Entscheidungsdatum: 11.11.2015
Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten (§ 236 Abs. 2 ZPO). Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen das Fristversäumnis beruht, und auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist (im Anschluss an BGH Beschluss vom 3. Juli 2008, IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501).
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 13. Mai 2015 wird auf Kosten der Beklagten zu 1 und 2 verworfen.
Beschwerdewert: 58.718 €
I.
Mit Urteil vom 1. September 2014, das den Beklagten am 6. September 2014 zugestellt worden ist, hat das Landgericht die Beklagte zu 3, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sowie deren Gesellschafter, die Beklagten zu 1 und 2, zur Mietzahlung in Höhe von 58.717,52 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Hiergegen ist am 2. Oktober 2014 Berufung "namens der Beklagten und Berufungsklägerin" eingelegt worden. Als Rechtsmittelführer ist in der Berufungsschrift bezeichnet:
"M... GbR, vertreten durch den Geschäftsführer Lutz S. und Petra S.
- Beklagte und Berufungsklägerin - "
Durch einen weiteren, auf den 6. Oktober 2014 datierten, aber erst am 9. Oktober 2014 per Telefax bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte klargestellt, dass die Berufungseinlegung für "sämtliche Beklagten gemeint" war. Am 15. Oktober 2015 haben die Beklagten zu 1 und 2 vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung haben sie glaubhaft gemacht, ihrem Prozessbevollmächtigten sei von seiner Kanzleiangestellten zunächst ein fehlerhafter Entwurf einer Berufungsschrift vorgelegt worden, der die Beklagten zu 1 und 2 nicht aufgeführt habe. Der Prozessbevollmächtigte habe daraufhin die Fertigung einer korrigierten Fassung der Berufungsschrift unter Aufführung sämtlicher Beklagten angeordnet. Den ihm anschließend korrigiert vorgelegten Schriftsatz habe er auf der zweiten Seite unterschrieben. Zu dem Zeitpunkt seien die beiden Blätter des Schriftsatzes jedoch noch nicht mit Heftklammern zusammengefügt gewesen. Durch ein Büroversehen der sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten sei anstelle der korrigierten Seite die ursprünglich fehlerhaft erstellte erste Seite mit der die Unterschrift tragenden zweiten Seite zusammengefügt und an das Gericht übermittelt worden.
Auf richterlichen Hinweis, dass ausweislich seines weiteren Schriftsatzes vom 5. Dezember 2014 das Versäumnis dem Prozessbevollmächtigten bereits am 6. Oktober 2014 bekannt gewesen sei und zu dem Zeitpunkt die Frist noch durch ergänzende Berufungseinlegung für die Beklagten zu 1 und 2 hätte gewahrt werden können, hat der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, dass der Schriftsatz zwar das Datum vom 6. Oktober 2014 trage, tatsächlich jedoch erst am 9. Oktober 2014 verfasst worden sei.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründungsfrist nicht schuldlos versäumt sei. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 1 und 2.
II.
Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten nicht in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juni 2008 - XII ZB 184/07 - FamRZ 2008, 1605 Rn. 6 mwN).
2. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat und auch die Rechtsbeschwerde nicht infrage stellt, ist durch den Schriftsatz vom 2. Oktober 2014 nur für die Beklagte zu 3 Berufung eingelegt worden. Da weder Ordnungsziffern aufgeführt sind, noch der Wortlaut auf mehrere Berufungsführer schließen lässt, kommt eine Auslegung dahin, dass die Berufung für alle Beklagten eingelegt worden sei, nicht in Betracht.
Eine ergänzende Heranziehung des am 9. Oktober 2014 eingegangenen Schriftsatzes für die Bestimmung des Rechtsmittelführers scheidet aus, weil der Rechtsmittelführer noch innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist eindeutig bezeichnet werden muss (ständige Rechtsprechung, BGH Beschluss vom 22. Januar 2013 - VIII ZB 46/12 - FamRZ 2013, 695 Rn. 9 mwN; Senatsbeschluss vom 24. Juli 2013 - XII ZB 56/13 - FamRZ 2013, 1571 Rn. 7 f. und Senatsurteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09 - FamRZ 2011, 281 Rn. 10).
3. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten (§ 236 Abs. 2 ZPO). Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen das Fristversäumnis beruht, und auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist (vgl. BGH Beschlüsse vom 10. Januar 2013 - I ZB 76/11 - AnwBl 2013, 233 Rn. 7 und vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07 - NJW 2008, 3501 Rn. 15 mwN).
Diesen Anforderungen wird der Wiedereinsetzungsantrag vom 15. Oktober 2015 nicht gerecht. Denn nach dem bis dahin gegebenen Aktenstand musste davon ausgegangen werden, dass dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten bereits am 6. Oktober 2014 bewusst war, Berufung nur für die Beklagte zu 3 eingelegt zu haben. Auf diesen Tag datiert sein "klarstellender" Schriftsatz, wonach die Berufungseinlegung für "sämtliche Beklagten gemeint" war.
Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nachträglich mit Schriftsatz vom 5. November 2011 weiter ausgeführt, dass der Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 ein falsches Datum trage und in Wahrheit erst am 9. Oktober 2014 verfasst worden sei, nachdem der Prozessbevollmächtigte frühestens am 8. Oktober 2014 eine - nicht richterlich veranlasste - Rückfrage der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts bezüglich der zu erfassenden Berufungsparteien erhalten habe. Diese Ausführungen, die den objektiven Erklärungswert des auf den 6. Oktober 2014 datierten Schriftsatzes zu widerlegen suchen, waren jedoch bereits Teil des notwendigen Inhalts einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe, welche noch innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vollständig hätten vorgetragen werden müssen. Denn nur die nachgeschobenen Ausführungen lassen einen Ablauf als möglich erscheinen, nach dem der Prozessbevollmächtigte nicht schon während der noch laufenden Berufungsfrist Kenntnis von der unvollständigen Berufungseinlegung hatte.
Da der Prozessbevollmächtigte die Umstände des auf den 6. Oktober 2014 datierten Schriftsatzes erst mit weiterem Schriftsatz vom 5. November 2014 dargelegt hat, lag innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist die erforderliche geschlossene Darstellung der tatsächlichen Abläufe, die die Umstände des Versäumnisses vollständig erklärte und dem Berufungsgericht eine Entscheidung über die Wiedereinsetzung aus sich heraus ermöglichte, nicht vor.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Nedden-Boeger Guhling