Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 03.08.2011


BGH 03.08.2011 - XII ZB 187/10

(Vollstreckung ausländischer Urteile: Vollstreckbarkeit bei Verteidigungsmöglichkeit wegen Kenntnis vom laufenden Gerichtsverfahren bzw. Einlassung auf das Verfahren oder Nichtausschöpfung der inländischen Rechtsmittel)


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
03.08.2011
Aktenzeichen:
XII ZB 187/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Karlsruhe, 27. April 2010, Az: 8 W 1/10, Beschlussvorgehend LG Baden-Baden, 4. Dezember 2009, Az: 3 O 521/09
Zitierte Gesetze
Art 34 Nr 2 EGV 44/2001
Art 45 EGV 44/2001
Art 8 EGV 1348/2000

Leitsätze

1. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO stellt nicht auf die formal ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach Art. 8 EuZVO 2000, sondern auf die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte ab. Diese gelten als gewahrt, wenn der Beklagte Kenntnis vom laufenden Gerichtsverfahren erlangt hat und deswegen seine Rechte geltend machen konnte (im Anschluss an EuGH, 28. April 2009, C-420/07, Slg. 2009, I-3571 und Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2007, XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586) .

2. Im Hinblick auf den Zweck des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO, das rechtliche Gehör des Beklagten zu gewährleisten, gilt als Einlassung im Sinne der Vorschrift jedes Verhandeln, aus dem sich ergibt, dass der Beklagte von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren Kenntnis erlangt und die Möglichkeit der Verteidigung gegen den Angriff des Klägers erhalten hat, es sei denn, sein Vorbringen beschränkt sich darauf, den Fortgang des Verfahrens zu rügen, weil das Gericht unzuständig sei oder weil die Zustellung nicht so erfolgt sei, dass er sich verteidigen könne. Ein Beklagter, der sich auf das Verfahren eingelassen hat, kann sich zumindest dann nicht mehr auf das Vollstreckungshindernis berufen, wenn er Gelegenheit zur Verteidigung erhalten hat (im Anschluss an EuGH, 21. April 1993, C-172/91, NJW 1993, 2091) .

3. Grundsätzlich ist die Rüge eines Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public dann ausgeschlossen, wenn der Antragsgegner des Vollstreckbarkeitsverfahrens im Erkenntnisverfahren nicht alle nach dem Recht des Ursprungsstaates statthaften, zulässigen und zumutbaren Rechtsmittel ausgeschöpft hat (im Anschluss an den Senatsbeschluss, 26. August 2009, XII ZB 169/07, BGHZ 182, 188 = FamRZ 2009, 1816). Weil dadurch die Rechtsposition des Beklagten nicht unerheblich eingeschränkt wird, setzt dies voraus, dass der Beklagte nicht nur von der Existenz eines Urteils, sondern auch von dessen genauem Inhalt Kenntnis erlangt hat .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. April 2010 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.

Beschwerdewert: bis 2.000 €

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die Vollstreckbarkeit der Unterhaltspflicht des Antragsgegners aus dem Urteil des polnischen Amtsgerichts S. vom 26. November 2008.

2

Der am 14. Juni 2007 nichtehelich geborene Antragsteller lebt bei seiner Mutter in Polen. Die Klageschrift in dem polnischen Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft, Zahlung von Kindesunterhalt und weiterer, mit der Vaterschaft verbundener Ansprüche wurde dem Antragsgegner am 7. Dezember 2007 auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten vom 29. Mai 2000 (im Folgenden: EuZVO 2000) an seinem Wohnort in Deutschland zugestellt. Mit Zustellung der Klageschrift wurde dem Antragsgegner ein Formular nach Art. 8 EuZVO 2000 ausgehändigt, wonach er die Annahme des Schriftstücks verweigern darf, wenn es nicht in einer in dieser Vorschrift genannten Sprache, also der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die der Empfänger versteht, abgefasst ist. Noch am gleichen Tag erschien der Antragsgegner bei der deutschen Empfangsstelle und gab die zugestellten Unterlagen mit dem Bemerken zurück, er habe mit dieser Sache nichts zu tun. Er kenne weder das Kind noch die Mutter. Er wohne an der angegebenen Adresse, sein Geburtsdatum stimme aber nicht mit dem der "wohl gemeinten" Person überein. Unter Hinweis auf die verweigerte Entgegennahme der Klageschrift sandte das deutsche Amtsgericht das Ersuchen an das polnische Amtsgericht zurück.

3

In der Folgezeit wurde zur Frage der Vaterschaft des Antragsgegners ein DNA-Gutachten eingeholt. Die Blutprobe des Antragsgegners wurde im Wege der Rechtshilfe entnommen und dem polnischen Sachverständigen übersandt. Das Gutachten gelangte zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegner mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit Vater des Antragstellers ist. Mit Urteil vom 26. November 2008 wurde die Vaterschaft festgestellt und der Antragsgegner verurteilt, an den Antragsteller ab dem 14. Juni 2007 monatlichen Unterhalt in Höhe von 600 PLN zu zahlen. Dem Antragsgegner wurden die Gerichtskosten, die Kosten für Übersetzungen in Höhe von 383,84 PLN und die Kosten für die Erstellung des DNA-Gutachtens in Höhe von 1.863 PLN auferlegt.

4

Das Landgericht hat die Unterhaltspflicht des Antragsgegners aus dem Urteil des polnischen Amtsgerichts S. vom 26. November 2008 für in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners gegen diesen Beschluss zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, mit der er seinen Abweisungsantrag weiterverfolgt.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist nach Art. 44 i.V.m. Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO = Brüssel I-VO) i.V.m. § 15 Abs. 1 AVAG und § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Rechtsfortbildung erforderlich.

6

1. Zutreffend sind die Instanzgerichte davon ausgegangen, dass sich die Vollstreckbarkeit des polnischen Unterhaltstitels in der Bundesrepublik Deutschland nach den Vorschriften der EuGVVO richtet. Die Verordnung ist für die Bundesrepublik Deutschland am 1. März 2002 in Kraft getreten und gilt für Polen seit dem 1. Mai 2004. Die neue Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18. Dezember 2008 (EuUnthVO) und das zur Ausführung erlassene Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten (Auslandsunterhaltsgesetz - AUG) sind erst zum 18. Juni 2011 in Kraft getreten (Art. 76 EuUnthVO und Art. 20 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung vom 23. Mai 2011 BGBl. I 898, 919) und gelten nicht für die bei ihrem Inkrafttreten bereits eingeleiteten Vollstreckbarkeitsverfahren (Art. 75 Abs. 1 EuUnthVO und § 77 Nr. 1 AUG; vgl. insoweit Heger/Selg FamRZ 2011, 1101 ff. und Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 9 Rn. 675 ff.).

7

2. Ebenfalls zu Recht hat das Oberlandesgericht die inländische Vollstreckbarkeit nicht nach Art. 45 Abs. 1 i.V.m. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO versagt.

8

a) Soweit der Antragsgegner einwendet, der Antrag in dem polnischen Ausgangsverfahren sei ihm nicht so rechtzeitig zugestellt worden, dass er sich gegen die Klage verteidigen konnte, hat das Oberlandesgericht dies mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.

9

aa) Die Zustellung der Klageschrift in dem polnischen Ausgangsverfahren erfolgte am 7. Dezember 2007 nach den Vorschriften der EuZVO 2000. Die neue Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ("Zustellung von Schriftstücken") und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates, vom 13. November 2007 (EuZVO 2007), ist nach ihrem Art. 26 erst zum 13. November 2008 in Kraft getreten und galt deswegen bei den hier relevanten Zustellungen noch nicht.

10

Die Erwägungsgründe 2 der EuZVO 2000 führen zum Zweck der Verordnung Folgendes aus: „Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts muss die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, die in einem Mitgliedstaat zugestellt werden sollen, zwischen den Mitgliedstaaten verbessert und beschleunigt werden." Nach dem Erwägungsgrund 7 erfordert die gebotene schnelle Übermittlung "den Einsatz aller geeigneten Mittel, wobei bestimmte Anforderungen an die Lesbarkeit und die Übereinstimmung des empfangenen Schriftstücks mit dem Inhalt des versandten Schriftstücks zu beachten sind. Aus Sicherheitsgründen muss das zu übermittelnde Schriftstück mit einem Formblatt versehen sein, das in der Sprache des Ortes auszufüllen ist, an dem die Zustellung erfolgen soll, oder in einer anderen vom Empfängerstaat anerkannten Sprache."

11

Um die Interessen des Empfängers zu wahren, erfolgt die Zustellung nach Erwägungsgrund 10 „in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Orts, an dem sie vorgenommen wird, oder in einer anderen Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die der Empfänger versteht." Entsprechend ist nach Art. 8 EuZVO 2000 der Empfänger davon in Kenntnis zu setzen, dass er die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks verweigern darf, wenn dieses in einer anderen als der genannten Sprache abgefasst ist. Insoweit ist in Erwägungsgrund 8 der EuZVO 2000 allerdings ausdrücklich ausgeführt: "Um die Wirksamkeit dieser Verordnung zu gewährleisten, ist die Möglichkeit, die Zustellung von Schriftstücken zu verweigern, auf Ausnahmefälle beschränkt."

12

Bei der Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Möglichkeit zur Verweigerung der Annahme nach Art. 8 EuZVO 2000 kann auch der weitere Zweck der Verordnung, eine Vollstreckbarkeit der nachfolgenden Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, nicht außer Betracht bleiben (vgl. EuGH FamRZ 2009, 1471 Rn. 50 ff.). Die insoweit hier anwendbare EuGVVO will für die Vollstreckbarkeit ein angemessenes Gleichgewicht schaffen zwischen dem gegenseitigen Vertrauen in die Justiz einerseits, das es rechtfertigt, die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich von Rechts wegen anzuerkennen und zu vollstrecken, und der Wahrung der Verteidigungsrechte andererseits, die dem Schuldner einen in einem streitigen Verfahren zu prüfenden Rechtsbehelf ermöglichen, wenn er einen Grund für die Versagung der Vollstreckung geltend macht.

13

Art. 34 Nr. 2 EuGVVO stellt nicht mehr auf die formal ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ab, wie dies noch in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ der Fall war, sondern auf die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte. Diese gelten als gewahrt, wenn der Beklagte Kenntnis vom laufenden Gerichtsverfahren erlangt hat und deswegen seine Rechte geltend machen konnte (EuGH Slg. 2009, I-3571 Rn. 73, 75; Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05 - FamRZ 2008, 586 Rn. 27). Diese Änderung stützt zugleich die Auslegung des Begriffs eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks, das den Beklagten zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs von dem gegen ihn gerichteten gerichtlichen Verfahren in Kenntnis setzen soll. Durch die rechtzeitige Zustellung soll der Beklagte in die Lage versetzt werden, seine Rechte in einem gerichtlichen Verfahren des Übermittlungsstaats geltend zu machen. Einem solchen Schriftstück müssen sich deswegen zumindest Gegenstand und Grund des Antrags sowie die Aufforderung entnehmen lassen, sich vor Gericht einzulassen (EuGH NJW 2008, 1721 Rn. 66 ff., 73; vgl. auch Kropholler/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht 9. Aufl. Art. 34 EuGVO Rn. 30 und Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht 3. Aufl. § 34 EuGVVO Rn. 91).

14

bb) Unter Berücksichtigung dessen hat das Oberlandesgericht mit zutreffenden Gründen eine berechtigte Annahmeverweigerung im Sinne von Art. 8 EuZVO 2000 i.V.m. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO wegen fehlender Übersetzung der Klageschrift verneint.

15

Zwar steht die erst nachträgliche Rückgabe der Klageschrift durch den Antragsgegner einer berechtigten Annahmeverweigerung nach Art. 8 EuZVO 2000 nicht entgegen. Denn die Entscheidung, die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks wegen fehlender Übersetzung zu verweigern, muss nicht sofort bei Übergabe fallen. Insbesondere im Falle einer Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten nach § 180 ZPO muss dem Zustellungsempfänger die Möglichkeit verbleiben, eine Zustellung in angemessener Frist auch nachträglich zu verweigern (vgl. Schlosser EU-Zivilprozessrecht 3. Aufl. Art. 8 EuZVO Rn. 4).

16

Eine nach Art. 8 EuZVO 2000 zulässige Annahmeverweigerung wegen nicht ausreichender Übersetzung liegt hier schon nicht vor. Ausweislich des Vermerks der Empfangsstelle hat der Antragsgegner die Annahme nicht wegen fehlender Übersetzung, sondern deswegen verweigert, weil er behauptet hat, mit dem Verfahren nichts zu tun zu haben. Er kenne weder das Kind noch die Mutter und sein Geburtsdatum stimme, trotz richtig angegebener Adresse, nicht mit dem Geburtsdatum des Beklagten in der Klageschrift überein. Diese Begründung der Annahmeverweigerung ist dem polnischen Amtsgericht vom Rechtshilfegericht auch mitgeteilt worden. Auf dieser Grundlage ist das polnische Gericht von einer Einlassung des Antragsgegners zur Sache ausgegangen und hat nicht im Versäumnisverfahren entschieden. Aufgrund seiner Einlassung hatte das polnische Ausgangsgericht auch keine Veranlassung mehr, die jetzt behauptete fehlende Übersetzung nachzureichen. Denn schon auf der Grundlage der EuZVO 2000 konnte der Mangel einer nicht ausreichenden Übersetzung dadurch geheilt werden, dass die geforderte Übersetzung nachgereicht wird (EuGH NJW 2006, 491 Rn. 37 ff.). Die an die Stelle der hier anwendbaren EuZVO 2000 getretene neue EuZVO 2007 sieht eine solche Heilungsmöglichkeit nunmehr sogar ausdrücklich in Art. 8 Abs. 3 vor.

17

Weil der Antragsgegner sich nicht nach Art. 8 EuZVO 2000 i.V.m. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO auf eine fehlende Übersetzung berufen hat, kommt es nicht darauf an, ob eine solche Übersetzung in die deutsche Sprache tatsächlich fehlte. Dagegen spricht allerdings, dass das polnische Amtsgericht dem Antragsgegner die konkret bezifferten Kosten für Übersetzungen in dem Ausgangsverfahren auferlegt hat.

18

cc) Der Antragsgegner, der die Annahme der Klageschrift im polnischen Ausgangsverfahren nicht wegen fehlender Übersetzung verweigert hatte, hat sich stattdessen in jenem Verfahren zur Sache eingelassen. Auch dies steht nach Art. 45 Abs. 1, 34 Nr. 2 EuGVVO einem Vollstreckungshindernis entgegen. Denn der Schutz des § 34 Nr. 2 EuGVVO beschränkt sich ausdrücklich auf solche Beklagte, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen haben.

19

Der Begriff der Einlassung ist dabei unionsrechtlich autonom zu bestimmen. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, das rechtliche Gehör des Beklagten zu gewährleisten, gilt als Einlassung im Sinne der Vorschrift jedes Verhandeln, aus dem sich ergibt, dass der Beklagte von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren Kenntnis erlangt und die Möglichkeit der Verteidigung gegen den Angriff des Klägers erhalten hat, es sei denn, sein Vorbringen beschränkt sich darauf, den Fortgang des Verfahrens zu rügen, weil das Gericht unzuständig sei oder weil die Zustellung nicht so erfolgt sei, dass er sich verteidigen könne (Kropholler/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht 9. Aufl. Art. 34 EuGVO Rn. 27; Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht 3. Aufl. Art. 34 EuGVVO Rn. 109 ff.; Schlosser EU-Zivilprozessrecht 3. Aufl. Art. 34-36 EuGVVO Rn. 20). Entsprechend hatte der Europäische Gerichtshof bereits zur Vorgängerregelung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ entschieden, dass sich ein Beklagter, der sich auf das Verfahren eingelassen hat, zumindest dann nicht mehr auf das Vollstreckungshindernis berufen kann, wenn er Gelegenheit zur Verteidigung erhalten hat (EuGH NJW 1993, 2091 Rn. 36 ff.).

20

Auf die Rechtsfrage, ob eine das Vollstreckungshindernis des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO ausschließende Einlassung auch dann vorliegt, wenn die Einlassung zur Sache neben der Rüge einer unwirksamen Zustellung oder der Unzuständigkeit des Gerichts erfolgt, kommt es hier nicht an (zum Streit vgl. EuGH Slg. 1981, 1671 Rn. 14, EuGH Slg. 1981, 2431 und OGH Wien ZfRV 2000, 112). Denn der Antragsgegner hat im Ausgangsverfahren nicht eine fehlende Übersetzung der Klageschrift gerügt, sondern sich darauf beschränkt, in der Sache vorzutragen. Seine Einlassung, er kenne weder das Kind noch die Mutter und sei nicht als Beklagter gemeint, zielt auf eine fehlende Passivlegitimation und richtet sich somit gegen die Begründetheit der Klage (vgl. Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. vor § 253 Rn. 25).

21

Auch die weitere Frage, ob eine Einlassung des Beklagten im Sinne des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO darin zu erblicken ist, dass er durch Abgabe einer Blutprobe an der vom Gericht angeordneten Beweisaufnahme durch Einholung eines DNA-Gutachtens mitgewirkt hat, kann hier dahinstehen. Denn der Antragsgegner hatte sich bereits zuvor entschieden, nicht die unterbliebene Übersetzung nach Art. 8 EuZVO 2000 zu rügen, sondern sich in der Sache selbst einzulassen.

22

b) Schließlich entfällt ein Vollstreckungshindernis nach Art. 45 Abs. 1, 34 Nr. 2 EuGVVO auch deswegen, weil der Antragsgegner gegen das Ausgangsurteil des polnischen Amtsgerichts kein Rechtsmittel eingelegt hat, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.

23

Grundsätzlich ist die Rüge eines Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public dann ausgeschlossen, wenn der Antragsgegner des Vollstreckbarkeitsverfahrens im Erkenntnisverfahren nicht alle nach dem Recht des Ursprungsstaates statthaften, zulässigen und zumutbaren Rechtsmittel ausgeschöpft hat (Senatsbeschluss BGHZ 182, 188 = FamRZ 2009, 1816 Rn. 40 mwN). Für die Rüge einer nicht rechtzeitigen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ist dies in § 34 Nr. 2 EuGVVO ausdrücklich geregelt. Diese Regelung lässt sich damit rechtfertigen, dass über Verfahrensfehler möglichst sachnah im Ursprungsstaat entschieden werden soll. Zudem ist die prozessuale Lage, auf der das Vollstreckungshindernis des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO beruht, wenn der Beklagte das verfahrenseinleitende Schriftstück zwar nicht rechtzeitig erhalten, von der anhängigen Klage aber in einem späteren Stadium, z. B. durch Zustellung des Urteils, erfahren hat, durch die weitere Entwicklung überholt. Dadurch wird die Rechtsposition des Beklagten allerdings nicht unerheblich eingeschränkt. Erforderlich ist deshalb, dass der Beklagte nicht nur von der Existenz eines Urteils, sondern auch von dessen genauem Inhalt Kenntnis erlangt (Kropholler/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht 9. Aufl. Art. 34 EuGVO Rn. 42; Geimer in Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht 3. Aufl. Art. 34 EuGVVO Rn. 94 ff.; Schlosser EU-Zivilprozessrecht 3. Aufl. Art. 34-36 EuGVVO Rn. 19). Selbst wenn der Beklagte erst im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 42 Abs. 2 EuGVVO vom Inhalt der Entscheidung Kenntnis erlangt, ist er verpflichtet, die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung im Ausgangsstaat einzulegen (vgl. BGH Beschlüsse vom 17. Dezember 2009 - IX ZB 124/08 - NJW-RR 2010, 571 und vom 21. Januar 2010 - IX ZB 193/07 - NJW-RR 2010, 1001).

24

Gegen das Urteil des polnischen Amtsgerichts war nach Art. 367 des polnischen Zivilverfahrensgesetzbuches (ZVGB) eine Berufung zulässig. Nach dem Inhalt der Entscheidung und der ausdrücklichen Stellungnahme des Bezirksgerichts im Vollstreckbarkeitsverfahren hatte das Amtsgericht berücksichtigt, dass der Antragsgegner auf die Zustellung der Klageschrift in der Sache geantwortet hatte und deswegen nicht in Form eines Versäumnisurteils entschieden. Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsgegner nach Art. 1135 § 1 und 2 ZVGB keine weiteren Zustellungen zugegangen sind und ihm auch das Urteil des Amtsgerichts nicht zugestellt wurde, liegen nicht vor (vgl. insoweit Senatsbeschluss BGHZ 182, 188 = FamRZ 2009, 1816 Rn. 41 ff.). Zwar sind die Versagungsgründe des § 34 EuGVVO im Vollstreckbarkeitsverfahren von Amts wegen auch ohne eine entsprechende Rüge des Beklagten zu prüfen. Dabei besteht allerdings keine Verpflichtung des Beschwerdegerichts, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln (Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05 - FamRZ 2008, 586 Rn. 22 ff.). Eine fehlende Zustellung des polnischen Ausgangsurteils hat der Antragsgegner im Vollstreckbarkeitsverfahren nicht behauptet.

25

3. Weil auch keine sonstigen Gründe gegen eine Versagung der Vollstreckbarkeit des Unterhaltsausspruchs aus dem polnischen Urteil vom 26. November 2008 im Sinne der Art. 45 Abs. 1, 34 f. EuGVVO ersichtlich sind, hat das Oberlandesgericht die Beschwerde des Antragsgegners gegen die angeordnete Vollstreckbarkeit zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

Hahne                                         Dose                                     Klinkhammer

                    Schilling                                       Günter