Entscheidungsdatum: 28.07.2015
1. Der Vergütungsanspruch des Betreuers endet erst mit der gerichtlichen Aufhebung der Betreuung nach § 1908 d BGB, es sei denn, das Ende der Betreuung steht bereits durch den Tod des Betreuten oder aufgrund eines entsprechenden Fristablaufs fest (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 20. August 2014, XII ZB 479/12, FamRZ 2014, 1778).
2. Hat der Kontrollbetreuer nach Widerruf der Vorsorgevollmacht dem Gericht mitgeteilt, dass die Betreuung aus seiner Sicht beendet sei, und ihm zugleich seinen Betreuerausweis sowie einen sich bis zu diesem Zeitpunkt erstreckenden Vergütungsantrag übersandt, steht dem Vergütungsanspruch für die Folgezeit bis zur gerichtlichen Aufhebung der Betreuung, in der der Kontrollbetreuer keine Tätigkeit mehr für den Betreuten erbracht hat, der Einwand von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegen.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 8. September 2014 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 2.013 €
I.
Der weitere Beteiligte begehrt eine Betreuervergütung für die Zeit ab dem 8. Mai 2012.
Mit Beschluss vom 3. November 2011 bestellte das Amtsgericht den weiteren Beteiligten zum Kontrollbetreuer für die Betroffene, die eine Vorsorgevollmacht für ihren Sohn erstellt hatte. Der Kontrollbetreuer teilte dem Gericht mit Schreiben vom 18. Mai 2012 mit, aus seiner Sicht sei die Kontrollbetreuung mit dem Vollmachtswiderruf vom 7. Mai 2012 beendet. Zugleich übersandte er dem Amtsgericht seinen Betreuerausweis sowie einen Antrag auf Vergütungsfestsetzung für den Zeitraum bis zum 7. Mai 2012. Nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der Betreuung hob das Amtsgericht mit Beschluss vom 15. Februar 2013 die Kontrollbetreuung auf.
Im vorliegenden Verfahren hat der weitere Beteiligte eine Vergütung für den Zeitraum vom 8. Mai 2012 bis zum 22. Februar 2013 beantragt und zur Begründung ausgeführt, die Kontrollbetreuung sei erst mit Beschluss vom 15. Februar 2013, bei ihm eingegangen am 22. Februar 2013, aufgehoben worden. Das Amtsgericht hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Das Landgericht hat den Vergütungsantrag auf die Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der weitere Beteiligte mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass dem weiteren Beteiligten für den beantragten Zeitraum keine Vergütung mehr zustehe, weil sich eine Änderung der Umstände i.S.v. § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG ergeben habe. Der Wortlaut des § 5 VBVG stehe jedenfalls einer Auslegung nicht entgegen, wonach auch das faktische Ende der Kontrollbetreuung zum Wegfall des Vergütungsanspruchs führen könne.
Zwar werde im Regelfall entsprechend dem System der Vergütungsvorschriften und der Intention des Gesetzgebers, für klare Rechtsverhältnisse zu sorgen, auf die formelle Aufhebung des Betreuungsverhältnisses durch einen Beschluss des Gerichts abzustellen sein. Der vorliegende Fall sei jedoch anders gelegen. Der Kontrollbetreuer habe durch Rückgabe des Kontrollbetreuerausweises, Abrechnung der Vergütung (bis zum 7. Mai 2012) und entsprechende Mitteilung gegenüber dem Gericht dokumentiert, dass seine Tätigkeit faktisch beendet sei. Dies sei auch von sämtlichen Beteiligten, einschließlich des Gerichts, so hingenommen worden. Tätigkeiten des Kontrollbetreuers seien von keiner Seite mehr erwartet worden. Aufgrund der Rückgabe des Betreuerausweises wären ihm diese auch nicht möglich gewesen, denn er wäre nicht in der Lage gewesen, sich ausreichend zu legitimieren. Der den Vergütungsvorschriften zugrunde liegende Gedanke der Rechtsklarheit stehe der Annahme nicht entgegen, dass hier die Betreuung endgültig beendet worden sei und sich daher die Umstände im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG geändert hätten. Die Aufhebung der Kontrollbetreuung sei offensichtlich schlicht vergessen worden. Auch der Kontrollbetreuer habe den weiteren Zeitraum erst abgerechnet, nachdem er im Jahre 2013 den Beschluss über die Aufhebung der Kontrollbetreuung erlangt habe.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
a) Allerdings kann dem Landgericht nicht gefolgt werden, soweit es meint, der Vergütungsanspruch des weiteren Beteiligten sei gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG entfallen. Vielmehr ist das Amtsgericht im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass der Vergütungszeitraum erst mit der gerichtlichen Aufhebung der Betreuung sein Ende gefunden hat.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats besteht der Vergütungsanspruch in dem durch § 5 VBVG pauschal festgelegten Umfang für den gesamten Zeitraum der Betreuung. Diese endet gemäß § 1908 d BGB erst durch ausdrückliche gerichtliche Entscheidung. Die Regelung dient der Klarheit der Rechtsverhältnisse. Denn es ist vielfach zweifelhaft und erst durch gerichtliche Ermittlung zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung nicht mehr vorliegen. Deshalb ist es hinzunehmen, dass zwischen dem Ende der Notwendigkeit der Betreuung und der Aufhebung der Betreuung eine gewisse noch mit dem pauschalen Stundenansatz nach § 5 VBVG zu vergütende Zeitspanne liegt, die auf gerichts- oder behördeninterne Abläufe und auf die Prüfung, ob die Voraussetzung für die Aufhebung der Betreuung tatsächlich vorliegen, zurückzuführen ist (Senatsbeschlüsse vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 24 und vom 7. August 2013 - XII ZB 233/13 - FamRZ 2013, 1883 Rn. 9; s. auch Senatsbeschlüsse vom 14. Dezember 2011 - XII ZB 489/10 - FamRZ 2012, 295 Rn. 10 ff. und vom 20. August 2014 - XII ZB 479/12 - FamRZ 2014, 1778 Rn. 16 f.).
bb) Gemessen hieran ist das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Zeitraum, für den der weitere Beteiligte als Kontrollbetreuer eine Vergütung nach §§ 4, 5 VBVG beanspruchen kann, erst mit der gerichtlichen Aufhebung der Kontrollbetreuung sein Ende gefunden hat. Anders als im Fall des Todes des Betreuten oder des Ablaufs der vom Gesetz bzw. vom Gericht festgesetzten Frist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2011 - XII ZB 489/10 - FamRZ 2012, 295 Rn. 11) wird die Kontrollbetreuung bei Widerruf der Vorsorgevollmacht nicht per se gegenstandslos. Die Betreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB umfasst vielmehr auch die Geltendmachung etwaiger Auskunfts- und Rechenschaftspflichten sowie von Erstattungs- und Schadensersatzansprüchen des Betroffenen gegen den Bevollmächtigten aus dem der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (Senatsbeschluss vom 17. Juli 2013 - XII ZB 311/12 - FamRZ 2013, 1571 Rn. 5). Auch wenn man letztere vorliegend von der konkreten Bestimmung des Aufgabenkreises durch das Amtsgericht nicht als erfasst ansähe, blieben zumindest die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung.
b) Jedoch erweist sich die Entscheidung des Landgerichts auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen aus anderen Gründen als richtig (§ 74 Abs. 2 FamFG). Die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs durch den weiteren Beteiligten für den hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum stellt eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB dar.
aa) Ein widersprüchliches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 242 BGB, wenn u.a. besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BGH Urteil vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 154/14 - NJW 2015, 1087 Rn. 24 mwN). Entscheidend sind letztlich die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Rechtsausübung unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenseite im Hinblick darauf vorrangig schutzwürdig erscheinen. Ist durch das frühere Verhalten des Beteiligten kein schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite begründet worden, ist ein rechtsmissbräuchliches Verhalten allerdings nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht zu ziehen, etwa bei einem unlösbaren Widerspruch zwischen früherer und späterer Rechtsausübung (vgl. BGH Urteil vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 154/14 - NJW 2015, 1087 Rn. 25 f. mwN).
bb) Nach diesen Maßstäben stellt es sich als rechtsmissbräuchlich dar, wenn ein Kontrollbetreuer - wie hier - zunächst erklärt, aus seiner Sicht sei die Kontrollbetreuung mit dem Vollmachtswiderruf beendet, zugleich seinen Betreuerausweis sowie einen Antrag auf Vergütungsfestsetzung für den Zeitraum bis zum Vollmachtswiderruf beim Amtsgericht einreicht und anschließend keine irgendwie geartete Tätigkeit für den Betroffenen mehr entfaltet, gleichwohl aber für den nachfolgenden Zeitraum eine Vergütung beansprucht. Zwar besteht formal gesehen auch für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Vergütung. Jedoch hat der Betreuer durch sein Verhalten eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er seine Tätigkeit als beendet erachtet hat. Sich dann noch auf die formale Rechtsposition, die sich aus der Fortgeltung der Betreuung bis zu ihrer gerichtlichen Aufhebung ergibt, zu berufen, begründet einen unlösbaren Widerspruch zwischen früherer und späterer Rechtsausübung und ist deshalb treuwidrig (s. auch Fröschle FamRZ 2013, 1884, 1885).
cc) Der Einwand gemäß § 242 BGB ist auch bereits im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 168 FamFG zu beachten.
Für das Verfahren auf Festsetzung der Betreuervergütung ist gemäß § 3 Nr. 2 lit. b RPflG i.V.m. §§ 292 Abs. 1, 168 FamFG der Rechtspfleger funktionell zuständig. Seine Kompetenz umfasst die Entscheidung über Grund und Höhe des Vergütungsanspruchs, nicht jedoch die Entscheidung über Gegenansprüche wegen mangelhafter Amtsführung. Er ist deshalb nur zur Entscheidung über Einwendungen berufen, die im Vergütungsrecht ihren Grund haben, nicht aber über solche, die auf mangelhafte Amtsführung (Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 186/13 - FamRZ 2015, 248 Rn. 18) oder auf eine bereits früher mögliche Aufhebung der Betreuung gestützt werden (Senatsbeschluss vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 25). Im Festsetzungsverfahren ist dagegen etwa über die Einrede der Verjährung oder die Frage, ob der Einrede § 242 BGB entgegensteht, zu entscheiden (Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 186/13 - FamRZ 2015, 248 Rn. 20).
Ebenso verhält es sich mit dem hier gegenständlichen Einwand der unzulässigen Rechtsausübung hinsichtlich der zuvor niedergelegten Tätigkeit. In derart klaren Fällen, die weiteren gerichtlichen Ermittlungen nicht mehr zugänglich sind, kann der Rechtspfleger ebenfalls in der Sache entscheiden.
Dose Weber-Monecke Schilling
Günter Nedden-Boeger