Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 11.01.2011


BGH 11.01.2011 - VIII ZB 92/09

Rechtsbeschwerde: Zulassungsbeschränkung durch das Beschwerdegericht


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
11.01.2011
Aktenzeichen:
VIII ZB 92/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 10. November 2009, Az: 4 W 284/09, Beschlussvorgehend LG Hamburg, 18. September 2009, Az: 415 O 138/06, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 10. November 2009 wird als unzulässig verworfen, soweit die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 18. September 2009 in Höhe eines zur Festsetzung angemeldeten Betrages von 6.165,20 Euro nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird auf die Rechtsbeschwerde des Klägers der genannte Beschluss des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg unter Einschluss der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufgehoben. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 18. September 2009 dahin abgeändert, dass über die dort festgesetzten Kosten hinaus die von der Beklagten an den Kläger aufgrund des Anerkenntnisurteils der 15. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hamburg vom 29. Juni 2009 zu erstattenden Kosten auf weitere 880,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2009 festgesetzt werden.

Von den Kosten der Rechtsmittelverfahren haben der Kläger 88 % und die Beklagte 12 % zu tragen

Beschwerdewert: 7.045,30 Euro

Gründe

I.

1

Die Beklagte ist durch Anerkenntnisurteil des Landgerichts vom 29. Juni 2009 verurteilt worden, an den Kläger 109.090,26 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Außerdem sind der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der im Verfahren C-348/07 vor dem Gerichtshof der Europäischen Union entstandenen Kosten auferlegt worden. Die zu erstattenden Kosten hat das Landgericht auf 8.243,30 Euro nebst Zinsen festgesetzt und hierbei vom Kläger angemeldete Prozessvorbereitungskosten für Meinungsumfragen, Auswertung von Kartendaten und Kundenbefragungen in Höhe von 4.385 Euro ebenso abgesetzt wie die hälftige, nach einem Streitwert von 110.000 Euro mit dem 1,3-fachen Satz angemeldete Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 1.760,20 Euro. Auf diese Verfahrensgebühr hat das Landgericht vielmehr die vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr in Höhe eines Betrages von 880,10 Euro gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG angerechnet.

2

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers, der im Verlauf des Beschwerdeverfahrens seinen Festsetzungsantrag um vorprozessuale Gebühren von 1.780,20 Euro erweitert hatte, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die angemeldeten Prozessvorbereitungskosten hat es für nicht und die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr für in diesem Verfahren nicht erstattungsfähig angesehen. Die vom Landgericht vorgenommene Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr hat das Oberlandesgericht unter Hinweis insbesondere auf die Rechtsprechung des Senats zum Verhältnis dieser beiden Gebühren (Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323) gebilligt und eine Anwendbarkeit der am 5. August 2009 in Kraft getretenen Anrechnungsbestimmung des § 15a Abs. 2 RVG entgegen der Auffassung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101) und des Oberlandesgerichts Stuttgart (AGS 2009, 371) verneint; zugleich hat es die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die Entscheidungen des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, des Oberlandesgerichts Stuttgart und eine damit übereinstimmende Entscheidung des Oberlandesgerichts München (JurBüro 2010, 23) zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Festsetzungsbegehren in vollem Umfang weiter.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde hat nur insoweit Erfolg, als das Beschwerdegericht die angemeldete 1,3-fache Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) auf den 0,65-fachen Satz gekürzt hat. Im Übrigen ist sie mangels Zulassung unzulässig.

4

1. Das Beschwerdegericht kann eine nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 ZPO auszusprechende Zulassung der Rechtsbeschwerde auf Teile des Streitstoffes beschränken. Die Beschränkung muss nicht im Tenor des Beschlusses angeordnet sein, sondern kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Allerdings muss sich in diesem Fall die Beschränkung den Entscheidungsgründen eindeutig entnehmen lassen. Das ist anzunehmen, wenn die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, bei mehreren Streitgegenständen nur für einen von ihnen erheblich ist, weil dann in der Angabe dieses Zulassungsgrundes regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung auf diesen Gegenstand zu sehen ist (vgl. zur beschränkten Zulassung der Revision Senatsurteile vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, WuM 2010, 484 Rn. 18; vom 13. Juli 2010 - VIII ZR 129/09, WuM 2010, 495 Rn. 15; jeweils mwN). So verhält es sich hier.

5

a) Das Beschwerdegericht hat - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist - die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil es die Frage für klärungsbedürftig hält, ob § 15a RVG auf die vorliegende Fallgestaltung Anwendung findet und mit den hierin enthaltenen Anrechnungsregeln die bei seinem Inkrafttreten bereits bestehende Gesetzeslage lediglich klargestellt hat oder ob diese Anrechnungsregeln die zuvor bestehende Gesetzeslage mit der Folge einer Anwendbarkeit der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG verändert haben. Damit hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde allein auf die Entscheidung über die zur Festsetzung angemeldete Verfahrensgebühr beschränkt. Denn nur hierzu verhalten sich die zur Erläuterung der Zulassung angeführten Entscheidungen. Eine Verpflichtung der Beklagten, die daneben angesetzten Prozessvorbereitungskosten und vorprozessual angefallenen Anwaltsgebühren zu ersetzen, stellt dagegen einen von der Zulassungsfrage unabhängigen Teil des im Kostenfestsetzungsverfahren zu beurteilenden Streitstoffes dar.

6

b) Die vom Beschwerdegericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch wirksam. Denn die Zulassung kann auf einen tatsächlich oder rechtlich selbstständigen Teil des Streitstoffes beschränkt werden, welcher Gegenstand einer gesonderten Festsetzung sein oder auf den der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel beschränken könnte (vgl. Senatsurteile vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, aaO Rn. 21; vom 13. Juli 2010 - VIII ZR 129/09, aaO Rn. 17; jeweils mwN). Das unterliegt hinsichtlich der hier zur Erstattung angemeldeten einzelnen Kostenpositionen keinem Zweifel.

7

2. Soweit die Rechtsbeschwerde zulässig ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 ZPO), ist sie auch begründet. Entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdegerichts ist die angemeldete Verfahrensgebühr ungekürzt festzusetzen. Die Annahme des Beschwerdegerichts, die Anrechnungsvorschrift des § 15a RVG sei auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Rechtsbeschwerde macht vielmehr zutreffend geltend, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens der Parteien in der Weise hätte erfolgen müssen, wie sie nunmehr in § 15a RVG beschrieben ist, der durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügt worden und gemäß Art. 10 Satz 2 dieses Gesetzes am 5. August 2009 in Kraft getreten ist (Senatsbeschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, juris Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom 15. September 2010 - IV ZB 5/10, juris Rn.7 ff.; vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 15/10, juris Rn. 6).

8

Die Rechtsbeschwerde rügt hiernach zu Recht, dass das Beschwerdegericht die angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG nur gekürzt und nicht mit dem 1,3-fachen Satz in Ansatz gebracht hat. Da in der Sache keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO nach Maßgabe vorstehender Beschlussformel in der Sache selbst zu entscheiden.

Ball                                              Dr. Hessel                                       Dr. Achilles

                Dr. Schneider                                          Dr. Bünger