Entscheidungsdatum: 10.03.2011
1. Eine außergewöhnliche Härte als Voraussetzung für den Nachzug sonstiger Familienangehöriger nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (juris: AufenthG 2004) setzt grundsätzlich voraus, dass der im Bundesgebiet oder im Ausland lebende Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe angewiesen ist, und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann.
2. Die Erteilung eines Visums zum Zwecke der Adoption eines Kindes aus einem Staat, der dem Haager Adoptionsübereinkommen nicht beigetreten ist, richtet sich nach § 6 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (wie Urteil vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 1 C 16.09 -).
3. Wird zu diesem Zweck ein Einreisevisum beantragt, liegt ein "begründeter Fall" im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG grundsätzlich nur vor, wenn das im Adoptionsvermittlungsgesetz geregelte internationale Adoptionsvermittlungsverfahren vollständig durchgeführt worden ist und mit einer positiven Empfehlung der zuständigen Adoptionsvermittlungsstelle geendet hat (wie Urteil vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 1 C 16.09 -).
4. Ob sich aus dem Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ
Der Kläger erstrebt die Erteilung eines Visums, um in Deutschland ein Adoptionsverfahren durchführen zu können.
Der Kläger ist ein 1995 geborener marokkanischer Staatsangehöriger, der in Agadir lebt. Dort leben auch seine leiblichen Eltern. Ein deutsches Ehepaar marokkanischer Herkunft - der Ehemann ist der Onkel des Klägers - will den Kläger adoptieren. Dieses Ehepaar hat keine leiblichen Kinder. Die leiblichen Eltern willigten in Marokko in die Adoption ein. Dort wurde bereits im Dezember 2002 ein Pflegschaftsverhältnis (Kafala) zugunsten des in Deutschland lebenden Ehepaares begründet. Vor dem Amtsgericht Zweibrücken wurde 2005 ein Adoptionsverfahren eingeleitet. Zu seiner Durchführung hält das Amtsgericht die Anwesenheit des Klägers für erforderlich. Die Deutsche Botschaft in Rabat lehnte die Erteilung eines im September 2008 beantragten Visums zur Ausübung der Kafala und einem anschließenden Adoptionsverfahren mit Bescheid vom 19. März 2009 ab, weil die Adoptionsbedürftigkeit des Klägers nicht nachgewiesen sei. Demgegenüber hatte die Ausländerbehörde der beigeladenen Kreisverwaltung G. am 23. September 2008 der Erteilung eines Visums für die Dauer von drei Monaten an den Kläger unter Bezugnahme auf § 36 AufenthG vorab zugestimmt. Bereits in den Jahren 2003 und 2006 war erfolglos versucht worden, ein Visum für die Einreise des Klägers zu erhalten.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die gegen die Versagung gerichtete Verpflichtungsklage mit Urteil vom 18. Dezember 2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Zwar könne nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis auch zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens erteilt werden. Die ablehnende Entscheidung des Auswärtigen Amtes sei jedoch nicht ermessensfehlerhaft. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Adoption des Klägers und die damit verbundene Entwurzelung aus seinem bisherigen Lebensumfeld dem Wohl des Klägers dienten. Allein das Stellen eines Adoptionsantrages beim Vormundschaftsgericht könne nicht zu einer Verpflichtung des Auswärtigen Amtes zur Visumerteilung führen, zumal das Adoptionsverfahren in der Regel länger als ein Jahr dauere.
Der Kläger begründet seine vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision im Wesentlichen damit, dass die Frage, ob die Adoption dem Kindeswohl diene und ein Bedürfnis für eine Auslandsadoption bestehe, vom Vormundschaftsgericht und nicht im Visumverfahren zu entscheiden sei. Durch die Verweigerung eines Visums werde die vormundschaftsrechtliche Entscheidung vereitelt. Er könne sein Begehren nicht nur auf § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stützen, sondern auch auf § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, weil er als Kind der Adoptionsbewerber anzusehen sei. Er habe seinen Antrag auf die Erteilung eines Visums zum Zweck der Durchführung eines Termins vor dem Adoptionsgericht beschränkt; jedenfalls in diesem Umfang sei die Klage begründet.
Die Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Visums zu Recht verneint.
Es kann dahinstehen, ob Gegenstand des Revisionsverfahrens das aufenthaltsrechtliche Begehren des Klägers auf Erteilung eines Visums speziell zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens oder allgemein zum Zusammenleben mit seinen in Deutschland lebenden Pflegeeltern ist. Denn auch bei Auslegung des Begehrens im Sinne einer Erstreckung auf den Nachzug zu den Pflegeeltern, und damit weiter als dies in der Antragstellung zum Ausdruck kommt, besteht hierfür im Aufenthaltsrecht keine Grundlage.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums für einen Aufenthalt aus familiären Gründen.
a) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, denn der Kläger ist nicht das Kind seiner deutschen Pflegeeltern im Sinne dieser Vorschrift. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts begründet die Kafala nach marokkanischem Recht kein Verwandtschaftsverhältnis. Das dortige Rechtssystem sieht eine Annahme an Kindes statt mit ihren weitreichenden Rechtswirkungen nicht vor. Adoptionen werden vielmehr ausdrücklich als nichtig beurteilt. Vielmehr begründet die Kafala nur ein Pflegeverhältnis zwischen dem Kläger und seinen deutschen Pflegeeltern (UA S. 8), dem sich ein Adoptionsverfahren erst anschließen soll. Mit Recht kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das auf Besuchsaufenthalte der Pflegeeltern in Marokko beschränkte Zusammensein mit dem Kläger und die regelmäßigen Telefonate mit ihm kein derart intensiv gelebtes Pflegekindschaftsverhältnis darstellen, dass es im Lichte von Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK geboten sein könnte, hieraus einen Anspruch auf Nachzug des Klägers abzuleiten (UA S. 8 - vgl. hierzu auch Urteil vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 1 C 16.09 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 8).
b) Eine analoge Anwendung von § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetz - AdÜbAG -), der hinsichtlich der Einreise und des Aufenthalts eines aufzunehmenden Kindes auf die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften über den Kindernachzug verweist, scheidet ebenfalls aus. Zum einen fehlt es im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG an einer planwidrigen Regelungslücke, die eine analoge Anwendung rechtfertigen könnte. Zum anderen ist der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelungen hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der Anwendungsbereich des Ausführungsgesetzes auf den Anwendungsbereich des Haager Adoptionsübereinkommens beschränkt bleiben soll. Diesem Abkommen ist Marokko nicht beigetreten (vgl. hierzu Urteil vom 26. Oktober 2010 a.a.O. Rn. 9).
c) Der Kläger ist zwar als Sohn der Halbschwester seines Pflegevaters sonstiger Familienangehöriger eines Deutschen im Sinne von § 28 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 2 AufenthG. Die Voraussetzungen für einen Familiennachzug nach diesen Vorschriften liegen jedoch nicht vor. Es fehlt bereits an der Voraussetzung, dass der Nachzug zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist (§ 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Dies setzt grundsätzlich voraus, dass der im Ausland lebende Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe angewiesen ist, und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann (vgl. Beschluss vom 25. Juni 1997 - BVerwG 1 B 236.96 - Buchholz 402.240 § 22 AuslG 1990 Nr. 4 zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung in § 22 AuslG; OVG Lüneburg, Urteil vom 15. Juni 2010 - 8 LB 117/08 - DVBl 2010, 1322; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: April 2008, § 36 AufenthG Rn. 13). Das wäre hier allenfalls dann der Fall, wenn eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung des Klägers nur durch die Pflegeeltern in Deutschland gewährleistet werden könnte. Dabei kann nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen davon ausgegangen werden, dass eine Betreuung und Erziehung durch Pflegeeltern in Deutschland zwingend erforderlich ist (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 2. September 1992 - 11 S 1251/92 - juris Rn. 3 und 6; VGH Kassel, Beschluss vom 8. April 1992 - 12 TH 611/92 - juris Rn. 9). Das Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass schon keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Adoption des Klägers durch seine deutschen Pflegeeltern und die damit verbundene Entwurzelung aus seinem Lebensumfeld in Marokko, wo seine Eltern und Geschwister leben, dem Kindeswohl dient (UA S. 11). Hieran ist das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden, zumal die Revision hiergegen weder Verfahrensrügen noch sonstige Einwände erhoben hat. Die Tatsache, dass ohne die Anwesenheit des Klägers in Deutschland das eingeleitete Adoptionsverfahren nicht weitergeführt werden kann, begründet für sich allein keine außergewöhnliche Härte.
2. Das Verwaltungsgericht ist ferner zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger auch aus § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 6 Abs. 4 AufenthG keinen Anspruch auf Erteilung des beantragten Visums ableiten kann. Danach kann "in begründeten Fällen" ein Visum auch für einen vom Aufenthaltsgesetz nicht (ausdrücklich) vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden, wozu auch die Aufenthaltserlaubnis zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens gehört. Zu Unrecht ist das Verwaltungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass im Entscheidungsfall das behördliche Ermessen eröffnet ist. Es fehlt vielmehr schon an einer tatbestandlichen Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Bei dem Nachzugswunsch des Klägers handelt es sich nämlich nicht um einen "begründeten Fall" im Sinne dieser Vorschrift. Die Erteilung des erstrebten Visums scheitert daher bereits auf dieser Ebene, ohne dass es auf die von der Deutschen Botschaft angestellten und vom Verwaltungsgericht nicht beanstandeten Ermessenserwägungen ankommt.
Es bedarf anlässlich des Entscheidungsfalles keiner umfassenden Klärung, was unter einem begründeten Fall im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu verstehen ist. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 26. Oktober 2010 (BVerwG 1 C 16.09 a.a.O. Rn. 11) ausgeführt hat, kann bei einem Aufenthaltszweck, der öffentlich-rechtlichen Vorgaben außerhalb des Aufenthaltsrechts unterfällt, ein begründeter Fall nur und erst angenommen werden, wenn diese Vorgaben erfüllt sind. Wird der Aufenthaltstitel - wie hier - zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens begehrt, dürfen hierdurch die Vorschriften über das bei Adoptionen mit Auslandsbezug nach dem Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (Adoptionsvermittlungsgesetz - AdVermiG -) vorgesehene internationale Adoptionsvermittlungsverfahren nicht unterlaufen werden.
a) Im Fall des Klägers ist bisher nicht geklärt, ob die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen eine internationale Adoption durchgeführt werden darf. Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass in diesem Zusammenhang die Vorschriften des Adoptionsvermittlungsgesetzes maßgebend sind. Die Vorschriften dieses Gesetzes sind nach § 2a Abs. 1 AdVermiG in allen Fällen anzuwenden, in denen das Kind oder die Adoptionsbewerber ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben oder in denen das Kind innerhalb von zwei Jahren vor Beginn der Vermittlung in das Inland gebracht worden ist. Soweit nach § 2a Abs. 2 AdVermiG im Anwendungsbereich des Haager Adoptionsübereinkommens (HAÜ) ergänzend die Bestimmungen des Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetzes gelten, ist dem im Umkehrschluss zu entnehmen, dass das Adoptionsvermittlungsgesetz auch internationale Adoptionen mit einem Bezug zu einem Nichtvertragsstaat betrifft. Derartige Adoptionen sind außerhalb des im Adoptionsvermittlungsgesetz geregelten Verfahrens zwar nicht generell verboten (vgl. § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Schutzzweck des Adoptionsvermittlungsgesetzes - die Sicherung des Kindeswohls - lässt es aber als zwingend erscheinen, Adoptionen ausländischer Kinder aufenthaltsrechtlich nur unter strikter Beachtung des Kindeswohls und unter fachkundiger Verantwortung der im Adoptionsvermittlungsgesetz vorgesehenen Adoptionsvermittlungsstellen zu ermöglichen.
Der Anwendung des Adoptionsvermittlungsgesetzes steht nicht entgegen, dass hier das zu adoptierende Kind bereits feststeht. Auch dies ist ein "Zusammenführen" des Kindes mit dem oder den Adoptionsbewerbern und damit Adoptionsvermittlung im Sinne des § 1 AdVermiG (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2010 a.a.O. Rn. 13).
Wie der Senat in seinem Urteil vom 26. Oktober 2010 (BVerwG 1 C 16.09 Rn. 14) näher ausgeführt hat, ist es nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz ausschließlich Sache der im Gesetz vorgesehenen Adoptionsvermittlungsstellen, die sachdienlichen Ermittlungen bei den Adoptionsbewerbern, bei dem Kind und gegebenenfalls dessen Familie durchzuführen und dabei zu prüfen und zu bewerten, ob die Adoptionsbewerber unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Kindes und dessen individueller Bedürfnisse für die Annahme des Kindes geeignet sind (§ 7 Abs. 1 AdVermiG). Das gesetzlich geregelte Vermittlungsverfahren dient dazu, eine allein am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu gewährleisten und jedem Missbrauch, insbesondere dem Handel mit Kindern, vorzubeugen. Bei einer internationalen Adoption kommt die Prüfung hinzu, ob es im Interesse des Kindes erforderlich ist, eine Adoption in das Ausland zu vermitteln. Insgesamt ist es Aufgabe und Ziel der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Fachvermittlung, Kindern unter strikter Beachtung des Kindeswohls zu einer neuen Familie zu verhelfen, allerdings nicht nur im Sinne einer revidierbaren Prognose, sondern aufgrund einer fachlich koordinierten und fundierten Einschätzung mit einer verlässlichen und auf Dauer angelegten Lebensperspektive für das Kind. Dieses Ziel gebietet bei einer internationalen Adoption, dass vor der Einreise des Kindes und dem familiengerichtlichen Adoptionsverfahren in Deutschland geprüft wird, ob die Auslandsadoption durch den betreffenden Adoptionsbewerber dem Wohl des Kindes dient. Dass es bei einem negativen Ergebnis dieser Prüfung zum familiengerichtlichen Adoptionsverfahren nicht mehr kommt, liegt in der Natur der Sache und ist von den Adoptionsbewerbern hinzunehmen. Ohne erfolgreichen Abschluss des vorgeschriebenen Verfahrens der internationalen Adoptionsvermittlung kommt auch eine Einreise nur zum Zweck der Wahrnehmung eines Termins beim Adoptionsgericht regelmäßig nicht in Betracht.
b) Wird die Erteilung eines Visums zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens begehrt, liegt ein begründeter Fall im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG demnach grundsätzlich nur dann vor, wenn ein internationales Adoptionsvermittlungsverfahren vollständig durchgeführt worden ist und mit einer positiven Empfehlung der zuständigen Adoptionsvermittlungsstelle geendet hat. Dies ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hier nicht geschehen. Es fehlt nicht nur an der erforderlichen Prüfung der Eignung der Adoptionsbewerber durch die zuständige Vermittlungsstelle im Inland - der Bericht der örtlichen Adoptionsvermittlungsstelle vom 30. Juli 2009 reicht insoweit nicht aus -, sondern vor allem auch an einer Prüfung der Auslandsadoptionsbedürftigkeit des Klägers durch entsprechende Stellen seines Heimatstaates. In aller Regel muss das Vermittlungsverfahren in sämtlichen Einzelschritten durchlaufen worden sein und zu einer Befürwortung der Adoption geführt haben. Da nur auf diese Weise die Sicherung des Kindeswohls gewährleistet werden kann, kommt eine Visumerteilung zur Einreise des Kindes grundsätzlich auch dann nicht in Betracht, wenn - wie hier - ein internationales Adoptionsvermittlungsverfahren nicht durchgeführt werden kann, weil es im Heimatstaat des Kindes an einer entsprechenden Adoptionsvermittlungsstelle fehlt.
c) Es mag Ausnahmefälle geben, in denen von dem Erfordernis eines internationalen Adoptionsvermittlungsverfahrens abgesehen werden kann und die Auslandsvertretung aufgrund eigener, gegebenenfalls durch sach- und fachkundige Beratung unterstützter Beurteilung einen begründeten Fall bejahen darf. Dies setzt allerdings besondere Umstände etwa in Notsituationen voraus, bei denen es offensichtlich erscheint, dass das Kindeswohl die geplante Adoption erfordert und es kein anderes behördliches Verfahren gibt, das Wohl des Kindes effektiv durchzusetzen. Dass hier ein derart eindeutiger Ausnahmefall vorliegen könnte, ist weder vom Kläger geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.
d) Auch das in Marokko begründete Pflegschaftsverhältnis (Kafala) zwischen dem Kläger und seinen in Deutschland lebenden Pflegeeltern rechtfertigt nicht die Annahme eines begründeten Falles im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Zwar ist zum 1. Januar 2011 das Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) in Deutschland in Kraft getreten (BGBl II 2009, 602; 2010, 1527). Dieses sieht ein zwischenstaatliches Verfahren zur Betreuung eines Kindes durch Kafala in einem anderen Vertragsstaat vor (Art. 33 KSÜ). Es kann offenbleiben, ob sich daraus in Verbindung mit den entsprechenden Anpassungen im deutschen Recht (vgl. Gesetz zur Änderung des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes vom 25. Juni 2009, BGBl I S. 1594) eine Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Visums ergibt. Selbst wenn dies der Fall wäre, liegen hier die Voraussetzungen nach Art. 33 KSÜ nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist nämlich - ähnlich wie bei der Adoption eines im Ausland lebenden Kindes - die Durchführung eines Verfahrens der zwischenstaatlichen Abstimmung erforderlich, das hier nicht durchgeführt worden ist. Nach Art. 33 KSÜ bedarf es bei der Betreuung eines Kindes durch Kafala in einer Pflegefamilie in einem anderen Vertragsstaat eines begründeten Vorschlags der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates (hier: Marokkos) - Art. 33 Abs. 1 KSÜ - und der Zustimmung der zuständigen Behörde des ersuchten Staates (hier: Deutschlands) zur Betreuung - Art. 33 Abs. 2 KSÜ. An beiden Voraussetzungen fehlt es hier.