvR 1972/92 -, NVwZ 1994, S. 62 <63>).
Dass der Beschwerdeführer an der Verfolgung seines Rechtsschutzziels festhalten wollte, ergibt sich eindeutig aus seinem Schriftsatz vom 16. März 2009. Die Motivation des Beschwerdeführers hierfür liegt auch auf der Hand, geht es ihm im Ausgangsverfahren doch um die Klärung der Größe seines Grundstücks, die nach den Feststellungen des Beklagten um circa 1.900 Quadratmeter kleiner sein soll als von ihm angenommen.
Der Beschwerdeführer war angesichts der Umstände des Falles nicht verpflichtet, über den Hinweis, dass er an seiner Klage festhalte, hinausgehende Ausführungen zu machen, um den Eintritt der Rücknahmefiktion zu verhindern. Der Beschwerdeführer hatte seine Klage bereits begründet und zum Beweis der von ihm vorgebrachten Tatsachenbehauptungen seinen Vater und den im Jahr 1992 tätig gewordenen Vermessungsingenieur als Zeugen angeboten. Der Beklagte hatte die Richtigkeit der tatsächlichen Behauptungen bestritten. In einer solchen Situation ist es Aufgabe des - im Übrigen zur Amtsermittlung verpflichteten - Verwaltungsgerichts, den Sachverhalt, soweit es ihn für entscheidungserheblich hält, durch eine Beweisaufnahme aufzuklären und danach zu entscheiden. Der Weg, aufgrund einer vorweggenommenen Beweiswürdigung auf einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers zu schließen und auf diese Weise das Verfahren ohne mündlichen Verhandlung und gegebenenfalls ohne Beweisaufnahme zu beendigen, ist dem Gericht hingegen verwehrt.
d) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Da die Verwaltungsgerichte bisher noch nicht in der Sache entschieden und auch den Sachverhalt, soweit entscheidungserheblich, nicht aufgeklärt haben, ist nicht erkennbar, dass die Entscheidung in der Sache mit Sicherheit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausfällt.
e) Das Urteil des Verwaltungsgerichts und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. Juni 2011 sind aufzuheben; der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 20. Juli 2011 wird dadurch gegenstandslos. Die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
2. Da das Verwaltungsgericht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert war, den Eintritt der Erledigungsfiktion anzunehmen, kommt es auf die Frage, ob die Ausgangsgerichte bei ihren Entscheidungen auch den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt haben, nicht mehr an.
3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts erfolgt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.