Entscheidungsdatum: 20.11.2018
1. Das Bestehen einer besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BVFG beurteilt sich für einen Aufnahmebewerber, der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und dessen Ehegatte sich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz befindet, nicht nach denselben Kriterien, die in Bezug auf Ehen von Aufnahmebewerbern anzulegen sind, in denen mindestens einer der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
2. Für einen nicht mit einem deutschen Staatsangehörigen verheirateten Aufnahmebewerber, der auf zunächst aufenthaltsrechtlicher Grundlage im Bundesgebiet Aufenthalt genommen hat, kann es nur ausnahmsweise eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BVFG bedeuten, entweder für die Dauer des Aufnahmeverfahrens seine eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland zu führen oder aber (zeitweilig) auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten.
Die Beteiligten streiten darüber, ob einer Aufnahmebewerberin, die sich auf der Grundlage eines von ihrem ausländischen Ehemann abgeleiteten Aufenthaltsrechts im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes aufhält, wegen des Vorliegens einer besonderen Härte ein Aufnahmebescheid zu erteilen ist.
Die im April 1990 in Kiew geborene Klägerin reiste zunächst im April 2010 zur Durchführung eines universitären Auslandssemesters und sodann im Oktober 2010 zum Studium in das Bundesgebiet ein. Ihr Aufenthalt wurde jeweils auf der Grundlage von § 16 Abs. 1 AufenthG erlaubt. Im November 2014 wurde die Klägerin rückwirkend zum 30. September 2014 exmatrikuliert. Nachdem sie im Oktober 2014 die Ehe mit ihrem ukrainischen Lebensgefährten eingegangen war, erteilte ihr die Ausländerbehörde nach zwischenzeitlicher Aus- und Wiedereinreise im Dezember 2014 auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft, die in der Folge, zuletzt bis zum Mai 2019, verlängert wurde. Der Aufenthalt ihres Ehemannes wurde im Anschluss an die im April 2016 erfolgte Absolvierung eines Masterstudiums zunächst zur Ausübung einer bis Ende September 2019 befristeten nichtselbständigen Erwerbstätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität nach § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG erlaubt.
Im Juli 2012 beantragte die Klägerin, der im Juni 2006 ein Inlandspass mit dem Nationalitäteneintrag "Deutsche" ausgestellt worden war, ihre Aufnahme als Spätaussiedlerin nach dem Bundesvertriebenengesetz. Im Verwaltungsverfahren führte sie aus, eine familiäre Vermittlung der Sprache sei nicht möglich gewesen; die deutsche Sprache habe sie in der Schule erlernt. Das Bundesverwaltungsamt lehnte ihren Aufnahmeantrag mit der Begründung ab, es könne dahinstehen, ob sie das Erfordernis der deutschen Abstammung erfülle und ob sie sich von der Ausstellung ihres ersten Inlandspasses bis in die Gegenwart zur deutschen Nationalität erklärt habe, da sie die Vermittlung der deutschen Sprache innerhalb ihrer Familie nicht dargetan habe. Ihren Widerspruch wies es mit der Begründung zurück, sie verfüge nicht mehr über einen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten. Ebenso wenig begründe die Durchführung des Aufnahmeverfahrens vom Herkunftsstaat aus für sie eine besondere Härte. Im Übrigen könne ein Aufnahmebescheid nur Personen erteilt werden, die die Aussiedlungsgebiete als Spätaussiedler hätten verlassen wollen, um im Geltungsgebiet des Bundesvertriebenengesetzes ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen; dies sei im Falle einer Antragstellung erst zwei Jahre nach der Verlegung des Lebensmittelpunktes in die Bundesrepublik Deutschland nicht der Fall. Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin das Wohnsitzerfordernis erfülle. Jedenfalls habe nicht mit dem hinreichenden Grad an Gewissheit festgestellt werden können, dass sie von einem deutschen Volkszugehörigen abstamme.
Mit dem angegriffenen Urteil vom 22. Februar 2017 hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide des Bundesverwaltungsamts verpflichtet, der Klägerin einen Aufnahmebescheid zu erteilen. Die Klägerin habe gemäß § 26 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG einen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids. Dessen Versagung bedeutete eine besondere Härte. Eine Verweisung der Klägerin auf die Rückkehr in die Ukraine für die Dauer der Durchführung des Aufnahmeverfahrens sei nicht verhältnismäßig, da sie zur Folge hätte, dass die Ehegatten in einen ihre Entscheidungsfreiheit beeinflussenden Zwiespalt gerieten, entweder die eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland zu begründen und auf den Aussiedlerstatus zu verzichten oder aber auf nicht absehbare Zeit von einem ehelichen Zusammenleben abzusehen, um der Klägerin zu ermöglichen, den Spätaussiedlerstatus zu erwerben. Die Vorschriften des Vertriebenenrechts über das Aufnahmeverfahren seien in einer den Entschluss der Ehegatten zur Begründung ihres gemeinsamen Lebensmittelpunkts in Deutschland respektierenden Weise dahin auszulegen, dass der volksdeutsche Ehegatte die Erteilung eines Aufnahmebescheids im Aussiedlungsgebiet jedenfalls dann nicht abzuwarten brauche, wenn die Eheleute bei Befolgung dieser Regel auf ungewisse Zeit getrennt leben müssten. Dass der Ehemann der Klägerin Ausländer sei, gebiete mit Blick auf seinen - im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung - noch für die Dauer von mehr als zwei Jahren erlaubten Aufenthalt keine abweichende Betrachtung. Ein solcher Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Ehegatten sei weder mit Blick auf den Schutzzweck des Aufnahmeverfahrens noch zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich. Der Aufnahmeantrag bleibe auch nicht deshalb ohne Erfolg, weil sich die Klägerin schon seit April 2010 im Bundesgebiet aufhalte. Der Aufnahmebescheid sei der Klägerin nachträglich bezogen auf den Zeitpunkt der Entstehung des Härtegrunds, hier der Eheschließung im Oktober 2014, zu erteilen und stehe einem bei Verlassen des Aussiedlungsgebiets bereits ergangenen Aufnahmebescheid gleich. Die Klägerin habe das Aussiedlungsgebiet auch nicht schon im April 2010 verlassen. Bis zu ihrer Eheschließung im Oktober 2014 beziehungsweise bis zu ihrer Exmatrikulation nur einen Monat zuvor habe sie sich zwar schon im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes aufgehalten. Sie habe bis dahin aber weder in der Bundesrepublik Deutschland einen (ausschließlichen) Wohnsitz begründet noch ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet schon aufgegeben gehabt. Allein der Umstand, dass ein Studium im Ausland aufgenommen werde, führe weder zur Aufgabe des Wohnsitzes im Inland noch zur Begründung eines neuen (ausschließlichen) Wohnsitzes im Ausland. Bis zum September 2014 habe sich die Klägerin (nur) zum Zwecke und für die Dauer des Studiums im Bundesgebiet aufgehalten. Der Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse habe bis dahin immer noch in der Ukraine gelegen. Dieser Umstand habe sich erst durch ihre Eheschließung geändert. Die Klägerin erfülle auch die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen. Sie stamme von einem deutschen Volkszugehörigen ab und habe sich durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung und den Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse zum deutschen Volkstum bekannt.
Zur Begründung ihrer Revision führt die Beklagte aus, das angefochtene Urteil beruhe auf der Verletzung von § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG. Die Klägerin könne sich hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheids nicht auf eine besondere Härte berufen. Ein Aufnahmebewerber werde seiner vertriebenenrechtlichen Obliegenheit, die Erteilung eines Aufnahmebescheids im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, nicht dadurch enthoben, dass er auf der Grundlage befristeter Aufenthaltstitel nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten dürfe. Dass der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund der ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem ebenfalls mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis in Deutschland lebenden Ausländer erteilt worden sei, rechtfertige keine abweichende Würdigung. Dem Schutzgedanken des Art. 6 Abs. 1 GG werde durch die der Klägerin erteilte Aufenthaltserlaubnis entsprochen. Der Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen oder einem Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG, aus der sich nach der Rechtsprechung ein Härtegrund im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG ergeben könne, stehe die Ehe von zwei Ausländern, die sich allein auf der Grundlage einer regelmäßig auf Antrag zu verlängernden aufenthaltsrechtlichen Erlaubnis in Deutschland aufhielten, nicht gleich. Der Klägerin seien die negativen vertriebenenrechtlichen Folgen der freien Entscheidung zuzurechnen, ihren Aufenthalt in Deutschland infolge der Eheschließung auf ausländerrechtlicher Grundlage fortzusetzen und sich gemeinsam mit ihrem Ehemann zwei Jahre nach der Eheschließung über einen Arbeitsvertrag des Ehemannes länger als ein Jahr währende Aufenthaltserlaubnisse zu beschaffen.
Die Klägerin, die im Oktober 2017 eine Tochter geboren hat, verteidigt das angefochtene Urteil. Unabhängig davon, ob ihr Ehemann, dem im Juli 2018 eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 18b AufenthG erteilt worden ist, deutscher Staatsangehöriger oder nur im Besitz eines gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status sei, werde sie gleichermaßen vor die Entscheidung gestellt, entweder temporär auf die Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft oder aber auf den Aufnahmeanspruch zu verzichten. Es sei ihr unzumutbar, darauf verwiesen zu werden, ihren Ehemann dazu zu bewegen, auf sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu verzichten.
Der Vertreter des Bundesinteresses schließt sich der Rechtsauffassung der Beklagten an.
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das angegriffene Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit es davon ausgeht, dass sich das Bestehen einer besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BVFG für einen Aufnahmebewerber, der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und dessen Ehegatte sich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz befindet, nach denselben Kriterien beurteilt, die in Bezug auf Ehen von Aufnahmebewerbern anzulegen sind, in denen mindestens einer der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (1.). Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO) (2.). In Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen zu dem Vorliegen einer besonderen Härte war der Rechtsstreit an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (3.).
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des von der Klägerin verfolgten Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheids ist im Ausgangspunkt § 26 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 10. August 2007 (BGBl. I S. 1902), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010). Diese Rechtslage ist allerdings nur insoweit zugrunde zu legen, als nicht Gründe des materiellen Rechts eine andere Betrachtung gebieten. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Fall, soweit bei der Anwendung des § 26 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BVFG zu beurteilen ist, ob eine Person Spätaussiedler im Sinne der §§ 4 und 6 BVFG ist. Letzteres bestimmt sich grundsätzlich nach der Rechtslage im Zeitpunkt der ständigen Aufenthaltsnahme im Bundesgebiet (BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 1 C 29.14 - BVerwGE 152, 283 Rn. 28 und 38 m.w.N.).
1. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BVFG Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Das Berufungsgericht hat das Bestehen einer Härte auf der Grundlage eines mit Bundesrecht unvereinbaren Maßstabes bejaht.
1.1 Eine besondere Härte im Sinne dieser Vorschrift kann auch durch Umstände begründet werden, die erst nach dem Verlassen des Aussiedlungsgebiets eintreten, sofern diese eine Rückkehr in das Aussiedlungsgebiet zum Zwecke der Durchführung des regulären Aufnahmeverfahrens in hohem Maße unzumutbar machen (BVerwG, Urteil vom 18. November 1999 - 5 C 3.99 - BVerwGE 110, 99 <104>). Sie liegt in der Regel unter anderem dann vor, wenn die Obliegenheit, die Erteilung des Aufnahmebescheids im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, mit Wertentscheidungen des Grundgesetzes nicht in Einklang stünde (BVerwG, Urteil vom 18. November 1999 - 5 C 3.99 - BVerwGE 110, 99 <103 und 105>).
Art. 6 Abs. 1 GG stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates und bringt damit zugleich eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts zum Ausdruck. Diese Wertentscheidung ist bei der Auslegung des einfachen Rechts und insbesondere bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Billigkeits- oder Härtefallregelung vorliegen, zu beachten. Die Anwendung einer Härteklausel darf nicht zu einem Ergebnis führen, welches mit der in Art. 6 Abs. 1 GG zum Ausdruck gelangenden Wertentscheidung nicht in Einklang steht (BVerwG, Urteil vom 18. November 1999 - 5 C 3.99 - BVerwGE 110, 99 <105>). Das Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben unterfällt dem Schutz nicht nur des Art. 6 Abs. 1 GG, sondern auch des Art. 8 Abs. 1 EMRK (vgl. EGMR, Urteil vom 3. Dezember 2009 - Nr. 22028/04, Zaunegger/Deutschland - Rn. 37). Danach hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Ein Eingriff ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK statthaft. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den gegenläufigen Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft herzustellen. Art. 6 Abs. 1 GG wie auch Art. 8 Abs. 1 EMRK schützen das eheliche Zusammenleben sowohl zwischen Deutschen (im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG) als auch zwischen Ausländern, aber nicht gleichermaßen die Entscheidung zur Führung der Ehe im Bundesgebiet.
Das Ansinnen des Staates, der die Aufnahme begehrende Ehegatte eines sich im Bundesgebiet rechtmäßig aufhaltenden Ausländers müsse zum Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft in das Aussiedlungsgebiet zurückkehren und von dort aus das reguläre Aufnahmeverfahren betreiben, ist grundsätzlich geeignet, das Eheleben zu beeinträchtigen. Es stellt die Ehegatten vor die Alternative, entweder die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet auf ausländerrechtlicher Grundlage zu führen und auf den Spätaussiedlerstatus des die Aufnahme begehrenden Ehegatten zu verzichten oder aber, sofern nicht der gemeinsame Lebensmittelpunkt für die Dauer des Aufnahmeverfahrens in die Aussiedlungsgebiete verlagert werden kann, für einen begrenzten Zeitraum von einem ehelichen Zusammenleben abzusehen.
In einer Ehe zwischen Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG steht es grundsätzlich allein den Ehepartnern zu, eigenverantwortlich und frei von staatlicher Einflussnahme den räumlichen und sozialen Mittelpunkt ihres gemeinsamen Lebens zu bestimmen. Die freie Entscheidung beider Eheleute, gemeinsam im Bundesgebiet zu leben, genießt besonderen staatlichen Schutz, wenn mindestens einer der Ehepartner Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist; Art. 11 GG schützt mit der Freizügigkeit neben der Einreise in das Bundesgebiet zum Zwecke der Wohnsitznahme auch das Beibehalten von Wohnsitz und Aufenthaltsort (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139, 3386/08 - BVerfGE 134, 242 Rn. 254). Dies erfasst grundsätzlich auch die Bestimmung, von welchem Zeitpunkt an das eheliche Leben im Bundesgebiet seinen Mittelpunkt haben soll. Auf dieser Grundlage hat das Bundesverwaltungsgericht die Vorschriften des Vertriebenenrechts über das Aufnahmeverfahren in einer die Freiheit der Ehegatten zur Begründung ihres gemeinsamen Lebensmittelpunkts im Bundesgebiet respektierenden Weise dahin ausgelegt, dass dem die Aufnahme begehrenden deutschen Ehegatten eines deutschen Staatsangehörigen eine Rückkehr in das Aussiedlungsgebiet jedenfalls dann nicht angesonnen werden kann, wenn die Ehegatten dadurch während der Dauer des Aufnahmeverfahrens auf ungewisse Zeit getrennt leben müssten (zum Fall einer Ehe zwischen zwei deutschen Ehepartnern BVerwG, Urteil vom 18. November 1999 - 5 C 3.99 - BVerwGE 110, 99 <105 f.>).
1.2 Auf die Ehe zwischen Ausländern, von denen einer Aufnahmebewerber ist, ist diese Rechtsprechung nicht zu übertragen; die Eheleute können sich für die Entscheidung, die Ehe im Bundesgebiet zu führen, nicht auf Art. 11 GG berufen.
Anders als Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG, denen Art. 11 Abs. 1 GG Freizügigkeit garantiert, vermitteln Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK Aufnahmebewerbern und deren ausländischen Ehegatten kein uneingeschränktes Recht zur eigenverantwortlichen und freien Bestimmung des räumlichen und sozialen Lebensmittelpunkts ihres Ehelebens (vgl. OVG Münster, Urteil vom 9. Juni 1998 - 2 A 6944/95 - juris Rn. 12 f. m.w.N.). Zwar ist die Verweisung auch jener Aufnahmebewerber auf eine vorgängige Prüfung ihrer Spätaussiedlereigenschaft vor dem Verlassen des Aussiedlungsgebiets geeignet, das grund- und menschenrechtlich geschützte eheliche und familiäre Zusammenleben zu berühren. Dem volksdeutschen Aufnahmebewerber, der die deutsche Staatsangehörigkeit nicht besitzt und dessen Ehegatte sich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz befindet, ist es indes nicht per se unzumutbar, in das Aussiedlungsgebiet zum Zwecke der Durchführung des regulären Aufnahmeverfahrens zurückzukehren. Entscheidet sich ein Aufnahmebewerber, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet auf ausländerrechtlicher Grundlage zu nehmen oder fortzusetzen, so sind ihm die negativen vertriebenenrechtlichen Folgen dieser freien Entscheidung regelmäßig zuzurechnen.
Allerdings kann es einem Aufnahmebewerber im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 Abs. 1 EMRK ausnahmsweise unzumutbar sein, darauf verwiesen zu werden, für die Dauer des Aufnahmeverfahrens entweder seine eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland zu führen oder aber auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten. Dies ist auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung im Einzelfall zu beurteilen. Hierbei kommt neben dem Schutz öffentlicher Interessen unter anderem dem Umstand Bedeutung zu, ob der Aufenthalt des Aufnahmebewerbers im Bundesgebiet die einzige zumutbare Möglichkeit darstellt, ein Familienleben zu entwickeln. Dies kann der Fall sein, falls Hindernisse für eine (gemeinsame) Wohnsitzbegründung im Ausland bestehen oder eine solche Wohnsitzbegründung auf Grund besonderer Umstände nicht erwartet werden kann. Dabei ist auch die zu erwartende Dauer des Aufnahmeverfahrens zu berücksichtigen. In den Blick zu nehmen sind ferner der ausländerrechtliche Status des Aufnahmebewerbers und seines Ehegatten, ein etwaiges besonderes Angewiesensein eines der Ehegatten auf den zwingend im Bundesgebiet zu leistenden Beistand durch den anderen Ehegatten sowie die Personensorge für minderjährige Kinder. Allein wirtschaftliche, berufliche oder soziale Nachteile des Aufnahmebewerbers oder von diesem zwingend zu berücksichtigende Nachteile des Ehegatten, aber auch aufenthaltsrechtliche Nachteile haben dabei regelmäßig nicht das Gewicht, eine auch "besondere" Härte zu begründen.
1.3 Diesen Maßstäben wird das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht gerecht, soweit darin angenommen wird, auch ein Aufnahmebewerber - wie die Klägerin -, der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und eine eheliche Lebensgemeinschaft mit einem im Bundesgebiet für die Dauer von mehr als zwei Jahren auf der Grundlage von § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG rechtmäßig aufhältigen Ausländer führe, brauche die Erteilung eines Aufnahmebescheids im Aussiedlungsgebiet dann nicht abzuwarten, wenn die Eheleute bei Befolgung dieser Regel auf ungewisse Zeit getrennt leben müssten; für ihn gelte nichts anderes als für einen Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG.
2. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts rechtfertigen in Anwendung der vorstehenden Maßstäbe nicht die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG. Der Umstand, dass der Aufenthalt ihres Ehemannes, der seit Juni 2016 als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf der Grundlage eines bis Ende September 2019 befristeten Arbeitsverhältnisses beschäftigt ist, in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Berufungsurteils auf der Grundlage des § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG und damit im öffentlichen Interesse bis zum 14. Mai 2019 erlaubt war, bildet für sich keinen Grund, der Klägerin nicht die negativen vertriebenenrechtlichen Folgen ihrer Entscheidung zuzurechnen, ihren Aufenthalt auch nach der Eheschließung auf ausländerrechtlicher Grundlage fortzusetzen. Dass sich die Klägerin im Besitz einer gültigen und verlängerbaren Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet befand, ihr Aufenthalt weder Belastungen, wie sie durch die Betreuung nichtberechtigter Personen auftreten, noch etwaige in naher Zukunft bevorstehende Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer zwangsweise durchzuführenden Rücksiedlung noch sonstige Lasten für die Allgemeinheit erwarten ließ und auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Ehe allein deshalb eingegangen wurde, um das Aufnahmeverfahren nicht aus dem Aussiedlungsgebiet weiterbetreiben zu müssen, belegt zunächst nur, dass die Klägerin eine realistische Perspektive hat, mit ihrem Ehemann auf aufenthaltsrechtlicher Grundlage im Bundesgebiet leben zu können. Auf eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG weist dies nicht. Dies gilt umso mehr, als Tatsachen, die darauf hindeuteten, dass sich die Lebensumstände der Klägerin oder ihres Ehemannes in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung in familiärer und/oder beruflicher Hinsicht bereits in erheblicher Weise verfestigt hätten, nicht festgestellt sind.
3. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen indes auch nicht aus, um die Möglichkeit einer "besonderen Härte" eindeutig auszuschließen. Da das Bundesverwaltungsgericht in Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts eine Entscheidung in der Sache selbst im Sinne des § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO weder zu Gunsten noch zu Lasten der Klägerin treffen kann, ist nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Bei dieser Sachlage bedarf es keiner näheren Prüfung, ob die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, die Klägerin habe nicht bereits im April 2010, sondern erst mit der Eheschließung im Oktober 2014 einen ausschließlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik begründet und ihren Wohnsitz in der Ukraine aufgegeben, in Einklang mit Bundesrecht steht (vgl. zum Wohnsitzbegriff BVerwG, Urteil vom 9. November 1967 - 8 C 141.67 - BVerwGE 28, 193 <195 f.> und Beschluss vom 19. Juni 2013 - 5 B 87.12 - juris Rn. 4, jeweils m.w.N.) und von den tatsächlichen Feststellungen wie auch den weiteren Umständen des Einzelfalles getragen wird. Allerdings wird das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner neuerlichen Prüfung unter anderem zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin ihren Aufnahmeantrag bereits im Juli 2012 gestellt hatte, sie nach ihren Angaben ihr Bachelor-Studium an der Nationalen Vadim-Getman-Wirtschaftsuniversität Kiew abgeschlossen hatte und nähere Feststellungen zu Art, Dauer und Häufigkeit der Besuche während der Semesterferien bei ihrer Familie und Freunden nicht getroffen worden sind. Das Ergebnis der Prüfung kann auch für den für die Beurteilung der Spätaussiedlereigenschaft maßgeblichen Zeitpunkt und die Umstände des Spracherwerbs Bedeutung haben.
4. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.