Entscheidungsdatum: 10.08.2016
Der Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision wird teilweise stattgegeben.
Das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 11. Juni 2015 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung wegen verspäteter Rückgabe von Hardwarekomponenten der Vertriebssoftware für Oktober bis Dezember 2011 in Höhe von 52,50 € verurteilt und über die von ihm zur Aufrechnung gestellte Rückzahlungsforderung in Höhe von 500 € wegen rechtsgrundlos gezahlter Miete für die Zurverfügungstellung der Vertriebssoftware im Zeitraum vom 1. Dezember 2009 bis zum 31. Juli 2011 nicht entschieden worden ist. Im Übrigen wird die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 11. Juni 2015 zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde: 35.734,01 €;
Streitwert des stattgebenden Teils: 552,50 €
I.
Der Beklagte war aufgrund des zwischen den Parteien zum 1. Dezember 2009 geschlossenen Vertrags vom 26. November/1. Dezember 2009 als selbständiger Versicherungsvertreter für die Klägerin tätig. Die Klägerin kündigte den Vertrag am 15. Juli 2011 ohne vorherige Abmahnung fristlos mit der Begründung, der Beklagte habe hinsichtlich des Versicherungsnehmers G. eine diesem unbekannte Frau A. mitversichert, ohne die erforderliche Bonitätsprüfung vorzunehmen. Frau A. war nach den Recherchen der Klägerin nicht, wie im Vertrag angegeben, als Bürokauffrau, sondern im Rotlichtmilieu tätig.
Die Klägerin hat mit der Klage die Rückzahlung nicht verdienter Provisionen, nicht verdienter Provisionsvorschüsse und Investitionszuschüsse sowie Zahlungen für die Nutzung des Vertriebs-Informations-Systems im Umfang von insgesamt 42.582,93 € verlangt. Der Beklagte hat im Wege der Widerklage beantragt festzustellen, dass der Vertrag zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 15. Juli 2011 und auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30. September 2011 hinaus fortbestanden hat.
Das Landgericht hat den Beklagten in Höhe von 12.151,25 € zur Zahlung verurteilt und den Widerklageanträgen stattgegeben. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, der Beklagte mit dem Ziel, die Abweisung der Klage zu erreichen, die Klägerin zuletzt mit dem Antrag, den Beklagten zur Zahlung eines weiteren Betrags von 31.040,04 € zu verurteilen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Beklagten unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung in Höhe von insgesamt 38.470,76 € verurteilt und die Widerklage des Beklagten als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Beklagten hat es zurückgewiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten, mit der er die Zulassung der Revision erreichen will, soweit er zur Zahlung von mehr als 12.736,75 € verurteilt und die Widerklage abgewiesen worden ist.
II.
1. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts beruht in dem im Tenor bezeichneten Umfang auf einer Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG.
a) Die Beschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die vom Beklagten zur Aufrechnung gestellte Rückzahlungsforderung in Höhe von 500 € wegen rechtsgrundlos gezahlter Mieten für die Zurverfügungstellung der Vertriebssoftware im Zeitraum vom 1. Dezember 2009 bis zum 31. Juli 2011 (vgl. Bl. 898 f. d. A.) nicht beschieden und das erstinstanzliche Vorbringen des Beklagten nicht zur Kenntnis genommen und berücksichtigt hat, die Klägerin habe den Mietzins für Oktober bis Dezember 2011 ins Soll gebucht und mache demnach eine Doppelzahlung geltend (vgl. Bl. 89 d. A.).
Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Berufungsgericht in den Gründen des Berufungsurteils auf den wesentlichen Kern des Verteidigungsvorbringens des Beklagten zu einer Frage nicht ein, das für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2016 - VII ZR 28/15 Rn. 7; Beschluss vom 20. Mai 2014 - VII ZR 187/13 Rn. 6; Beschluss vom 16. März 2011 - VIII ZR 338/09, WuM 2011, 300 Rn. 3; BVerfG, NJW 2009, 1584 Rn. 14 m.w.N.).
b) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt.
aa) Der Beklagte hat in der Klageerwiderung (vgl. Bl. 89 d. A.) und in der Berufungserwiderung (vgl. Bl. 898 f. d. A.) die Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von 500 € wegen rechtsgrundlos gezahlter Mieten für die von der Klägerin zur Verfügung gestellte Vertriebssoftware im Zeitraum vom 1. Dezember 2009 bis zum 31. Juli 2011 geltend gemacht. Eine Verbescheidung dieses Aufrechnungseinwands und des diesbezüglichen Vorbringens des Beklagten ist den Gründen des Berufungsurteils nicht zu entnehmen.
bb) Das Vorbringen des Beklagten, die Klägerin habe den Mietzins für die Vertriebssoftware für Oktober bis Dezember 2011 ins Soll gebucht und mache demnach eine Doppelzahlung geltend, ist vom Berufungsgericht ebenfalls nicht verbeschieden; es ist auch erheblich. Das Landgericht, das den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch insoweit bereits aus Rechtsgründen nicht für begründet gehalten hat, musste sich mit diesem Einwand des Beklagten allerdings nicht befassen. Das Berufungsgericht ist demgegenüber davon ausgegangen, dass der Klägerin für diesen Zeitraum eine Nutzungsentschädigung dem Grunde nach zusteht. Es musste sich daher auch mit den vom Beklagten in erster Instanz gegen diesen Anspruch vorgebrachten Einwänden auseinandersetzen. Dies hat das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG unterlassen. Der Beklagte musste sein erstinstanzliches Vorbringen insoweit nicht ausdrücklich wiederholen oder in Bezug nehmen, weil das Landgericht insoweit zu seinen Gunsten entschieden hatte.
2. Das angefochtene Urteil ist danach im tenorierten Umfang aufzuheben und die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO.
3. Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).
Eick Kartzke Graßnack
Sacher Borris