Entscheidungsdatum: 30.09.2014
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 2. Oktober 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 2.161,99 €.
I.
Die Parteien streiten im Verfahren der Kostenfestsetzung darum, ob der Beklagten eine 1,6-fache Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren zu erstatten ist.
Die Klägerin nahm die Beklagte in erster Instanz erfolglos aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung im Zusammenhang mit der Ablösung von Darlehen in Anspruch. Gegen das klageabweisende landgerichtliche Urteil legte sie am 13. Juli 2012 Berufung ein. Daraufhin bestellte sich am 20. Juli 2012 der Prozessbevollmächtigte der Beklagten für die zweite Instanz und beantragte, die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin begründete ihre Berufung am 17. September 2012. Auf Hinweis des Berufungsgerichts vom 19. Oktober 2012 gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO nahm die Klägerin ihre Berufung mit der Kostenfolge des § 516 Abs. 3 ZPO zurück.
Dem Antrag der Beklagten, für das Berufungsverfahren eine 1,6-fache Verfahrensgebühr nach §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3200 VV RVG aus einem Streitwert bis 65.000 € nebst einer Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG und der Umsatzsteuer auf die Vergütung gemäß Nr. 7008 VV RVG gegen die Klägerin festzusetzen, hat das Landgericht entsprochen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht (JurBüro 2014, 80 ff.; RPfleger 2014, 228 ff.) hat in seiner Entscheidung ausgeführt, die Beklagte sei berechtigt gewesen, einen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen. Entsprechend seien die ihr dadurch entstandenen Kosten in voller Höhe einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr von der Klägerin zu ersetzen. Dass die Beklagte einen Sachantrag gestellt habe, bevor die Klägerin ihre Berufung begründet habe, sei ohne Bedeutung, weil die Klägerin anschließend noch eine Begründung eingereicht habe. Gleichfalls bedeutungslos sei der Umstand, dass das Berufungsverfahren nach Vorlage der Berufungsbegründung auf Hinweis des Berufungsgerichts nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO durch Rücknahme erledigt worden sei.
2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde vergeblich.
a) Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie ist insbesondere rechtzeitig eingelegt worden. Die vom Beschwerdegericht verfügte formlose Mitteilung des angefochtenen Beschlusses konnte die Notfrist des § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht in Lauf setzen. Der Zustellungsmangel ist nicht nach § 189 ZPO geheilt, weil eine Heilung nach dieser Vorschrift voraussetzt, dass das Gericht mit Zustellungswillen gehandelt hat (BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 VII ZR 186/09, BGHZ 188, 128 Rn. 42). Das vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der Beschwerdeschrift der Sache nach abgegebene Empfangsbekenntnis vermag den mangelnden Zustellungswillen des Gerichts nicht zu ersetzen (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2003 - III ZB 58/02, WM 2004, 598, 599). Im Übrigen wäre die Beschwerdefrist selbst dann gewahrt, wenn sich die Klägerin an dieser Angabe festhalten lassen müsste (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2008 - VII ZB 7/08, juris Rn. 7).
b) Die Rechtsbeschwerde ist aber in der Sache unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen für die Vertretung der Beklagten im Berufungsverfahren die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3200 VV RVG als erstattungsfähig angesehen.
aa) Der Beklagten sind nach §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3200 VV RVG und Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 2 RVG Kosten in Höhe einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr für ihren Prozessbevollmächtigten entstanden. Nach Nr. 3201 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VV RVG ermäßigt sich die Verfahrensgebühr zwar bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags, wozu auch die Beendigung durch Rücknahme der Berufung gehört, auf eine 1,1-fache Gebühr. Hat der Rechtsanwalt aber wie hier - bereits einen Schriftsatz eingereicht, der Sachanträge enthält, kommt eine vorzeitige Beendigung des Auftrags und damit eine Ermäßigung der Gebühr nicht mehr in Betracht (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - V ZB 143/12, NJW-RR 2014, 185 Rn. 5 f. mwN). Nr. 3201 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VV RVG ist zudem zu entnehmen, dass allein die Stellung der Sachanträge die volle Verfahrensgebühr auslöst, auch wenn der Schriftsatz des Rechtsmittelgegners keinen Sachvortrag zur Begründung seines Antrags enthält (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2008 - I ZB 111/07, NJW-RR 2009, 859 Rn. 9).
bb) Diese Kosten sind der Beklagten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstatten, weil sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Frage, ob aufgewendete Prozesskosten notwendig sind, bestimmt sich grundsätzlich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei eine die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Nach Einreichung der Rechtsmittelbegründung hat der Rechtsmittelgegner ein berechtigtes Interesse daran, mit anwaltlicher Hilfe eine Zurückweisung des Rechtsmittels anzustreben und einen entsprechenden Antrag anzukündigen. Stellt der Rechtsmittelgegner vor Einreichung der Rechtsmittelbegründung einen Zurückweisungsantrag und geht die Rechtsmittelbegründung anschließend ein, ist die Verteidigung bei wertender Betrachtung ebenfalls notwendig. Es liefe auf eine unnötige Förmelei hinaus, vom Rechtsmittelgegner zu fordern, nach Eingang der Rechtsmittelbegründung nochmals einen Schriftsatz mit einem Gegenantrag bei Gericht einzureichen, um die Erstattungsfähigkeit der vollen Verfahrensgebühr herbeizuführen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - V ZB 143/12, NJW-RR 2014, 185 Rn. 10). Für die Frage der Erstattungsfähigkeit kommt es mithin nicht auf die zeitliche Reihenfolge der jeweiligen Anträge an.
cc) Der Umstand, dass das Berufungsgericht nach Vorlage der Berufungsbegründung nicht in der Sache entschieden hat, weil die Klägerin die Berufung auf Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO zurückgenommen hat, ändert, wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung inzwischen geklärt ist, an der Erstattungsfähigkeit der 1,6-fachen Verfahrensgebühr nichts (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - V ZB 143/12, NJW-RR 2014, 185 Rn. 11 ff.). Ist die Verteidigung des Rechtsmittelgegners in dem Zeitpunkt notwendig, in dem die Rechtsmittelbegründung eingereicht wird, kann es keinen Unterschied machen, auf welche Weise das Rechtsmittelverfahren später beendet wird. Der von der Rechtsbeschwerde angeführte Beschluss des VIII. Zivilsenats vom 10. November 2009 (VIII ZB 60/09, NJW-RR 2010, 1224 Rn. 10) betraf die anders gelagerte Frage, ob der Berufungsbeklagte nach einem ihm mitgeteilten Hinweis des Berufungsgerichts auf den verspäteten Eingang der Berufungsbegründungsschrift Anlass hatte, innerhalb der mit dem Hinweis verbundenen Stellungnahmefrist kostenauslösende Maßnahmen zu ergreifen. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Joeres Ellenberger Matthias
Menges Derstadt