Entscheidungsdatum: 27.01.2016
Für Urteile, die nach dem Inkrafttreten der Neufassung des § 317 ZPO zum 1. Juli 2014 zugestellt worden sind, setzt der Beginn der Fristen zur Berufungseinlegung und -begründung nicht mehr die Zustellung einer Urteilsausfertigung voraus. Entsprechend der nunmehr in § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO enthaltenen Regel genügt die Zustellung einer beglaubigten Abschrift des in vollständiger Form abgefassten Urteils (Abgrenzung zu BGH, 9. Juni 2010, XII ZB 132/09, BGHZ 186, 22 = FamRZ 2010, 1246).
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. November 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 237.738 €
I.
Die Klägerin wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Verwerfung ihrer Berufung.
Das Landgericht hat die u. a. auf Erstattung von Betriebskostenvorauszahlungen und Freistellung aus einer Bürgschaft gerichtete Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage der Beklagten u. a. zur Zahlung von 65.306,98 € nebst Zinsen verurteilt.
Das Urteil wurde den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin in beglaubigter Abschrift am 25. August 2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Am 18. September 2014 hat die Klägerin hiergegen Berufung eingelegt. Mit einem auf den 27. Oktober 2013 (richtig: 2014) datierten und am 29. Oktober 2014 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin beantragt, "die am 30.10.2014 erstmals ablaufende Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis zum 30.11.2014 zu verlängern".
Nach einem Hinweis des Oberlandesgerichts, dass die Berufungsbegründungsfrist bei Eingang des Fristverlängerungsantrags bereits abgelaufen gewesen sei, hat die Klägerin am 6. November 2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Zur Begründung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung hat die Klägerin ausgeführt, die dem mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragten Rechtsanwalt übermittelte Abschrift des landgerichtlichen Urteils sei mit einem - offenbar von Mitarbeitern der Klägerin angebrachten - auf den 30. August 2014 datierten Eingangsstempel versehen gewesen. Daher sei ihr zweitinstanzlicher Prozessbevollmächtigter bei der Einlegung der Berufung davon ausgegangen, dass die Zustellung des landgerichtlichen Urteils an dem genannten Datum stattgefunden habe. Er habe seine Assistentin angewiesen, die Frist zur Begründung der Berufung auf den 30. Oktober 2014 zu notieren, was dann auch geschehen sei. Am Montag, den 27. Oktober 2014 habe die Assistentin nach Diktat den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist verfasst. Da der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin aufgrund des Zustellungsvermerks auf der ihm übermittelten Abschrift des landgerichtlichen Urteils davon ausgegangen sei, dass die Berufungsbegründungsfrist erst am 30. Oktober 2014 ende, seien in dem Verlängerungsantrag dieses Datum als vermeintlicher Fristablauf und entsprechend der 30. November 2014 als das Datum genannt worden, bis zu dem die Frist verlängert werden solle. Obwohl in der Kanzlei ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten die Anweisung existiere, Fristverlängerungsgesuche ausnahmslos vorab per Telefax an das jeweils zuständige Gericht zu übermitteln, habe die bislang stets sorgfältig arbeitende Assistentin des Rechtsanwalts den Antrag lediglich in den normalen Postweg gegeben, weshalb dieser erst am 29. Oktober 2014 beim Berufungsgericht eingegangen sei. Regelmäßige stichprobenartige Überprüfungen hätten ergeben, dass diese Anweisung von der Kanzleimitarbeiterin zuvor in sämtlichen Fällen befolgt worden sei. Die fehlerhafte Notierung der Berufungsbegründungsfrist sei daher für die Versäumung der Frist nicht kausal geworden, da der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangen wäre, wenn die Assistentin entsprechend der bestehenden Anweisung den Antrag nach Ausfertigung am 27. Oktober 2014 per Telefax an das Oberlandesgericht übersandt hätte.
Das Oberlandesgericht hat der Klägerin die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung versagt und die Berufung verworfen. Dagegen richtet sich ihre Rechtsbeschwerde.
II.
Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Frage, ob die Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch mit der Zustellung einer beglaubigten Abschrift statt einer Ausfertigung des Berufungsurteils zu laufen beginnt (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 186, 22 = FamRZ 2010, 1246), grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne der Klägerin nicht gewährt werden, weil sie nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen sei. Diese sei vielmehr infolge Verschuldens ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, das sie sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse, versäumt worden. Dieser räume ein, dass die Berufungsbegründungsfrist, die tatsächlich am 27. Oktober 2014 abgelaufen sei, durch sein eigenes Verschulden - nämlich durch die fehlerhafte Deutung des Eingangsstempels auf dem erstinstanzlichen Urteil - auf den 30. Oktober 2014 notiert worden sei. Der Fristverlängerungsantrag sei erst am 29. Oktober 2014 und damit verspätet bei Gericht eingegangen.
Die Erheblichkeit des Verschuldens des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin für die Fristversäumnis sei auch nicht durch ein späteres, der Klägerin nicht zuzurechnendes Ereignis im Wege der "überholenden Kausalität" entfallen. Zwar liege nach der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ein Fehlverhalten einer Kanzleiangestellten vor. Ein anordnungsgemäßes Verhalten der Mitarbeiterin hätte allerdings nicht dazu geführt, dass die Berufungsbegründungsfrist mit Sicherheit gewahrt worden wäre. Dies sei jedoch erforderlich, um die Kausalität des anwaltlichen Verschuldens entfallen zu lassen. Nach den mit dem Widereinsetzungsantrag vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen habe in der Kanzlei des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin die strikte Anweisung bestanden, Anträge auf Verlängerung von Berufungsbegründungsfristen ausnahmslos vorab per Telefax an das Gericht zu übersenden. Der Sinn dieser Anweisung habe darin bestanden, mit dem Faxprotokoll einen Beleg für den rechtzeitigen Eingang des Verlängerungsantrags bei Gericht zu haben. Dieser Anweisung hätte die Kanzleiangestellte im Streitfall aber auch noch dann genügt, wenn sie dem Gericht den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist spätestens am 30. Oktober 2014, also am letzten Tag der fehlerhaft im Fristenkalender notierten Frist, übersandt hätte. Auch bei Befolgung der fraglichen anwaltlichen Weisung durch die Kanzleiangestellte sei ein verspäteter Eingang des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist somit nicht ausgeschlossen gewesen. Deshalb sei das anwaltliche Fehlverhalten durch die Notierung eines falschen Fristablaufs kausal für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewesen.
Wegen der Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist sei das Rechtsmittel der Klägerin auf deren Kosten zu verwerfen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht wegen eines der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Anwaltsverschuldens eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und ihre Berufung verworfen. Die Rügen der Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung greifen nicht durch.
a) Zutreffend hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass die Frist zur Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gewahrt ist, da bis zu deren Ablauf am 27. Oktober 2014 weder die Beschwerdebegründung noch ein Fristverlängerungsantrag bei dem Beschwerdegericht eingegangen war.
Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat die Berufungsbegründungsfrist im vorliegenden Fall mit der Zustellung einer beglaubigten Abschrift des landgerichtlichen Urteils am 25. August 2014 zu laufen begonnen.
aa) Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit zu § 517 ZPO entschieden, dass der Beginn der einmonatigen Berufungsfrist die Zustellung einer Ausfertigung des in vollständiger Form abgefassten Urteils voraussetzt und die Übergabe einer beglaubigten Abschrift des Urteils die Zustellungswirkung des § 517 ZPO nicht begründen kann (Senatsbeschluss BGHZ 186, 22 = FamRZ 2010, 1246 Rn. 12 ff.). Dieser Rechtsauffassung haben sich in der Folgezeit andere Senate des Bundesgerichtshofs angeschlossen (vgl. BGH Beschlüsse vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 40/10 - MDR 2011, 65 Rn. 6 und vom 31. Juli 2013 - VIII ZB 18/13 und VIII ZB 19/13 - NJW 2013, 3451 Rn. 6).
An dieser Rechtsprechung kann jedoch nach der Neufassung des § 317 ZPO durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) nicht mehr festgehalten werden. § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist mit Wirkung vom 1. Juli 2014 dahingehend geändert worden, dass Urteile den Parteien von Amts wegen grundsätzlich in Abschrift zugestellt werden, die von der Geschäftsstelle nach § 169 Abs. 2 ZPO zu beglaubigen ist (BT-Drucks. 17/12634 S. 30). Ausfertigungen eines Urteils werden nach § 317 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur noch auf Antrag einer Partei erteilt, wobei nach § 317 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO die auf Antrag einer Partei erteilte Ausfertigung regelmäßig weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe enthält. Mit Einführung der Übersendung einer beglaubigten Abschrift als Regelform der Urteilszustellung kann der Beginn der Fristen zur Einlegung (§ 517 ZPO) und zur Begründung einer Berufung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht mehr an die Zustellung einer Ausfertigung des Urteils angeknüpft werden. Voraussetzung für den Beginn der genannten Rechtsmittelfristen ist eine Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils von Amts wegen in der in den §§ 169 ff. ZPO bestimmten Form (Prütting/Gehrlein/Lemke ZPO 7. Aufl. § 517 Rn. 4). Die nach § 166 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zuzustellenden Dokumente können grundsätzlich in Urschrift, Ausfertigung oder (beglaubigter) Abschrift zugestellt werden, sofern nicht in speziellen materiell- oder prozessrechtlichen Vorschriften eine besondere Form der Zustellung vorgesehen ist (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 186, 22 = FamRZ 2010, 1246 Rn. 13). Eine solche besondere Vorschrift enthält § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der seit dem 1. Juli 2014 geltenden Fassung, indem er die Übermittlung einer beglaubigten Abschrift als ausreichende Form der Amtszustellung von Urteilen vorsieht.
Soweit die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, trotz der Änderung des § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO müsse auch weiterhin daran festgehalten werden, dass nur die Zustellung einer Urteilsausfertigung die Fristen der §§ 517, 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO auslösen könne (so auch Musielak/Voit/Ball ZPO 12. Aufl. § 517 Rn. 5; BeckOK ZPO/Wulf [1. Juni 2015] § 517 Rn. 8; Thomas/Putzo/Reichold ZPO 36. Aufl. § 517 Rn. 2; Hk-ZPO/Saenger 6. Aufl. § 317 Rn. 2), kann dem nicht gefolgt werden. Denn dies hätte zur Folge, dass sowohl die in § 517 ZPO vorgesehene Frist von einem Monat für die Einlegung einer Berufung als auch die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann zu laufen beginnen würden, wenn einer Prozesspartei auf ihren Antrag nach § 317 Abs. 2 ZPO eine Urteilsausfertigung zugestellt worden ist. Da Rechtsmittelfristen grundsätzlich für jede Prozesspartei gesondert zu laufen beginnen, hätte es die Partei damit aber selbst in der Hand, ob die für den Beginn der Rechtsmittelfrist notwendige Voraussetzung der ordnungsgemäßen Zustellung der Entscheidung erfüllt wird. Eine Partei könnte daher die einmonatige Berufungsfrist des § 517 ZPO umgehen, indem sie davon absieht, gemäß § 317 Abs. 2 ZPO auf Erteilung einer Ausfertigung anzutragen, und sich dadurch die Möglichkeit offen halten, Berufung gegen die ergangene Entscheidung bis zu dem aus § 517 ZPO folgenden spätesten Zeitpunkt von sechs Monaten (fünf Monate bis zum Beginn der Berufungsfrist und ein Monat Berufungsfrist) nach der Verkündung der Entscheidung einzulegen. Diese Erwägung zeigt, dass für Urteile, die nach dem Inkrafttreten der Neufassung des § 317 ZPO zum 1. Juli 2014 zugestellt worden sind, der Beginn der Fristen zur Berufungseinlegung und -begründung nicht mehr die Zustellung einer Urteilsausfertigung voraussetzen kann, sondern entsprechend der nunmehr in § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO enthaltenen Regel die Zustellung einer beglaubigten Abschrift des Urteils genügt.
bb) Da nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen das angefochtene Urteil dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25. August 2014 in beglaubigter Abschrift gemäß § 174 Abs. 1 ZPO gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden ist, endete die Berufungsbegründungsfrist mit Ablauf des 25. Oktober 2014 (§ 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Das so berechnete Fristende fiel mithin auf einen Sonnabend, so dass die Begründungsfrist gemäß § 222 Abs. 2 ZPO am darauffolgenden Montag, dem 27. Oktober 2014, ablief. Der Antrag der Klägerin auf Fristverlängerung ist jedoch erst am 29. Oktober 2014 und daher nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen. Eine Verlängerung der Begründungsfrist kam daher nicht mehr in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juli 2015 - XII ZB 583/14 - FamRZ 2015, 1878 Rn. 10 mwN).
b) Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt, da die Frist zur Begründung der Berufung nicht schuldlos versäumt worden ist.
aa) Der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der Berufungsinstanz eingeräumt, dass er den Eingangsstempel auf dem erstinstanzlichen Urteil fehlerhaft gedeutet habe und deshalb die Berufungsbegründungsfrist unzutreffend auf den 30. Oktober 2014 notiert worden sei. Die Rechtsbeschwerde wendet hiergegen ein, das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung nicht allein diese Einlassung zugrunde legen dürfen. Die Frage, ob die Klägerin unter Zugrundelegung der in ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung glaubhaft gemachten tatsächlichen Umstände schuldlos im Sinne des § 233 ZPO daran gehindert gewesen sei, die Frist zur Begründung der Berufung zu wahren, betreffe nicht die Feststellung von Tatsachen, sondern allein die rechtliche Würdigung. Diese Frage sei deshalb nicht einem Geständnis im Sinne des § 288 ZPO zugänglich, sondern unabhängig davon zu beantworten, welche Rechtsstandpunkte die Parteien insoweit vertreten haben mögen.
bb) Dadurch wird ein anwaltliches Verschulden des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der fehlerhaften Eintragung der Berufungsbegründungsfrist nicht in Frage gestellt.
(1) Einen Prozessbevollmächtigten treffen hinsichtlich der Wahrung von Rechtsmittelfristen besondere Sorgfaltspflichten. Er hat alles ihm Zumutbare zu veranlassen, damit diese Fristen gewahrt werden. Dazu gehört vorrangig, dass er eigenverantwortlich das für den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfristen maßgebende Zustellungsdatum feststellt (vgl. BGH Beschluss vom 22. November 1990 - I ZB 13/90 - NJW-RR 1991, 828). Beauftragt eine Partei für die Rechtsmittelinstanz einen anderen Anwalt, dann hat der Rechtsmittelanwalt in eigener Verantwortung durch geeignete und verlässliche Erkundigungen zu ermitteln, ob und wann ein Urteil der Vorinstanz zugestellt worden ist (BGH Beschluss vom 8. Februar 1996 - VII ZB 21/95 - NJW 1996, 1477).
(2) Diese Sorgfaltspflichten wurden von dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin schuldhaft verletzt. Denn dieser durfte sich schon deshalb nicht auf den auf dem erstinstanzlichen Urteil aufgebrachten Eingangsstempel verlassen, weil dieser von Mitarbeitern der Klägerin selbst stammt. Unabhängig davon muss ein Rechtsmittelanwalt stets eigenverantwortlich überprüfen, wann das Urteil dem erstinstanzlich tätigen Rechtsanwalt tatsächlich zugestellt worden ist (vgl. Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 233 Rn. 23; Prütting/Gehrlein/Milger ZPO 7. Aufl. § 233 Rn. 49; vgl. auch BGH Beschluss vom 22. November 1990 - I ZB 13/90 - NJW-RR 1991, 828, 829).
cc) Das anwaltliche Verschulden bei der Ermittlung des Zustellungsdatums war für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch ursächlich.
(1) Zwar schließt ein früheres Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten die Wiedereinsetzung dann nicht aus, wenn seine rechtliche Erheblichkeit durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes Ereignis entfällt (sog. überholende Kausalität, vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722 Rn. 11). Nach §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO darf ihr Wiedereinsetzung jedoch nur gewährt werden, wenn ihren Prozessbevollmächtigten kein auch nur mitursächliches Verschulden an der Fristversäumung trifft (BGH Beschlüsse vom 11. Mai 2011 - IV ZB 2/11 - AnwBl 2011, 865 Rn. 7 und vom 18. April 2000 - XI ZB 1/00 - NJW 2000, 2511, 2512). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist dies hier nicht der Fall.
(2) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Nichtbeachtung der Anweisung, Fristverlängerungsanträge stets vorab per Telefax an das Gericht zu übermitteln, die Ursächlichkeit des Verschuldens des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht ausschließt. Da der Rechtsanwalt den Fristverlängerungsantrag erst am Montag, dem 27. Oktober 2014, und damit am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist diktiert hatte und der Schriftsatz von der Kanzleiangestellten auch erst an diesem Tag gefertigt wurde, hätte die Berufungsbegründungsfrist nur gewahrt werden können, wenn der Antrag noch an diesem Tag an das Berufungsgericht per Telefax übermittelt worden wäre. Hierzu war die Mitarbeiterin des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin jedoch nach der in der Kanzlei geltenden Weisung, auf die sich die Klägerin beruft, nicht verpflichtet. Nach dem Vortrag der Klägerin in der Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs besagte die Weisung nur, dass Fristverlängerungsanträge stets vorab per Telefax an das zuständige Gericht zu senden sind. Sie umfasste jedoch nicht die Verpflichtung, entsprechende Anträge stets noch am Tage ihrer Erstellung zu versenden. Der Anweisung, auf die sich die Klägerin stützt, hätte die Kanzleiangestellte folglich auch dann noch genügt, wenn sie den Fristverlängerungsantrag erst am darauffolgenden Tag per Telefax an das Berufungsgericht gesandt hätte, weil nach der fehlerhaft im Fristenkalender eingetragenen Frist an diesem Tag die Berufungsbegründungsfrist noch hätte gewahrt werden können. Die Anweisung, Fristverlängerungsanträge stets vorab per Fax an das zuständige Gericht zu übermitteln, war daher weder dazu bestimmt noch dazu geeignet, die Folgen einer von dem Prozessbevollmächtigten verschuldeten fehlerhaften Eintragung einer Rechtsmittelfrist zu verhindern.
Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht somit zumindest nicht ausschließlich auf einem Fehlverhalten der Kanzleiangestellten, das sich die Klägerin nicht zurechnen lassen müsste. Die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu verantwortende fehlerhafte Eintragung des Zustellungsdatums der angegriffenen Entscheidung war für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist jedenfalls mitursächlich. Dies schließt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. BGH Beschluss vom 12. November 2013 - XII ZB 11/12 - FamRZ 2014, 295 Rn. 21 mwN).
Dose Schilling Günter
Botur Guhling