Entscheidungsdatum: 07.05.2014
NV: § 42 AO bietet keine Rechtsgrundlage, um eine vertragliche Abfindungsvereinbarung für einen Mitunternehmeranteil dahin zu korrigieren, dass für die Veräußerung einer zum Gesamthandsvermögen gehörenden Kapitalgesellschaftsbeteiligung gemäß § 16 Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG ein höherer Teilbetrag des einheitlichen Kaufpreises als vereinbart zugrunde gelegt wird .
I. Die Beteiligten streiten über die Höhe des Veräußerungsgewinns gemäß §§ 18 Abs. 3, 16 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 2006 anzuwendenden Fassung (EStG), den der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) anlässlich seines Ausscheidens aus der im ersten Rechtszug beigeladenen Rechtsanwaltssozietät (der nunmehr sonstigen Beteiligten – im Folgenden: Beteiligten) erzielt hat.
Der Kläger schied mit Wirkung vom 1. Januar 2006 aus der Beteiligten, deren Partner und Mitunternehmer er zu diesem Zeitpunkt war, aus. Zum Gesamthandsvermögen der Beteiligten zählte die Beteiligung an der X-GmbH, die wiederum Mehrheitsgesellschafterin von Inkassogesellschaften, unter anderem einer GmbH & Co. KG, war. Der Wert dieser GmbH-Beteiligung und von deren Untergesellschaften (im Folgenden X-Gruppe) ist zwischen den Beteiligten streitig. Auf den Kläger entfiel aufgrund seiner Partnerstellung an der Beteiligten eine indirekte Beteiligung von 3,862 % an der X-Gruppe.
Dem Ausscheiden des Klägers lag eine Abfindungsvereinbarung zugrunde. Danach wurde dem Kläger anlässlich seines Ausscheidens für die zum Gesamthandsvermögen der Beteiligten gehörende Beteiligung an der X-GmbH ein Festbetrag in Höhe von 560.000 € gezahlt. Zur Abgeltung "aller anderen [ihm] aus welchem Grund auch immer zustehenden Ansprüche" erhielt der Kläger einen Festbetrag in Höhe von 600.000 €.
Der angefochtene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2006 der Beteiligten enthält die Feststellung eines laufenden Gewinns des Klägers in Höhe von 155.494,36 € und eines Veräußerungsgewinns in Höhe von 1.256.690,38 €. Von dem Veräußerungsgewinn entfielen 560.000 € auf Veräußerungsgewinne gemäß §§ 3 Nr. 40 Buchst. b, 3c Abs. 2 EStG.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat der Kläger vor dem Finanzgericht (FG) den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen hinsichtlich der Höhe des festgestellten Veräußerungsgewinns angefochten und begehrt, den auf die Beteiligung an der X-GmbH entfallenden Teil des Veräußerungsgewinns in Höhe von 860.000 € anzusetzen.
Das FG wies die Klage ab, ohne die Revision zuzulassen. Die zwischen dem Kläger und der Beteiligten in der Ausscheidensvereinbarung vereinbarte Kaufpreisaufteilung sei aufgrund der gegenläufigen Interessen der Parteien der Abfindungsvereinbarung auch für die steuerrechtliche Ermittlung des Veräußerungsgewinns beachtlich. Sie könne im Streitfall weder aufgrund eines Gestaltungsmissbrauchs noch eines Scheingeschäfts unberücksichtigt bleiben, da die Parteien der Ausscheidensvereinbarung nicht einvernehmlich gehandelt hätten. Es könne im Streitfall dahinstehen, ob ein erhebliches Missverhältnis dazu zwinge, die vertraglich vereinbarte Kaufpreisaufteilung für steuerliche Zwecke zu korrigieren. Die Entscheidung des FG ist nicht veröffentlicht.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Die Beteiligte ist dem Sachvortrag des Klägers insbesondere zu den näheren Umständen des Zustandekommens der Ausscheidensvereinbarung entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
1. Die Revision ist aufgrund der geltend gemachten Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) weder zuzulassen noch ist die Sache gemäß § 116 Abs. 6 FGO an das FG zurückzuverweisen.
Der geltend gemachte Verfahrensmangel, das FG habe die aus der Beteiligten ausgeschiedenen Gesellschafter gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren notwendig beiladen müssen, liegt nicht vor. Denn im Streitfall wurde nicht das Entstehen des Veräußerungsgewinns des Klägers dem Grunde nach angefochten, sondern nur die Feststellung über die Höhe des Veräußerungsgewinns des Klägers. Die Beiladung ausgeschiedener ehemaliger Mitgesellschafter ist indes allenfalls dann erforderlich, wenn das Entstehen eines Veräußerungsgewinns dem Grunde nach im Streit steht und Wirkung auch für die übrigen ausscheidenden Mitgesellschafter entfalten kann (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. April 2010 IV R 9/08, BFHE 229, 42, BStBl II 2010, 929).
2. Die Rüge, das FG habe von Amts wegen ermitteln müssen, welchen Gewinn die X-GmbH im Jahr 2004 erzielt hat, um den objektiv zutreffenden Wert der Beteiligung des Klägers im Ausscheidenszeitpunkt zu berechnen und um beurteilen zu können, ob ein grobes Missverhältnis zu dem in der Ausscheidensvereinbarung festgelegten Teilbetrag der Abfindung (560.000 €) bestanden hat, führt nicht zur Zulassung der Revision.
a) Das FG hat --wie die Bezugnahme im Tatbestand auf die Schriftsätze des Klägers vom 9. November 2012 und 8. August 2013 zeigt-- die Berechnungen des Klägers zur Kenntnis genommen, welche unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Jahres 2004 von einem anteiligen Wert seiner Beteiligung an der X-GmbH zwischen 860.000 € und 1 Mio. € ausgingen. Auf Grundlage des Vortrags aller Beteiligten hat das FG jedoch erkannt, es könne kein erhebliches Missverhältnis zwischen dem Teilbetrag der Abfindung für die Beteiligung an der X-GmbH und dem sich auf Grundlage des Vortrags aller Beteiligten streitigen tatsächlichen Wert der Beteiligung festgestellt werden. Weitere Sachverhaltsermittlungen hierzu hat das FG als "Ermittlungen ins Blaue" als nicht geboten abgelehnt.
b) Hierin liegt kein Verstoß des FG gegen die Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO.
Mit der Rüge, das FG habe nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu einem höheren Wert der Beteiligung des Klägers an der X-GmbH gelangen müssen, greift der Kläger ausschließlich die tatsächliche Würdigung und damit einen vermeintlichen Rechtsfehler des FG an. Die Sachverhaltswürdigung und die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen. Deshalb sind sie der Prüfung des BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165, m.w.N.; vom 30. September 2013 III B 20/12, BFH/NV 2014, 58).
Die Revision kann unter diesen Gesichtspunkten allenfalls nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen sein, wenn die Entscheidung des FG sich in einem solchen Maße als fehlerhaft (willkürlich) darstellt, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur wiederhergestellt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. August 2007 VII B 357/06, BFH/NV 2008, 113, m.w.N.; vom 18. September 2013 X B 257/12, BFH/NV 2014, 3). Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte.
3. Die weitere Rüge, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten entschieden, trifft nicht zu. Eine solche Verletzung der Verpflichtung des FG aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist verwirklicht, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht oder es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die Entscheidung darauf beruhen kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Februar 2006 XI B 36/05, BFH/NV 2006, 1846; vom 31. Januar 2011 III B 107/09, BFH/NV 2011, 804).
Ausweislich des Tatbestands und der Entscheidungsgründe hat das FG die divergierenden Wertvorstellungen des Klägers und der Beteiligten zur Kenntnis genommen und die von diesen wechselseitig angeführten wertbildenden Faktoren berücksichtigt. Der Wert der Beteiligung des Klägers an der X-GmbH und die hierfür aus seiner Sicht sprechenden Umstände zum Ausscheidenszeitpunkt stellten keine sich aus den Akten ergebenden klar feststehenden Tatsachen dar. Die Rüge des Klägers, das FG sei seinem Vorbringen zum Wert der X-GmbH nicht gefolgt, ist wiederum gegen dessen tatsächliche Würdigung des streitigen Sachverhalts gerichtet, die, wie oben dargelegt, mit der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht angegriffen werden kann.
4. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob es für die Anwendung des § 42 der Abgabenordnung (in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung) --AO-- erforderlich ist, dass die Vertragsparteien einvernehmlich hinsichtlich einer missbräuchlichen Ausgestaltung der Kaufpreisaufteilung handeln, hat im Streitfall weder grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO noch liegt die behauptete Divergenz der Vorentscheidung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zu den BFH-Entscheidungen vom 1. Juni 1989 V R 74/87 (BFH/NV 1990, 131) und vom 10. September 1992 V R 104/91 (BFHE 169, 258, BStBl II 1993, 253) im Ergebnis vor.
a) Ein Gestaltungsmissbrauch ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. Urteile vom 21. August 2012 VIII R 32/09, BFHE 239, 31, BStBl II 2013, 16, unter II.2.a aa; vom 12. Juli 2012 I R 23/11, BFHE 238, 344, unter II.2.b bb; vom 22. Januar 2013 IX R 18/12, BFH/NV 2013, 1094, unter II.2.a). Die Frage, was eine den Gestaltungsmissbrauch kennzeichnende unangemessene rechtliche Gestaltung ist, entzieht sich einer allgemeinen Definition und lässt sich nur durch Würdigung der gesamten Umstände im Einzelfall feststellen (vgl. BFH-Entscheidungen vom 4. Mai 2012 VIII B 174/11, BFH/NV 2012, 1330, unter 1.; vom 1. April 1993 V R 85/91, V R 86/91, BFH/NV 1994, 64, unter II.; in BFH/NV 2013, 1094, unter II.2.a).
b) Eine Kaufpreisaufteilung kann danach allenfalls dann zu einem Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO führen, wenn der gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG ermäßigt besteuerte anteilige Kaufpreis einen unangemessen hohen Anteil der Gesamtsumme ausmacht, da nur in diesem Fall der Gestaltungsmissbrauch der Steuerminderung dient. Im Streitfall begehrt der Kläger jedoch unter Berufung auf einen Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO die Erhöhung der auf seine Beteiligung an der X-GmbH entfallenden anteiligen Abfindungssumme (von jetzt 560.000 € auf 860.000 €). Der Kläger beansprucht somit gestützt auf das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs gemäß § 42 AO eine noch weitergehende Steuerminderung. Die Ableitung dieser Rechtsfolge aus § 42 AO mit der begehrten Rechtsfolge im Streitfall ist ersichtlich nicht möglich.
Es besteht daher --unabhängig von der inhaltlichen Beurteilung der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zur Voraussetzung eines einvernehmlichen Handelns-- im Rahmen des § 42 AO im Streitfall kein Zweifel, dass der Senat im Fall einer Revisionszulassung im Ergebnis ebenso entscheiden würde wie das FG. Stellt sich die angefochtene Entscheidung jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Revision in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO nicht zuzulassen (BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 2012 I B 48/12, BFH/NV 2013, 742; vom 29. September 2011 V B 23/10, BFH/NV 2012, 75; vom 28. Oktober 2008 VIII B 62/07, juris).
c) Aus dem gleichen Grund verfängt die Rüge nicht, das FG sei i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von den angeführten Entscheidungen des V. Senats des BFH abgewichen. Da die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs gemäß § 42 AO schon aus den unter II.4.b dargelegten Gründen ausscheidet, bedarf es auch keiner weiteren Erörterung, ob in der Sache eine Divergenz vorliegt.
5. Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO aufgeworfene Frage, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen nach Einführung des Halbeinkünfte- bzw. Teileinkünfteverfahrens bei der Veräußerung von Sachgesamtheiten, zu denen auch Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gehören, die zivilrechtlich vereinbarte Aufteilung des Veräußerungspreises für steuerliche Zwecke zu korrigieren ist, ist im Streitfall nicht klärungsfähig.
a) Das FG hat für den Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen (siehe oben unter II.2. und 3.) gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt, im Streitfall bestünden weder Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Scheingeschäfts noch für ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem vertraglich vereinbarten Teilbetrag der Abfindungssumme und dem tatsächlichen Wert der Beteiligung des Klägers an der X-GmbH. Es hat zudem den vom Kläger angeführten Gesichtspunkt, die Kaufpreisaufteilung könne für steuerliche Zwecke zu korrigieren sein, wenn "Bedenken" gegen die wirtschaftliche Richtigkeit der im Vertrag vorgesehenen Aufteilung bestünden, neben der Erörterung der §§ 41, 42 AO seiner Entscheidung ebenfalls als Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt. Für die Klageabweisung hat es sich --für alle in Betracht kommenden und vom Kläger genannten denkbaren Korrekturtatbestände-- maßgeblich auch auf die gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindende Feststellung gestützt, der Kläger und die Beteiligte hätten die Vereinbarung auf der Grundlage entgegengesetzter Interessen geschlossen, was für die wirtschaftliche Richtigkeit der vertraglichen Abfindungsaufteilung spreche.
b) Die Zulassung der Revision scheidet im Streitfall unter diesem Gesichtspunkt aus, denn auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG müsste der Senat zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgehen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung BFH-Beschlüsse vom 12. Dezember 2012 XI B 70/11, BFH/NV 2013, 705; vom 23. Januar 2013 X B 84/12, BFH/NV 2013, 771; vom 21. August 2013 III B 122/12, BFH/NV 2013, 1798; vom 12. April 2012 VIII B 91/11, BFH/NV 2012, 1320).
6. Mangels Klärungsfähigkeit der unter II.4. und 5. aufgeworfenen Rechtsfragen kommt schließlich die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO nicht in Betracht.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.