Entscheidungsdatum: 02.07.2014
1. Die Festsetzung eines vorläufigen Verfahrenswertes von über 600 € für einen Stufenantrag in vermögensrechtlichen Familienstreitsachen lässt für sich genommen noch nicht darauf schließen, dass das Amtsgericht auch von einer entsprechend hohen Beschwer auf Seiten des in der ersten Stufe zur Auskunft verpflichteten Antragsgegners ausgegangen ist und deshalb keine Veranlassung gesehen hat, über die Zulassung der Beschwerde nach § 61 Abs. 2 und 3 FamFG zu befinden (Fortführung von Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011, XII ZB 465/11, FamRZ 2012, 24).
2. Auch aus dem Umstand, dass das Amtsgericht seiner Entscheidung in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit die gemäß § 39 Satz 1 FamFG vorgeschriebene Belehrung über die Beschwerde als statthaftes Rechtsmittel angeschlossen hat, folgt für sich genommen noch nicht, dass es die erforderliche Beschwerdesumme für den unterlegenen Beteiligten als erreicht angesehen und deshalb die Zulassung der Beschwerde nach § 61 Abs. 2 und 3 FamFG nicht erwogen hat (Fortführung von Senatsbeschluss vom 9. April 2014, XII ZB 565/13, FamRZ 2014, 1100).
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 27. März 2013 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Wert: bis zu 300 €
I.
Die Antragstellerin ist die volljährige Tochter des Antragsgegners.
Sie nimmt den Antragsgegner im Wege des Stufenantrages auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt und auf Auskehrung einer von dem Antragsgegner vereinnahmten Leistung aus einer Kapitalversicherung in Anspruch. Hierzu macht die Antragstellerin geltend, diese Versicherung sei zur Absicherung ihrer Ausbildung angespart worden und habe nach einer - im Rahmen der Scheidung getroffenen - Vereinbarung ihrer Eltern nach dem Eintritt der Volljährigkeit an die Antragstellerin ausgezahlt werden sollen.
Das Amtsgericht hat für sein Verfahren einen "vorläufigen Streitwert" von 3.000 € bestimmt. Durch Teilbeschluss vom 11. Dezember 2012 hat es den Antragsgegner in der Auskunftsstufe dazu verpflichtet, der Antragstellerin Auskunft über seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Juli 2012 sowie über den Stand des "Sparvertrages" zum 31. August 2012 zu erteilen und diese Auskünfte zu belegen. Den weitergehenden Auskunftsantrag der Antragstellerin - insbesondere zu Einkünften aus selbständiger Tätigkeit und zu Kapitaleinkünften - hat das Amtsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, dass die diesbezüglichen Auskunftsansprüche von dem Antragsgegner erfüllt worden seien. Das Amtsgericht hat seinen Beschluss mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, wonach "diese Entscheidung (…) mit der Beschwerde angefochten werden" könne.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsgegner dagegen, zur Erteilung von Auskünften über den Stand des "Sparvertrages" - der nach seinem Vorbringen eine Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr ist - und zur Vorlage einer Saldenbestätigung der A.-Versicherung verpflichtet worden zu sein. Das Oberlandesgericht hat den Wert des Beschwerdegegenstands auf bis zu 300 € festgesetzt und die Beschwerde des Antragsgegners verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil der Antragsgegner nicht aufzuzeigen vermag, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
1. Die Wertbemessung des Beschwerdegerichts ist nicht zu beanstanden.
Es hat hierzu ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei einer Verpflichtung zur Auskunftserteilung und zur Vorlage von Belegen das Interesse des Rechtsmittelführers maßgeblich sei, die geforderte Auskunft nicht erteilen und die Belege nicht vorlegen zu müssen. Von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses abgesehen, sei dabei auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft und die Vorlage der Belege erforderten. Der Antragsgegner könne die geforderte Auskunft über den Stand eines "Sparvertrages" aufgrund einer Durchsicht vorhandener Versicherungsunterlagen unschwer ohne Hinzuziehung sachkundiger Hilfspersonen selbst erteilen; allenfalls werde von ihm die Anforderung einer Bescheinigung beim Versicherungsunternehmen verlangt. Ein höherer Zeitaufwand als drei Stunden sei hierfür nicht anzusetzen. Da der gemäß §§ 20 ff. JVEG maximal anzusetzende Entschädigungssatz 17 € betrage und von dem Antragsgegner auch keine Anhaltspunkte für ein besonderes Geheimhaltungsinteresse aufgezeigt worden seien, liege seine Beschwer weit unter der notwendigen Beschwer von mehr als 600 €.
Diese Ausführungen stehen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschlüsse vom 22. Januar 2014 - XII ZB 278/13 - FamRZ 2014, 644 Rn. 6 und vom 23. März 2011 - XII ZB 436/10 - FamRZ 2011, 882 Rn. 9, jeweils mit weiteren Nachweisen) und lassen keine Rechtsfehler erkennen. Auch die Rechtsbeschwerde erinnert insoweit nichts.
2. Auch aus dem Umstand, dass das Beschwerdegericht eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde abgelehnt hat, kann ein Zulassungsgrund nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm § 574 Abs. 2 ZPO nicht hergeleitet werden. Denn das Beschwerdegericht war schon nicht befugt, eine Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nachzuholen.
a) Die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde ist, wie sich aus § 61 Abs. 2 und 3 FamFG ergibt, dem Gericht des ersten Rechtszuges vorbehalten. Hat wie im vorliegenden Fall kein Beteiligter die Zulassung der Beschwerde beantragt, ist insoweit eine ausdrückliche Entscheidung entbehrlich; das Schweigen in der Endentscheidung des Amtsgerichts bedeutet Nichtzulassung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - auch des Senats - ist das Beschwerdegericht allerdings berechtigt und verpflichtet, eine Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nachzuholen, wenn das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung zu einer solchen Entscheidung gesehen hat, weil es erkennbar davon ausgegangen ist, dass die Beschwer des unterlegenen Beteiligten 600 € übersteigt, während das Beschwerdegericht demgegenüber eine ausreichende Beschwer nicht für erreicht hält (Senatsbeschlüsse vom 23. März 2011 - XII ZB 436/10 - FamRZ 2011, 882 Rn. 14 und vom 28. März 2012 - XII ZB 323/11 - FamRZ 2012, 961 Rn. 6; BGH Urteile vom 14. November 2007 - VIII ZR 340/06 - NJW 2008, 218 Rn. 12 und vom 10. Februar 2011 - III ZR 338/09 - NJW 2011, 926 Rn. 15). Unter diesen Umständen kann dem Schweigen in der erstinstanzlichen Endentscheidung nicht entnommen werden, dass das Amtsgericht die Beschwerde nicht zugelassen habe. Denn es musste sich wegen seiner Vorstellungen von einer 600 € übersteigenden Beschwer des unterlegenen Beteiligten aus seiner Sicht folgerichtig keine Gedanken über eine Zulassung der Beschwerde machen.
b) Eine solche Konstellation liegt dem Streitfall indessen nicht zugrunde. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde können weder die vorläufige Wertfestsetzung noch die Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung als zureichende Anknüpfungspunkte für die Annahme herangezogen werden, dass das Amtsgericht von einer die Wertgrenze von 600 € übersteigenden Beschwer des Antragsgegners ausgegangen sein könnte.
aa) Treffen im Rahmen eines Stufenantrages ein Leistungsanspruch und ein vorbereitender Auskunftsanspruch zusammen, fallen der Verfahrenswert und die Beschwer eines in der ersten Stufe zur Erteilung einer Auskunft verpflichteten Antragsgegners in aller Regel deutlich auseinander. Soweit das Gericht der ersten Instanz einen vorläufigen Gebührenverfahrenswert bestimmt, richtet sich die Wertfestsetzung gemäß § 38 FamGKG nach dem Wert für den höchsten Einzelantrag, der in aller Regel der Leistungsantrag sein wird. Maßgebliche Schätzungsgrundlage für die vorläufige Festsetzung des Verfahrenswertes sind daher nach allgemeiner Ansicht die (realistischen) wirtschaftlichen Erwartungen, die der Antragsteller zu Beginn des Rechtszuges mit dem noch unbezifferten Antrag in der Leistungsstufe verknüpft (vgl. Zöller/Herget ZPO 30. Aufl. § 3 Rn. 16 'Stufenklage'; Musielak/Heinrich ZPO 11. Aufl. § 3 Rn. 34 'Stufenklage'; Prütting/Helms/Klüsener FamFG 3. Aufl. § 38 FamGKG Rn. 2 mit jeweils zahlreichen Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). Demgegenüber richtet sich die Beschwer des in der ersten Stufe zur Erteilung der Auskunft verpflichteten Antragsgegners - wie das Beschwerdegericht auch zutreffend erkannt hat - in erster Linie nach dem Aufwand an Zeit und Kosten für die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft und somit nach gänzlich anderen Kriterien. Dementsprechend kann in der erstinstanzlichen Festsetzung des Verfahrenswertes nichts zur Bemessung der Beschwer des in der ersten Stufe unterlegenen Auskunftsschuldners entnommen werden; damit scheidet aber auch die Annahme aus, das Gericht des ersten Rechtzuges sei aufgrund seiner Wertfestsetzung davon ausgegangen, dass die Beschwer des zur Auskunft verpflichteten Antragsgegners mehr als 600 € betragen habe (vgl. auch Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 465/11 - FamRZ 2012, 24 Rn. 11; BGH Urteile vom 10. Februar 2011 - III ZR 338/09 - NJW 2011, 926 Rn. 17 und vom 7. März 2012 - IV ZR 277/10 - NJW-RR 2012, 633 Rn. 15 jeweils zur Wertfestsetzung bei der isolierten Auskunftsklage).
bb) Auch aus dem Umstand, dass das Amtsgericht seinen Teilbeschluss mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, kann nicht darauf geschlossen werden, dass es von einer 600 € übersteigenden Beschwer des Antragsgegners ausgegangen ist.
Gemäß § 39 Satz 1 FamFG hat jeder Beschluss eine Belehrung über das "statthafte" Rechtsmittel zu enthalten. Bereits aus dem Wortlaut dieser Norm ergibt sich damit, dass die Rechtsbehelfsbelehrung immer dann zu erteilen ist, wenn ein Rechtsmittel statthaft ist, ohne dass das Gericht des ersten Rechtszuges darüber hinaus auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen dieses Rechtsmittels - und damit in vermögensrechtlichen Angelegenheiten auch nicht das Erreichen der gemäß § 61 Abs. 1 FamFG erforderlichen Beschwerdesumme - zu prüfen hätte. Denn die Entscheidung, ob die persönliche Beschwer des unterlegenen Beteiligten den Wert von 600 € übersteigt, hat das Beschwerdegericht in eigener Zuständigkeit von Amts wegen zu treffen, ohne dabei an die erstinstanzliche Wertfestsetzung gebunden zu sein(Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 61 Rn. 10; Prütting/Helms/Abramenko FamFG 3. Aufl. § 61 Rn. 4; vgl. auch Senatsbeschluss vom 13. März 2013 - XII ZR 8/13 - NJW-RR 2013, 1401 Rn. 8 zur Festsetzung der Beschwer im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde). Auch wenn deshalb das Gericht des ersten Rechtszuges davon ausgeht, dass die Beschwer des unterlegenen Beteiligten 600 € nicht übersteigt, wird es diese Vorstellungen vom un-zureichenden Wert des Beschwerdegegenstands nicht zum Anlass nehmen können, auf die Erteilung der gemäß § 39 Abs. 1 FamFG vorgesehenen Rechtsbehelfsbelehrung zu verzichten, wenn es die Beschwerde nicht zulässt (Senatsbeschluss vom 9. April 2014 - XII ZB 565/13 - FamRZ 2014, 1100 Rn. 20 f.). Etwas anderes ergibt sich unter den hier obwaltenden Umständen auch nicht aus der einleitenden Wendung in der Rechtsbehelfsbelehrung, wonach die Entscheidung "mit der Beschwerde angefochten werden" könne. Denn es wird nicht hinreichend deutlich, dass mit dieser Formulierung eine über den Hinweis auf das nach § 58 FamFG statthafte Rechtsmittel hinausgehende Aussage verbunden werden sollte.
Im Übrigen ist auch die Antragstellerin durch den amtsgerichtlichen Teilbeschluss beschwert worden, weil ihr zum Unterhalt gestellter Auskunftsantrag zu den Einkünften des Antragsgegners aus selbständiger Tätigkeit und zu dessen Kapitaleinkünften zurückgewiesen worden war. Ihre Beschwer durch die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts hätte sich nach einem Bruchteil des nach § 3 ZPO zu schätzenden (zusätzlichen) Unterhaltsbetrages bemessen, den sie in einem dreieinhalbjährigen Zeitraum (§ 9 Satz 1 ZPO) bei gehöriger Erteilung der weiteren von ihr verlangten Auskünfte erwartet hätte (vgl. Senatsurteil vom 8. Januar 1997 - XII ZR 307/95 - FamRZ 1997, 546 und Senatsbeschluss vom 21. April 1999 - XII ZB 158/98 - FamRZ 1999, 1497). Selbst wenn man - wofür allerdings nichts spricht - der in der Rechtsbehelfsbelehrung gewählten Formulierung eine Aussage darüber entnehmen könnte, dass nach Auffassung des Amtsgerichts die erforderliche Mindestbeschwer erreicht sei, bliebe immer noch offen, ob sich diese Aussage auf die Antragstellerin, den Antragsgegner oder auf beide Beteiligte bezieht.
Dose Klinkhammer Günter
Botur Guhling