Entscheidungsdatum: 23.06.2010
Zu den Anforderungen an eine zulässige Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 1. Februar 2006, XII ZB 236/05, FamRZ 2006, 615, 616 und vom 13. Januar 2010, XII ZB 248/09, FamRZ 2010, 365 Tz. 14) .
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 5 des Landgerichts Schwerin vom 3. März 2010 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
I.
Der Betroffene leidet an Schizophrenie; er befindet sich in einem akuten psychotischen Zustand. Seit 2007 war der Betroffene wiederholt untergebracht - zuletzt aufgrund von Beschlüssen des Amtsgerichts vom 30. Juni 2009 (Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 16. Juli 2009; Unterbringung bis 27. Juli 2009), vom 12. August 2009 (Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 1. September 2009; Unterbringung bis 23. September 2009), vom 2. Oktober 2009 (Unterbringung bis 5. November 2009) und vom 12. Januar 2010 (Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 26. Januar 2010; Unterbringung bis 22. Februar 2010). Den die Unterbringung genehmigenden Beschlüssen lagen jeweils Gutachten (vom 29. Juni 2009 - Stationsärztin H. und Dr. P., vom 12. August 2009 - Dr. P., vom 1. Oktober 2009 und 6. Januar 2010 - beide Dipl.-Med. M.) zugrunde, die u. a. von einer Selbsttötungsgefahr bzw. der Gefahr erheblicher Eigengefährdung für den Betroffenen ausgehen, ferner eine ärztliche Stellungnahme im Rahmen einer Anhörung am 26. Januar 2010 (Stationsärztin H.).
Auf Antrag der Betreuerin hat das Amtsgericht (mit Beschluss vom 18. Februar 2010) erneut die Unterbringung des Betroffenen - nunmehr bis zum 19. August 2010 - genehmigt. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Nach Auffassung des Landgerichts liegen die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Betroffenen nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB vor. Aufgrund der Schizophrenie bestehe die Gefahr, dass der Betroffene sich und anderen Personen erheblichen Schaden zufügen könne. Dies sei bedingt durch die bei dem Betroffenen bestehende psychotische Symptomatik mit erheblichen Änderungen im Affekt. In erster Linie liege eine Eigen- und Fremdgefährdung vor, die dazu führen könne, dass der Betroffene sich in für ihn schwierige Situationen hineinbegibt und sich sein Zustand durch die ausgesetzte Medikation weiter verschlechtere. Das Landgericht stützt seine Beurteilung auf ein weiteres von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten des Dipl.-Med. M. (vom 9. Februar 2010), auf die ärztliche Stellungnahme des den Betroffenen behandelnden Oberarztes Dr. P. vom 1. März 2010 sowie auf den persönlichen Eindruck, den das Gericht von dem Betroffenen bei dessen persönlicher Anhörung am 1. März 2010 gewonnen hat. Der Betroffene habe dabei erklärt, dass er aus politischen Gründen verfolgt werde, keine Medikamente benötige und sie nach seiner Entlassung aus der Klinik auch nicht mehr einnehmen werde. Der Betroffene verfüge nach Überzeugung der Kammer über keine Einsicht in seine Krankheit und sei in seiner verfestigten Überzeugung, ohne Medikamente gleich gut leben zu können und keiner Heilbehandlung zu bedürfen, nicht zu beeinflussen.
2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Zwar ist richtig, dass - wie die Rechtsbeschwerde rügt - die Feststellungen des Landgerichts eine Unterbringung des Betroffenen nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB allein nicht zu tragen vermögen.
Nach dieser Vorschrift ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer zulässig, wenn eine Heilbehandlung notwendig ist, die ohne die Unterbringung nicht durchgeführt werden kann und der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. Da eine Unterbringung nach dieser Vorschrift gerade nicht an die engeren Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB (Suizidgefahr, erhebliche Gesundheitsbeschädigung) gebunden ist, kommt - wie der Senat dargelegt hat - dem Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Anwendung dieser Regelung als notwendigem Korrektiv für Eingriffe in das Freiheitsrecht besondere Bedeutung zu. Für eine die Unterbringung rechtfertigende Heilbehandlung muss deshalb im Einzelfall eine medizinische Indikation bestehen und der mögliche therapeutische Nutzen der Behandlung gegen die Gesundheitsschäden abgewogen werden, die ohne die Behandlung entstehen würden (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2006 - XII ZB 236/05 - FamRZ 2006, 615, 616).
Dem landgerichtlichen Beschluss sind Erörterungen zur Verhältnismäßigkeit nach diesen Maßstäben nicht zu entnehmen; insbesondere werden - von der Rechtsbeschwerde beanstandet - die konkret beabsichtigte Therapie und die Aussichten, die der Krankheitsverlauf mit und ohne diese Therapie nehmen würde, dort nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich, benannt. Zwar durfte das Landgericht davon ausgehen, dass sich Behandlungsbedürftigkeit, Therapie und Unterbringungsnotwendigkeit aus den mehreren umfänglichen Gutachten, die im Laufe der aufeinander folgenden Unterbringungsverfahren erstellt worden sind, mit hinreichender Verlässlichkeit und Aktualität erschließen lassen - so zuletzt aus dem vom Landgericht ausdrücklich in Bezug genommenen Gutachten des Dipl.-Med. M. vom 9. Februar 2010. Auch finden sich bereits in den vorangegangenen Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts vom 1. September 2009 (Seite 2) und vom 26. Januar 2010 (Seite 2) hierzu nähere Hinweise, deren stete Wiederholung grundsätzlich als unnötige Förmelei erachtet werden könnte. Indes unterscheidet sich die angefochtene Entscheidung von den vorangegangenen Beschlüssen durch die nunmehr vorgesehene Unterbringungsdauer von einem halben Jahr nicht unerheblich; angesichts dieses Unterschiedes bedurfte es einer Darlegung, inwieweit auch die jetzt genehmigte längerfristige Unterbringung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit von den bisherigen Befunden gedeckt und durch das therapeutische Konzept gerechtfertigt wird. An einer solchen - zumindest summarischen - Darlegung fehlt es in dem angefochtenen Beschluss.
b) Indes erweist sich die angefochtene Entscheidung gleichwohl im Ergebnis als richtig. Denn das Landgericht hat seine Entscheidung auch auf § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB gestützt. Diese Begründung rechtfertigt das gefundene Ergebnis.
Wie der Senat ebenfalls dargelegt hat, verlangt diese Vorschrift - im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung - keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 - XII ZB 248/09 - FamRZ 2010, 365 Tz. 14), wobei die Anforderungen an die Voraussehbarkeit einer Selbsttötung oder einer erheblichen gesundheitlichen Eigenschädigung jedoch nicht überspannt werden dürfen. Die Prognose ist im Wesentlichen Sache des Tatrichters (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 - XII ZB 248/09 - FamRZ 2010, 365 Tz. 14).
Das Landgericht ist insoweit dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Med. M. vom 9. Februar 2010 gefolgt, nach dem "weiterhin die Gefahr [besteht], dass der Betroffene sich selbst erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt". Es hat sich außerdem auf die gutachtliche Stellungnahme des den Betroffenen behandelnden Oberarztes Dr. P. gestützt, der anlässlich seiner Anhörung vor dem Landgericht die Ergebnisse der Begutachtung durch Dipl.-Med. M. ausdrücklich bestätigt hat. Beiden sachverständigen Äußerungen ist zu entnehmen, dass ohne die Fortsetzung der bisherigen Medikation die Gefahr einer erheblichen Eigenschädigung des Betreuten besteht, der Betreute in der Vergangenheit die Einnahme der Medikamente stets abgesetzt hat und deshalb die Unterbringung zur kontinuierlichen Fortführung der Medikation erforderlich ist. Weiterer Erkundungen bedurfte es - auch im Hinblick auf die in den vorangehenden Genehmigungsverfahren eingeholten gutachtlichen Stellungnahmen, die für den Fall einer Unterbrechung der Therapie einhellig von der Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Eigenschädigung des Betroffenen ausgehen - nicht. Insbesondere bedurfte es danach keiner Ermittlung besonderer tatsächlicher Vorkommnisse aus der jüngeren Vergangenheit, die sichere Rückschlüsse auf die Gefahr der Eigenschädigung ermöglichen könnten; ebenso war es - angesichts der auch in den Gutachten geschilderten Lebenssituation des Betroffenen - verzichtbar, weil fernliegend, ausdrücklich auch der Frage nach möglichen Alternativen zur Unterbringung nachzugehen.
Aus der von der Rechtsbeschwerde angeführten Stellungnahme der Stationsärztin H., die diese am 26. Januar 2010 - anlässlich einer Anhörung im vorangehenden Genehmigungsverfahren - abgegeben hat, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Danach hält die Stationsärztin zum damaligen Zeitpunkt einen Suizid "grundsätzlich für möglich"; die Suizidgefahr sei "jedoch nicht mehr das vordergründige Thema". Früher habe es Suizidhandlungen gegeben. "Durch seine Verweigerungshaltung" sei der Betroffene "in eine perspektivlose Situation geraten". Es sei daher "in der Tat die schlimmste Befürchtung, dass derartiges passieren könne". Es ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht diesen Ausführungen keine Bedeutung zugemessen hat, die den zuvor wiedergegebenen Darlegungen des Dipl.-Med. M. und des Oberarztes Dr. P. widerstreiten.
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