Entscheidungsdatum: 16.12.2015
1. NV: Für die Bemessung des Streitwerts ist --jedenfalls nach der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Rechtslage-- nicht das gesamte geldwerte Interesse maßgebend, das ein Steuerpflichtiger an der Durchführung des Verfahrens hat, sondern lediglich der Steuerbetrag, um den unmittelbar gestritten wird .
2. NV: Der Streitwert eines wegen des Gewerbesteuermessbetrags geführten Verfahrens mindert sich nicht dadurch, dass die Gewerbesteuer gemäß § 35 EStG auf die Einkommensteuer angerechnet werden kann .
3. NV: § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung erfasst lediglich Anhebungen des Streitwerts infolge mittelbarer Auswirkungen des gerichtlichen Verfahrens auf andere Verwaltungsakte. Eine Minderung des Streitwerts kann nicht auf diese Vorschrift gestützt werden .
Die Erinnerung gegen die Kostenrechnung des Bundesfinanzhofs --Kostenstelle-- vom 20. Oktober 2015 KostL .../15 (X R 25/13) wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
I. Dem Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kostenschuldner) sind durch das Senatsurteil vom 22. April 2015 X R 25/13 (BFHE 250, 55, BStBl II 2015, 897) die Kosten jenes Verfahrens, in dem es um die Gewerbesteuermessbeträge für 2002 und 2006 ging, auferlegt worden. Die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) hat den Streitwert nach der Höhe der festgesetzten (und in vollem Umfang streitigen) Gewerbesteuer bemessen (1.884.761 €) und die Gerichtskosten für das Revisionsverfahren mit 35.780 € angesetzt.
Der Kostenschuldner begehrt demgegenüber, bei der Bemessung des Streitwerts zu berücksichtigen, dass die Gewerbesteuer gemäß § 35 des Einkommensteuergesetzes (EStG) jedenfalls teilweise im Rahmen der --nicht vom Revisionsverfahren umfassten-- Einkommensteuerfestsetzungen 2002 und 2006 anzurechnen sein werde. Diese Anrechnung gleiche die Gewerbesteuerbelastung bis auf einen vom Kostenschuldner noch zu tragenden Restbetrag in Höhe von 206.360,50 € aus, der bei zutreffender Betrachtung als Streitwert anzusehen sei.
Der Kostenschuldner beantragt sinngemäß,
die Gerichtskosten für das Verfahren vor dem BFH X R 25/13 nach Maßgabe eines Streitwerts von 206.360,50 € anzusetzen.
Die Vertreterin der Staatskasse beantragt,
die Erinnerung zurückzuweisen.
II. Die Erinnerung ist unbegründet.
1. Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht durch den Senat in der für Beschlüsse außerhalb der mündlichen Verhandlung angeordneten Besetzung mit drei Richtern (§ 10 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Regelung des § 1 Abs. 5 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.d.F. des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013 (BGBl I 2013, 2586), wonach die Vorschriften des GKG über die Erinnerung --und damit die in § 66 Abs. 6 GKG angeordnete Entscheidung durch den Einzelrichter-- den Vorschriften der FGO vorgehen, ist erst am 1. August 2013 in Kraft getreten (Art. 50 des 2. KostRMoG). Damit ist sie gemäß § 71 Abs. 1 GKG auf die Erhebung der Kosten im vorliegenden Verfahren noch nicht anzuwenden, weil die zugrunde liegende Revision mit Beschluss vom 25. Juni 2013 --und damit vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung-- vom beschließenden Senat zugelassen wurde und das vorgelagerte Beschwerdeverfahren gemäß § 116 Abs. 7 FGO seit diesem Zeitpunkt als Revisionsverfahren fortgesetzt wurde.
2. Die Höhe des von der Kostenstelle zugrunde gelegten Streitwerts ist nicht zu beanstanden.
a) Die Höhe der Gerichtsgebühren richtet sich nach dem Streitwert (§ 3 Abs. 1, § 34 Abs. 1 GKG) sowie den in Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG aufgeführten Gebührentatbeständen. Der Streitwert ist in Verfahren u.a. vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenen Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 52 Abs. 1 GKG). Wenn der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG i.d.F. vor dem 2. KostRMoG; heute § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG).
b) Danach hat die Kostenstelle den Streitwert zutreffend mit dem Gesamtbetrag der streitigen Gewerbesteuer bemessen, da die Gewerbesteuermessbescheide, die den Gegenstand des Revisionsverfahrens X R 25/13 bildeten, Verwaltungsakte darstellen, die auf eine bezifferte Geldleistung bezogen sind.
c) Der Streitwert des allein gegen die Gewerbesteuermessbescheide gerichteten Verfahrens ist nicht um den Betrag der vom Kostenschuldner ggf. zu beanspruchenden Steuerermäßigung nach § 35 EStG zu mindern.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu § 52 Abs. 3 GKG (i.d.F. vor dem 2. KostRMoG) ist für die Bemessung des Streitwerts nicht das gesamte geldwerte Interesse maßgebend, das ein Steuerpflichtiger an der Durchführung des Verfahrens hat, sondern lediglich der Steuerbetrag, um den unmittelbar gestritten wird (vgl. die Nachweise in den folgenden Absätzen). Dies gilt sowohl zugunsten wie auch zu Lasten des jeweiligen Kostenschuldners.
So sind u.a. die folgenden Umstände nicht streitwertmindernd zu berücksichtigen: |
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Wenn der Steuerpflichtige begehrt, eine Einnahme nicht im Streitjahr, sondern erst im Folgejahr zu erfassen, ist als Streitwert die volle steuerliche Auswirkung im Streitjahr anzusetzen, ohne eine Gegenrechnung mit den gegenläufigen steuerlichen Auswirkungen im Folgejahr vorzunehmen (BFH-Entscheidungen vom 24. Januar 1958 VI 195/56 U, BFHE 66, 318, BStBl III 1958, 122; vom 21. April 1989 IV R 40/88, BFH/NV 1990, 182, und vom 10. Juni 1999 IV E 2/99, BFH/NV 1999, 1608); |
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Begehrt der Steuerpflichtige erfolglos den Abzug zusätzlicher Vorsteuern, weil er seine Tätigkeit für unternehmerisch hält, mindert sich der mit der Höhe der streitigen Vorsteuerbeträge identische Streitwert nicht dadurch, dass der Steuerpflichtige nunmehr die Möglichkeit hat, Rechnungen, in denen er für seine Tätigkeit Umsatzsteuer ausgewiesen hat, zu berichtigen und dadurch künftig Umsatzsteuererstattungen zu erlangen (BFH-Beschluss vom 10. Februar 1987 V E 1-2/87, BFH/NV 1987, 388). |
Umgekehrt sind --zugunsten des Kostenschuldners-- beispielsweise die folgenden Umstände nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen: |
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Auswirkungen, die die Entscheidung im Streitjahr für gleichgelagerte Sachverhalte in den Folgejahren hat (BFH-Entscheidungen vom 8. August 1958 VI 127/58 U, BFHE 67, 293, BStBl III 1958, 385, und vom 11. November 1992 IV S 15/92, BFH/NV 1993, 189); |
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Auswirkungen, die sich in Folgejahren aus Absetzungen für Abnutzung ergeben (BFH-Beschluss vom 16. Januar 1985 IX R 97/84, BFH/NV 1986, 173); |
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Auswirkungen, die sich --über die in dem allein angefochtenen Einkommensteuerbescheid festgesetzte Steuer hinaus-- dadurch ergeben würden, dass ein Erfolg der Klage einen Verlustrück- oder -vortrag in andere Jahre zur Folge hätte (BFH-Beschluss vom 6. März 1987 VI R 73/84, BFH/NV 1987, 456), sofern nicht zusätzlich auch die Bescheide angefochten sind, in denen sich der Verlust auswirken würde (BFH-Beschluss vom 8. September 2003 III E 1/03, BFH/NV 2004, 74). |
bb) Vorliegend beeinflusst die vom Kostenschuldner möglicherweise noch zu erlangende Einkommensteuerermäßigung nach § 35 EStG zwar sein finanzielles Interesse an der Durchführung des Verfahrens; die sich aus den Einkommensteuerbescheiden ergebenden Festsetzungen gehörten aber nicht zu den Steuerbeträgen, um die im Revisionsverfahren X R 25/13 unmittelbar gestritten wurde. Daher müssen sie nach den dargestellten Rechtsprechungsgrundsätzen bei der Bemessung des Streitwerts außer Betracht bleiben.
Nichts anderes gilt im Übrigen auch für positive Auswirkungen, die sich aus einer Gewerbesteuerzahllast über den einkommensteuerrechtlichen Betriebsausgabenabzug auf die Einkommensteuer ergeben (vgl. hierzu zutreffend Beschluss des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 23. September 2008 7 Ko 1955/08, Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 686).
Auf den BFH-Beschluss vom 26. September 2011 VIII E 3/11 (BFH/NV 2012, 60) kann sich der Kostenschuldner nicht berufen. In den dortigen Streitjahren war die Vorschrift des § 35 EStG noch nicht anwendbar. Dementsprechend hat der BFH in diesem Beschluss lediglich ausgeführt, der Hinweis der dortigen Erinnerungsführerin auf § 35 EStG führe nicht zum Erfolg der Erinnerung, weil diese Vorschrift noch nicht anzuwenden sei. Dieser kurzen Äußerung kann --zumal angesichts der unter aa dargestellten ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung-- nicht der Inhalt beigemessen werden, dass die Möglichkeit, Gewerbesteuerbeträge auf eine nicht streitgegenständliche Einkommensteuerfestsetzung anrechnen zu lassen, nach Eröffnung des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 35 EStG Einfluss auf die Höhe des Streitwerts in Gewerbesteuersachen hätte.
cc) Aus der vom Kostenschuldner angeführten Vorschrift des § 52 Abs. 3 Satz 2 i.d.F. des 2. KostRMoG folgt für die Entscheidung über die vorliegende Erinnerung nichts anderes. Danach ist die Höhe des sich aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wenn der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte hat, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG nicht übersteigen darf.
Zum einen ist diese Vorschrift erst am 1. August 2013 in Kraft getreten und damit für die Kosten des --zuvor anhängig gewordenen-- Revisionsverfahrens X R 25/13 noch nicht einschlägig (vgl. Art. 50 des 2. KostRMoG; § 71 Abs. 1 GKG).
Zum anderen beschränkt sich der Regelungsbereich des § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift auf "Anhebungen" des Streitwerts. Dass diese Beschränkung dem Willen des Gesetzgebers entspricht, lässt sich auch den Gesetzesmaterialien entnehmen (vgl. BTDrucks 17/11471, 245). Vorliegend begehrt der Kostenschuldner indes eine Minderung des Streitwerts, die jedenfalls nicht auf § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG gestützt werden kann.
3. Im Übrigen sind Bedenken gegen die Richtigkeit des Kostenansatzes weder vom Kostenschuldner geltend gemacht worden noch von Amts wegen ersichtlich.
4. Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).