Entscheidungsdatum: 06.12.2017
1. Vor der Verwerfung einer Beschwerde in einer Ehe- und Familienstreitsache wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist ist dem Beschwerdeführer rechtliches Gehör zu gewähren.
2. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist hat grundsätzlich das Beschwerdegericht zu entscheiden. Das gilt auch dann, wenn die Beschwerde bereits als unzulässig verworfen worden ist.
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 27. Januar 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 18.258 €
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Verwerfung seiner Beschwerde.
Das Amtsgericht hat mit einem dem Antragsteller am 11. Oktober 2016 zugestellten Beschluss die Ehe der Beteiligten geschieden, eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich getroffen und den Antragsteller zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt verpflichtet. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 11. November 2016 Beschwerde eingelegt. Nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist hat das Beschwerdegericht die Beschwerde mit Beschluss vom 27. Januar 2017 verworfen. Mit einem am 16. Februar 2017 beim Beschwerdegericht eingegangenen Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten hat der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt und seine Beschwerde begründet. Über diesen Wiedereinsetzungsantrag hat das Beschwerdegericht bisher nicht entschieden.
Gegen den ihm am 2. Februar 2017 zugestellten Verwerfungsbeschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Das Beschwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, welches es gebietet, den Beteiligten eines Verfahrens Gelegenheit zu geben, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern (vgl. Senatsbeschluss vom 15. August 2007 - XII ZB 101/07 - FamRZ 2007, 1725 Rn. 3 ff.).
Der Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass noch eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über den Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist aussteht. Zwar würde dem die Beschwerde verwerfenden Beschluss im Falle der Bewilligung der Wiedereinsetzung die Grundlage entzogen, so dass dieser gegenstandslos würde. Solange jedoch über die Wiedereinsetzung noch nicht entschieden ist, kann der Beschluss, mit dem die Beschwerde verworfen worden ist, auch isoliert im Wege der Rechtsbeschwerde aufgehoben werden (vgl. Senatsbeschluss vom 15. August 2007 - XII ZB 101/07 - FamRZ 2007, 1725 Rn. 4).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Beschwerdegericht hat den Antragsteller vor seiner Entscheidung nicht auf den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist und die Absicht des Gerichts, die Beschwerde zu verwerfen, hingewiesen und damit das Verfahrensrecht des Antragstellers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
a) Zwar sieht § 522 Abs. 1 ZPO (iVm § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG) im Gegensatz zu § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO für den Fall einer Verwerfung eines unzulässigen Rechtsmittels eine Anhörung der Verfahrensbeteiligten nicht ausdrücklich vor. Die Pflicht zur Anhörung des Rechtsmittelführers folgt indessen unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschlüsse vom 14. Dezember 2011 - XII ZB 233/11 - FamRZ 2012, 360 Rn. 10; vom 24. Februar 2010 - XII ZB 168/08 - FamRZ 2010, 882 Rn. 7 und vom 15. August 2007 - XII ZB 101/07 - FamRZ 2007, 1725 Rn. 8). Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Verfahrensbeteiligten eines gerichtlichen Verfahrens somit ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern.
b) Das Beschwerdegericht hat dem Antragsteller vor seiner Entscheidung den erforderlichen Hinweis nicht erteilt. Zwar befindet sich in der Verfahrensakte eine Verfügung der Berichterstatterin vom 20. Dezember 2016, mit der der Antragsteller auf den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist und die Absicht des Gerichts, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hingewiesen werden sollte. Diese Verfügung ist ausweislich der Verfahrensakte auch noch an diesem Tag von der Geschäftsstelle ausgefertigt worden. Die Rechtsbeschwerde rügt jedoch zu Recht, dass sich aus der Verfahrensakte nicht entnehmen lässt, ob dieser Hinweis dem Antragsteller oder seinen Verfahrensbevollmächtigten auch zugegangen ist. Aus den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag des Antragstellers lässt sich vielmehr entnehmen, dass dies nicht der Fall war und die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers erst mit der Zustellung des nunmehr angegriffenen Beschlusses vom Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erfahren haben.
Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beschluss des Beschwerdegerichts nicht auf diesem - ausdrücklich gerügten - Verfahrensfehler des Beschwerdegerichts beruht oder sich die angegriffene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 577 Abs. 3 ZPO), ist die Rechtsbeschwerde begründet.
3. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht, das zunächst über das Wiedereinsetzungsgesuch zu befinden haben wird. Eine eigene Entscheidung des Senats über den Wiedereinsetzungsantrag des Antragstellers kommt nicht in Betracht.
Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 237 ZPO entscheidet über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht. Bei Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist ist dies das Beschwerdegericht. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn über den Wiedereinsetzungsantrag nach Beendigung der betreffenden Instanz zu entscheiden ist (vgl. BGH Urteil vom 20. Mai 2014 - VI ZR 384/13 - NJW-RR 2014, 1532 Rn. 12 und Beschluss vom 26. Februar 2013 - VI ZR 374/12 - NJW-RR 2013, 702 Rn. 2 mwN).
Aus Gründen der Verfahrenswirtschaftlichkeit ist das Rechtsbeschwerdegericht nur dann ausnahmsweise befugt, über den für die Beschwerdeinstanz gestellten Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden, wenn nach dem Akteninhalt Wiedereinsetzung ohne weiteres zu gewähren ist (vgl. BGH Urteil vom 20. Mai 2014 - VI ZR 384/13 - NJW-RR 2014, 1532 Rn. 12 und Beschlüsse vom 26. Januar 2016 - II ZR 57/15 - juris Rn. 4 und vom 26. Februar 2013 - VI ZR 374/12 - NJW-RR 2013, 702 Rn. 2). Gleiches gilt, wenn die Vorinstanz verfahrensfehlerhaft eine Entscheidung über den bei ihm gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung unterlassen (vgl. Senatsbeschluss vom 29. September 1993 - XII ZB 49/93 - FamRZ 1994, 438) oder das Rechtsmittel verworfen und zugleich den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt hat (BGH Beschluss vom 12. Dezember 2000 - X ZB 17/00 - juris). Schließlich kann das Rechtsmittelgericht dann selbst über ein Wiedereinsetzungsgesuch entscheiden, wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel materiell-rechtlich zum selben Ergebnis wie eine Versagung der Wiedereinsetzung führt, weil dann die Wiedereinsetzung zugunsten der fristsäumigen Partei unterstellt werden kann (BGH Urteil vom 20. Mai 2014 - VI ZR 384/13 - NJW-RR 2014, 1532 Rn. 13 mwN). Die Voraussetzungen für eine dieser Ausnahmen sind vorliegend aber nicht gegeben.
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