Entscheidungsdatum: 11.08.2015
Als zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Landshut bestimmt.
I. Der Kläger verlangt von dem Beklagten restlichen Arbeitslohn in Höhe von 600 EUR für den Monat Mai 2014 sowie die Übersendung von Lohnabrechnungen. Der Kläger trägt vor, er sei aufgrund eines mündlich geschlossenen Arbeitsvertrags beim Beklagten als angestellter Eisverkäufer in einer Eisdiele beschäftigt gewesen. Die Abrechnung und die Vereinnahmung der Tagesumsätze sowie die Bestellung der Waren und deren Bezahlung sei durch den Beklagten erfolgt, der ihm auch Weisungen erteilt habe. Zwar habe er in Gegenwart des Beklagten in der Gemeindeverwaltung eine Gewerbeanmeldung unterzeichnet. Er sei mangels hinreichender Kenntnisse der deutschen Sprache jedoch davon ausgegangen, er habe damit einen Arbeitsvertrag unterschrieben, wie es ihm durch den Beklagten suggeriert worden sei.
Nach dem Vortrag des Beklagten hat der Kläger mit ihm keinen Arbeitsvertrag geschlossen. Er habe für den krankheitsbedingt in I. weilenden Inhaber der Eisdiele einen Betreiber für die Zeit des Krankenstandes gesucht und in dem Kläger gefunden, der sich dementsprechend bei der Gemeinde E. als selbständiger Gewerbetreibender angemeldet habe. Er habe dem Kläger lediglich Hilfe in der Betriebsführung der Eisdiele geleistet.
Das Arbeitsgericht Regensburg hat nach Anhörung der Parteien den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht eröffnet erklärt und den Rechtsstreit durch Beschluss an das Amtsgericht Landshut verwiesen. Das Amtsgericht hat sich durch Beschluss seinerseits für unzuständig erklärt und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen.
1. Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anwendbar. Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann geboten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (Senatsbeschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 4 mwN.).
So liegt der Fall hier. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Amtsgericht haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (Senat, aaO Rn. 7 mwN.).
3. Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Landshut. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG, weil das Arbeitsgericht Regensburg den Rechtsstreit bindend an das Amtsgericht verwiesen hat.
a) Eine Verweisung, mit der ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen und gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend, sobald sie unanfechtbar geworden ist. Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachteten Rechtswegs, sondern allein ein von einer Partei angerufenes Rechtsmittelgericht ist zu dieser Überprüfung berufen (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 9, 11).
b) Wird kein Rechtsmittel eingelegt, entfällt die Bindungswirkung nur dann, wenn die Verweisung auf so schwerwiegenden Rechtsfehlern beruht, dass dies zu einer im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr hinnehmbaren Verletzung der Rechtswegordnung führen würde.
Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die Verweisung nach objektiven Maßstäben sachlich unter keinem Gesichtspunkt mehr zu rechtfertigen, daher willkürlich und der Rechtsfehler als extremer Verstoß gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften zu qualifizieren ist (BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 - 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372; Senatsbeschlüsse vom 13. November 2001 - X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713; vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990, 2991; vom 9. Dezember 2010 - X ARZ 283/10, MDR 2011, 253 Rn. 16; vom 18. Mai 2011 - X ARZ 95/11, NJW-RR 2011, 1497 Rn. 9; vom 14. Mai 2013, aaO Rn. 13; s. auch BAG, Beschluss vom 12. Juli 2006 - 5 AS 7/06, NJW 2006, 2798 Rn. 5: nur bei "krassen Rechtsverletzungen”). Denn anders als eine Verweisung nach § 281 ZPO kann der Verweisungsbeschluss gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG von den Parteien mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden. Nehmen die Parteien die Verweisung an ein Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit hin, kann eine Korrektur dieser Entscheidung allenfalls bei außerordentlich schwerwiegenden Fehlern gerechtfertigt sein.
c) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.
aa) Die Begründung des Verweisungsbeschlusses leidet zwar an erheblichen verfahrensrechtlichen Mängeln. Mit der Annahme, unstreitig hätten die Parteien keinen Arbeitsvertrag geschlossen, übergeht das Arbeitsgericht den Vortrag des Klägers zu einem mündlichen Vertragsschluss am 24. März 2014 und verletzt damit dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Zudem lagen die Voraussetzungen für den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bereits bei Einreichung der Klage deshalb vor, weil der Kläger die rechtliche Auffassung vertreten hat, er sei Arbeitnehmer, und die Klage nur dann erfolgreich sein kann, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist (sog. sic-non-Fall, vgl. BAGE 83, 40 unter II 4; BAG, NJW 2015, 718 Rn. 17). Im Streitfall können dem Kläger nur als Arbeitnehmer des Beklagten diesem gegenüber Lohnansprüche zustehen, während ihm als Betreiber der Eisdiele keine monatliche Vergütung gegen den Beklagten zusteht.
bb) Gleichwohl handelt es sich - auch im Hinblick auf die weiteren für eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte vorgebrachten Gesichtspunkte - nicht um eine so krasse Fehlbeurteilung, dass die Bindungswirkung der von den Parteien hingenommenen Verweisungsentscheidung bei Zugrundelegung der angeführten Grundsätze entfällt. Auch die Verletzung von Verfahrensgrundrechten - hier des Anspruchs auf rechtlichen Gehörs - durch das Arbeitsgericht rechtfertigt nicht die Durchbrechung der Bindungswirkung, denn anders als in den Fällen einer Verweisung gemäß § 281 ZPO sind die Parteien bei einer Rechtswegverweisung nicht schutzlos und können diese Grundrechtsverletzung mit Rechtsmitteln angreifen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 12). Vielmehr hat sich das Amtsgericht aufgrund des Prozessverhaltens der Parteien, den Verweisungsbeschluss nicht anzufechten, an diese Bindungswirkung zu halten. Im Streitfall ist damit zwingend der Rechtsweg vor die ordentlichen Gerichte begründet worden.
Meier-Beck Grabinski Bacher
Hoffmann Deichfuß