Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 26.10.2010


BVerwG 26.10.2010 - 1 C 16/09

Einreisevisum zum Zwecke der Durchführung eines Adoptionsverfahrens; internationale Adoption; Adoptionsvermittlungsverfahren


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
26.10.2010
Aktenzeichen:
1 C 16/09
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 21. April 2009, Az: OVG 3 B 8.07, Urteilvorgehend VG Berlin, 29. März 2007, Az: 7 V 66.06, Urteil
Zitierte Gesetze
Art 2 Abs 1 KiSchÜbk Haag
Art 29 KiSchÜbk Haag

Leitsätze

1. Die Erteilung eines Visums zum Zwecke der Adoption eines Kindes aus einem Staat, der dem Haager Adoptionsübereinkommen nicht beigetreten ist, richtet sich nach § 6 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (juris: AufenthG 2004).

2. Wird zu diesem Zweck ein Einreisevisum beantragt, liegt ein "begründeter Fall" im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG grundsätzlich nur vor, wenn das im Adoptionsvermittlungsgesetz geregelte internationale Adoptionsvermittlungsverfahren vollständig durchgeführt worden ist und mit einer positiven Empfehlung der zuständigen Adoptionsvermittlungsstelle geendet hat.

Tatbestand

1

Die Kläger erstreben die Erteilung eines Visums an den Kläger zu 2, um in Deutschland ein Adoptionsverfahren durchführen zu können.

2

Die Klägerin zu 1 ist eine 1962 geborene deutsche Staatsangehörige marokkanischer Herkunft; sie lebt in München, ist geschieden und hat zwei erwachsene Töchter. Der Kläger zu 2 ist ein 1998 geborener marokkanischer Staatsangehöriger, dessen Eltern unbekannt sind und der in einem Kinderheim in Casablanca lebt. Die Klägerin hat den Kläger vor Jahren in Marokko kennengelernt und ihn regelmäßig besucht. 2005 wurde ihr von einem marokkanischen Gericht das Recht auf Kafala (Pflege) übertragen. Zugleich wurde sie zum Vormund bestellt und erhielt die Erlaubnis, mit dem Kläger nach Deutschland auszureisen.

3

Den Antrag, dem Kläger ein Visum "zur Familienzusammenführung" zu erteilen, lehnte die Deutsche Botschaft in Rabat im August 2006 ab. Die hiergegen erhobene Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das Verwaltungsgericht Berlin verpflichtete die Beklagte, dem Kläger ein Visum zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens in Deutschland zu erteilen.

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Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Beklagte - weniger weitgehend - verpflichtet, über den Antrag der Kläger, dem Kläger zu 2 ein Visum zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens zu erteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen - hinsichtlich der begehrten Verpflichtung zur Erteilung eines Visums - hat es die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Zweck des Familiennachzugs scheide aus, weil die Kafala nach marokkanischem Recht kein Verwandtschaftsverhältnis begründe. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - könne in begründeten Fällen ein Visum aber auch für einen im Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehenen Zweck erteilt werden. Hierzu gehöre auch ein Aufenthalt zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens. Die Entscheidung über die Erteilung eines solchen Visums stehe im Ermessen der Beklagten. Diese habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil sie ihre ablehnende Entscheidung zu Unrecht darauf gestützt habe, dass es an einem Vermittlungsvorschlag der zuständigen marokkanischen Behörden zugunsten einer Adoption des Klägers fehle. Bei ihrer erneuten Entscheidung dürfe die Beklagte die Erfolgsaussichten der angestrebten Adoption berücksichtigen. Maßgebend seien die Regelungen des Adoptionsvermittlungsgesetzes - AdVermiG -. Die für die Klägerin örtlich zuständige Adoptionsvermittlungsstelle, das Stadtjugendamt in M., sei verpflichtet, auf Antrag die allgemeine Elterneignung der Klägerin zu prüfen. Die Weigerung des Jugendamtes, diese Prüfung vorzunehmen, sei rechtswidrig und müsse gegebenenfalls im Klagewege überwunden werden. Erst wenn feststehe, dass die Klägerin auf diesem Weg keinen Eignungsnachweis erbringen könne, sei die Botschaft berechtigt, im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung die Erfolgsaussichten der Adoption außer Betracht zu lassen.

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Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts wenden sich sowohl die Beklagte als auch die Kläger mit ihren Revisionen. Während des Revisionsverfahrens hat das Verwaltungsgericht München die Klagen der Kläger auf Verpflichtung des Stadtjugendamtes M., die Elterneignung der Klägerin zu 1 nach den Vorschriften des Adoptionsvermittlungsgesetzes - AdVermiG - zu prüfen, abgewiesen. Auf die Sprungrevisionen der Kläger hin ist das Verfahren inzwischen beim 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts anhängig (Az.: BVerwG 5 C 21.10).

Entscheidungsgründe

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Die Revisionen der Kläger im vorliegenden Visumverfahren sind unbegründet. Die Revision der Beklagten ist dagegen begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts beruht, soweit es den Klagen stattgegeben hat, auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

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Es kann dahinstehen, ob Gegenstand des Revisionsverfahrens das aufenthaltsrechtliche Begehren der Kläger auf Erteilung eines Visums an den Kläger zu 2 speziell zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens oder allgemein zum familiären Zusammenleben mit der Klägerin zu 1 ist. Ernsthaft in Betracht kommt nur ein Visum zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens.

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1. Ein Visum für einen Aufenthalt aus familiären Gründen scheidet (derzeit) von vornherein aus. Der Kläger ist weder Kind noch sonstiger Familienangehöriger der Klägerin im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. § 28 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 2 AufenthG. Die Kafala begründet nach marokkanischem Recht kein Verwandtschaftsverhältnis. Das dortige Rechtssystem sieht eine Annahme an Kindes statt mit ihren weitreichenden Rechtswirkungen nicht vor. Adoptionen werden vielmehr ausdrücklich als "null und nichtig" beurteilt (vgl. UA S. 23). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klägerin aufgrund der Kafala dementsprechend (lediglich) zum Vormund des Klägers bestellt worden mit der Erlaubnis, ihn zu sich in Pflege zu nehmen (UA S. 3 und 17). Das auf Besuchsaufenthalte der Klägerin in Marokko von einigen Wochen im Jahr beschränkte Zusammensein der Kläger stellt nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verwaltungsvorgängen und Gerichtsakten kein derart intensiv gelebtes Pflegekindschaftsverhältnis dar, dass es im Lichte von Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK geboten sein könnte, eine erweiternde Auslegung von § 36 Abs. 2 AufenthG in Betracht zu ziehen (vgl. auch Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG - sog. Familienzusammenführungs-Richtlinie -, der sich auf minderjährige Kinder einschließlich "der adoptierten Kinder" des Zusammenführenden bezieht).

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Eine analoge Anwendung von § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetzes - AdÜbAG -), der hinsichtlich der Einreise und des Aufenthalts eines aufzunehmenden Kindes auf die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften über den Kindernachzug verweist, scheidet ebenfalls aus. Zum einen fehlt es im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG an einer planwidrigen Regelungslücke, die eine analoge Anwendung rechtfertigen könnte. Zum anderen ist der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelungen hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der Anwendungsbereich des Ausführungsgesetzes auf den Anwendungsbereich des Haager Adoptionsübereinkommens beschränkt bleiben soll (vgl. die Differenzierung in § 2a Abs. 1 und 2 AdVermiG sowie den Änderungsvorschlag des Bundesrates, BTDrucks 14/6011 S. 61, dem der Gesetzgeber nicht gefolgt ist). Diesem Abkommen ist Marokko nicht beigetreten.

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2. Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass als rechtliche Grundlage für die Erteilung des beantragten Visums allein § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 6 Abs. 4 AufenthG in Betracht kommt. Danach kann "in begründeten Fällen" ein Visum auch für einen vom Aufenthaltsgesetz nicht (ausdrücklich) vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass im Entscheidungsfall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vorliegen und demgemäß das behördliche Ermessen eröffnet ist. Bei dem Nachzugswunsch der Kläger handelt es sich nicht um einen "begründeten Fall" im Sinne dieser Vorschrift. Die Erteilung des erstrebten Visums scheitert daher bereits auf dieser Ebene, ohne dass es auf die von der Deutschen Botschaft angestellten Ermessenserwägungen ankommt.

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Es bedarf anlässlich des Entscheidungsfalles keiner umfassenden Klärung, was unter einem begründeten Fall im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu verstehen ist und welche der - gegebenenfalls gegenläufigen - privaten und öffentlichen Belange, die durch den Aufenthalt berührt werden, im Rahmen der durch diesen unbestimmten Rechtsbegriff eröffneten Abwägung zu berücksichtigen und welche im Rahmen des Ermessens zu würdigen sind. Jedenfalls bei einem Aufenthaltszweck, der öffentlich-rechtlichen Vorgaben außerhalb des Aufenthaltsrechts unterfällt, kann ein begründeter Fall nur und erst angenommen werden, wenn diese Vorgaben erfüllt sind. Wird der Aufenthaltstitel - wie hier - zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens begehrt, dürfen hierdurch die Vorschriften über das bei Adoptionen mit Auslandsbezug nach dem Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (Adoptionsvermittlungsgesetz - AdVermiG -) vorgesehene internationale Adoptionsvermittlungsverfahren nicht unterlaufen werden.

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3. Im Fall der Kläger ist bisher nicht geklärt, ob die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen eine internationale Adoption durchgeführt werden darf. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass in diesem Zusammenhang die Vorschriften des Adoptionsvermittlungsgesetzes maßgebend sind. Die Vorschriften dieses Gesetzes sind nach § 2a Abs. 1 AdVermiG in allen Fällen anzuwenden, in denen das Kind oder der Adoptionsbewerber ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben oder in denen das Kind innerhalb von zwei Jahren vor Beginn der Vermittlung in das Inland gebracht worden ist. Soweit nach § 2a Abs. 2 AdVermiG im Anwendungsbereich des Haager Adoptionsübereinkommens (HAÜ) ergänzend die Bestimmungen des Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetzes gelten, ist dem im Umkehrschluss zu entnehmen, dass das Adoptionsvermittlungsgesetz auch internationale Adoptionen mit einem Bezug zu einem Nichtvertragsstaat betrifft. Derartige Adoptionen sind außerhalb des im Adoptionsvermittlungsgesetz geregelten Verfahrens zwar nicht generell verboten (vgl. § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Schutzzweck des Adoptionsvermittlungsgesetzes - die Sicherung des Kindeswohls - lässt es aber als zwingend erscheinen, Adoptionen ausländischer Kinder aufenthaltsrechtlich nur unter strikter Beachtung des Kindeswohls und unter fachkundiger Verantwortung der im Adoptionsvermittlungsgesetz vorgesehenen Adoptionsvermittlungsstellen zu ermöglichen.

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Der Anwendung des Adoptionsvermittlungsgesetzes steht nicht entgegen, dass hier das zu adoptierende Kind bereits feststeht. Auch dies ist ein "Zusammenführen" des Kindes mit dem oder den Adoptionsbewerbern und damit Adoptionsvermittlung im Sinne des § 1 AdVermiG. Der Vergleich von § 1 Satz 1 und § 1 Satz 2 des Gesetzes macht deutlich, dass der Begriff des "Zusammenführens" mehr umfasst als den "Nachweis der Gelegenheit, ein Kind anzunehmen". Dies ergibt sich im Übrigen auch aus dem Verweis in § 2a Abs. 2 AdVermiG auf den (vollständigen) Anwendungsbereich des Haager Adoptionsübereinkommens. Dieses Übereinkommen erfasst zweifelsohne auch Adoptionen, in denen das zu adoptierende Kind den Adoptionsbewerbern bereits bekannt ist (vgl. Art. 2 Abs. 1 HAÜ und die Sonderregelung für Verwandtenadoptionen z.B. in Art. 29 HAÜ; ferner § 2 Abs. 1 AdÜbAG). § 2a Abs. 1 AdVermiG ist nicht zu entnehmen, dass das Adoptionsvermittlungsgesetz insoweit hinsichtlich der umfassenden Geltung bei allen internationalen Adoptionen hinter dem Anwendungsbereich des Haager Adoptionsübereinkommens zurückbleiben will. Weder der Wortlaut ("alle Fälle"), noch die Systematik, noch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bzw. des Gesetzes insgesamt geben einen Anhalt in dieser Richtung (zur Entstehungsgeschichte vgl. BTDrucks 14/6011 S. 50). Der Schutzzweck der Norm - die Sicherung des Kindeswohls - gebietet ebenfalls die Einbeziehung dieser Fälle in den Anwendungsbereich des Adoptionsvermittlungsgesetzes.

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Nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz ist es ausschließlich Sache der im Gesetz vorgesehenen Adoptionsvermittlungsstellen, die sachdienlichen Ermittlungen bei den Adoptionsbewerbern, bei dem Kind und gegebenenfalls dessen Familie durchzuführen und dabei zu prüfen und zu bewerten, ob die Adoptionsbewerber unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Kindes und dessen individueller Bedürfnisse für die Annahme des Kindes geeignet sind (§ 7 Abs. 1 AdVermiG). Vermittlungsstellen im Inland sind im Wesentlichen Jugendämter bzw. Landesjugendämter (§ 2 Abs. 1, § 2a Abs. 3 und § 5 Abs. 1 AdVermiG). Im Ausland ist es die nach dortigem Recht "zuständige Stelle" (§ 7 Abs. 3 und § 9 Abs. 2 AdVermiG). Bei den Vermittlungsstellen dürfen nur Fachkräfte mit der Adoptionsvermittlung betraut werden (§ 3 Abs. 1 AdVermiG). Anderen Stellen - von wenigen, hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - ist die Adoptionsvermittlung ausdrücklich untersagt (§ 5 Abs. 1 AdVermiG). Nach § 8 des Gesetzes darf das Kind erst dann zur Eingewöhnung bei den Adoptionsbewerbern in Pflege gegeben werden, wenn feststeht, dass die Adoptionsbewerber für die Annahme des Kindes geeignet sind. Das gesetzlich geregelte Vermittlungsverfahren dient dazu, eine allein am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu gewährleisten und jedem Missbrauch, insbesondere dem Handel mit Kindern, vorzubeugen. Bei einer internationalen Adoption kommt die Prüfung hinzu, ob es im Interesse des Kindes erforderlich ist, eine Adoption in das Ausland zu vermitteln. Insgesamt ist es Aufgabe und Ziel der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Fachvermittlung, Kindern unter strikter Beachtung des Kindeswohls zu einer neuen Familie zu verhelfen, allerdings nicht nur im Sinne einer revidierbaren Prognose, sondern aufgrund einer fachlich koordinierten und fundierten Einschätzung mit einer verlässlichen und auf Dauer angelegten Lebensperspektive für das Kind. Dieses Ziel gebietet bei einer internationalen Adoption, dass vor der Einreise des Kindes und dem familiengerichtlichen Adoptionsverfahren in Deutschland geprüft wird, ob die Auslandsadoption durch den betreffenden Adoptionsbewerber dem Wohl des Kindes dient. Dass es bei einem negativen Ergebnis dieser Prüfung zum familiengerichtlichen Adoptionsverfahren nicht mehr kommt, liegt in der Natur der Sache und ist von den Adoptionsbewerbern hinzunehmen.

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4. Wird die Erteilung eines Visums zur Durchführung eines Adoptionsverfahrens begehrt, liegt ein begründeter Fall im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG demnach grundsätzlich nur dann vor, wenn ein internationales Adoptionsvermittlungsverfahren vollständig durchgeführt worden ist und mit einer positiven Empfehlung der zuständigen Adoptionsvermittlungsstelle geendet hat. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass im Rahmen des Visumverfahrens lediglich die Frage der (allgemeinen) Elterneignung von Bedeutung sei, geht daher fehl. In aller Regel muss das Vermittlungsverfahren in sämtlichen Einzelschritten durchlaufen worden sein und zu einer Befürwortung der Adoption geführt haben. Da nur auf diese Weise die Sicherung des Kindeswohls gewährleistet werden kann, kommt eine Visumerteilung zur Einreise des Kindes grundsätzlich auch dann nicht in Betracht, wenn - wie hier - ein internationales Adoptionsvermittlungsverfahren nicht durchgeführt werden kann, weil es im Heimatstaat des Kindes an einer entsprechenden Adoptionsvermittlungsstelle fehlt.

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Es mag Ausnahmefälle geben, in denen von dem Erfordernis eines internationalen Adoptionsvermittlungsverfahrens abgesehen werden kann und die Auslandsvertretung aufgrund eigener, ggf. durch sach- und fachkundige Beratung unterstützter Beurteilung einen begründeten Fall bejahen darf. Dies setzt allerdings besondere Umstände etwa in Notsituationen voraus, bei denen es offensichtlich erscheint, dass das Kindeswohl die geplante Adoption - z.B. bei familiärer Verbundenheit - erfordert und es kein anderes behördliches Verfahren gibt, das Wohl des Kindes effektiv durchzusetzen. Dass hier ein derart eindeutiger Ausnahmefall vorliegen könnte, ist weder von den Klägern geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der mögliche Anwendungsbereich für Ausnahmefälle deutlich an praktischer Bedeutung verlieren wird, wenn im Januar 2011 das Haager Kinderschutzübereinkommen für Deutschland in Kraft tritt. Mit diesem Übereinkommen und den entsprechenden Anpassungen des deutschen Rechts wird es ein zwischenstaatliches Verfahren geben, das speziell auf die Inpflegenahme von Kindern auf der Grundlage einer Kafala zugeschnitten ist.

17

5. Der Senat war nicht gehalten, das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung des beim 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts anhängigen adoptionsrechtlichen Verfahrens auszusetzen (vgl. § 94 VwGO). Denn die hier zu treffende aufenthaltsrechtliche Entscheidung hängt, wie dargestellt, nicht davon ab, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Kläger beanspruchen können, dass die allgemeine Elterneignung der Klägerin vom Stadtjugendamt in München gemäß § 7 Abs. 3 AdVermiG vorab geprüft wird.

18

Die Verfahrensrügen der Kläger greifen nicht durch. Dies ist den Klägern in der Revisionsverhandlung erläutert worden. Sie haben die Rügen daraufhin nicht weiter verfolgt.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Kläger auch die der Beigeladenen um Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten tragen, weil die Beigeladene durch einen eigenen Antrag insoweit ein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen ist. Im Übrigen trägt die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da sie weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Revisionsverfahren eigene Anträge gestellt hat und deshalb kein Anlass für eine anderweitige Kostenentscheidung aus Billigkeitsgründen besteht.