Entscheidungsdatum: 31.10.2012
Auch ein am Verfahren über den Versorgungsausgleich beteiligter oder zu beteiligender betrieblicher oder privater Versorgungsträger wird durch eine gerichtliche Entscheidung grundsätzlich bereits dann in seinem Recht beeinträchtigt, wenn der Versorgungsausgleich mit einem im Gesetz nicht vorgesehenen Eingriff in seine Rechtsstellung verbunden ist, ohne dass es auf eine finanzielle Mehrbelastung ankommt (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 7. März 2012, XII ZB 599/10, FamRZ 2012, 851 und vom 25. November 1981, IVb ZB 616/80, FamRZ 1982, 155, 156).
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivil-senats - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts in Berlin vom 12. Oktober 2011 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.000 €
I.
Auf den am 25. März 2008 zugestellten Scheidungsantrag hat das Familiengericht die am 16. September 2000 geschlossene Ehe der Antragstellerin (Ehefrau) und des Antragsgegners (Ehemann) unter Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich rechtskräftig geschieden. Es hat das Verfahren über den Versorgungsausgleich ausgesetzt und nach dem 1. September 2009 wieder aufgenommen. Während der Ehezeit (1. September 2000 bis 29. Februar 2008, § 3 Abs. 1 VersAusglG) erwarb der Ehemann unter anderem eine betriebliche Altersversorgung bei der Robert Bosch GmbH mit einem Kapitalwert von 3.698,41 €. Bezüglich dieses Anrechts hat das Familiengericht angeordnet, dass im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Ehemannes bei der Bosch Pensionsfonds AG zugunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 924,61 € übertragen werde.
Hiergegen hat die Bosch Pensionsfonds AG Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass nicht sie, sondern die Robert Bosch GmbH Versorgungsträger des auszugleichenden Anrechts sei, der Ausgleichswert nicht 924,61 €, sondern 1.849,21 € betrage und das Anrecht nicht intern, sondern extern zu teilen sei. Das Oberlandesgericht hat der Beschwerde stattgegeben, im Wege der externen Teilung zu Lasten des Anrechts des Ehemanns bei der Robert Bosch GmbH zu Gunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 1.849,21 € bezogen auf den 29. Februar 2008 bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg begründet und angeordnet, dass die Robert Bosch GmbH an die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg einen Betrag von 1.849,21 € zu zahlen habe. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Auf das Verfahren zum Versorgungsausgleich ist gemäß Art. 111 Abs. 4 FGG-RG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG das seit dem 1. September 2009 geltende Verfahrensrecht und materielle Recht anzuwenden, weil das Verfahren vom Scheidungsverbund abgetrennt, als Folgesache ausgesetzt und erst nach dem 1. September 2009 wiederaufgenommen worden ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 567/10 - FamRZ 2012, 98 Rn. 7 ff. und vom 16. Februar 2011 - XII ZB 261/10 - FamRZ 2011, 635 Rn. 10 ff.).
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Das auszugleichende Anwartschaftsrecht bestehe nicht bei der Beschwerdeführerin, sondern bei der Robert Bosch GmbH. Demzufolge könne nur eine dortige Rentenanwartschaft ausgeglichen werden. Der Wert der Anwartschaft belaufe sich auf 3.698,41 €, so dass der Ausgleichswert nach dem Halbteilungsgrundsatz 1.849,21 € betrage. Auf Verlangen des Versorgungsträgers sei das Anrecht gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG extern zu teilen, da der Ausgleichswert die Beitragsbemessungsgrenze nicht überschreite (§ 17 VersAusglG). Vom Ausgleich des Anrechts sei auch nicht gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG abzusehen. Zweck der Vorschrift sei es vor allem, dem zuständigen Versorgungträger einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand zu ersparen, der ihm durch die Teilung und Aufnahme eines neuen Anwärters entstünde; außerdem solle die Bildung von Splitterversorgungen vermieden werden. Diese Belange der Verwaltungseffizienz seien gegen das Interesse des Ausgleichsberechtigten an der Erlangung geringer Anrechte abzuwägen. Hier sei das Interesse der Ehefrau an einer Teilhabe an der Anwartschaft förderungswürdiger als das Interesse des Ehemanns an einem ungeschmälerten Bezug dieses Anrechts. Der Ehemann habe dem Ausgleich des Anrechts im ersten Rechtszug auch nicht widersprochen und gegen die Entscheidung des Familiengerichts keine Beschwerde eingelegt.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung und den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Das Oberlandesgericht hat die externe Teilung des Anrechts zu Recht angeordnet.
a) Auf die Beschwerde der Bosch Pensionsfonds AG durfte das Oberlandesgericht den Ausgleich des unter der Bezeichnung "BVP Firmenbeiträge" erworbenen Anrechts auch zu Lasten des Ehemannes abändern und eine Zahlungspflicht der Robert Bosch GmbH begründen.
Nach ständiger Rechtsprechung wird ein am Verfahren über den Versorgungsausgleich beteiligter oder zu beteiligender Sozialversicherungsträger durch eine gerichtliche Entscheidung grundsätzlich bereits dann in seinem Recht beeinträchtigt, wenn der Versorgungsausgleich mit einem im Gesetz nicht vorgesehenen Eingriff in seine Rechtsstellung verbunden ist, ohne dass es auf eine finanzielle Mehrbelastung ankommt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Mai 1990 - XII ZB 62/88 - FamRZ 1990, 1099 und vom 25. November 1981 - IVb ZB 616/80 - FamRZ 1982, 155, 156). Dasselbe gilt seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Versorgungsausgleich am 1. September 2009 für die nunmehr unmittelbar in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einbezogenen betrieblichen (Senatsbeschluss vom 7. März 2012 - XII ZB 599/10 -FamRZ 2012, 851) und privaten Versorgungsträger (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 59 Rn. 72 f.; Holzer/Netzer FamFG § 59 Rn. 20).
Greift der Versorgungsträger den ihn betreffenden Ausspruch zum Versorgungsausgleich an, so bildet das betroffene Anrecht insgesamt den Beschwerdegegenstand. Besteht das auszugleichende Anrecht nicht bei dem im Beschluss genannten Versorgungsträger, so ist auf seine Beschwerde hin nicht nur die zum Ausgleich des Anrechts getroffene Anordnung aufzuheben, sondern derjenige Versorgungträger in der Beschwerdeinstanz neu zu beteiligen, bei dem das Anrecht tatsächlich besteht (vgl. § 219 Nr. 2 FamFG), und über den Ausgleich des Anrechts insgesamt neu zu entscheiden.
b) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die vom Ehemann in Gestalt der "BVP Firmenbeiträge" erworbene betriebliche Altersversorgung dem Versorgungsausgleich unterfällt, obgleich sie in der Leistungsphase nicht auf eine Rentenzahlung, sondern auf eine Kapitalleistung gerichtet ist. Gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG ist ein Anrecht auszugleichen, sofern es durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist, der Absicherung im Alter oder bei Invalidität, insbesondere wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit, dient und auf eine Rente gerichtet ist; ein Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes ist unabhängig von der Leistungsform auszugleichen. Bei der Altersversorgung "BVP Firmenbeiträge" handelt es sich um ein Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes, so dass es - anders als nach der bis zum 1. September 2009 geltenden Rechtslage (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juni 2005 - XII ZB 177/03 - FamRZ 2005, 1463) - unabhängig von der Leistungsform auszugleichen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 16).
c) Mit seiner Entscheidung, den geringen Ausgleichswert aus der Versorgung "BVP Firmenbeiträge" auszugleichen, hat das Oberlandesgericht auch das ihm durch § 18 Abs. 2 VersAusglG eingeräumte tatrichterliche Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt.
aa) § 18 Abs. 2 VersAusglG bestimmt, dass einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgeglichen werden sollen. Das bedeutet, dass geringwertige Anrechte nur dann auszugleichen sind, wenn nach gerichtlichem Ermessen besondere Gründe hierfür sprechen. Welche konkreten Erwägungen in die Ermessensausübung einzustellen sind, lässt das Gesetz offen.
Wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsbeschluss vom 30. November 2011 - XII ZB 79/11 - FamRZ 2012, 189 Rn. 19; vgl. auch BT-Drucks. 16/10144 S. 38, 60), will die in § 18 VersAusglG enthaltene Regelung eine Antwort auf solche Fallkonstellationen geben, bei denen die Durchführung des Versorgungsausgleichs unverhältnismäßig und aus Sicht der Parteien nicht vorteilhaft ist. Die Regelung will insbesondere vermeiden, dass dem zuständigen Versorgungsträger durch die Teilung und Aufnahme eines neuen Anwärters - wie es dem gesetzlichen Leitbild der internen Teilung entspricht - ein gemessen am geringen Ausgleichswert unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand entsteht. Nach dem Gesetzeszweck sind daher die Belange der Verwaltungseffizienz auf Seiten des Versorgungsträgers gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte abzuwägen.
Bei dieser Abwägung darf der Halbteilungsgrundsatz als Maßstab des Versorgungsausgleichsrechts (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) nicht außer Betracht bleiben; dieser ist bei der Auslegung einzelner Vorschriften und Ermessensentscheidungen des Versorgungsausgleichs stets zu berücksichtigen (BT-Drucks. 16/10144 S. 45). Kann die mit der Regelung des § 18 Abs. 2 VersAusglG bezweckte Verwaltungsvereinfachung nicht in einem den Ausschluss des Ausgleichs rechtfertigenden Maße erreicht werden, gebührt dem Halbteilungsgrundsatz der Vorrang.
bb) Gemessen daran hat das Oberlandesgericht sein Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Im Rechtsbeschwerdeverfahren unterliegt die Ermessensausübung einer eingeschränkten rechtlichen Kontrolle. Sie kann nur darauf überprüft werden, ob das Oberlandesgericht sein Ermessen ausgeübt oder die Notwendigkeit dazu verkannt hat und ob es die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder davon einen unsachgemäßen, dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 30. November 2011 - XII ZB 79/11 - FamRZ 2012, 189 Rn. 21 mwN).
Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht seine Ermessenserwägungen letztlich tragend darauf gestützt, dass die - bei der externen Teilung von vornherein nur in geringerem Maße vorliegenden - Belange der Verwaltungseffizienz hinter dem als förderungswürdig zu erachtenden Interesse der Ehefrau an der Erlangung des - wenn auch nur geringwertigen - Anrechts zurücktreten. Das entspricht der Senatsrechtsprechung (Senatsbeschluss vom 30. November 2011 - XII ZB 79/11 - FamRZ 2012, 189 Rn. 22), wonach die Belastung des Versorgungsträgers mit den Kosten einer externen Teilung für sich genommen regelmäßig nicht den Ausschluss eines Ausgleichs wegen Geringwertigkeit nach § 18 Abs. 2 VersAusglG zu rechtfertigen vermag. Auch wird durch die angeordnete Teilung kein unwirtschaftliches Kleinstanrecht begründet.
Dose Klinkhammer Günter
Nedden-Boeger Botur