Entscheidungsdatum: 09.12.2015
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Schweinfurt vom 21. September 2012 - auch im Kostenpunkt - aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Schweinfurt vom 27. Januar 2010 abgeändert, soweit bezüglich der auf Leistung gerichteten Widerklage und der auf den Gasbezug im Jahr 2008 gerichteten Feststellungswiderklage zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Übrigen werden die Rechtsmittel mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die weitergehende Widerklage unbegründet ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Beklagte bezog ab August 2004 von der Klägerin, einem regionalen Gasversorgungsunternehmen, leitungsgebunden Erdgas, wobei eine nach Abnahmemenge gestaffelte sogenannte Bestpreisabrechnung erfolgte.
Die Klägerin änderte nach vorheriger öffentlicher Bekanntmachung jeweils zum 1. Januar 2005, 1. Oktober 2005, 1. Januar 2006, 1. Oktober 2006, 1. Januar 2007, 1. April 2007, 1. Januar 2008, 1. Juli 2008 und 1. Oktober 2008 den Arbeitspreis. Die Beklagte widersprach den Gaspreiserhöhungen mit Schreiben vom 21. Januar 2005, 4. November 2005, 31. Januar 2006, 29. September 2006 und 8. Februar 2009.
Die Klägerin übermittelte der Beklagten Jahresverbrauchsrechnungen vom 13. Januar 2006 (für das Gasbezugsjahr 2005) über 1.187,48 €, vom 15. Januar 2007 (für das Jahr 2006) über 1.459,25 € und vom 15. Januar 2008 (für das Jahr 2007) über 1.342,15 €. Die Beklagte zahlte die sich aus den jeweiligen Preiserhöhungen ergebenden Entgelte nicht.
Mit der Klage macht die Klägerin die rückständigen Beträge aus den genannten Jahresrechnungen in Höhe von insgesamt 696,38 € nebst Zinsen geltend. Mit der Widerklage will die Beklagte zum einen festgestellt wissen, dass die Preisbestimmungen, welche die Klägerin für die Zeit ab dem 13. Januar 2006 bis zum 14. Januar 2009 vorgenommen hat, für die Beklagte insoweit nicht verbindlich sind, als die danach geforderten Grund- und Arbeitspreise höher sind als die zum 1. Januar 2005 geforderten Preise; zum anderen nimmt sie die Klägerin auf Rückzahlung von 1.381,64 € nebst Zinsen in Anspruch, die sie auf den im Jahr 2008 erfolgten Gasbezug zu Unrecht gezahlt haben will.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung ist vom Landgericht zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten mit der sie die Abweisung der Klage erreichen will und ihr Widerklagebegehren weiterverfolgt.
Der Senat hat das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 31. Juli 2013 gemäß § 148 ZPO analog im Hinblick auf das beim Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) damals aufgrund des Vorlagebeschlusses des Senats gemäß Art. 267 AEUV im Verfahren VIII ZR 71/10 anhängige Verfahren C-359/11 ausgesetzt. In diesem Verfahren ist am 23. Oktober 2014 die Entscheidung des Gerichtshofs ergangen (C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff).
Die Revision hat teilweise Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Das Amtsgericht habe zu Recht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Der Gasliefervertrag zwischen den Parteien sei durch tatsächlichen Gasbezug zustande gekommen. Innerhalb dieses Vertragsverhältnisses sei die Beklagte als Tarifkundin anzusehen, weil die Klägerin die Beklagte zu den öffentlich bekannt gemachten Preisen und Bedingungen beliefert habe. Der Umstand, dass innerhalb dieser Tarife eine Preisstaffelung entsprechend der individuellen Verbrauchsmenge - eine sogenannte Bestpreisabrechnung - erfolgt sei, ändere daran nichts.
Die von der Klägerin ab 2005 vorgenommenen Preisänderungen, die diese auf der Grundlage des nach § 4 Abs. 2 AVBGasV beziehungsweise nach § 5 Abs. 2 GasGVV bestehenden Preisanpassungsrechts vorgenommen habe, entsprächen der Billigkeit (§ 315 BGB).
Bezüglich etwaiger vor dem 1. Januar 2005 vorgenommener Preisanpassungen sei eine Billigkeitsprüfung nicht vorzunehmen, da der bei Vertragsschluss vereinbarte Preis einer gerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich sei. Soweit die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum von 2005 bis 2007 Preisänderungen vorgenommen habe, habe die Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass die Klägerin Preiserhöhungen nur im Umfang ihrer eigenen Bezugskostensteigerungen sowie Senkungen der eigenen Bezugskosten in vollem Umfang an ihre Kunden weitergegeben habe. Deshalb seien die Preisanpassungen aus Billigkeitsgründen nicht zu beanstanden. Ab dem Jahr 2008 sei das Verlangen der Beklagten nach einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), da ab diesem Jahr Wettbewerb auf dem Gasmarkt für Endverbraucher geherrscht habe und es der Beklagten daher bei jeder Gaspreiserhöhung frei gestanden habe, den Liefervertrag mit der Klägerin zu kündigen und zu einem anderen Anbieter zu wechseln.
Aus den genannten Gründen könne auch die Widerklage, die - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt habe - hinsichtlich des Feststellungsbegehrens bezüglich der Jahre 2005 bis 2007 wegen fehlenden Feststellungsinteresses bereits zum Teil unzulässig sei, in der Sache keinen Erfolg haben.
II.
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält in weiten Teilen rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision insoweit zurückzuweisen ist.
So hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Klägerin der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch aus § 433 Abs. 2 BGB zusteht. Die auf (negative) Feststellung gerichtete Widerklage ist allerdings entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts in vollem Umfang zulässig; sie ist jedoch unbegründet, soweit das Feststellungsbegehren die Gasbezugsjahre 2005 bis 2007 betrifft. Hinsichtlich des übrigen Gegenstands der Widerklage kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch für das Gasbezugsjahr 2008 darauf an, ob die Klägerin bei den in diesem Jahr erfolgten Preisanpassungen lediglich (Bezugs-)Kostensteigerungen an die Beklagten weitergegeben hat.
A. Zur Klage:
1. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht den Energieliefervertrag der Parteien zutreffend als Tarifkundenvertrag (jetzt: Grundversorgungsvertrag) eingeordnet und die Beklagte deshalb als Tarifkundin angesehen.
Das Berufungsgericht ist in rechtsfehlerfreier Anwendung der Rechtsprechung des Senats (zuletzt: Urteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, ZIP 2015, 2226 Rn. 17 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, und VIII ZR 13/12, juris Rn. 20 f.; jeweils mwN) zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei den ab Aufnahme der Versorgung (2004) von der Klägerin abgerechneten Tarifen um Allgemeine Tarife im Sinne von § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 EnWG 1998 beziehungsweise um Allgemeine Preise im Sinne von § 36 Abs. 1, § 39 Abs. 1 EnWG 2005 gehandelt hat. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers die Versorgung zu den vorstehenden, von ihr öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften und nicht unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit angeboten hat, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere steht es der Einordnung des Vertragsverhältnisses der Parteien als Tarifkundenvertrag nicht entgegen, dass die Klägerin im Rahmen der Grundversorgung unterschiedliche Tarife anbietet, wobei sich der jeweils zur Abrechnung kommende Preis nach dem für die individuelle Abnahmemenge kostengünstigsten Versorgungstarif richtet. Nach der Rechtsprechung des Senats steht es einem Energieversorgungsunternehmen auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene Tarife anzubieten, und zwar auch solche, bei denen - wie hier - die Tarifeinstufung automatisch nach dem Prinzip der Bestpreisabrechnung erfolgt (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11 und VIII ZR 13/12; jeweils aaO mwN).
2. Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Klägerin berechtigt ist, Steigerungen ihrer eigenen Bezugskosten während der Vertragslaufzeit an die Beklagte weiterzugeben und sie verpflichtet ist, bei der Preisbestimmung Kostensenkungen zu berücksichtigen.
a) Allerdings ergibt sich das Recht der Klägerin, die Steigerung ihrer (Bezugs-)Kosten im Rahmen der Grundversorgung an ihre Kunden weiterzugeben, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht aus § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV in der bis zum 29. Oktober 2014 geltenden Fassung vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2391; im Folgenden: GasGVV aF), sondern aus der gebotenen ergänzenden Auslegung des Energielieferungsvertrags der Parteien.
Der Senat hat in seiner früheren ständigen Rechtsprechung aus § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV beziehungsweise aus § 5 Abs. 2 GasGVV aF ein nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) bestehendes Preisänderungsrecht des Gasgrundversorgers entnommen (vgl. nur Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 26, 29). Wie aus dem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff) folgt, kann aus § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV beziehungsweise aus § 5 Abs. 2 GasGVV aF ein Preisänderungsrecht nicht entnommen werden, weil eine solche Annahme nicht mit den Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Sätze 4 - 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie 2003/55/EG (aufgehoben zum 3. März 2011 durch Art. 53 der Gas-Richtlinie 2009/73/EG) zu vereinbaren ist.
Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils in den Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11, aaO Rn. 66 ff. und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 68 ff.) entschieden hat, ergibt sich jedoch aus der gebotenen und sich an dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Willen der Vertragsparteien auszurichtenden ergänzenden Auslegung (§§ 157, 133 BGB) eines - wie hier - auf unbestimmte Dauer angelegten Gaslieferungsvertrags, dass der Grundversorger berechtigt ist, Steigerungen seiner (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden, während der Vertragslaufzeit an seine Kunden weiterzugeben, und er verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
Der Klägerin steht somit in ergänzender Auslegung des Gasliefervertrags der Parteien ein Preisänderungsrecht in dem vorstehend beschriebenen Umfang zu mit der Folge, dass der berechtigterweise erhöhte Preis zum vereinbarten Preis wird (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 84, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 86). Die Beurteilung der Wirksamkeit einer einseitigen Preisbestimmung des Grundversorgers während der Vertragslaufzeit konzentriert sich mithin auf die tatsächliche Frage, ob die vorgenannten Voraussetzungen eines Preisänderungsrechts erfüllt sind.
b) So verhält es sich hier, soweit es die Gasbezugsjahre 2005 bis 2007 betrifft. Nach den - wenn auch unter dem im Rahmen der vorgenannten ergänzenden Vertragsauslegung nicht maßgeblichen Blickwinkel der Billigkeit nach § 315 BGB (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 89, 100, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 91, 102) getroffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Preiserhöhungen in den Jahren 2005 bis 2007 (jeweils zum 1. Januar 2005, 1. Oktober 2005, 1. Januar 2006 und 1. Oktober 2006) auf der Grundlage eines nach obigen Maßstäben wirksam bestehenden Preisänderungsrechts vorgenommen. Denn das Berufungsgericht ist nach Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin zu den genannten Terminen ausschließlich Steigerungen ihrer Bezugskosten an die Beklagte weitergegeben hat. Zudem hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Klägerin alle in diesem Zeitraum zu verzeichnende Kostensenkungen bei der Preisbemessung zu Gunsten der Beklagten berücksichtigt hat. Rügen gegen das Zustandekommen dieser tatrichterlichen Feststellungen hat die Revision nicht erhoben. Der Klägerin steht daher das mit der Klage geforderte Restentgelt aus den Jahresrechnungen vom 13. Januar 2006 (für das Gasbezugsjahr 2005), vom 15. Januar 2007 (für das Jahr 2006) und vom 15. Januar 2008 (für das Jahr 2007), das hinsichtlich der geltend gemachten Gesamthöhe von 696,38 € unstreitig ist, zu.
B. Zur Widerklage:
Die auf (Zwischen-)Feststellung (§ 256 Abs. 2 ZPO) gerichtete Widerklage ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, das sie teilweise als unzulässig angesehen hat, in vollem Umfang zulässig; allerdings ist sie hinsichtlich des auf die Jahre 2005 - 2007 bezogenen Feststellungsbegehrens unbegründet. Die darüber hinausgehende Widerklage kann mit den vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen nicht als unbegründet angesehen werden.
1. Die Beklagte hat im Rahmen der von ihr erhobenen Feststellungswiderklage beantragt festzustellen, “dass die Preisbestimmungen, welche die Klägerin für die Zeit ab dem 13. Januar 2006 bis 14. Januar 2009 gegenüber der Beklagten bezüglich des an diese im Tarif der Vollversorgung gelieferten Erdgases erklärt hat, für die Beklage insoweit nicht verbindlich sind, als die danach geforderten Grund- und Arbeitspreise höher sind als die zum 1. Januar 2005 geforderten Preise“.
a) Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts gebilligt, dem Rechtsschutzbegehren fehle es insoweit an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen besonderen rechtlichen Interesse, als die Widerklage die Feststellung der Unverbindlichkeit der zwischen dem 13. Januar 2006 und dem 31. Dezember 2007 von der Klägerin vorgenommenen Preisbestimmungen zum Gegenstand habe; die Feststellungswiderklage sei insoweit unzulässig. Das Amtsgericht hat seine Auffassung damit begründet, dass bereits mit der von der Klägerin erhobenen Leistungsklage, mit der die Klägerin restliches Entgelt aus den Gasbezugsjahren 2005 bis 2007 geltend mache, rechtskräftig darüber entschieden werde, ob der Klägerin die Restforderungen aus den genannten Jahren zustünden. Ob die diesbezüglichen Rechnungen für die Beklagte verbindlich seien, sei damit eine im Rahmen der Leistungsklage zu beantwortende Vorfrage; die Erwägungen hierzu erwüchsen als tragende Gründe der Entscheidung in Rechtskraft.
b) Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht die Unverbindlichkeit der Rechnungen, sondern die Unverbindlichkeit der Preisbestimmungen, die in den Rechnungen Niederschlag gefunden haben, festgestellt wissen will, trifft die Ansicht der Vorinstanzen, die Feststellungswiderklage sei hinsichtlich des die Jahre 2005 bis 2007 betreffenden Feststellungsbegehrens unzulässig, auch bei korrekter Erfassung des Feststellungsbegehrens nicht zu. Die Feststellungswiderklage ist vielmehr in vollem Umfang zulässig.
aa) Bei der von der Beklagten erhobenen Feststellungswiderklage handelt es sich, weil sie während des Laufs des amtsgerichtlichen Verfahrens über die rechtshängige Leistungsklage der Klägerin und noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erhoben worden ist, um eine Zwischenfeststellungsklage, deren in § 256 Abs. 2 ZPO normierte Zulässigkeitsvoraussetzungen im Streitfall erfüllt sind.
Die Beklagte hat mit der Frage der Verbindlichkeit der von der Klägerin im Zeitraum vom 13. Januar 2006 bis zum 14. Januar 2009 im Rahmen der Erdgaslieferung getroffenen Preisbestimmungen auch ein im rechtshängigen Prozess der Leistungsklage der Klägerin streitiges Rechtsverhältnis zum Gegenstand ihres Feststellungsbegehrens gemacht. Denn letzteres muss sich nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen - hier den Gasliefervertrag - beziehen, sondern kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus dem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht, insbesondere einen streitigen Teil des Vertragsinhalts beschränken (Senatsurteil vom 19. November 2014 - VIII ZR 79/14, NJW 2015, 873 Rn. 24 mwN). Auch ist die im Rahmen der Feststellungswiderklage zu prüfende Frage der Verbindlichkeit der Preisbestimmungen als Vorfrage im Rahmen der Leistungsklage der Klägerin insoweit zu prüfen, als es um die Preisbestimmungen in den Jahren 2005 bis 2007 geht.
Entsprechendes gilt indes auch für das Verhältnis der von der Beklagten erhobenen Leistungswiderklage zu der Feststellungswiderklage, soweit sich das Feststellungsbegehren auf den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 14. Januar 2009 richtet. Mit der Leistungswiderklage begehrt die Beklagte Rückzahlung bereits geleisteten, ihrer Ansicht nach überzahlten Entgelts für Gaslieferungen im Jahr 2008. Der Erfolg dieser auf § 812 BGB gestützten Klage hängt entscheidend davon ab, ob die für das Jahr 2008 bereits gezahlten Entgelte mit Rechtsgrund geleistet wurden. Dies wiederum entscheidet sich im Wesentlichen danach, ob sich die Klägerin mit dem Verlangen der Zahlung von im Jahr 2008 erhöhten Arbeitspreisen auf ein wirksames Preisänderungsrecht berufen kann, weil sie auch - wozu es allerdings bislang an tatrichterlichen Feststellungen fehlt - mit den im Jahr 2008 erhöhten Preisen ausschließlich (Bezugs-)Kostensteigerungen unter Berücksichtigung von Kostensenkungen an die Beklagte weitergegeben hat.
bb) Angesichts dieser rechtlichen Ausgangssituation ist das von der Beklagten verfolgte Rechtsschutzziel, eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die begehrte Feststellung zu erhalten, ausreichend, um die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage bejahen zu können. Insbesondere ist, wie die Revision zu Recht geltend macht, das Ergebnis der begehrten Feststellung vorgreiflich für die über den Feststellungszeitraum hinausreichenden, künftigen Rechtsbeziehungen der Parteien aus dem Gaslieferungsvertrag.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es für die Zulässigkeit einer Zwischenfeststellungsklage ausreichend, dass das inzidenter ohnehin zu klärende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien noch über den gegenwärtigen Streitgegenstand hinaus Bedeutung erlangen kann (BGH, Urteile vom 17. Mai 1977 - VI ZR 174/74, BGHZ 69, 37, 42; vom 23. März 1982 - KZR 5/81, BGHZ 83, 251, 255; vom 7. März 2013 - VII ZR 223/11, NJW 2013, 544 Rn. 19; jeweils mwN; ebenso Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. § 256 Rn. 26; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 256 Rn. 106). So verhält es sich hier.
Bei einem Energielieferungsvertrag handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis mit einer Vielzahl von Abrechnungsvorgängen, die jeweils aufeinander aufbauen (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 31; vom 24. September 2014 - VIII ZR 350/13, NJW 2014, 3639 Rn. 24). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass jeder auf der Grundlage eines infolge ergänzender Vertragsauslegung bestehenden Preisänderungsrechts berechtigterweise erhöhte Preis zu dem vereinbarten Preis wird (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 84, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 86), hat die Beklagte im Hinblick auf etwaige nach dem Feststellungszeitraum erfolgte Preisänderungen ein Interesse daran, über die Verbindlichkeit der im Feststellungsbegehren genannten Preisbestimmungen der Klägerin eine der Rechtskraft fähige Entscheidung zu erlangen.
cc) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist nicht etwa bereits mit den wechselseitigen Leistungsklagen über die Verbindlichkeit der im Feststellungszeitraum erfolgten Preisbestimmungen rechtskräftig entschieden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erwachsen bei einer Leistungsklage nach § 322 ZPO lediglich die im Hinblick auf den - aus Klageantrag und zugrundeliegendem Lebenssachverhalt bestehenden - prozessualen Anspruch (Streitgegenstand) ausgesprochenen Rechtsfolgen in Rechtskraft, nicht jedoch die Elemente des Urteils, namentlich einzelne Tatsachen, präjudizielle Rechtsverhältnisse und sonstige Vorfragen, aus welchen das Gericht die regelmäßig aus der Urteilsformel ersichtlichen Rechtsfolgen abgeleitet hat (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteile vom 5. November 2009 - IX ZR 239/07, BGHZ 183, 77 Rn. 9; vom 26. Juni 2003 - I ZR 269/00, NJW 2003, 3058 unter II 1; vom 25. Februar 1985 - VIII ZR 116/84, BGHZ 94, 29, 33; jeweils mwN).
c) Die somit in vollem Umfang zulässige Feststellungswiderklage ist jedoch, soweit sie die Gasbezugsjahre 2005 bis 2007 betrifft, unbegründet, da die für diesen Zeitraum erfolgten Preisbestimmungen der Klägerin - wie oben ausgeführt - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sind.
2. Hinsichtlich der auf Leistung gerichteten Widerklage hat das Berufungsgericht - ausgehend von einem seiner Ansicht nach bestehenden Preisänderungsrecht der Klägerin aus § 5 Abs. 2 GasGVV aF - angenommen, dass es der Beklagten in dem Gasbezugsjahr 2008 nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sei, auf der Grundlage von § 5 Abs. 2 GasGVV aF geänderte Preise auf ihre Billigkeit nach § 315 BGB überprüfen zu lassen, weil ab diesem Jahr auf dem Gasmarkt Wettbewerb geherrscht habe mit der Folge, dass die Beklagte den Anbieter hätte wechseln können. Unabhängig davon, ob - wogegen erhebliche Bedenken bestehen - die Beurteilung des Berufungsgerichts, in einer Wettbewerbssituation sei das Verlangen des Tarifkunden nach einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), einer rechtlichen Überprüfung standhielte, trifft - wie bereits ausgeführt - die Prämisse des Berufungsgerichts, die Klägerin sei gemäß § 5 Abs. 2 GasGVV zur Preiserhöhung berechtigt gewesen, nicht zu; denn ein Preisänderungsrecht steht der Klägerin im Jahr 2008 nur insoweit zu, als sie (auch) in diesem Jahr lediglich (Bezugs-)Kostensteigerungen unter Berücksichtigung von Kostensenkungen an die Beklagte weitergegeben hat. Hierzu hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein. An diesen zu treffenden Feststellungen entscheidet sich auch der Erfolg der Feststellungswiderklage, soweit diese das Gasbezugsjahr 2008 betrifft.
III.
Das Berufungsurteil kann daher hinsichtlich der Entscheidung zur Leistungswiderklage sowie zur Feststellungswiderklage, soweit diese das Gasbezugsjahr 2008 betrifft, keinen Bestand haben; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die im Umfang der Aufhebung nicht entscheidungsreife Sache ist an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Dr. Milger |
RiBGH Dr. Achilles ist |
Dr. Schneider |
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Dr. Milger, 14.12.2015 |
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Dr. Bünger |
Kosziol |