Entscheidungsdatum: 19.05.2015
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25. März 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: bis 40.000 €
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ausgleich eines (kausalen) negativen Saldos nach Beendigung eines Kontokorrents aus Girovertrag in Anspruch.
Der Beklagte, Außendienstmitarbeiter eines Schmuckwarenunternehmens und daneben Inhaber eines Schmuckvertriebs, eröffnete, vermittelt durch einen unter einem Aliasnamen agierenden Bekannten B. , im August 2008 ein Girokonto bei der Klägerin. Am 15. August 2008 wurden 20.850 € von diesem Girokonto auf das Konto eines Dritten gebucht. Am 16. Oktober 2008 wurden 21.350 € vom Konto dieses Dritten dem Konto des Beklagten gutgeschrieben. Schließlich wurden am 10. Dezember 2008 32.000 € von dem Girokonto auf das Konto des Dritten gebucht. Die Quartalsabschlüsse zum 29. Dezember 2008 und 31. März 2009 wiesen Negativsalden auf. Zwischen den Parteien fand im April 2009 ein Gespräch statt, das den Ausgleich des Sollstands zum Gegenstand hatte. In einem Schreiben vom 13. Mai 2009 widersprach der Beklagte der von der Klägerin zum 31. März 2009 "erstellte[n] Zinsabrechnung". Mangels Glattstellung kündigte die Klägerin die Geschäftsverbindung am 11. September 2009 fristlos. Zu diesem Zeitpunkt belief sich der Sollstand auf 36.756,04 €.
Ihre auf Ausgleich des Saldos zum 11. September 2009 nebst Zinsen gerichtete Klage hat das Landgericht unter anderem nach Vernehmung des B. und des wegen Untreue zu deren Nachteil strafrechtlich belangten ehemaligen Filialleiters der Klägerin als Zeugen sowie nach informatorischer Anhörung des Beklagten abgewiesen. Es hat der Klägerin zugleich Zinsen aus einer geduldeten Überziehung des Girokontos vom 15. August 2008 bis zum 16. Oktober 2008 zuerkannt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klageforderung ohne Wiederholung der Beweisaufnahme entsprochen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 25. Juni 2013 (XI ZR 210/12, juris) das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache nach § 544 Abs. 7 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Nach Zurückverweisung hat das Berufungsgericht nach persönlicher Anhörung des Beklagten und Vernehmung des früheren Filialleiters sowie eines weiteren Mitarbeiters der Klägerin dem Klagebegehren neuerlich stattgegeben. Die Klägerin könne vom Beklagten Ausgleich des kausalen Saldos in der von ihr vorgetragenen Höhe verlangen.
Ein abstraktes Saldoanerkenntnis zum 29. Dezember 2008 sei zwischen den Parteien konkludent und ein weiteres abstraktes Saldoanerkenntnis zum 31. März 2009, in das das Saldoanerkenntnis zum 29. Dezember 2008 eingeflossen sei, nach Maßgabe des Schreibens vom 13. Mai 2009 zustande gekommen, so dass eine Forderung aus abstraktem Saldoanerkenntnis zum 31. März 2009 in den kausalen Saldo zum 11. September 2009 habe eingestellt werden können. In dem Schreiben vom 13. Mai 2009 habe der Beklagte lediglich der in den Saldo zum 31. März 2009 eingeflossenen Zinsforderung für den Zeitraum vom 31. Dezember 2008 bis zum 31. März 2009 widersprochen, was dem wirksamen Zustandekommen eines Saldoanerkenntnisvertrages im Übrigen nicht entgegengestanden habe. Seine Einwände gegen die Zinsberechnung habe der Beklagte später fallen gelassen.
Deshalb sei es Sache des Beklagten gewesen darzulegen und zu beweisen, dass die Belastungsbuchung vom 10. Dezember 2008 zu Unrecht erfolgt sei. Diesen Nachweis habe der Beklagte nicht geführt. Obwohl die Klägerin alles getan habe, um ihrer sekundären Darlegungslast zu den Umständen dieser Buchung zu genügen, habe sich nicht aufklären lassen, wer den ehemaligen Filialleiter der Klägerin zu der Buchung veranlasst habe. Damit sei der Beklagte als beweisfällig geblieben zu behandeln. Aufgrund des Beweisergebnisses bestünden "mehr Gründe für als gegen die Annahme", dass die Buchung mit Autorisierung des Beklagten vorgenommen worden sei. Das Konto des Beklagten bei der Klägerin sei schon unter außergewöhnlichen Umständen eingerichtet worden. Auch sonst sprächen die Umstände für ein enges Zusammenwirken des Beklagten mit B. und dafür, der Beklagte habe B. die Möglichkeit geben wollen, mittels Hin- und Herbuchens das Vorhandensein von Liquidität vorzuspiegeln. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte darum gewusst habe, B. werde bei der Klägerin unter einem Aliasnamen in Erscheinung treten. Der ehemalige Filialleiter der Klägerin habe anlässlich seiner Vernehmung als Zeuge bekundet, die Buchung vom 10. Dezember 2008 sei auf eine telefonische Weisung des unter seinem Aliasnamen agierenden B. zurückzuführen.
Dem Antrag des Beklagten, B. als Zeugen zu den Umständen der Buchung vom 10. Dezember 2008 zu vernehmen, habe das Berufungsgericht nicht entsprechen können. B. sei zu zwei Terminen zur Durchführung der Beweisaufnahme unentschuldigt nicht erschienen. Von einer Vorführung durch den Gerichtsvollzieher gemäß § 380 Abs. 2 ZPO habe das Berufungsgericht abgesehen, da eine wahrheitsgemäße Aussage des B. , der schon vor dem Landgericht in zwei Punkten die Unwahrheit gesagt habe, nicht zu erwarten gewesen sei.
Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten.
II.
Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da das angegriffene Urteil den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 139 f., vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09, BKR 2010, 515, 516 und vom 11. September 2012 - XI ZR 476/11, juris Rn. 7). Aus demselben Grund sind das angefochtene Urteil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Allerdings ist die Auffassung des Berufungsgerichts aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, die Annahme eines Antrags auf Abschluss eines Saldoanerkenntnisses - hier gemeint: nach Maßgabe einer Genehmigungsfiktion aufgrund wirksamer Vereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin - könne einzelne Positionen ausnehmen (BGH, Urteile vom 2. November 1967 - II ZR 46/65, BGHZ 49, 24, 28 f. und vom 21. September 1967 - II ZR 202/64, WM 1967, 1163). Weiter hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, die Klägerin habe ihrer sekundären Darlegungslast zu den der Buchung vom 10. Dezember 2008 zugrunde liegenden Umständen genügt.
2. Das Berufungsgericht hat indessen bei seiner Entscheidung der Frage, ob der Beklagte dem abstrakten Saldoanerkenntnis zum 31. März 2009 als einem Aktivposten des kausalen Saldos zum 11. September 2009 und dem in das Saldoanerkenntnis zum 31. März 2009 eingeflossenen abstrakten Saldoanerkenntnis zum 29. Dezember 2008 die Einrede der Bereicherung entgegensetzen könne, den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Es hat ihn als beweisfällig geblieben behandelt, ohne den von ihm angebotenen Zeugen B. zu vernehmen.
a) Von der Vernehmung des B. als Zeugen, auf dessen Aussage es nach der Lösung des Berufungsgerichts ankam, durfte es nicht absehen. Sie ist nur deshalb unterblieben, weil der Zeuge zweimal nicht vor Gericht erschienen ist. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den Zeugen schon deshalb als unerreichbar angesehen. Zwar findet die Vorschrift des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO im Zivilprozessrecht entsprechende Anwendung (BGH, Beschlüsse vom 21. September 2011 - IV ZR 38/09, VersR 2011, 1563 Rn. 16, vom 12. September 2012 - IV ZR 177/11, NJW-RR 2013, 9 Rn. 14 und vom 24. Juli 2013 - IV ZR 110/12, IHR 2014, 115 Rn. 10), jedoch sind an die Annahme der Unerreichbarkeit eines Zeugen strenge Anforderungen zu stellen. Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Unerreichbarkeit des Zeugen ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Gericht unter Beachtung seiner Aufklärungspflicht alle der Bedeutung des Zeugnisses entsprechenden Bemühungen zur Beibringung des Zeugen vergeblich entfaltet hat und keine begründete Aussicht besteht, das Beweismittel in absehbarer Zeit zu beschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2006 - XII ZR 195/03, BGHZ 168, 79 Rn. 25; Beschluss vom 24. Juli 2013 aaO). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat sich nicht bemüht herauszufinden, ob dem Nichterscheinen des Zeugen, der sich zum ersten Termin mit der Vorlage eines (nichtssagenden) ärztlichen Attests und zum zweiten Termin mit einer Auslandsreise entschuldigt hat, eine grundsätzliche Weigerung, vor Gericht auszusagen, zugrunde lag. Im Übrigen hat es nicht versucht, den Zeugen vor Schluss der mündlichen Verhandlung mittels der Verhängung von Ordnungsmitteln zu einem Erscheinen vor Gericht zu veranlassen, obwohl das Landgericht mit solchen Maßnahmen schließlich erfolgreich das Kommen des Zeugen erwirkt hat. Einen Beschluss, mit dem es gegen den Zeugen ein Ordnungsgeld verhängt hat, hat das Berufungsgericht erst mit dem Berufungsurteil verkündet.
b) Die Erwägung des Berufungsgerichts, die prozessualen Mittel zur Herbeischaffung des Zeugen müssten nicht ausgeschöpft werden, weil von ihm ohnehin keine wahrheitsgemäßen Angaben zu erwarten seien, verletzt ihrerseits Art. 103 Abs. 1 GG (BGH, Beschlüsse vom 12. September 2012 - IV ZR 177/11, NJW-RR 2013, 9 Rn. 13 und vom 17. August 2012 - XII ZR 153/09, GuT 2012, 270 Rn. 11). Sie trägt insbesondere nicht die Einschätzung des Berufungsgerichts, die Vernehmung des B. sei ein ungeeignetes Beweismittel im Sinne des entsprechend anwendbaren § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO. An die Ungeeignetheit eines Beweismittels sind strenge Anforderungen zu stellen. Weder die Unwahrscheinlichkeit einer Tatsache noch der Wahrnehmung durch den Zeugen berechtigen den Tatrichter, von einer Beweisaufnahme abzusehen. Insbesondere kommt eine Ablehnung eines Beweisantrags als ungeeignet nicht in Betracht, wenn dadurch ein noch nicht erhobener Beweis vorab gewürdigt wird, da dies eine unzulässige Beweisantizipation darstellt (BGH, Urteil vom 3. Mai 2006 - XII ZR 195/03, BGHZ 168, 79 Rn. 27; Beschluss vom 12. September 2012 - IV ZR 177/11, NJW-RR 2013, 9 Rn. 14). Von einem untauglichen Beweismittel kann nur dann ausgegangen werden, wenn es im Einzelfall vollkommen ausgeschlossen erscheint, dass die Beweisaufnahme irgendetwas Sachdienliches ergeben könnte. Das ist hier nicht der Fall, weil Beweisthema ein Unterlassen des Zeugen selbst - keine Weisung für und gegen den Beklagten gegenüber dem ehemaligen Filialleiter der Klägerin im Zusammenhang mit der Buchung am 10. Dezember 2008 - ist, zu dem B. vor dem Landgericht im Sinne des Beklagten Angaben gemacht hat. Auch ein dem Zeugen gegebenenfalls zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 384 Nr. 2 ZPO führt nicht dazu, ihn von vornherein als ungeeignetes oder unerreichbares Beweismittel anzusehen. Der Tatrichter ist im Falle einer Zeugnisverweigerung nach § 384 Nr. 2 ZPO nicht gehindert, dies im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung zu würdigen (BGH, Beschluss vom 12. September 2013 aaO).
c) Das angefochtene Urteil beruht auf dem in der Verkennung der Voraussetzungen der § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 Abs. 1 ZPO, § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO liegenden Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner hier maßgeblichen Rechtsauffassung (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02, WM 2004, 46, 47) zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es den vom Beklagten benannten Zeugen vernommen hätte.
d) Das Berufungsurteil kann erneut mit keiner anderen Begründung Bestand haben (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss vom 25. Juni 2013 - XI ZR 210/12, juris Rn. 15). Dass der Beklagte mindestens eines der Saldoanerkenntnisse unter den Voraussetzungen des § 814 BGB abgegeben habe, was von der Klägerin darzutun und zu beweisen war und was voraussetzte, dass der Beklagte positive Kenntnis davon hatte, aus dem kausalen Saldo zum Jahresschluss 2008 bzw. zum Schluss des ersten Quartals 2009 nicht verpflichtet zu sein, ist wiederum nicht festgestellt. Insbesondere hat sich das Berufungsgericht mit den Erklärungen des Beklagten unter dem 13. Mai 2009, auf die allein tragend seine Entscheidung beruht, ausschließlich unter dem Gesichtspunkt eines Anerkenntnisses des Saldos als solchem befasst, aber nicht zugleich festgestellt, der Beklagte habe dabei die richtige rechtliche Wertung getroffen, der Klägerin nichts zu schulden.
Ellenberger Joeres Matthias
Menges Dauber