Entscheidungsdatum: 12.12.2012
1. NV: Unter welchen Voraussetzungen ein Kommanditist für die Steuerschulden der KG haftet, ist höchstrichterlich geklärt .
2. NV: Fragen, die sich nur stellen können, wenn man von einem anderen als dem vom Finanzgericht festgestellten Sachverhalt ausgeht, können im Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil der Bundesfinanzhof grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist.
3. NV: Es liegt keine Überraschungsentscheidung vor, wenn der zur Entscheidung berufene Senat des Finanzgerichts in dem abschließenden Urteil von der vorläufigen Rechtsauffassung des Berichterstatters abweicht, die dieser im Ladungsschreiben zum Termin zur Erörterung der Sachlage und Rechtslage geäußert hat .
I. Der als … tätige Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Kommanditist der Z-KG mit Sitz in …, für deren Umsatzsteuerschulden und steuerliche Nebenleistungen er vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) mit einem auf § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 171 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) gestützten Haftungsbescheid vom … in Höhe von … € in Anspruch genommen worden ist. Die Kommanditanteile hat der Kläger je zur Hälfte treuhänderisch für die Treugeber Y und U gehalten, die ebenfalls durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen worden sind. Die Z-KG wurde später umfirmiert in A-KG.
Persönlich haftende Gesellschafterin der Z-KG war die Z-GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführerin R. Die Z-GmbH wurde später ebenfalls umfirmiert in A-GmbH. Mit vom Kläger sowie Y und U gefassten Beschluss vom … 2001 wurde das Kommanditkapital der Z-KG von … DM (= … €) um … € auf … € erhöht.
Die Steuerrückstände der A-KG beruhten auf folgendem Sachverhalt: Am 15. Dezember 2000 reichte die Z-KG ihre von R unterzeichnete Umsatzsteuererklärung für 1999 beim FA ein, wobei R auf Veranlassung der faktischen Geschäftsführer Y und U der Z-KG handelte. In der Umsatzsteuererklärung erklärte die Z-KG keine Umsätze, aber Vorsteuern in Höhe von … € aus auf den … 1999, den … 1999 und den … 1999 datierten Rechnungen, die eine AG (später umbenannt in D-AG) an die Z-KG gerichtet hatte, und die von der Z-KG beglichen worden sind. Nach den Feststellungen des Landgerichts … in den Strafurteilen gegen U und Y waren die Umsatzsteuer ausweisenden Rechnungen erst im Jahr 2000 erstellt und auf das Jahr 1999 rückdatiert worden. Die in den Rechnungen angegebenen Lieferungen von Lizenzen und von Hardware für Computerarbeitsplätze waren nach den in diesen Strafurteilen getroffenen Feststellungen nicht erbracht worden. Das FA änderte daher am 15. Juni 2005 den Umsatzsteuerbescheid der A-KG für 1999, indem es die Umsatzsteuer für 1999 auf … € festsetzte und die bereits erstattete Vorsteuer in Höhe von … € samt Nachzahlungszinsen in Höhe von … € zurückforderte. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wurde von der A-KG zurückgenommen.
Die Haftungsinanspruchnahme des Klägers begründete das FA im Wesentlichen damit, dass der Kläger mit einer Hafteinlage von … € in das Handelsregister eingetragen worden sei. Er habe seine Kommanditeinlage aber zumindest in Höhe der Steuerschulden von … € nicht geleistet. Im Zeitpunkt des Beschlusses über die Kapitalerhöhung am … 2001 habe die Z-KG weder über eine entsprechende Kapitaleinlage noch über sonstige Vermögenswerte, z.B. Verrechnungs- oder Darlehenskonten des Kommanditisten, verfügt, aus denen die Kapitaleinlage hätte erbracht werden können. Die vom Kläger für die A-KG auf den 31. Dezember 2000 erstellte Bilanz enthalte u.a. Bilanzierungsfehler zur erbrachten Kapitaleinlage.
Einspruch und Klage gegen den Haftungsbescheid vom … hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, die er auf sämtliche in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Zulassungsgründe stützt.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch zur Fortbildung des Rechts oder zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen. Auch ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) --soweit er den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt worden ist-- liegt nicht vor.
1. Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 25. Januar 2011 V B 144/09, BFH/NV 2011, 863). Es muss sich um eine klärungsbedürftige Frage handeln, die im Revisionsverfahren geklärt werden kann. Daran fehlt es --entgegen der Auffassung des Klägers-- im hier zu entscheidenden Beschwerdefall.
a) Der Kläger hat die Frage aufgeworfen, "ob eine Rückforderung des Vorsteuerbetrages auch dann zulässig ist, wenn die fraglichen Umsatzsteuern vom Leistungserbringer an die Finanzverwaltung abgeführt wurden und nicht mehr zurückgefordert werden können", d.h., "ob die Finanzverwaltung, auch dann, wenn der Einbehalt von abgeführter Umsatzsteuer – etwa aufgrund Insolvenz des Leistungserbringers - endgültig feststeht, im Wege der Vorsteuerkorrektur und Haftung letztlich die zweifache Entrichtung von zu Unrecht ausgewiesener Umsatzsteuer geltend machen darf".
b) Die Frage ist indes im Streitfall nicht klärungsfähig, weil sie einen Sachverhalt voraussetzt, der sich in den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht wiederfindet. Fragen, die sich nur stellen könnten, wenn man von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgeht, können im Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil der BFH grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. April 2005 IX B 189/04, BFH/NV 2005, 1363; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 125).
Den tatrichterlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils kann kein hinreichender Anhalt dafür entnommen werden, dass der Einbehalt der von der Rechnungsausstellerin abgeführten Umsatzsteuer "endgültig feststeht". Nach dem weiteren Vorbringen des Klägers habe das FG den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass die Korrektur des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger auch dann Anwendung findet, wenn die fraglichen Umsatzsteuerbeträge durch den Leistungserbringer entrichtet wurden, eine Rückforderung zwischen den Parteien aufgrund der Insolvenz der Rechnungsausstellerin ausgeschlossen ist und die abgeführten Umsatzsteuerbeträge bei der Finanzverwaltung verbleiben. Der Vorentscheidung sind solche tatsächlichen Feststellungen und Rechtsaussagen dagegen nicht zu entnehmen. Zum einen sind die Entscheidungsgründe des FG nicht dahin zu verstehen, dass eine Rückforderung durch die AG im Streitfall ausgeschlossen ist und der abgeführte Umsatzsteuerbetrag endgültig bei der Finanzverwaltung verbleibt. Zum anderen hat das FG nicht festgestellt, dass sich die AG seit dem Jahr … in Insolvenz befindet. Das FG hat lediglich streitfallbezogen ausgeführt, dass der Kläger die fehlende Möglichkeit der Durchsetzung der Ansprüche der A-KG gegenüber der AG weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen hat. Ferner ist das FG zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger nicht dargelegt hat, dass bis zum Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung des FA eine Rechnungsberichtigung durch die Rechnungsausstellerin erfolgt ist. Eine hinreichende Darlegung erfolgte auch nicht im Beschwerdeverfahren.
Aus vorstehenden Gründen kommt es hier auf die --vom Kläger geschilderten-- in den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 15. März 2007 C-35/05 --Reemtsma Cigarettenfabriken-- (Slg. 2007, I-2425, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 343) und vom 18. Juni 2009 C-566/07 --Stadeco-- (Slg. 2009, I-5295, UR 2009, 647) enthaltenen Rechtsausführungen nicht an. Das FG hat in seinem Urteil keine hinreichenden Tatsachen festgestellt, wonach die Erstattung der Umsatzsteuer unmöglich oder übermäßig erschwert wird.
c) Zwar kann sich --wie der Kläger zu Recht ausführt-- eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des Revisionsrechts auch aus der Notwendigkeit einer Vorlage an den EuGH ergeben (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 1. April 2008 2 BvR 2680/07, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechung-Report --NVwZ-RR-- 2008, 611, Rz 27). Dies scheidet --wie im Streitfall-- aber aus, wenn der Kläger die Möglichkeit einer Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union nicht hinreichend substantiiert darlegt (vgl. BVerfG-Beschluss in NVwZ-RR 2008, 611, Rz 28), weil er --wie oben ausführlich dargetan-- von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgeht. Das FG hat insbesondere nicht festgestellt, ob sich die AG seit dem Jahr … in Insolvenz befindet.
2. Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ist nicht notwendig. Da es sich bei dem Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision handelt, muss der Beschwerdeführer darlegen, dass eine konkrete abstrakte Rechtsfrage im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16. November 2009 I B 58/09, BFH/NV 2010, 905, unter II.1.). Daran fehlt es hier.
a) Der Kläger sieht die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts in den beiden Fragen, ob ein (Treuhand-) Kommanditist i.S. der §§ 161 Abs. 1, 164, 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB einer KG bzw. einer GmbH & Co. KG als Haftungsschuldner i.S. des § 191 Abs. 1 AO für eine von der KG aus Eingangsrechnungen nicht berechtigt gezogene Vorsteuer i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) hafte, obwohl die in den Rechnungen von der Rechnungsausstellerin ausgewiesene Umsatzsteuer tatsächlich abgeführt worden sei, und ob eine solche Haftungsinanspruchnahme ermessensgerecht sei, wenn als Haftungsschuldner insbesondere auch die Geschäftsführerin (§ 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) der Komplementärgesellschaft der GmbH & Co. KG und somit eine originär nach den §§ 34, 69 AO verantwortliche und haftende Person zur Verfügung gestanden habe.
b) Die erste Frage ist nicht klärungsbedürftig. Es ist --entgegen der Ansicht des Klägers-- bereits höchstrichterlich geklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Kommanditist für die Steuerschulden der KG nach § 191 Abs. 1 AO und §§ 171 Abs. 1 und 172 Abs. 4 HGB zur Haftung herangezogen werden kann. So hat der BFH in seinem Urteil vom 24. Juni 1986 VII R 193/82 (BFHE 147, 200, BStBl II 1986, 872) entschieden, dass der Kommanditist für die Rückzahlungsschuld der KG wegen zu Unrecht an diese ausbezahlte Vorsteuern bis zur Höhe seiner nicht geleisteten Einlage haftet (vgl. auch BFH-Beschluss vom 11. Februar 2004 VII B 224/03, BFH/NV 2004, 1060, unter II.1.).
Von diesen Grundsätzen ist das FG ausgegangen und hat die auf § 191 Abs. 1 AO i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB beruhende Haftungsinanspruchnahme des Klägers als rechtmäßig angesehen, da er die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage zumindest in Höhe von … € nicht erbracht habe. Aufgrund der am 15. Juni 2005 erfolgten Änderung des Umsatzsteuerbescheids für das Jahr 1999 liegt als Primäranspruch der Haftung ein Erstattungsanspruch des FA nach § 37 Abs. 2 AO gegen die A-KG auf Rückzahlung zu Unrecht ausbezahlter Vorsteuerüberschüsse zugrunde (vgl. BFH-Urteil in BFHE 147, 200, BStBl II 1986, 872, unter 3.; Senatsurteil vom 14. März 2012 XI R 6/10, BFHE 237, 296, Der Betrieb 2012, 2026, unter II.1. und 2.). Die Umstände des Streitfalls entsprechen damit im Wesentlichen der von dem BFH-Urteil in BFHE 147, 200, BStBl II 1986, 872 entschiedenen Fallkonstellation.
Auch soweit der Kläger vorträgt, die Haftungsinanspruchnahme würde zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Finanzbehörden führen, begründet dies nicht die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage. Die Belastungsneutralität der Umsatzsteuer wird dadurch gewährleistet, dass bei dem Rechnungsaussteller die Berichtigung der Steuerfestsetzung erfolgen kann (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 2001 V R 61/97, BFHE 194, 517, BStBl II 2004, 373; BFH-Beschluss vom 25. April 2002 V B 73/01, BFHE 198, 71, BStBl II 2004, 343). Das FG kam für den Streitfall zu dem Ergebnis, dass der Rechnungsausstellerin jedenfalls bis zur Korrektur des Steuerausweises in ihren Rechnungen --die der Kläger nicht dargelegt hat-- kein Erstattungsanspruch für die Umsatzsteuer zusteht, weil sie nach § 14 Abs. 3 UStG a.F. bzw. § 14c UStG für die ausgewiesene Umsatzsteuer haftet.
c) Die vom Kläger aufgeworfene Frage nach der Berücksichtigung der Geschäftsführerin R im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung bei der Auswahl zwischen mehreren potenziellen Haftungsschuldnern entzieht sich einer allgemeingültigen Klärung.
Die Frage ist bereits nicht klärungsfähig, weil im Streitfall für die rechtliche Beurteilung, ob das Auswahlermessen rechtmäßig ausgeübt worden ist, die besonderen Umstände des Einzelfalls --wie z.B. R als "gutgläubige Strohfrau" der faktischen Geschäftsführer Y und U, kein Nachweis eines schuldhaften Handelns der R, R als Befehlsempfängerin von Y und U-- zu berücksichtigen sind. Das FA hat in der Einspruchsentscheidung vom 11. September 2008 das Auswahlermessen unter Darstellung konkreter einzelfall- und personenbezogener Erwägungen dahingehend ausgeübt, dass es R nicht in Haftung nimmt. Es hat diese Ermessenserwägungen während des finanzgerichtlichen Verfahrens mit Schriftsatz vom 20. April 2010 gemäß § 102 Satz 2 FGO --in vom FG gebilligter Weise (s. Urteil, Seite 19)-- ergänzt.
3. Eine Entscheidung des BFH ist ferner auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen.
a) Eine Divergenz des Urteils des FG zu dem Urteil des FG Düsseldorf vom 5. Februar 2010 1 K 2823/09 U (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 935) ist weder hinreichend dargelegt worden, noch liegt die gerügte Abweichung tatsächlich vor.
Zur Darlegung einer Divergenz muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Mai 2006 V B 159/05, BFH/NV 2006, 1892, und vom 22. März 2007 V B 136/05, BFH/NV 2007, 1719). Dabei ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799; vom 1. Dezember 2006 VIII B 2/06, BFH/NV 2007, 450; vom 11. Mai 2012 V B 106/11, BFH/NV 2012, 1339).
Es fehlt schon an der Herausarbeitung zweier einander widersprechender tragender Rechtssätze. Der Kläger hat zwar aus dem Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2010, 935, unter I.6. die Rechtsausführungen entnommen, dass eine Korrektur der Vorsteuer auch dann nicht in Betracht komme, wenn dem Rechnungsempfänger die Erstattung der Umsatzsteuer unmöglich oder übermäßig erschwert sei. Dies stellt in der Entscheidung des FG Düsseldorf aber keinen tragenden Rechtssatz dar. Denn zum einen beschreibt es lediglich die Möglichkeit einer abweichenden rechtlichen Beurteilung ("Etwas anderes kann dann gelten ..."). Zum anderen hat es das FG Düsseldorf --weil auch die übrigen Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs fraglich waren-- gerade dahingestellt bleiben lassen, ob die grundsätzlich mögliche Erstattung der Umsatzsteuer auf dem Zivilrechtsweg bereits dann unmöglich oder übermäßig erschwert sei, wenn der Rechnungsempfänger es aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen unterlasse, zeitnah vom Rechnungsaussteller die Rückzahlung des zu Unrecht ausgewiesenen Betrages zu fordern.
Darüber hinaus ist der aus dem Urteil der Vorinstanz vom Kläger abgeleitete Rechtssatz, dass die Korrektur des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger auch dann Anwendung finde, wenn die fraglichen Umsatzsteuerbeträge durch den Leistungserbringer entrichtet worden seien, eine Rückforderung zwischen den Parteien aufgrund Insolvenz des Rechnungsausstellers ausgeschlossen sei und zudem die abgeführten Umsatzsteuerbeträge bei der Finanzverwaltung verblieben, solange eine zivilrechtliche Klagemöglichkeit gegen den Rechnungsaussteller bestehe, dort nicht enthalten. Der Vorentscheidung sind solche tatsächlichen Feststellungen und Rechtsaussagen nicht zu entnehmen. Auf die Ausführungen unter II.1.b wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
b) Der Kläger hat auch keinen schwerwiegenden Rechtsfehler aufgezeigt, der eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO geboten erscheinen lässt. Ein Fehler bei der Rechtsanwendung kann nur ausnahmsweise nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Zulassung der Revision führen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler handelt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Ein derartiger Fehler liegt jedoch nur dann vor, wenn die angefochtene FG-Entscheidung objektiv willkürlich oder zumindest greifbar gesetzwidrig ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. März 2010 X B 176/08, BFH/NV 2010, 1455; vom 18. November 2010 XI B 28/10, BFH/NV 2011, 204, Rz 11; vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165, Rz 14; vom 10. Januar 2012 XI B 80/11, BFH/NV 2012, 815, Rz 18 f.). Einen solchen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler des FG hat der Kläger nicht dargelegt.
4. Die von der Beschwerde gerügten Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen --soweit sie den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt worden sind-- ebenfalls nicht vor.
a) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) ergibt sich --entgegen der Ansicht des Klägers-- nicht unter dem Gesichtspunkt einer Überraschungsentscheidung. Eine solche ist gegeben, wenn das FG seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. Januar 2008 X B 179/06, BFH/NV 2008, 608; vom 18. September 2009 IV B 140/08, BFH/NV 2010, 220, unter b).
Die Beteiligten haben die Frage, ob das FA das ihm obliegende Auswahlermessen zutreffend ausgeübt hat, schriftsätzlich kontrovers erörtert. Die Abweisung der Klage als unbegründet, u.a. wegen pflichtgemäßer Ausübung des Auswahlermessens, erfolgte daher für den Kläger nicht überraschend. Eine abweichende rechtliche Beurteilung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Berichterstatter im Ladungsschreiben vom 7. April 2010 zum --später nicht durchgeführten-- Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage die Ausübung des Auswahlermessens "vorbehaltlich der Senatsentscheidung nach derzeitigem Erkenntnisstand" als fehlerhaft beurteilt hatte.
Hierbei handelt es sich um die Rechtsäußerung nur eines Mitglieds des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers --hier des Senats--. Aus einer solchen, regelmäßig nur vorläufigen Rechtsäußerung eines Senatsmitglieds kann indes nicht gefolgert werden, dass die Rechtsfrage eindeutig geklärt ist und der Senat von der Rechtsauffassung nicht abweichen bzw. sie anders beurteilen könnte (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 220, unter b). Dies musste sich dem Kläger im Übrigen auch deshalb aufdrängen, weil der Berichterstatter --anders als in dem vom Kläger genannten Fall des BFH-Urteils vom 11. November 2008 IX R 14/07 (BFHE 223, 308, BStBl II 2009, 309)-- seine Ansicht unter den Vorbehalt der Senatsentscheidung stellte und er zudem einschränkend auf den seinerzeitigen Erkenntnisstand verwies.
b) Der von dem Kläger gerügte Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch Verweigerung der Akteneinsicht (§ 78 Abs. 1 FGO.) liegt nicht vor. Denn der Gehörsanspruch begründet lediglich das Recht der Beteiligten, in die dem Gericht vorliegenden Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Akten Einsicht zu nehmen. Kein Anspruch besteht auf Einsichtnahme in Akten, die dem Gericht von der Finanzbehörde nicht zur Verfügung gestellt worden sind und folglich nicht vorliegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. August 1999 VII B 131/99, BFH/NV 2000, 78; vom 22. Mai 2002 VI B 2/02, BFH/NV 2002, 1168; vom 16. Juli 2012 IX B 67/12, BFH/NV 2012, 1637, Rz 2).
Der Antrag vom 12. Februar 2009 auf Gewährung von Akteneinsicht bezog sich lediglich auf die Strafakten von Y und U, die aber vom FG nicht beigezogen waren. Daher konnte das FG keine Einsicht in diese Strafakten gewähren.
c) Die Rüge des Klägers, das FG sei von Amts wegen gemäß § 76 Abs. 1 FGO verpflichtet gewesen, den Sachverhalt weiter aufzuklären, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht, da die Rüge nicht den formellen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht.
Da die Sachaufklärungspflicht dazu dient, die Spruchreife der Klage herbeizuführen, hat das FG nur das aufzuklären, was aus seiner materiell-rechtlichen Sicht entscheidungserheblich ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. Juni 2011 IX B 11/11, BFH/NV 2011, 1891; vom 5. August 2011 III B 144/10, BFH/NV 2011, 1915, Leitsatz 2, Rz 8; vom 18. Juli 2012 V B 99/11, BFH/NV 2012, 1818, Rz 6). Um einen Sachaufklärungsmangel hinreichend darzulegen, hätte der von einem Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger vortragen müssen, welche konkreten Tatsachen das FG hätte aufklären und welche genau bezeichneten Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen, warum er nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat und warum sich die Beweiserhebung dem FG auch ohne besonderen Antrag als erforderlich hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme --auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 2010 III B 50/09, BFH/NV 2010, 919; in BFH/NV 2012, 1818, Rz 6). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Sachaufklärungsrüge ist auch nicht geeignet, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, die ein fachkundig vertretener Beteiligter selbst in zumutbarer Weise in der mündlichen Verhandlung beim FG hätte stellen können (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. April 2012 I B 123/11, BFH/NV 2012, 1299, Leitsatz 2; in BFH/NV 2012, 1818, Rz 7). Ein umsichtiger Prozessvertreter muss vielmehr stets gewärtigen, dass das Gericht die Beweismittel abweichend würdigt und ist deshalb gehalten, vorsorglich alle von ihm für zweckmäßig erachteten Beweisanträge zu stellen und ihre Ablehnung gegebenenfalls rechtzeitig zu rügen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2012, 1299, Rz 19; in BFH/NV 2012, 1818, Rz 7).
Der Kläger hat weder dargelegt, noch ist es aus dem Sitzungsprotokoll des FG ersichtlich, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG Beweisanträge gestellt oder das Übergehen seiner Beweisanträge gerügt hat. Er hat auch nicht dargetan, weshalb ihm die Erhebung einer solchen Rüge nicht möglich war.
5. Soweit sich die Ausführungen des Klägers in seiner Beschwerdebegründung gegen die materielle Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung richten, wird damit keiner der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe dargetan, sondern nur, dass das FG nach Auffassung des Klägers falsch entschieden habe. Die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung vermag die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO grundsätzlich nicht zu begründen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. November 2008 XI B 172/07, BFH/NV 2009, 617; vom 1. April 2011 XI B 75/10, BFH/NV 2011, 1372, m.w.N.).
6. Von einer weiteren Begründung des Beschlusses sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).