Entscheidungsdatum: 24.06.2015
1. Von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren sind in der Regel neue Erkenntnisse im Sinne des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zu erwarten, wenn der Betroffene an seinem in der amtsgerichtlichen Anhörung erklärten Einverständnis mit einer Betreuung im Beschwerdeverfahren nicht mehr festhält (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 7. August 2013, XII ZB 188/13, FamRZ 2013, 1800 und vom 16. Mai 2012, XII ZB 454/11, FamRZ 2012, 1207).
2. Die verfahrensfehlerhaft unterbliebene Anhörung des Betroffenen ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur auf entsprechende Rüge zu berücksichtigen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 14. Oktober 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000 €
I.
Das Amtsgericht hat für den Betroffenen wegen einer organischen Persönlichkeitsstörung einen Berufsbetreuer (Beteiligter zu 1) mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge und Gesundheitsfürsorge mit Organisation einer entsprechenden Therapie bestellt. Im Betreuungsbeschluss ist angeführt, dass die Betreuerbestellung mit Willen des Betroffenen erfolge.
Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen, ohne diesen erneut persönlich anzuhören. Dagegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Aufhebung der Betreuung, hilfsweise die Bestellung seiner Ehefrau als Betreuerin erstrebt.
II.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Verfahrensfehler. Das Landgericht hat zu Unrecht von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen.
a) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG unter anderem von der Durchführung der persönlichen Anhörung des Betroffenen (§ 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG) absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist eine erneute Anhörung im Beschwerdeverfahren immer dann erforderlich, wenn von ihr neue Erkenntnisse im Sinne des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zu erwarten sind, was in der Regel dann der Fall ist, wenn der Betroffene an seinem in der amtsgerichtlichen Anhörung erklärten Einverständnis mit einer Betreuung im Beschwerdeverfahren nicht mehr festhält (Senatsbeschluss vom 16. Mai 2012 - XII ZB 454/11 - FamRZ 2012, 1207 Rn. 21).
Gemessen hieran hätte das Beschwerdegericht den Betroffenen selbst anhören müssen. Ausweislich des amtsgerichtlichen Beschlusses erfolgte die Betreuerbestellung "mit Willen des Betroffenen". Davon ist für das Beschwerdeverfahren schon deswegen auszugehen, weil das Amtsgericht dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt und sich mit der Beachtlichkeit eines entgegenstehenden Willens folglich nicht auseinandergesetzt hat. Dass der Betroffene während der Anhörung eine Beschwerde gegen die Betreuerbestellung angekündigt habe, wie das Landgericht dem Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts entnommen hat, konnte das Landgericht von der gebotenen erneuten Anhörung des Betroffenen nicht entbinden.
b) Die unterbliebene Anhörung ist als Verfahrensmangel im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf eine entsprechende Rüge zu berücksichtigen. Gemäß § 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG darf die angefochtene Entscheidung auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 FamFG gerügt worden sind.
aa) Die unterbliebene Anhörung stellt keinen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar. Soweit sich einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG FamRZ 2015, 565 Rn. 34) möglicherweise die Auffassung entnehmen ließe, dass das verfahrensfehlerhafte Unterbleiben der persönlichen Anhörung des Betroffenen vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen sei, könnte der Senat dem nicht beitreten.
(1) Die in § 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG getroffene gesetzliche Regelung beschränkt die Überprüfung von Verfahrensmängeln, soweit diese nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Während Verfahrensmängel bei der - früheren - weiteren Beschwerde nach § 27 FGG noch umfassend zu prüfen waren, unterliegen sie nunmehr in Angleichung an die Revision und Rechtsbeschwerde der Zivilprozessordnung nur noch der Nachprüfung, wenn sie in der Rechtsbeschwerdebegründung (§ 71 Abs. 3 FamFG) oder in der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift (§ 73 Abs. 2 FamFG) gerügt worden sind (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Unger FamFG 4. Aufl. § 74 Rn. 11 mwN; vgl. BGHZ 198, 14 = NJW 2013, 3656 Rn. 24 ff. - zur Überprüfung der Anwendung ausländischen Rechts).
(2) Das Unterbleiben der Anhörung stellt einen Verfahrensmangel dar. Die durch § 278 Abs. 1 FamFG angeordnete persönliche Anhörung des Betroffenen in Betreuungssachen dient sowohl der Gewährung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 GG als auch der nach § 26 FamFG gebotenen Sachaufklärung von Amts wegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Juli 2014 - XII ZB 120/14 - FamRZ 2014, 1543 Rn. 11 ff. und vom 26. November 2014 - XII ZB 405/14 - FamRZ 2015, 485 Rn. 5). Unterbleibt die Anhörung verfahrensfehlerhaft, so begründet dies in beiderlei Hinsicht einen Verfahrensmangel im Sinn von § 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG.
(3) Das Unterbleiben der Anhörung ist als Verfahrensmangel auch nicht ausnahmsweise von Amts wegen zu berücksichtigen. Von Amts wegen sind nur solche Verfahrensmängel zu berücksichtigen, die sich auf Verfahrens- und Sachentscheidungsvoraussetzungen beziehen (Senatsurteil BGHZ 176, 365 = FamRZ 2008, 1409 Rn. 13 - internationale Zuständigkeit; BGH Beschluss vom 29. April 2004 - V ZB 46/03 - NJW-RR 2004, 1294 - ordnungsgemäße Besetzung des Beschwerdegerichts), die Zulässigkeit der (Erst-)Beschwerde betreffen (vgl. BGH Beschluss vom 23. Oktober 2003 - IX ZB 369/02 - NJW 2004, 1112, 1113 mwN) oder die einen Mangel der Beschwerdeentscheidung (§ 69 FamFG) begründen (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 74 Rn. 19 ff.).
Dagegen ist die Nachprüfung tatsächlicher Feststellungen nur auf entsprechende Rüge zulässig (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 559 Abs. 1 Satz 2, 551 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO; vgl. Senatsbeschluss vom 7. November 2012 - XII ZB 229/11 - FamRZ 2013, 109 Rn. 62). Auch eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf entsprechende Verfahrensrüge hin zu überprüfen (vgl. BGH Beschlüsse vom 11. Februar 2003 - XI ZR 153/02 - NJW-RR 2003, 1003 und vom 11. Mai 2004 - XI ZR 22/03 - juris Rn. 7 mwN).
bb) Im vorliegenden Verfahren hat sich der Betroffene in der Rechtsbeschwerdeinstanz darauf berufen, dass er vom Landgericht zu Unrecht nicht angehört worden sei, und damit eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge erhoben.
2. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Eine abschließende Entscheidung in der Sache gemäß § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG ist dem Senat nicht möglich, da diese wegen der durch das Beschwerdegericht noch durchzuführenden persönlichen Anhörung des Betroffenen nicht zur Endentscheidung reif ist.
Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Landgericht Gelegenheit, sich unter Beachtung der Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 30. Juli 2014 - XII ZB 107/14 - FamRZ 2014, 1626 Rn. 12 ff.) mit den Voraussetzungen einer gegen den geäußerten Willen des Betroffenen angeordneten Betreuung auseinanderzusetzen, falls dieser einer Betreuung nicht nunmehr zustimmt.
Dose Klinkhammer Günter
Botur Guhling