Entscheidungsdatum: 11.01.2017
1. Das Absehen von einer erneuten persönlichen Anhörung nach § 293 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG setzt voraus, dass der Betroffene vor der erstmaligen Betreuerbestellung verfahrensfehlerfrei angehört worden ist und sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt, unter welchen Umständen und mit welchem Ergebnis eine persönliche Anhörung des Betroffenen vor der erstmaligen Betreuerbestellung stattgefunden hat (im Anschluss an die Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 2016, XII ZB 519/15, FamRZ 2016, 627 und vom 26. Februar 2014, XII ZB 503/13, FamRZ 2014, 828).
2. Wird die Erweiterung einer Kontrollbetreuung auf Erkenntnisse gestützt, die das Gericht erst nach der letzten persönlichen Anhörung des Betroffenen erlangt hat, darf von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen nicht nach § 293 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG abgesehen werden.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 20. Juni 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 5.000 €
I.
Der Betroffene hat die Beteiligte zu 1 im August 2014 umfassend bevollmächtigt. Auf Anregung des Sozialgerichts Düsseldorf hat das Amtsgericht den Beteiligten zu 2 durch rechtskräftigen Beschluss vom 3. November 2015 als Kontrollbetreuer mit dem Aufgabenkreis "Geltendmachung von Rechten gegenüber der Bevollmächtigten" bestellt, nachdem ein neurologisches/psychiatrisches Fachgutachten beim Betroffenen eine mittelschwere senile Demenz festgestellt hatte und zu dem Ergebnis kam, dass der Betroffene im Bereich "Behördenangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten, Geltendmachung gegen die öffentliche Hand" nicht alle erforderlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen vermag.
Noch im November 2015 regte der Beteiligte zu 2 die Umwandlung der Kontrollbetreuung in eine reguläre Betreuung an. Das Amtsgericht holte eine ergänzende Stellungnahme der Betreuungsstelle der Stadt Krefeld ein und erweiterte den Aufgabenkreis mit Beschluss vom 23. Dezember 2015 auf die Bereiche: "Geltendmachung von Rechten gegenüber der Bevollmächtigten; Regelung des Postverkehrs; Vermögensangelegenheiten; Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern".
Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen gegen die "Erweiterung der Kontrollbetreuung" zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist ohne Zulassung statthaft (§§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 293 Abs. 1 Satz 1 FamFG) und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das Amtsgericht habe zu Recht die Kontrollbetreuung um die Aufgabenkreise der Regelung des Postverkehrs, der Vermögensangelegenheiten und der Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern erweitert. Bei dem Betroffenen liege eine senile mittelschwere Demenz vor. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass der Betroffene in den Bereichen Behördenangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten und "Geltendmachung gegen die öffentliche Hand" nicht alle erforderlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen vermöge. Aufgrund des Berichtes des Kontrollbetreuers vom 18. November 2015 und der ergänzenden Stellungnahme der Stadt Krefeld vom 21. Dezember 2015 lägen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf des Betroffenen nicht Genüge getan werde. So habe der Kontrollbetreuer berichtet, die Bevollmächtigte habe selbst angegeben, das von ihm angeforderte Vermögensverzeichnis nicht zeitnah erstellen zu können. Auch habe er von der Tochter des Betroffenen erfahren, dass der Betroffene sein Hausgrundstück verkauft habe. In der Stellungnahme der Stadt Krefeld werde darauf verwiesen, dass die Bevollmächtigte mit vielen Aufgaben überfordert sei. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen und der ergänzenden Angaben des Kontrollbetreuers und der Stadt Krefeld sei das Beschwerdegericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Erweiterung der Kontrollbetreuung erforderlich sei. Der Erweiterung stehe nicht entgegen, dass der Betroffene damit nicht einverstanden sei, da er nicht in der Lage sei, einen freien Willen zu bilden. Einer persönlichen Anhörung des Betroffenen bedürfe es nicht, da seine letzte Anhörung nicht länger als sechs Monate zurückliege. Auch die Bestellung eines Verfahrenspflegers habe nicht erfolgen müssen. Schließlich sei auch die Auswahl des Kontrollbetreuers nicht zu beanstanden. Von einer erneuten Anhörung des Betroffenen sehe das Beschwerdegericht ab, da neue zusätzliche Erkenntnisse nicht zu erwarten seien.
2. Diese Ausführungen halten bereits den Verfahrensrügen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
Da die wesentliche Erweiterung der Kontrollbetreuung hin zu einer Betreuung vorliegend (auch) auf Erkenntnisse gestützt wird, die das Amtsgericht erst nach der letzten Anhörung des Betroffenen erlangt hat, durfte das Landgericht nicht ohne eine erneute persönliche Anhörung entscheiden.
a) Zwar kann das Landgericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Dies setzt aber voraus, dass der Betroffene vor dem Amtsgericht verfahrensfehlerfrei angehört worden ist (Senatsbeschluss vom 1. Juni 2016 - XII ZB 23/16 - FamRZ 2016, 1354 Rn. 17).
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts konnte das Amtsgericht von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen jedenfalls nicht nach § 293 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG absehen, da in der Erweiterung des Aufgabenkreises auch um die Regelung des Postverkehrs nach §§ 293 Abs. 2 Satz 2 FamFG, 1896 Abs. 4 BGB eine wesentliche Erweiterung liegt.
c) Nach § 293 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG bedarf es bei der Erweiterung einer Betreuung einer persönlichen Anhörung nicht, wenn die vorangegangene Anhörung nicht länger als sechs Monate zurückliegt. Dies setzt allerdings voraus, dass der Betroffene vor der erstmaligen Betreuerbestellung verfahrensfehlerfrei angehört worden ist und sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt, unter welchen Umständen und mit welchem Ergebnis eine persönliche Anhörung des Betroffenen vor der erstmaligen Betreuerbestellung stattgefunden hat (Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 2016 - XII ZB 519/15 - FamRZ 2016, 627 Rn. 21 und vom 26. Februar 2014 - XII ZB 503/13 - FamRZ 2014, 828 Rn. 7 jeweils zu § 293 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeentscheidung insoweit noch gerecht, als sie zur Sachdarstellung auf die Terminsniederschrift des Amtsgerichts vom 10. September 2015 Bezug nimmt. Dieser lässt sich jedenfalls entnehmen, dass der Betroffene im Termin persönlich anwesend war und dass Einverständnis mit der ursprünglich vom Gericht angekündigten Kontrollbetreuung mit dem Zweck der Prüfung bestand, ob im Interesse des Betroffenen ein Widerruf der Vollmacht zu erfolgen habe. Wenn der Betroffene allerdings - wie hier - erstmals nach der früheren Anhörung seine Zustimmung zur Erweiterung der Betreuung verweigert, ist stets eine erneute Anhörung erforderlich (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 24. Juni 2015 - XII ZB 98/15 - FamRZ 2015, 1603 Rn. 6).
Allerdings bedarf es einer erneuten Anhörung zur Erweiterung einer Kontrollbetreuung grundsätzlich auch dann nicht, wenn bereits der Anhörung zur Einrichtung der Kontrollbetreuung ein umfassendes Sachverständigengutachten zugrunde lag (Senatsbeschluss vom 17. Juli 2013 - XII ZB 311/12 - FamRZ 2013, 1571 Rn. 4).
Dies kann indessen in den Fällen nicht gelten, in denen - wie hier - die Erkenntnisse, die zu einer wesentlichen Erweiterung des Aufgabenkreises führen, erst nach der Einrichtung der Kontrollbetreuung erlangt werden. Denn das Gericht hat im Rahmen der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 278 Abs. 2 Satz 3 FamFG mit dem Betroffenen auch den Umfang des Aufgabenkreises zu erörtern. Das Sachverständigengutachten, das vorliegend der Anhörung zur Einrichtung der Kontrollbetreuung zugrunde lag, enthält aber insbesondere keinerlei Feststellungen zu einer Regelung der Postangelegenheiten des Betroffenen. Diese wurde vielmehr erstmals mit dem Schriftsatz des Kontrollbetreuers vom 14. Dezember 2015 und der ergänzenden Stellungnahme der Stadt Krefeld vom 21. Dezember 2015 angeregt.
3. Auch die Erweiterung der Kontrollbetreuung auf den Aufgabenkreis "Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern" kann für sich genommen keinen Bestand haben. Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass regelmäßig - soweit nicht lediglich eine an sich entbehrliche Klarstellung der sich aus dem übertragenen Aufgabenkreis der Vermögensangelegenheiten ergebenden Vertretungsberechtigung beabsichtigt ist - ein konkreter Bezug zu einer bestimmten Angelegenheit oder einem bestimmten behördlichen oder gerichtlichen Verfahren hergestellt werden muss, für den die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers besteht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Betroffene krankheitsbedingt dazu neigt, sich durch das Betreiben einer Vielzahl von sinnlosen Verfahren zu schädigen (Senatsbeschluss vom 21. Januar 2015 - XII ZB 324/14 - FamRZ 2015, 649 Rn. 11 mwN). Hierzu hat das Beschwerdegericht keinerlei Feststellungen getroffen.
4. Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben.
Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das Landgericht wird nach der erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen tragfähige Feststellungen zur Erforderlichkeit der Betreuung in sämtlichen angeordneten Aufgabenkreisen zu treffen haben. Der Senat weist für das weitere Verfahren ergänzend darauf hin, dass eine Betreuung, die sich (auch) auf die Befugnis zum Widerruf erteilter Vorsorgevollmachten erstrecken soll, tragfähige Feststellungen voraussetzt, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls der Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 13. Juli 2016 - XII ZB 488/15 - FamRZ 2016, 1670 Rn. 13).
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Dose |
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