Entscheidungsdatum: 11.08.2010
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 22. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
I.
Die Betroffene leidet an einer schizoaffektiven Psychose. Mit Beschluss vom 29. Dezember 2009 hat das Amtsgericht den Beteiligten zu 2 als Betreuer der Betroffenen u.a. mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Unterbringung und Vermögenssorge bestellt und für Angelegenheiten der Vermögenssorge einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Außerdem hat das Amtsgericht mit Beschluss vom selben Tag "die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens zum 28.02.2010" genehmigt. Die gegen beide Beschlüsse gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen. Sie möchte die Aufhebung der Betreuung erreichen; außerdem begehrt sie die Feststellung, dass die Genehmigung ihrer Unterbringung rechtswidrig war.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat mit Recht die Beschwerde der Betroffenen insoweit zurückgewiesen, als diese sich gegen die Betreuerbestellung wendet.
Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers und die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts in Angelegenheiten der Vermögenssorge (§ 1896 Abs. 1 Satz 1, § 1903 BGB) liegen vor. Die hierzu vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. § 1896 Abs. 1 a BGB steht der Bestellung eines Betreuers nicht entgegen, da nach dem - von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen - Ergebnis des vom Amtsgericht erholten Gutachtens die Fähigkeit der Betroffenen zur Bildung eines "freien Willens" aufgehoben ist. Auch die Bestellung des Beteiligten zu 2. als Betreuer begründet keine Rechtswidrigkeit des amtsgerichtlichen Beschlusses. Zwar soll nach § 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB auf einen Vorschlag des Betroffenen, eine bestimmte Person nicht zu seinem Betreuer zu bestellen, Rücksicht genommen werden. Indes zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf, dass sich das Amtsgericht über einen solchen Vorschlag der Betroffenen hinweggesetzt hätte. Der von der Verfahrenspflegerin wiedergegebenen Meinung der Betroffenen, diese benötige keinen Betreuer, "sondern jemanden, der sie täglich psychosozial für etwa zwei Stunden … an die Hand nimmt", zielt auf eine Regelung außerhalb des Betreuungsrechts, begründet aber keinen Vorschlag, auf den nach § 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB Rücksicht genommen werden müsste. Auch der Umstand, dass die Beteiligte zu 1. die Betreuung durch den Beteiligten zu 2. "von Anfang an als für die Betroffene nicht förderlich empfunden" hat, ist für sich genommen nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Bestellung des Beteiligten zu 2. als Betreuer in Zweifel zu ziehen.
2. Mit Recht hat das Landgericht die Beschwerde auch insoweit zurückgewiesen, als das Amtsgericht die Unterbringung der Betroffenen genehmigt hat.
a) Zwar wird im Tenor des amtsgerichtlichen Beschlusses die Art der geschlossenen Einrichtung, in der die Betroffene untergebracht werden durfte, nicht näher bezeichnet. Aus den Gründen der Entscheidung lässt sich aber ohne weiteres entnehmen, dass die Betroffene (nur) in einer psychiatrischen Einrichtung unterzubringen war. Das ergibt sich bereits aus der im Beschluss wiedergegebenen Diagnose (chronifizierte schizoaffektive Störung) und dem erklärten Ziel der Unterbringung, der diagnostizierten Krankheit mit einer medikamentösen Behandlung zu begegnen. Einer näheren Beschreibung der geschlossenen Einrichtung bedurfte es deshalb nicht; die Auswahl der konkreten Einrichtung oblag ohnehin dem Betreuer.
b) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung der Betroffenen zum Zwecke ihrer Behandlung (§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB) aufgrund des vom Amtsgericht eingeholten Gutachtens nicht hinreichend festgestellt seien und auch die Art der mit der Unterbringung beabsichtigten Behandlung im angefochtenen Beschluss nicht genügend konkretisiert werde. Diese Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen. Sie können jedoch dahinstehen. Denn das Landgericht hat seine Entscheidung auch auf § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB gestützt. Diese Begründung rechtfertigt die Unterbringung der Betroffenen.
Wie der Senat dargelegt hat, verlangt diese Vorschrift - im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung - keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib oder Leben (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 - XII ZB 248/09 - FamRZ 2010, 365 Tz. 14), wobei die Anforderungen an die Voraussehbarkeit einer Selbsttötung oder einer erheblichen gesundheitlichen Eigenschädigung jedoch nicht überspannt werden dürfen (Senatsbeschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 118/10 - zur Veröffentlichung bestimmt). Die Prognose ist im Wesentlichen Sache des Tatrichters (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 - XII ZB 248/09 - FamRZ 2010, 365 Tz. 14).
Das Landgericht ist insoweit den Ausführungen der behandelnden Ärztin anlässlich der persönlichen Anhörung der Betroffenen am 20. Januar 2010 gefolgt. Danach bestand für die Betroffene im Falle einer Entlassung eine akute erhebliche Eigengefährdung. Richtig ist zwar, dass sich nach dem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten vom 21. Dezember 2009 für den Gutachter keine "Hinweise auf sehr schwere fremd- oder eigengefährdende Handlungsweisen" ergaben. Dieses Gutachten ist jedoch erstellt worden, bevor die Betroffene am 30. Dezember 2009 in einer Tagesstätte gedroht hatte, sich mit einem von ihr mitgeführten Messer in den Bauch zu stechen, und daraufhin sofort untergebracht worden war. Es ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht - aufgrund der inzwischen veränderten Sachlage - der im Gutachten vom 21. Dezember 2009 mitgeteilten Einschätzung des Gutachters von der (fehlenden) Eigengefährdung der Betroffenen kein entscheidungserhebliches Gewicht mehr beigemessen hat.
Hahne Wagenitz Vézina
Dose Schilling