Entscheidungsdatum: 02.10.2018
Zuständig ist das Amtsgericht Wetter (Ruhr).
I. Die Klägerin hat beim Arbeitsgericht Hagen gegen die Beklagte eine Zahlungsklage erhoben, die sie damit begründet hat, dass ihr eine titulierte Forderung gegen einen Arbeitnehmer der Beklagten (im Folgenden: Schuldner) zustehe, dessen Lohnanspruch sie gepfändet habe. Die geforderte Erklärung nach § 840 Abs. 1 ZPO habe die Beklagte nicht abgegeben. Diese sei daher verpflichtet, ihr - der Klägerin - den hieraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Hätte die Beklagte aufgrund des erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses den monatlich pfändbaren Betrag abgeführt, wäre die Forderung gegen den Schuldner in Höhe der Klageforderung erledigt.
Das Arbeitsgericht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass für Klagen auf Schadensersatz wegen Verletzung der Auskunftspflicht nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet sei. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat hierauf erklärt, § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO regele nur, dass der Drittschuldner, der die Auskunftspflicht verletzt habe, die Aufwendungen einer ganz oder teilweise erfolglosen Zahlungsklage tragen müsse. Im anhängigen Rechtsstreit gehe es darum, dass die Beklagte den gepfändeten Arbeitslohn zahlen müsse, weil sie nicht dargelegt habe, dass die gepfändeten Ansprüche nicht beständen; eingeklagt werde der gepfändete Anspruch des Schuldners. § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO sei in der Klagebegründung fälschlicherweise zitiert worden.
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit durch rechtskräftigen Beschluss an das Amtsgericht Wetter (Ruhr) verwiesen. Dieses hat sich seinerseits für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen.
1. Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anwendbar. Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann geboten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 4 mwN).
So liegt der Fall hier. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Amtsgericht haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, aaO Rn. 7 mwN).
3. Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Wetter (Ruhr). Seine Zuständigkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des Arbeitsgerichts nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.
a) Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend (BGH, aaO Rn. 9).
b) Auf die Erwägung des Amtsgerichts, die Klägerin möge in der Klage zwar unzutreffend formuliert haben, die Klageforderung werde auf § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO gestützt, habe aber nach dem Hinweis des Arbeitsgerichts klargestellt, den Anspruch des Schuldners auf Arbeitslohn einklagen zu wollen, kommt es danach nicht an.
Das Gesetz misst zwar der Entscheidung des Rechtsstreits durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs größere Bedeutung zu als der Entscheidung durch das örtlich oder sachlich zuständige Gericht. Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs ist aber allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den Verweisungsbeschluss. Ist die örtliche oder sachliche Zuständigkeit zweifelhaft, ist die Verweisung nicht nur bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO), sondern auch der Überprüfung im Rechtsmittelzug entzogen (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Demgegenüber kann die Frage des Rechtswegs im Rechtsmittelzug - uneingeschränkt - überprüft werden, und insoweit muss gegebenenfalls das Interesse der nicht rechtsmittelführenden Partei an einer zügigen Sachprüfung des Klagebegehrens zurücktreten. Damit hat es jedoch auch sein Bewenden: Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachteten Rechtswegs, sondern allein das Rechtsmittelgericht ist zu dieser Überprüfung berufen.
Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist deshalb jedenfalls grundsätzlich kein Raum. Nicht das Gericht, an das verwiesen wird, sondern die Parteien sollen vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidungen geschützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und damit dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen wird. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses - wie hier von der Klägerin - nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen (BGH, aaO Rn. 12).
c) Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob gleichwohl noch Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung verneint werden kann, und diese Frage kann auch im Streitfall offenbleiben. Jedenfalls kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert hat (BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 - 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372) allenfalls bei "extremen Verstößen" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (BGH, Beschlüsse vom 13. November 2001 - X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713; vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990, 2991; vom 9. Dezember 2010 - X ARZ 283/10, MDR 2011, 253 Rn. 16; vom 18. Mai 2011 - X ARZ 95/11, NJW-RR 2011, 1497 Rn. 9; vom 14. Mai 2013, aaO Rn. 13; s. auch BAG, Beschluss vom 12. Juli 2006 - 5 AS 7/06, NJW 2006, 2798 Rn. 5: nur bei "krassen Rechtsverletzungen"). Von einer solchen schwerwiegenden, nicht mehr hinnehmbaren Verletzung der Rechtswegordnung kann im Streitfall nicht gesprochen werden. Das Arbeitsgericht hat die Verweisung damit begründet, dass die in der Klageschrift gegebene Begründung für die Qualifikation des Streitgegenstandes als zivil- oder arbeitsrechtliche Streitigkeit maßgeblich sei. Daran ändere es nichts, dass sich die Klägerin in ihrer Stellungnahme darauf berufe, dass der gepfändete Anspruch gegen die Beklagte arbeitsrechtlicher Natur sei. Dabei mag das Arbeitsgericht die gebotene Prüfung unterlassen haben, ob die Klägerin mit der Stellungnahme eine Klageänderung vorgenommen und die Klage nunmehr auf eine arbeitsrechtliche Grundlage gestellt hat. Dies begründet aber keinen nicht mehr hinnehmbaren Verstoß gegen die Zuständigkeitsordnung.
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