Entscheidungsdatum: 11.04.2012
Im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach §§ 292, 168 FamFG können Gegenansprüche, die darauf gestützt werden, der Betreuer habe sein Amt mangelhaft geführt, nicht berücksichtigt werden.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 16. August 2010 wird auf Kosten der Betroffenen zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 660 €
I.
Die Betroffene wendet sich gegen die Festsetzung einer Vergütung für ihren ehemaligen Betreuer, den Beteiligten zu 1.
Dieser wurde ab März 2006 zum Berufsbetreuer der Betroffenen bestellt mit den Aufgabenkreisen Gesundheits- und Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung, Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten und Vertretung gegenüber der Einrichtung, in der die Betroffene wohnt. Mit Beschluss vom 11. Februar 2009 wurde der Beteiligte zu 1 als Betreuer entlassen und der Beteiligte zu 2, der Schwiegersohn der Betroffenen, unter Beibehaltung der bisherigen Aufgabenkreise zum Betreuer bestellt. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wurde dieser Beschluss teilweise aufgehoben. Die Aufgabenkreise "Erbauseinandersetzung der Betroffenen mit ihrer Tochter" (Ehefrau des Beteiligten zu 2) und "Aufgebotsverfahren für den Brief der im Grundbuch von N. , Blatt 2016, Abt. III Nr. 1. eingetragenen Grundschuld" verblieben bei dem Beteiligten zu 1. Am 24. September 2009 erließ das AG Wiesbaden in dem Aufgebotsverfahren ein Ausschlussurteil.
Auf Antrag des Beteiligten zu 2 hob das AG Wiesbaden mit Beschluss vom 20. Mai 2010 die Betreuung durch den Beteiligten zu 1 auf.
Für die Zeit vom 21. September 2009 bis 20. März 2010 hat der Beteiligte zu 1 die Festsetzung seiner von der Betroffenen zu erstattenden pauschalen Betreuervergütung gemäß §§ 4, 5 VBVG beantragt. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen ist erfolglos geblieben.
Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie die Zurückweisung des Festsetzungsantrags weiter.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie vom Beschwerdegericht zugelassen wurde (§ 70 Abs. 1 FamFG). Sie ist auch im Übrigen zulässig.
Vorliegend findet das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) Anwendung, weil der Vergütungsantrag vom 29. April 2010 datiert. Ein Antrag, der wie hier im Rahmen eines Dauerverfahrens, wie einer Betreuung, gestellt wird und zu einer Endentscheidung im Sinne des § 38 FamFG führt, leitet ein selbständiges Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 2 FGG-RG ein (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - XII ZB 625/10 - FamRZ 2011, 1394 Rn. 6).
2. Die Rechtsbeschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
a) Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dem Beteiligten zu 1 stehe die beantragte pauschalierte Vergütung gemäß §§ 4, 5 VBVG schon allein wegen des ihm übertragenen Aufgabenkreises des Aufgebotsverfahrens für den Grundschuldbrief zu. Insoweit liege kein Fall der Ersatzbetreuung wegen rechtlicher Verhinderung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VBVG i.V.m. § 1899 Abs. 4 BGB vor. Auch eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 1 VBVG komme nicht in Betracht. Lediglich für den Aufgabenkreis der Erbauseinandersetzung zwischen seiner Ehefrau und der Betroffenen sei der Beteiligte zu 2 nach §§ 1908 i Abs. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtlich verhindert gewesen. Geendet habe die Betreuung erst mit dem Aufhebungsbeschluss des Betreuungsgerichts und nicht bereits mit der Beendigung der Angelegenheit durch Erlass des Ausschlussurteils.
Mit dem Einwand, der Beteiligte zu 1 habe sich schadensersatzpflichtig gemacht, weil er dem Betreuungsgericht nicht unverzüglich Mitteilung von der Erledigung des Aufgabenkreises des Aufgebotsverfahrens durch das Ausschlussurteil gemacht habe, könne die Betroffene im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht gehört werden. Materiell-rechtliche Einwendungen, die auf die Schlechterfüllung des Amts durch den Betreuer gestützt würden und gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1833 BGB Schadensersatzansprüche gegen ihn begründen könnten, seien im Festsetzungsverfahren nach § 168 FamFG nicht zu berücksichtigen. Das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eigne sich nicht für die Beurteilung streitiger materieller Ansprüche. Ihre Prüfung sei dem Zivilprozess vorbehalten. Hier könne die Betroffene ihren Einwand im Wege einer Vollstreckungsgegenklage geltend machen.
Soweit die Betroffene sich auf obergerichtliche Rechtsprechung berufe, die im Vergütungsfestsetzungsverfahren den Einwand zugelassen habe, der Pfleger habe, um einen Vergütungsanspruch zu begründen, für den Pflegling nutzlose Tätigkeiten entfaltet, habe es sich um Fälle gehandelt, in denen die Vergütung nach Zeitaufwand zu bemessen gewesen sei. Diese Rechtsprechung könne nicht auf die nach dem 1. Juli 2005 geltenden pauschalierten Vergütungsansprüche der Berufsbetreuer nach §§ 4, 5 VBVG übertragen werden, weil es für deren Entstehung nicht mehr auf den tatsächlichen Zeitaufwand ankomme.
b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
Der Beteiligte zu 1 hat als Berufsbetreuer der Betroffenen für das Aufgebotsverfahren bis zur Aufhebung der Betreuung durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Mai 2010 einen Anspruch auf pauschale Vergütung nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VBVG. Der Anspruch ist somit für den geltend gemachten Zeitraum vom 21. September 2009 bis 20. März 2010 begründet. Auf die daneben bestehende Betreuung für die Erbauseinandersetzung wegen rechtlicher Verhinderung des Beteiligten zu 2 kommt es daher nicht an.
aa) Zu Recht hat das Beschwerdegericht eine analoge Anwendung des § 6 VBVG, der für die dort genannten Sonderfälle eine Berechnung der Vergütung nach tatsächlich aufgewandtem und erforderlichem Zeitaufwand zulässt, für die Berechnung der Vergütung des Beteiligten zu 1 hinsichtlich des Aufgabenkreises des Aufgebotsverfahrens abgelehnt. Denn § 6 VBVG ist als eng begrenzte Ausnahmevorschrift einer analogen Anwendung nicht zugänglich (vgl. BT-Drucks. 15/2494 S. 34 f.).
bb) Das Beschwerdegericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Betroffene im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht mit dem Einwand gehört werden kann, der Beteiligte zu 1 habe sich schadensersatzpflichtig gemacht, weil er dem Betreuungsgericht nicht unverzüglich das Ausschlussurteil des Amtsgerichts vom 24. September 2009 mitgeteilt habe und deshalb die insoweit gebotene Aufhebung der Betreuung erst am 20. Mai 2010 erfolgt sei.
(1) In der Rechtsprechung und überwiegend auch in der Literatur besteht Einigkeit darüber, dass im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 168 FamFG, der für Betreuungsverfahren entsprechend gilt (§ 292 FamFG), Gegenansprüche, die darauf gestützt werden, der Vormund bzw. Pfleger oder Betreuer habe sein Amt mangelhaft geführt, nicht berücksichtigt werden können (OLG Schleswig FamRZ 2012, 143 Rn. 19; KG NJW-RR 2007, 1598; OLG Celle RVGreport 2004, 120; BayObLG FamRZ 1999, 1591, 1592; NJW-RR 1998, 8, 9 und NJW 1988, 1919; OLG Düsseldorf RPfleger 1978, 410; Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge FamFG 3. Aufl. § 168 Rn. 65; Keidel/Engelhardt FamFG 17. Aufl. § 168 Rn. 21; MünchKommZPO/Heilmann 3. Aufl. § 168 FamFG Rn. 20; Kretz in Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 168 FamFG Rn. 22; Bettin in BeckOK § 1836 BGB Rn. 21; differenzierend MünchKommBGB/Wagenitz 5. Aufl. § 1836 Rn. 48; aA Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1836 Rn. 44; Staudinger/Bienwald BGB [2004] § 1836 Rn. 87; Knittel Betreuungsgesetz Stand 1. Oktober 2009 § 292 FamFG Rn. 54 ff.).
(2) Der Senat schließt sich der überwiegenden Auffassung an.
(a) Für das Verfahren auf Festsetzung der Betreuervergütung ist gemäß § 3 Nr. 2 a RPflG i.V.m. § 168 FamFG der Rechtspfleger funktionell zuständig. Seine Kompetenz umfasst die Entscheidung über Grund und Höhe des Vergütungsanspruchs, nicht jedoch die Entscheidung über Gegenansprüche wegen mangelhafter Amtsführung (OLG Celle RVGreport 2004, 120; für die Insolvenzverwaltervergütung: BGH Urteil vom 5. Januar 1995 - IX ZR 241/93 - ZIP 1995, 290; für die Nachlasspflegervergütung: KG NJW-RR 2007, 1598, 1599; OLG Schleswig FamRZ 2012, 143 Rn. 19; für die Ergänzungspflegervergütung: OLG München OLGR 2006, 139, 140; Erman/Saar BGB 13. Aufl. § 1836 Rn. 9). Er ist deshalb grundsätzlich nur zur Entscheidung über Einwendungen berufen, die im Vergütungsrecht ihren Grund haben, nicht aber über solche, die auf mangelhafte Amtsführung gestützt werden.
Solche Einwendungen können nur mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 FamFG i.V.m. § 767 ZPO (vgl. OLG Celle RVGreport 2004, 120) oder in einem Verfahren vor dem Prozessgericht geltend gemacht werden. Einer Vollstreckungsgegenklage steht § 767 Abs. 2 ZPO nicht entgegen, obwohl die Gründe, auf denen die Einwendungen beruhen, bereits vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses vorlagen. Denn die Einwendungen konnten im Vergütungsfestsetzungsverfahren mangels Entscheidungskompetenz des Rechtspflegers nicht geltend gemacht werden (vgl. für Insolvenzverwaltervergütung: BGH Urteil vom 5. Januar 1995 - IX ZR 241/93 - ZIP 1995, 290, 291 mwN).
(b) Die in dem Einwand, der Beteiligte zu 1 habe pflichtwidrig die Mitteilung des Ausschlussurteils unterlassen, liegende Aufrechnungserklärung der Betroffenen mit einem Schadensersatzanspruch gemäß §§ 1908 i, 1833, 1901 Abs. 5 BGB kann danach im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Die Betroffene kann diesen Anspruch mit der Vollstreckungsgegenklage oder in einem Verfahren vor dem Prozessgericht geltend machen.
(c) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, auf den vorliegenden Fall sei die Rechtsprechung zu übertragen, die den Einwand der Untätigkeit oder der Erbringung nutzloser Tätigkeiten eines Pflegers im Vergütungsfestsetzungsverfahren zugelassen habe, verkennt sie, dass es sich in diesen Verfahren um Einwendungen gehandelt hat, die im Vergütungsrecht ihren Grund hatten und deshalb in die Entscheidungskompetenz des Rechtspflegers fielen. In den dort entschiedenen Fällen war die Vergütung - anders als hier - nach konkretem Zeitaufwand abzurechnen. Das Betreuungsgericht hatte deshalb die Angemessenheit der Tätigkeit und des Zeitaufwandes zu überprüfen, um festzustellen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Vergütungsanspruch überhaupt entstanden war (BayObLG NJW 1988, 1919; FamRZ 1999, 1591, 1592; OLG Köln FamRZ 1991, 483).
Demgegenüber steht hier dem Beteiligten zu 1 für die Dauer der Betreuung gemäß §§ 1 Abs. 2, 4, 5 VBVG i.V.m. § 1908 i BGB ein Vergütungsanspruch in dem pauschal festgelegten Umfang zu, ohne dass der Rechtspfleger zu überprüfen hat, ob und in welchem Umfang der Beteiligte zu 1 tätig geworden ist und ob die Aufhebung der Betreuung früher hätte erfolgen müssen.
Mit der Einführung der Pauschalierung der Betreuervergütung durch das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz, deren Ziel es ist, Betreuer und Rechtspfleger von den zeitaufwändigen Abrechnungen zu entlasten, ist ein vom tatsächlichen Aufwand im konkreten Fall unabhängiges Vergütungssystem geschaffen worden. Die in § 5 VBVG anhand einer Mischkalkulation zwischen aufwändigen und weniger aufwändigen Fällen festgelegten Stundenansätze stehen von Beginn des Betreuungsverfahrens an fest (BT-Drucks. 15/2494 S. 33). Die Ausübung einer konkreten Betreuungstätigkeit wird bei der pauschalen Vergütung typisierend unterstellt; nicht erforderlich ist, dass der Betreuer in dem zu vergütenden Zeitraum auch tatsächlich für den Betreuten in dem vom Gesetz pauschalierend unterstellten Umfang tätig geworden ist (Senatsbeschluss vom 28. Mai 2008 - XII ZB 53/08 - FamRZ 2008, 1611 Rn. 30; OLG München BtPrax 2007,129; OLG Schleswig FamRZ 2007, 236).
Der Vergütungsanspruch besteht in dem durch § 5 VBVG pauschal festgelegten Umfang für den gesamten Zeitraum der Betreuung. Diese endet gemäß § 1908 d BGB erst durch ausdrückliche gerichtliche Entscheidung. Die Regelung dient der Klarheit der Rechtsverhältnisse. Denn es ist vielfach zweifelhaft und erst durch gerichtliche Ermittlungen zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung nicht mehr vorliegen (BT-Drucks. 11/4528, S. 155). Deshalb ist es hinzunehmen, dass zwischen dem Ende der Notwendigkeit der Betreuung und der Aufhebung der Betreuung eine gewisse noch mit dem pauschalen Stundenansatz nach § 5 VBVG zu vergütende Zeitspanne liegt, die auf gerichts- oder behördeninterne Abläufe und auf die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Aufhebung der Betreuung tatsächlich vorliegen, zurückzuführen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2011 - XII ZB 489/10 - FamRZ 2012, 295 Rn. 11 f.).
Dem Rechtspfleger ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren lediglich die Prüfung übertragen, ob und wann die gemäß § 1908 d Abs. 1 BGB i.V.m. § 23 c Abs. 2 GVG, § 19 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 RPflG dem Richter vorbehaltene Aufhebung der Betreuung erfolgt ist, nicht aber, ob die Aufhebung früher hätte erfolgen können.
cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde musste der Rechtspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfahren auch keine Ermittlungen zur Feststellung eines etwaigen treuwidrigen Verhaltens des Beteiligten zu 1 durchführen.
Dose Vézina Schilling
Günter Nedden-Boeger